Pferd erschrickt - und nun???

Moderator: Keshia

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Sky4ever
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Sky4ever »

Hui, viele Antworten. :danke:

Auf jeden Fall habt Ihr Recht, dass man als Reiter selbst gelassen bleiben sollte. Manchmal leicher gesagt als getan, aber insgesamt gelingt mir das während des Reiten relativ gut. (Mein Kopfkino geht vor dem Reiten los, bevor ich gesattelt und aufgestiegen bin :augenroll2: )

Und natürlich sind auch die Situationen verschieden. Immer wieder kehrende Monster wie gelbe Säcke, Mülltonnen, etc. werden von mir auch ignoriert. Da durfte er am Anfang einmal dran schnuppern, und jetzt heißt es weiterreiten, als wenn nichts wäre, auch wenn er noch sehr guckig ist. Sie sind ja nicht täglich da, aber mehrmals die Woche. Da muss er sich dran gewöhnen.

Neue Dinge, die er als gefährlich einstuft, lasse ich ihn (wenn möglich) beschnuppern. Dann ist es auch abgehakt für ihn. Dafür gibt es dann auch Kekse.

Wenn Beschnuppern nicht geht (Wassersprenger mitten auf dem Feld, fahrende riesige Landmaschinen (Trecker kennt er und ignoriert sie)), dann versuche ich es so zu machen, wie oben beschrieben. Wenn ich seine Aufmerksamkeit wieder bei mir habe, gibt es Kekse. Und dabei bin ich konzentriert, aber erstaunlicherweise sehr ruhig und relativ entspannt.

Das sind aber alles Situationen, die nicht von jetzt auf gleich passieren. Ich merke dabei ja schon beim Darauf-Zu-Reiten, dass er sich langsam anspannt und nervös wird. Dann kann ich entsprechend reagieren.

Für mich wird es schwierig, wenn er von jetzt auf gleich einen Seitensprung macht. Vorgestern passiert, weil es direkt neben uns im Gebüsch geknackt hat.

Einfach ignorieren? Hmm, er war ja kurze Zeit danach noch angespannt und starrte in das Gebüsch, wollte nicht weitergehen. Also habe ich mit ihm gesprochen, ihn gekrault und als er losging, ihn kurze Zeit später wieder angehalten und Keks gegeben. Ist das in dieser Situation falsch?

Und - zugegeben - so ein plötzlicher Seitensprung verursacht bei mir auch einen Schreck. Den kann ich nicht verleugnen. Aber weder davor noch danach sitze ich mit dem Gedanken auf dem Pferd "Es kann was passieren". Nur eben die ersten ein, zwei Sekunden danach muss ich mich auch sammeln.
Reitmaus
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Reitmaus »

Sky4ever hat geschrieben:
..
Und - zugegeben - so ein plötzlicher Seitensprung verursacht bei mir auch einen Schreck. ....
Ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil, es ist sogar gut für's gegenseitige Vertrauen, wenn man "ehrlich" zueinander ist und zugibt "huch, da hab ich mich auch eben erschrocken" ("aber ich hab dann erkannt dass es nichts Gefährliches ist"). Die beste Leitstute erschrickt sich auch mal, aber deswegen büsst sie ihr Ansehen in der Herde nicht ein. Im Gegenteil. Nur ist es wichtig, danach auch "Entwarnung" signalisieren zu können.

Ich hab sogar mal den seltsam anmutenden Tip gelesen, dass man auf einem Spaziergang ruhig selber mal "erschrecken" spielen sollte, also während das Pferd entspannt läuft, simuliert der Mensch plötzlich "Gefahr" : man springt plötzlich 1-2 Schritte vorwärts oder bleibt urplötzlich erstarrt stehen und starrt einen beliebigen Punkt an. Dann atmet man deutlich tief aus und geht uninteressiert entspannt weiter. Das Pferd würde erstaunt feststellen, dass der Mensch so toll aufmerksam war und eine mögliche Gefahr bemerkt hat, die das Pferd noch gar nicht wahrgenommen hat. Ehrlich gesagt habe ich den Tip sogar gelegentlich ausprobiert (nachdem mein Pferd aber schon "einigermassen" gelassen war im Gelände, aber immer noch in etlichen Situationen ängstlich), und war überrascht, dass es anscheinend funktionierte und das Pferd anschliessend relaxter war, da es vermutlich meinte, ich sei als Sicherheitsposten doch besser geeignet als es mir zugetraut hätte. Ausserdem kann man da (in einer unbedenklichen Situation, da kein Monster auf Kollisionskurs) die Cool-Down Körpersprache gut üben mit dem Ausatmen und Entspannen, mit dem Signalisieren "ach, es ist ja gar nicht gefährlich". Nur sollte man das vermutlich nicht zu oft machen, sonst sagt sich das Pferd hinterher "mein Mensch ist ein totaler Geländeschisser, echt nervig mit dem rauszugehen" :x :lol:
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Hina_DK
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Hina_DK »

