Ruf des Natural Horsemanship

Moderator: Stjern

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wiassi
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von wiassi »

Bei umamulher kann ich unterschreiben. Ich habe damals auch lange gezögert mich mit NH zu beschäftigen, da ich auf Veranstaltungen und Messen zwar faszinierend funktionierende aber deutlich ärgerlich und auch unglückliche Pferde gesehen habe mit angelegt Ohren und Propellerschweifen. Die reine "Methodenlehre", die damals zum Erlernen von Techniken auch ohne Trainer gut schienen, waren ohne Blick auf die Persönlichkeit des Pferdes viel zu starr und ließen das Wesen Pferd völlig außen vor, Individualität erst recht. Dass ist zum Glück vorbei, da hat sich viel getan. Trotzdem verkauft jeder Trainer natürlich weiter "seine" Methode als die Beste, einzig wahre etc. NH ist aber insgesamt weit mehr, es ist eine Grundeinstellung im Umgang mit dem Pferd. Und zwar eine die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruht. Feines NH geht gar nicht ohne so manchem Vertrauensvorschuß für das Pferd. Viele, die hier schreiben, sie mögen kein NH wegen der "Dominanz" sie würden sich eben auch mal nach dem Pferd richten, wenn es eben keine Lust hat und was anderes machen...Leute genau das IST NH!!!!! Auch mal auf das reiten zu verzichten und frei mit dem Pferd zu spielen, statt Dressur auf dem Platz dem sehnsuchtsvollen Blick ins Gelände nachzugeben und auszureiten. Natural horsenmanship heißt auch, auf das Pferd einzugehen, seine Stimmungen und Befindlichkeiten richtig einschätzen zu können und diese auch zu Berücksichtigen. Aber eben auch ihm durch eigenes Handeln Vertrauen, Ruhe, Geborgenheit und Gelassenheit zu vermitteln, zum Beispiel dadurch das es ihm bei den Sachen, die es lernen soll alles so leicht wie möglich gemacht wird. Die meisten die hier mit ihren Pferden zB clickern, betreiben dabei gleichzeitig die eine oder andere Form von Natural horsemanship. Sie achten auf ihr Pferd, fordern nur so viel, wie geht, ohne es zu überfordern, sorgen für eine zumindest annähernd artgerechte Unterbringung in Gesellschaft, gute Ernährung...da wo sich die Wege trennen, steht die Frage mit wieviel Nachdruck ich etwas durchsetzen oder beibringen will, ob ich lieber mit Belohnung abeite oder mit nur mit Weglassen von Druck. Ich bevorzuge zB auch ersteres.
Es gibt aber Situationen, da muss ich mich durchsetzen, da gibt es kein wenn und kein Aber, etwa die Fahrt wegen Kolik in die Klinik. Diese haben es leider an sich, dass ich ein langsames Lernen und Heranführen in dieser Situation dann nicht machen kann, da muss es funktionieren. Also übe ich derartige Situationen. Dabei soll alles mit so wenig Druck wie möglich gehen. Wenn ich viel Druck brauche ist was verkehrt, entweder drücke ich mich nicht klar aus oder ich überfordere das Pferd. Dann muss ich eben mich reflektieren und ggf. die Aufgabe in kleinere „machbare“ zerlegen. Auch ist „Druck“ nicht immer gleich „Druck“. Ein Druck, den das ehemalige Kinderreitpferd Tengi kaum zur Kenntnis nimmt, kann für Elmi schon viel zu viel sein. Aber während ich Elmi einfach wegschicken kann zum Futtern, wenn ich was anderes vorhabe, ist das gleiche für Tengi eine harte Strafe, da er so gerne bei uns bleiben mag, wenn wir an draußen zugange sind. Er wäre der perfekte Hofhund..
"Das eigentliche Problem ist neben der Selbstreflektion immer wieder das Wort "Dominanz".
Wir haben mit Tengi einen sehr dominanten Wallach als Herdenboss, Und keine, wirklich keinerlei Verletzungen der Pferde untereinander. Dominanz heißt nicht, den eigenen Willen auf Biegen und Brechen jederzeit immer und überall immer wieder mit viel Aktion und viel Druck durchzusetzen und keinen Mucks zuzulassen. Das ist nur Unterdrückung. Dominanz heißt bestenfalls 51 % der Aktien zu halten, zu einem Selbstverständnis zu kommen wo Pferd und Mensch aufeinander achten und mit wenigen Gesten auskommen. Dominanz heißt für mich: Wenn es wirklich wichtig ist, wenn es mir darauf ankommt, reagiert mein Pferd so wie gewünscht. Und das kann das Stillstehen auf Kommando sein, wenn es unvermittelt beim Ausritt in eine verborgene Stacheldrahtschlaufe getreten ist. Dann will, dann kann ich nicht diskutieren, dann ist ein "Steh" ein „Steh" bis ich es aus der misslichen Lage befreit habe. Es bedeutet aber auch, dass man beim Ausritt wenn das Pferd nach einem kleinen Galopp fragt, dieses zulassen kann - oder eben auch nicht, weil grad die Bundesstrasse daneben liegt. Mein Pferd kommt auf der Weide an, wenn ich am Absammeln bin und fordert mich zum Spielen auf. Oder zum Kraulen. Oder möchte eine Bremse weggemacht haben. All das zeichnet unser Verhältnis aus und bricht mir keine Zacken aus der Krone „Dominanz“. Fragen darf er jederzeit, wie ich auch das Recht habe zu sagen „jetzt nicht“. Genau das gleiche entspannte Verhältnis sehe ich auch unter den Pferden, auch da fordert der rangniedere Shaman den höheren Elmi oder Tengi auf zum Spielen oder kraulen, versucht ihm spielerisch das Futter zu klauen… aber wenn Tengi entscheidet, dann gilt diese Entscheidung.

