Möchte beißen (am liebsten ins Gesicht)

[Neddie]

Ich habe gestern eine Stute kennen gelernt, deren Besitzerin mir vorher sagte, sie käme leider nicht mir ihr klar, bei ihren RBs sei es aber kein Problem.
Da kam ich also an die Box, bekam ein Leckerli zum verabreichen in die Hand gedrückt, das wurde brav genommen und ich habe ein wenig am Hals gestreichelt, weil der eh grad so schön über die Box ragte. Dann wollte die Nachbarstute diese beißen und dann ging es plötzlich los: D. wollte mir zuerst in den Arm beißen. Hab mich erschrocken, aber na ja, Stuten halt (dachte ich mir so ). Dann habe ich nur noch ganz vorsichtig ein bisschen am Maul gestreichelt, was anscheinend auch o.k. war, jedenfalls wurde der Kopf nicht zurück genommen, Lippen/Nüstern entspannt. Die Besitzerin wollte sich ihr nähern, da wollte D. auch sie beißen. Dann war wieder kurz Ruhe. Auf einmal kracht die Brust an die Boxentür und sie zielt mit ihren Zähnen auf mein Gesicht!
Da habe ich ihr quasi aus Reflex eine gescheuert natürlich darf man das nicht machen, aber noch NIE hat ein Pferd gezielt versucht mir ins Gesicht zu beißen!! Die Besi macht das aber offensichtlich nie!
Dann haben die Besi und ich mehr Abstand gehalten, aber die Beißattacken kamen trotzdem. Als die Besi um mich rum gehen wollte, um die Nachbarstute zu beruhigen, hat D. sie tatsächlich im Gesicht erwischt Aber zum Glück nicht richtig rein gebissen, sondern die Zähne an den Kiefer geschlagen.

Die besi meinte auch, dass D. ihr sofort den Hintern zudreht und ihr droht, wenn sie die Box betritt.

Natürlich ist klar, dass hier etwas im argen liegt. D. hat (Achtung, jetzt kommt Westentaschenpsychologie) ziemlich deutlich ausgestrahlt, dass sie unsicher-aggressiv ist. Bei Personen, die unsicher sind im Umgang (ihre Besitzerin ist, genau wie ich, der zurückhaltende Typ) ist sie aggressiv, aber ich hatte den Eindruck, dass sie sich einer Führungspersönlichkeit "dankbar" unterordnen würde.

Wie würdet ihr die Problemlösung angehen? Ich wollte nicht zurück weichen, aber wenn Zähne angeflogen kommen, bring ich mein Gesicht in Sicherheit Wie zeigt man so einem Tier, dass es a) keine Angst haben braucht weil man b) die Führung übernimmt? bzw. sollte die Besi mit einem ruhigen Tier erstmal ihre Führungsqualitäten ausbauen, oder kann man direkt mit D. arbeiten?

[ehem User]

Du schreibst, sie stünde in der Box....... wie lange am Tag steht sie denn da? Steht sie auch öfter mal in der Herde auf der Weide, wo sie normalen, pferdischen Umgang hat? Ohne mehr über die Haltungsform und ihren Tagesablauf oder gar über ihre Geschichte zu wissen, ist es natürlich nicht wirklich möglich, was dazu zu schreiben, aber offensichtlich hat sie Probleme mit Räumen und Grenzen, warum auch immer, und hat das Gefühl, sich "verteidigen" zu müssen, und sei es durch Angriff. Also schreib doch mal ein bisschen mehr über sie, ihre Haltung, de Umgang mit ihr und ihren Alltag.

Mein Stute ist auch eine Zicke, die ab und zu mal die Ohren anlegt und giftet, aber ganz offensichtlich immer nur dann, wenn es ihr "zu eng" wird und in Situationen, wo ihr zu schnell und zu aufdringlich auf die Pelle gerückt wird, sei es durch Mensch oder Pferd. Das muss man einfach respektieren, jedes Pferd braucht seinen Raum, seine Grenzen, die man nicht zu schnell und zu ungefragt übertreten darf. D.h. nicht, dass man sich das gefallen lassen muss, aber man muss dem Pferd die Zeit udn die Chance geben, seine Angst und sein Misstrauen zu überwinden und seine Grenzen und Raum in dem Moment für den anderen zu öffnen. Wenn man das nicht tut und einfach so einbricht, dann kommt es zu solchem Verhalten. Das kann auch dann schon sein, wenn man einfach nur 5 m weit weg steht und nichts tut.

Und natürlich kann es auch eine Übersprungshandlung sein, mit der das Pferd innere Widersprüche auflöst.

[Lottehüh]

Piebalds Fragen hätte ich auch gestellt.

Außerdem: wie lange kennen sich D. und ihr Mensch und was machen sie so miteinander?

