Hallo Sky4ever,
in Deiner Fragestellung beschreibst kurz und knapp die beste Vorgehensweise, die ich kenne.
Das besagt natürlich nicht viel, und ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen — allerdings nur bei Ansätzen, die aus dem gleichen Lager stammen, dem Lager, in welchem man das Pferd lehrt, eigenverantwortlich und autonom zu werden, also zu wachsen.
Im Lager der Ansätze wie "antreiben und durch", "an die Hilfen stellen", konditionieren, bestrafen etc. werden nämlich Zeitbomben gebastelt, von denen keiner weiß, wann sie hochgehen — man weiß nur, daß sie es irgendwann tun.
Du sagst (man kann auch technisch geschickter zitieren, aber ich bin dafür zu blöd):
"Ich reagiere auf den Seitensprung mit ruhigem Sprechen, Halskraulen, und wenn er dann ein paar Schritte in Richtung "Gefahr" gegangen ist, mit Anhalten und

. Danach ist ein normales Weitergehen meist möglich. Ansonsten weiter Sprechen, Kraulen, Anhalten auf Kommando und Keks."
Genau richtig! (Einschließlich Timing)
Jungpferde müssen nämlich lernen, lernen, lernen — das ist das einzige halbwegs wirksame Mittel gegen Monster. Laß Dich bloß nicht irremachen! Keiner der üblichen Schrumpf-Pädagogen wird so schnell ein so verläßliches Pferd aufbauen wie diejenigen, die ihrem Pferd helfen. Nicht im Sinne von "an die Hilfen stellen", sondern im ehrlichen Sinne von helfen. Wie Du es beschreibst.
Zugegeben, auf diese Tour wird man recht schnell zum "Lone Rider", weil einem die ganzen "Jemand" irgendwann zum Hals raushängen, aber dafür geht das Pferd mit einem durch dick und dünn, statt daß man sich über eins von diesen schlecht funktionierenden Fahrrädern ärgern muß, die obendrein auch noch Futter brauchen...
Ich erlaube mir mal, Deine obige Textpassage zu "übersetzen":
"Da ist ein Monster, fliehen — Oben heißt es, Plan B ist bereit — Da ist aber ein Monster — Bisher war Plan B immer tatsächlich bereit — Plan B sagt, du kannst das — Ich kann das aber nicht — Doch, kannst du, aber notfalls kommt eben Plan B — Ich geh mal gucken — Plan B bereitet die Belohnung vor — Monster ist tot — Kann ich Plan B wegräumen und die Belohnung auspacken? — Ja, ist gut, hast du fein gemacht — Nee, Hotta, du hast wieder dazugelernt, du hast das fein gemacht — Ich? — Ja, du. Ich bin stolz auf dich — Na gut: Bin ich ein stolzes Hotta."
Wenn das Pferd weiß, daß sein Mensch mit ihm an einem Strang zieht (statt am Zügel) und die Situation lösen wird, falls es nicht anders geht, dann wächst das Pferd im Vertrauen und wird groß.
Andernfalls bleibt es klein. Oder es schrumpft sogar. Dann hat es vorerst im Gelände nichts mehr zu suchen.
Allerdings scheint es mir wichtig, noch einen Schritt weiter zu gehen. Denn Seitensprünge sind gefährlich — für den vorbeirauschenden LKW ebenso wie für das Baby im herumstehenden Kinderwagen.
Das Pferd kennt bei Monstern (abgesehen von Panik) zwei Reaktionsweisen: entweder die Geschwindigkeit beibehalten und seitlich ausweichen, oder langsamer werden, auch anhalten, aber in der Spur bleiben. Letzteres erhöht die Überlebenschancen des nebenherlaufenden Fohlens, es tritt jedoch in der Praxis seltener auf als der Seitensprung, denn da braucht das Pferd nicht "zurückzuschalten". Es gilt also, dem Pferd klarzumachen, daß es jederzeit bremsen darf — aber in der Spur.
Deshalb ist es sinnvoll, beim Pferd von klein an die Neugier zu kultivieren — und mit dem Entdecken der Welt von Anfang an das spurige Bremsen/Anhalten zu verbinden. Unterm Reiter muß man es dann erneut lehren, und bei den schnelleren Gangarten muß man es jedesmal wieder lehren. (Ich kenne nur Dreigänger, aber bei Vier- und Fünfgängern dürfte das im Prinzip wohl auch so ähnlich sein.)
Ist nun im Schreck doch mal ein Seitensprung passiert, dann lasse ich meine 5-jährige Thalie (Camargue, seit einem guten Jahr geritten — nur von mir, noch nie ein anderer Reiter) zunächst mit dem Phänomen zurechtkommen, dann spurig dran vorbei wieder zurückgehen (so langsam sie will, aber spurig), dann wieder vorwärts (idem). Notfalls wird diese Übung wiederholt — keinesfalls als Strafe, sondern mit Lob für jede Verbesserung. Alles am langen Zügel, versteht sich. Absteigen und führen ist schon lange nicht mehr vorgekommen.
(Besser als jeder Klick, jedes Lobwort, jedes Leckerli, jedes noch so perfekte Timing ist für das Pferd übrigens unsere wahre, tiefempfundene Freude, wenn ihm was gelingt. Dann lobt man das Pferd nämlich nicht, weil man bei Herrn Pavlov gelernt hat, daß man das tun soll, sondern weil einem aus vollem Herzen der Mund überfließt. Aber sowas entzieht sich natürlich der Kontrolle durch den Willen. Man kann nicht absichtlich dankbar sein.)
Einen Tag später stehen hier auf einmal ganz viele neue Beiträge...
Zitat Sky4ever:
"Für mich wird es schwierig, wenn er von jetzt auf gleich einen Seitensprung macht. Vorgestern passiert, weil es direkt neben uns im Gebüsch geknackt hat.
Einfach ignorieren? Hmm, er war ja kurze Zeit danach noch angespannt und starrte in das Gebüsch, wollte nicht weitergehen. Also habe ich mit ihm gesprochen, ihn gekrault und als er losging, ihn kurze Zeit später wieder angehalten und Keks gegeben. Ist das in dieser Situation falsch?"
Nein, keineswegs, im Gegenteil — obwohl ich lieber grasen lasse. Nach dem Schreck schmeckt Gras besonders gut, weil die Natur auf "Normalmodus" zurückschalten will. Dabei wird dann das restliche Adrenalin geerdet. Geschieht das unvollständig, weil der Reiter zu früh weitertreibt, dann bleiben Reste. Die sammeln sich, und irgendwann ist das Faß voll...
Wenn das Pferd also angespannt bleibt, ist man zu früh weitergezogen — erneut grasen lassen! (Oder anderswie die restliche Erdung eintreten lassen.) Sonst bastelt man auch hier eine Zeitbombe.
War also richtig, nur eventuell zuwenig — das kann man von außen nicht beurteilen. Ich selbst bin im Zweifelsfall lieber großzügig. (Und obendrein ist Gras gratis und man kann nicht vergessen, welches mitzunehmen...)
Viele Grüße aus der Provence, Jochen