So etwas übe ich auch in der Bodenarbeit des NH und beim Reiten und fordere dabei auch Gehorsam ein. Aber eben nicht stets und ständig.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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HP-Manu
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von HP-Manu »

wiassi: :clap: :-D
Äppeln auf Dorfstrassen? Macht sie nicht, sie wartet, bis der Grünstreifen außerhalb des Dorfes auftaucht. Haben wir geübt, weil ich keine Lust habe, hinterher immer Räumkommando zu spiele
mal kurz OT: Wie bitte übt man sowas? Wenn mein Pferd muss im Dorf, dann lupft es den Schweif...ich kann ja schlecht den ganzen Mist wieder reinstopfen und dann nach dem Dorf sagen: ja, jetzt darfst du :lol:
Nicht böse gemeint, ist nur Spaß, mich würde es aber brennend interessieren wie man sowas übt. Ich habe absolut keine Idee, wie das gehen soll
calista
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von calista »

Es gab Keks für Äppeln auf grün und kein Keks für Äppeln auf Asphalt. Immer wenn sie ansetzte und grün in der Nähe war habe ich mich bemüht, sie noch schnell dahin zu bewegen, mit dem Kommando "Äppeln auf grün".. Dauerte keine 2 Wochen und nach Umzug in den neuen Stall hatte sie das auch weiterhin drauf. Klar, es geht auch mal schief, aber die Trefferquote ist sehr hoch (ich schätze mal 90 %).
In dem betreffenden Stall mussten wir durchs ganze Dorf, um an die Reithalle zu kommen. Da von überall die Reiter samt Pferd anmaschiert kamen, war die ganze Straße voller zerfahrener Äppelhaufen. Klar, dass die Anwohner bedient waren. Ab so ca. 2/3 des Weges kam dann der Randbereich des Dorfes mit Grünstreifen. Also habe ich mich drum bemüht, das Äppeln dort erfolgen zu lassen. Das war schon Reithallengelände und dort wohnt niemand. Wenn wir jetzt unterwegs sind und das Pferd äppelt draussen auf grün, gibts den Keks. So bleibt es im Gedächtnis obwohl wir nicht mehr so oft in die Verlegenheit kommen.
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HP-Manu
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von HP-Manu »

:clap: find ich klasse!
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Nelchen
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von Nelchen »

Calista, ich habe niemals geschrieben, dass Pferde die nicht nach NHS "gearbeitet" werden nicht gut erzogen wären. :mrgreen:
Das ist deine Auslegung meiner Worte!
Und es zeigt einmal wieder mehr, wie sinnlos so eine Diskussion übers Internet ist.
@wiassi ebenfalls :clap:
Genauso ist es, aber ob es verstanden wird, wenn es nicht gelebt wird?
LG Katrin