Ob das Pferd tatsächlich so komplex dabei denkt ;) ? Ich vermute eher, dass das Pferd für sich selbst da überhaupt keine Gefahr gesehen hat und ruhig wartete, bis Mensch sich ausgehopst hat :) . Ist natürlich auch eine Form der Gelassenheitsüberprüfung des Pferdes. Wenn ich neben meinem Pferd rumhopse und ihm dabei keine klaren Signale gebe, was ich in dem Moment von ihm will, nimmt er es entweder gelassen hin und geht weiter oder er bleibt stehen, weil ich ihm dabei in die Quere komme. Ansosten würde er es sicher auch fehlinterpretieren, wenn ich neben ihm auf einmal losjogge und mein Verhalten eher als Flucht sehen. Macht er aber nicht. Im Gegenteil, der geht dann auch erst in den Tölt, wenn ich ihn direkt dazu auffordere. Ansonsten jogge ich und er geht brav im Schritt weiter ;) .
Viele Grüße
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Reitmaus »

Ich glaub das hängt von der Art des "Rumhopsens" bzw joggens ab. Pferde sehen da viel mehr Nuancen als der Mensch glaubt. Wenn ich normal los jogge, dann sag ich damit dem Pferd : "ich hätt Lust jetzt zu laufen, machst du mit?" Das kann es mit ja oder nein beantworten, und wenn "nein", dann sag ich "los, mach doch mit! Macht Spass!"


Wenn ich aber "erschreckt" losspurte, so von jetzt auf gleich volles Tempo, dann sprintet mein Pferd erstmal mit und 'denkt' : "huch, war da was? Ich hab nichts bemerkt, aber wenn du was bemerkt hast, dann flüchten wir erstmal ein Stück und gucken dann was es war." Das sieht man auch in der Herde : wenn ein Pferd erschreckt los sprintet, rennen Andere, die in der Nähe standen, auch erstmal mit, unaufgefordert, und ohne selber was bemerkt zu haben, bzw haben sie lediglich die Reaktion des Kameraden bemerkt und "glauben" ihm einfach, dass er einen Grund hatte. Was Anderes ist es wenn ein Pferd in der Herde die "verrückten 5 Minuten" kriegt und losfetzt, - da geraten Andere nicht akut mit in Fluchtstimmung. Also die können da die feinen Nuancen unterscheiden. Und wenn der Mensch sich körpersprachlich klar genug ausdrückt, wird auch dem Pferd deutlich wie es grad gemeint ist.
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Reitmaus »

Hina_DK hat geschrieben: ... Ich vermute eher, dass das Pferd für sich selbst da überhaupt keine Gefahr gesehen hat und ruhig wartete, bis Mensch sich ausgehopst hat :) . . .
Nochmal eine Ergänzung zu meinem Herdenbeispiel : wenn in einer Herde JEDES Pferd höchstpersönlich die Gefahr sehen müsste, bevor es flüchtet, wären viele Herden in einer intakten Natur (mit Raubtieren) vermutlich schnell verloren.

Wenn Jemand in höchster Aufregung ins Zimmer stürmt und schreit "raus hier, das Haus brennt", dann rennt ihr alle raus, und dann gehen nicht alle erst nachgucken ob's stimmt ;) Funktioniert bei Pferdeherden genauso.
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Hina_DK
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Hina_DK »

Ja, theoretisch habe ich das auch mal so gerlernt oder man hats mir zumindest so erzählt. Praktisch klappt das bei keinem von meinem beiden, bei den Kleinen hab ich in der Hinsicht noch kein praktisches Beispiel gehabt. Der eine flüchtet sowieso nie, selbst wenn eine Bombe neben ihm einschlägt, keine Ahnung warum, der andere denkt gar nicht dran, sich auch zu erschrecken oder eben so zu flüchten, wenn ich mich erschrecke. Der erschreckt sich nur, wenn eigentlich gar nichts ist oder er sich selbst für Gefahr entscheidet. Nun mag es ja sein, dass die beiden der Meinung sind, ich gehöre nicht zur Herde. Im Prinzip haben sie recht, denn sie sehen ja, dass ich kein Pferd bin ;) . Sicher könnte es aber auch mal bei uns solche Situationen geben, wo es klappt aber dann sicher eher, weil auch die beiden eine Gefahr erkannt haben.