Auffallend finde ich, dass das ganze erst angefangen hat, nachdem es Stress mit dem Nachbarpferd gab. Wenn die beiden Pferde nicht klarkommen und D. deshalb unter Dauerstress steht (sie muss ja die ganze Zeit neben dem anderen Pferd – und das auch noch sehr nah – stehen), ist dieses Verhalten mehr als verständlich.

[Neddie]

Ihre Besitzerin sagte, dass die Nachbarstute am Anfang ständig von D. gebissen wurde, bis sie irgendwann anfing, zurückzubeißen. Ich kenne die zwei nicht wirklich, deshalb weiß ich nicht, wie ihr Alltag aussieht. Die beiden stehen jetzt seit 5 Tagen in der Box, weil die andere Stute verletzt ist und nicht alleine stehen bleibt.
Natürlich verstehe ich dann auch Aggression, wenn sie sich nicht bewegen kann (geritten wird sie aber wohl täglich) und auch, dass vorallem Stuten einen zwicken (in Ärmel oder Po), oder es zumindest anttäuschen.
Aber in der Form habe ich es wirklich noch nie gesehen und es kann doch auch nicht angehen, dass es nach einigen Stehtagen lebensgefährlich wird in die Box zu gehen

[ehem User]

Mir sind ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen wie Piebald.

Beissen kann unterschiedliche Ursachen haben, einer meiner Wallache hat anfangs viel gebissen und zwar aus Unsicherheit. Als er sich eingelebt hatte und im Gegensatz zu seiner Vergangenheit nur noch mit einer Bezugsperson zu tun hatte, ließ er das von ganz alleine. Dieser Wallach kriegt die Krise bei sehr unsicheren Menschen, die trotz ihrer Unsicherheit irgendwas von ihm wollen (hab ich hier mit Besuch erlebt).

Bei deiner Beschreibung drängte sich vor meinem inneren Auge aber das Bild auf von einem räumlich begrenzten (weil in der Box stehend) Pferd auf, das sich selbst nicht wegbewegen konnte. Nebenan eine Stute, die giftet, der sie aber auch nicht ausweichen kann und ihr zu zweit (zu nah?) vor ihrer Box und auch von euch kann sie nicht weg. Dann wollte sie evtl. auch nicht angefasst werden. Wie soll sie sich in so einem Fall der ihr unangenehmen Situation erwehren? (Vielleicht lagen ihr Gründe auch anders, aber eben dieses Bild entstand bei mir)
Und dann kommt noch das zum Tragen, was Piebald gefragt hat: Wie lebt sie denn, in welcher Haltungsform? Ist sie damit zufrieden? Sprechen wir von einem insgesamt zufriedenem Pferd?
Beschreib doch dazu noch mehr, das wäre hilfreich.

Edit sagt: Hab übersehen, dass du schon zwischendrin noch was geschrieben hast

[Neddie]

Ich kenne das Pferd ja nicht wirklich, ich war nur zu Besuch da. Aber ich war ehrlich schockiert von der heftigkeit der Attacke!! Ihre Besi ist eher unsicher im Umgang, aber nicht aggressiv oder laut.
Zu dem der Situation entziehen: Wenn mein Wallach keine Lust mehr hat sich an der Boxentür kraulen zu lassen, geht er nach hinten in die Box. Hätte der Stute durchaus frei gestanden, groß genug war sie. Vielleicht wollte sie aber auch nicht weichen, sondern die EIndringlinge vertreiben. Aber so heftig...

[Stjern]

Die Antwort auf Piebald`s Fragen würden mich auch sehr interessieren. Und ob bekannt ist, wann das Verhalten anfing aufzutreten?
Aus der Beschreibung heraus entnimmt man, dass der auslösende Trigger für das Verhalten, der Angriff aus der Nachbarbox war. Danach waren dann die "Rollos" runter bei der Stute.

Insofern würde ich darauf tippen, dass das Pferd in eine Selbstverteidigungshaltung gegangen ist und dann eben alles um sich herum "platt" macht. Das klingt nach einem sehr unsicheren verängstigten Tier. Dazu passt, dass sie sich einer Sicherheit ausstrahlenden Person gerne anschliesst. (So aus der Ferne orakelt)

Die Besitzerin finde ich bemerkenswert und sehr beachtenswert. Sie hat das Problem schon erkannt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie bereit ist daran zu arbeiten, wenn sie sich schon so weit "geoutet" hat. Und sie scheint sich eher auch dem eigenen Problem stellen zu wollen, denn sonst hätte sie schon verkauft.
Ratsam wäre es, wenn sie jemanden findet, der den Prozess auf der pferdischen und auch bei ihr auf der menschlich psychologischen Ebene kompetent und einfühlsam begleiten kann.