Ein Tänzer scheint nur denen verrückt, die die Musik nicht hören.
calista
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von calista »

Calista, ich habe niemals geschrieben, dass Pferde die nicht nach NHS "gearbeitet" werden nicht gut erzogen wären. :mrgreen:
Das ist deine Auslegung meiner Worte!
Das stimmt natürlich, Du hast aber das "spitze Besteck" rausgeholt und in der Sonne funkeln lassen, so würde ich das mal interpretieren und da hab ich Antennen. Das ist so wie mit dem Grinsegesicht am Ende Deiner Zeilen. Das sagt mri natürlich, dass Du das bewusst machst. Doof, wer drauf reinfällt? Nö, ich bin da sehr gelassen, muss niemanden was beweisen. Ich habe unter den ganzen NHSlern mehr mit toten Pferden im Gepäck gesehen als mit lustvoll mitarbeitenden Tieren. Von daher ist diese Diskussion sinnvoll und richtig, wenn man nicht zu sehr polarisiert. Es geht offensichtlich um die Feinheiten, die so oft von allen Seiten missachtet werden. Das Wohl der Tiere sollte dabei alle bewegen. Wenn das hier jemanden den Unterschied zwischen dem klarmacht, was landauf landab an Pferden verwurschtelt wird und was die eine oder andere Methode Sinnvolles bietet, dann lassen wir auch mal die Messerchen funkeln ;) .
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b.e.a.s.t
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von b.e.a.s.t »

wiassi toll erklärt und geschrieben :clap:
Unser Tagebuch

Cowgirl up
viewtopic.php?f=14&t=10019
Wenn Du das Seil entfernst, bleibt nur eins ... die Wahrheit, Pat Parelli


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Fionnlagh
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von Fionnlagh »

Mal abgesehen von dem, was Calista schreibt, hab ich festgestellt, dass "gut erzogen" eine ziemlich individuelle Definitionssache ist ;)
"Ich habe es noch nie getan, darum glaube ich, dass ich es kann." Pipi Langstrumpf
Axel
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von Axel »

Hi zusammen,

ich bin überrascht, was meine Eingangsfrage an Diskussion erzeugt hat.

Ich persönlich halte für mich aus dieser Diskussion einige Standpunkte fest:
- NHS wird oft mit Parelli gleichgesetzt (der wohl diesen Begriff geprägt hat)
- Egal ob NHS oder nicht, alle hier im Forum sehen das Pferd als Partner/Freund /Begleiter.
- NHS wird von einigen direkt mit bestimmten Methoden und Vorgehensweisen assoziiert, die als "gefühlt" schlecht für das Pferd wahrgenommen wurden.
- Egal war genau jemand mit seinem Pferd macht, wenn es Natural Horsemanship ist, ist es gut/ schlecht.

Also wir NHS mehr als Marke gesehen als das, was in dem Wort steckt. Pferdegerechtes Verhalten und Arbeiten ist natürlich genauso subjektiv und jeder versteht darunter etwas anderes.

Ich persönlich finde es Schade, das hier einige im Forum so stark auf das Wort reagieren. Das erinnert mich an: Jehova, Jehova.... (vielleicht kennt einer den Film ;) ).

So, äh, weitermachen :mrgreen:

Tschüs
AXel
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Muriel
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Re: Ruf des Natural Horsemanship

Beitrag von Muriel »

aber NHS _ist_ eine Marke und wird auch so vermarktet. :nix:

das was du meinst ist für mich "Horsemanship", also allgemeiner, guter, vernünftiger, bedachter Umgang mit dem Pferd. Das was einen "Horseman", einen Pferdemenschen eben ausmacht.

Das andere ist eine Technik. Und die kann mit mehr oder weniger Gefühl eingesetzt werden. Ich habe gerade aktuell ein Kundenpferd, das seit längerer Zeit mit Reitunterricht auf NHS-Grundlage gearbeitet wird. Das Pferd hat trotz nun jahrelanger Arbeit immer noch kein Vertrauen - zur Umgebung, zu seinem Menschen - in dem Sinne dass es nicht versteht dass der Mensch es beschützt.
Da läuft doch dann irgendwas verkehrt. Und das ist das was mir andauernd begegnet, eben "Produkte" von "NHS" bei denen es wohl scheinbar nicht so funktioniert und Mensch und Tier unglücklich zurücklässt.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
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