LG Hina
Viele Grüße
Hina

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Jochen
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Jochen »

Hallo Sky4ever,

in Deiner Fragestellung beschreibst kurz und knapp die beste Vorgehensweise, die ich kenne.

Das besagt natürlich nicht viel, und ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen — allerdings nur bei Ansätzen, die aus dem gleichen Lager stammen, dem Lager, in welchem man das Pferd lehrt, eigenverantwortlich und autonom zu werden, also zu wachsen.

Im Lager der Ansätze wie "antreiben und durch", "an die Hilfen stellen", konditionieren, bestrafen etc. werden nämlich Zeitbomben gebastelt, von denen keiner weiß, wann sie hochgehen — man weiß nur, daß sie es irgendwann tun.

Du sagst (man kann auch technisch geschickter zitieren, aber ich bin dafür zu blöd):

"Ich reagiere auf den Seitensprung mit ruhigem Sprechen, Halskraulen, und wenn er dann ein paar Schritte in Richtung "Gefahr" gegangen ist, mit Anhalten und :keks: . Danach ist ein normales Weitergehen meist möglich. Ansonsten weiter Sprechen, Kraulen, Anhalten auf Kommando und Keks."

Genau richtig! (Einschließlich Timing)

Jungpferde müssen nämlich lernen, lernen, lernen — das ist das einzige halbwegs wirksame Mittel gegen Monster. Laß Dich bloß nicht irremachen! Keiner der üblichen Schrumpf-Pädagogen wird so schnell ein so verläßliches Pferd aufbauen wie diejenigen, die ihrem Pferd helfen. Nicht im Sinne von "an die Hilfen stellen", sondern im ehrlichen Sinne von helfen. Wie Du es beschreibst.

Zugegeben, auf diese Tour wird man recht schnell zum "Lone Rider", weil einem die ganzen "Jemand" irgendwann zum Hals raushängen, aber dafür geht das Pferd mit einem durch dick und dünn, statt daß man sich über eins von diesen schlecht funktionierenden Fahrrädern ärgern muß, die obendrein auch noch Futter brauchen...

Ich erlaube mir mal, Deine obige Textpassage zu "übersetzen":

"Da ist ein Monster, fliehen — Oben heißt es, Plan B ist bereit — Da ist aber ein Monster — Bisher war Plan B immer tatsächlich bereit — Plan B sagt, du kannst das — Ich kann das aber nicht — Doch, kannst du, aber notfalls kommt eben Plan B — Ich geh mal gucken — Plan B bereitet die Belohnung vor — Monster ist tot — Kann ich Plan B wegräumen und die Belohnung auspacken? — Ja, ist gut, hast du fein gemacht — Nee, Hotta, du hast wieder dazugelernt, du hast das fein gemacht — Ich? — Ja, du. Ich bin stolz auf dich — Na gut: Bin ich ein stolzes Hotta."

Wenn das Pferd weiß, daß sein Mensch mit ihm an einem Strang zieht (statt am Zügel) und die Situation lösen wird, falls es nicht anders geht, dann wächst das Pferd im Vertrauen und wird groß.
Andernfalls bleibt es klein. Oder es schrumpft sogar. Dann hat es vorerst im Gelände nichts mehr zu suchen.

Allerdings scheint es mir wichtig, noch einen Schritt weiter zu gehen. Denn Seitensprünge sind gefährlich — für den vorbeirauschenden LKW ebenso wie für das Baby im herumstehenden Kinderwagen.

Das Pferd kennt bei Monstern (abgesehen von Panik) zwei Reaktionsweisen: entweder die Geschwindigkeit beibehalten und seitlich ausweichen, oder langsamer werden, auch anhalten, aber in der Spur bleiben. Letzteres erhöht die Überlebenschancen des nebenherlaufenden Fohlens, es tritt jedoch in der Praxis seltener auf als der Seitensprung, denn da braucht das Pferd nicht "zurückzuschalten". Es gilt also, dem Pferd klarzumachen, daß es jederzeit bremsen darf — aber in der Spur.