Vielleicht finden sich auch Adressen hier im Forum, wenn Du nachfragst. Schwierig ist, den richtigen Trainer zu finden. Da sollte die Besitzerin auch nicht schnell aufgeben und notfalls etwas Frustrationstoleranz bei der Suche beweisen. Denn meines Erachtens sollte weder Pferd noch Mensch dabei auf der Strecke bleiben. Denn schnell wird bei so einem Pferd der Weg gegangen gewaltsame Dominanz auszupacken oder vom Besitzer einzufordern. Dann wäre das Geld nicht nur vergeudet, sondern kontraproduktiv für Beide rausgeschmissen.

Die Frage ist, ob Du der Besitzerin das so vermitteln kannst, dass sie es annehem kann ohne sich unangenehm berührt oder gar verletzt/angegriffen zu fühlen?

Wenn Du mit schonmal Lust hast mit ihr an einem "unkomplizierten" Pferd etwas zu üben, ist das sicher nicht verkehrt. Ich würde allerdings keine Wunder erwarten in Bezug auf die Stute.

Was eventuell (unter Vorbehalt natürlich) auch beiden helfen könnte, wäre ein Stallwechsel (aber wie gesagt, unter Vorbehalt). Denn vom Regen in die Traufe rennen ist auch unbefriedigend.

[-Tanja-]

Mir ging als erstes beim Lesen Deines Eingangsposts durch den Kopf, daß sie vielleicht auch einfach nur nicht gekrault werden möchte - wobei die Haltungsbedingungen, etc. natürlich auch auf einiges anderes schließen lassen. Ich beobachte das bei vielen Tieren, die es dann aber trotzdem klaglos hinnehmen und sich dauernd betätscheln lassen (müssen). Anders mein Wallach, bei dem ich dieses menschliche Bedürfnis auch hin und wieder ausleben möchte : der zeigt sofort, daß er das nicht mag, macht sich groß, quietscht, nimmt den Kopf weg, o. ä.. Dementsprechend habe ich mir auch abgewöhnt, dauernd an meinen Tieren herumpusseln zu wollen.

Zu dem der Situation entziehen: Wenn mein Wallach keine Lust mehr hat sich an der Boxentür kraulen zu lassen, geht er nach hinten in die Box. Hätte der Stute durchaus frei gestanden, groß genug war sie. Vielleicht wollte sie aber auch nicht weichen, sondern die EIndringlinge vertreiben. Aber so heftig...

Wenn das Tier gezwungen werden muß, sich zu verkrümeln, um ihm unangenehmen Berührungen aus dem Weg zu gehen, finde ich das schade. Ich frage mich manchmal, wie ich das fände, wenn dauernd Leute zu mir herkämen, um mir durch die Haare zu wuscheln... Bei fremden Tieren unterlasse ich das deshalb sehr konsequent.

Nur so als Gedankenanstoß.

[Neddie]

Die Unsicherheit scheint meiner Meinung nach tatsächlich recht deutlich durch. Ich werde mal sehen, ob ich der Besitzerin schonend beibringen kann, dass sie sich Hilfe bei einem Trainer/Trainerin holen könnte. Sie ist natürlich tot traurig, dass das Verhältnis zwischen ihr und der Stute so "schlecht" ist. Sie glaubt im Moment wohl, dass das Pferd sie einfach nicht ausstehen kann. Wenn das so bleibt, wird sie sie bestimmt verkaufen
Ich habe sie gestern dazu nicht befagt, aber ich denke darüber nach, wie man mit so einem Pferd überhaupt anfängt zu arbeiten. Sie kann sie ja nicht mal aus der Box holen, ohne Angst vor echtem körperlichen Schaden haben zu müssen.
Wenn es meine wäre, würde ich sie wahrscheinlich als erstes in einen Aktiv- oder Offenstall stellen (mit gaaanz dicken Handschuhen und Skimütze beim Umzug )

[Neddie]

Tanja ich bin ja gekommen um die Stute kennen zu lernen. Wenn dann ein Kopf über die Boxentür kommt, und sich eine Keks abholt, streichel ich quasi automatisch. Was macht man denn, wenn einen jemand am Kopf berühren will, man selbst will das aber nicht? Genau, den Kopf zurück ziehen! Ein Stück hätte ja gereicht, bin ja nicht blöd. Hat sie aber nicht. Ich würde verdammt blöd gucken, wenn ich zum Beispiel einem Kind über den Kopf streicheln will und das mir in die Hand beißt, statt den Kopf zurück zunehmen. Ich würde aber gerne noch einmal auf das beißen zurück kommen:
Wie könnte man das eventuell zunächst einmal "separat" abstellen? Man kann sich ihr ja nicht gefahrlos nähern, was das arbeiten ziemlich schwierig macht