Deshalb ist es sinnvoll, beim Pferd von klein an die Neugier zu kultivieren — und mit dem Entdecken der Welt von Anfang an das spurige Bremsen/Anhalten zu verbinden. Unterm Reiter muß man es dann erneut lehren, und bei den schnelleren Gangarten muß man es jedesmal wieder lehren. (Ich kenne nur Dreigänger, aber bei Vier- und Fünfgängern dürfte das im Prinzip wohl auch so ähnlich sein.)

Ist nun im Schreck doch mal ein Seitensprung passiert, dann lasse ich meine 5-jährige Thalie (Camargue, seit einem guten Jahr geritten — nur von mir, noch nie ein anderer Reiter) zunächst mit dem Phänomen zurechtkommen, dann spurig dran vorbei wieder zurückgehen (so langsam sie will, aber spurig), dann wieder vorwärts (idem). Notfalls wird diese Übung wiederholt — keinesfalls als Strafe, sondern mit Lob für jede Verbesserung. Alles am langen Zügel, versteht sich. Absteigen und führen ist schon lange nicht mehr vorgekommen.

(Besser als jeder Klick, jedes Lobwort, jedes Leckerli, jedes noch so perfekte Timing ist für das Pferd übrigens unsere wahre, tiefempfundene Freude, wenn ihm was gelingt. Dann lobt man das Pferd nämlich nicht, weil man bei Herrn Pavlov gelernt hat, daß man das tun soll, sondern weil einem aus vollem Herzen der Mund überfließt. Aber sowas entzieht sich natürlich der Kontrolle durch den Willen. Man kann nicht absichtlich dankbar sein.)

Einen Tag später stehen hier auf einmal ganz viele neue Beiträge...

Zitat Sky4ever:

"Für mich wird es schwierig, wenn er von jetzt auf gleich einen Seitensprung macht. Vorgestern passiert, weil es direkt neben uns im Gebüsch geknackt hat.

Einfach ignorieren? Hmm, er war ja kurze Zeit danach noch angespannt und starrte in das Gebüsch, wollte nicht weitergehen. Also habe ich mit ihm gesprochen, ihn gekrault und als er losging, ihn kurze Zeit später wieder angehalten und Keks gegeben. Ist das in dieser Situation falsch?"

Nein, keineswegs, im Gegenteil — obwohl ich lieber grasen lasse. Nach dem Schreck schmeckt Gras besonders gut, weil die Natur auf "Normalmodus" zurückschalten will. Dabei wird dann das restliche Adrenalin geerdet. Geschieht das unvollständig, weil der Reiter zu früh weitertreibt, dann bleiben Reste. Die sammeln sich, und irgendwann ist das Faß voll...

Wenn das Pferd also angespannt bleibt, ist man zu früh weitergezogen — erneut grasen lassen! (Oder anderswie die restliche Erdung eintreten lassen.) Sonst bastelt man auch hier eine Zeitbombe.

War also richtig, nur eventuell zuwenig — das kann man von außen nicht beurteilen. Ich selbst bin im Zweifelsfall lieber großzügig. (Und obendrein ist Gras gratis und man kann nicht vergessen, welches mitzunehmen...)

Viele Grüße aus der Provence, Jochen
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Sky4ever »

:danke2: Jochen für deine ausführliche Beschreibung/Einschätzung.

Und es stimmt, an der Hand bei Spaziergängen hat Ýmir längst gelernt, bei "Monstern" einfach stehen zu bleiben, zu gucken, zu realisieren, dass sie ungefährlich sind, weiter zu gehen.

Unter dem Sattel bleibt er meist auch einfach stehen. Aber eben noch nicht immer. Aber dein Tipp, spurig dran vorbeigehen zu lassen, ist nicht schlecht. Ich rwede mal schauen, wie ich es umsetzen kann.

Nur Grasen lassen? Damit tue ich mich im Augenblick schwer. Die blühenden Gräser wachsen ihm momentan eh schon bis ans Maul, und er macht gerade gerne Selbstbedienung, was ich nicht möchte. Da fände ich es kontraproduktiv, ihm Grasen zu erlauben.

(Warum möchte ich nicht, dass er unterwegs nach Gras hapst? Weil ich das Gefühl habe, dass er überhaupt nicht selektiert, sondern alles fressen würde, wo er ran kommt. Im Zweifel dann auch Giftiges, weil er in seiner Eile, was zu erwischen, gar nicht mitbekommt, was es ist.)
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Jochen »

Klar, so wie Du es beschreibst, wäre grasen für mich auch ein Problem, vor allem bei Giftpflanzen am Wegrand. Aber vielleicht kann ich Dir ja eine weitere Baustelle schmackhaft machen:

Grasen gehört für mich mit zur Erziehung. Pferde, die dem Reiter respektlos die Zügel aus der Hand reißen, um grasen zu können, das finde ich gar nicht schön (gelinde gesagt). Aber im Gegenzug fühle ich mich auch verpflichtet, meinerseits die Natur des Pferdes zu respektieren. Nur so kann ich guten Gewissens von Gegenseitigkeit reden.

Daher gelten bei mir grundsätzliche Regeln, selbst wenn ich sie bei weitem nicht sklavisch in jeder Situation einfordere. Für mich bedeutet grasen lassen nicht, daß das Pferd außer Kontrolle gerät und machen kann, was es will, sondern daß wir beide gemeinsam grasen — auch wenn ich selbst keins fresse, auch wenn ich im Sattel bleibe. Und selbstverständlich muß ich gelegentlich diese Regeln wieder auf den Lehrplan setzen.

Nur kann ich somit das Grasen unter anderem als Streßbewältigung verwenden — grasen ist in dem Fall "Arbeit", genau wie das Ende des Grasens.

Am Anfang habe ich es explizit mit einem Kommandowort erlaubt, später brauchte ich es nur noch zu denken (was ja ganz einfach ist). Bloß das Pferd allein durch Denken wieder in Gang zu bekommen, das ist dann eine ganze Ecke schwieriger..., aber es ist das dazugehörige Pendant, also die Meßlatte für den Erfolg.

Mittlerweile ist Thalie schon so weit, daß sie in kleinen Fällen oft autonom ein hinreichendes, aber kleines bißchen grast (z. B. wenn starker oder unangenehmer Verkehr sie genervt hat), daß sie also von alleine auch wieder aufhört, wenn sie sich wieder ruhig fühlt.

Sie bestimmt da gewissermaßen selbst die Größe der "Belohnung" (im Bereich von etwa 2 bis 5 Sekunden). Und sie hat dabei eine ganz eigene Art, meine Erlaubnis zu beantragen, eine winzige Kopfbewegung mit einem starken mentalen Druck — genau beschreiben kann ich das nicht, aber es ist jedesmal gleich. Sie gibt mir absichtlich und klar zu verstehen, was sie möchte — und allein deshalb schon spiele ich mit (aber natürlich auch, weil ich einsehe, daß sie recht hat).

Das alles klappt natürlich bei weitem nicht immer, aber ich habe meine Freude dran, daß sie das Prinzip verstanden hat, daß sie dem Abklingen ihres eigenen Adrenalins kontrolliert nachspürt...

Es wäre jedoch durchaus verständlich, wenn Du so eine Baustelle zusätzlich zum Einreiten arg kompliziert fändest. Würde höchstwahrscheinlich auch bedeuten, die Sache erst mal beim Spazierengehen anzuleiern.

Und im Falle von rabiater Selbstbedienung, die rein gar nichts von "Tischmanieren" wissen will, kann man zur Not mit einem Maulkorb sagen, jetzt wäre Schluß mit lustig... (in den man wiederum gelegentlich Gras hineinstopfen kann...)

Viel Spaß mit Deinem Jüngling! — Jochen
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Re: Pferd erschrickt - und nun???

Beitrag von Sky4ever »

Hi Jochen,

beim Spazierengehen habe ich das sogar schon so ähnlich lange etabliert. Das klappt dort auch zu 98 %. Ich kann ihn auf das Kommando "Ho" auf Gras parken, ohne dass er anfängt zu grasen. Erst wenn ich mich bücke und auf den Boden klopfe, senkt er seinen Kopf und grast.

Beim Reiten sind wir noch nicht so weit. Aber ich lasse uns Zeit. Erst einmal ist mir wichtig, dass er nicht aus Eigeninitiative anfängt zu fressen. Und dann werde ich wieder ein Kommando einführen, was es ihm erlaubt. Denn ich denke auch, dass Fressen am besten beruhigt.
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