Zunächst mal glaube ich ganz sicher, dass die meisten Verhaltensweisen von Pferden, die oft als "dominant" interpretiert werden, nicht wirklich was mit Dominanz zu tun haben. Wenn ich entscheide, wie ich auf ein unerwünschtes Verhalten meines Pferdes reagiere, habe ich nie das Gefühl, dass die Frage nach der Dominanz mir dabei irgendwie behilflich wäre. Die meisten Probleme lassen sich für mich klären, wenn ich mir klar darüber werde mit welchem Verhalten des Gegenübers ich gut klar komme und durch welche Verhaltensweisen dafür sorgen, dass ich mich nicht mehr wohl fühle. Und genau das versuche ich dann eben auf eine Art und Weise zu vermitteln, die dem Pferd genau das zeigt: "ICH fühle mich nicht wohl" (im Gegensatz zu "DU machst das verkehrt"), optimalerweise in Kombination damit, dass ich alternative Verhaltensweisen anbiete und bestärke, mit denen ich mich wohl fühle. Ich glaube, dass ich diese Botschaft relativ interpretationsunabhängig sende, also sowohl in Situationen, in denen das Pferd das Verhalten aus Enthusiasmus zeigt oder infolge nicht gelernter Umgangsregeln oder aus Angst oder Ärger oder warum auch immer.
Obwohl Dominanz für mich also keine direkte Handlungsrelevanz hat, finde ich das Konzept sehr spannend. Ich glaube durchaus, dass es sowohl bei Pferden als auch bei Menschen mehr oder weniger dominante Persönlichkeiten gibt. Ich persönlich mag es sehr, mit dominanten Personen zu tun zu haben, egal ob Pferd oder Mensch. Mir gibt das die Sicherheit, dass der andere für sich selbst aufkommt, was mir insofern wichtig ist, weil ich selbst eine sehr dominante Person bin (wenn auch nicht offensiv unterbutternd sondern eher ruhig und freundlich, aber eben sehr klar in Bezug auf die Dinge die ich will). Damit gehe ich im Umgang mit anderen ständig die Gefahr ein, dass die Dinge so laufen wie ich es will und gegenteilige Vorlieben des anderen übergangen werden. Zum Beispiel fällt es mir total leicht, ein Pferd dazu zu bringen, das zu tun was ich will. Das geschieht zwar meist in einer fröhlich-belohnungsbasierten Weise, aber das Ergebnis ist trotzdem, dass ICH am Ende mein Ziel erreicht habe.
Mein (sehr un-dominanter) Titum zum Beispiel liebt es, spazieren zu gehen und findet Bodenarbeit auf der Koppel nur mäßig spannend. Trotzdem kann ich ihn in Zeiten, in denen ich zu faul zum Spazierengehen bin, dazu bringen, freiwillig auf der Koppel mit mir zu arbeiten und komplett auf Spaziergänge zu verzichten. Ich glaube noch nicht mal, dass er dabei unglücklich ist. Aber das wobei er wirklich aufblüht bleibt dann eben außen vor. Summy und Pia dagegen sind beides sehr dominante Persönlichkeiten. Das macht mir den Umgang mit ihnen leichter, einfach weil ich mich darauf verlassen kann, dass wenn sie etwas mit mir machen sie das auch wirklich wollen und dass ich es deutlich zu spüren bekomme, wenn sie es nicht wollen. Für mich die perfekte Situation, denn dann kann ich frei agieren, ohne mir ständig Sorgen zu machen, ob das für den anderen gerade okay ist.
Mein Hauptziel im Umgang mit Pferden ist, dass sie sich stark fühlen, also eine gewisse Dominanz entwickeln. Und selbst wenn das bedeuten würde, dass sich mein Pferd mir überlegen fühlt... so what? Ich genieße das sogar, dass Summy der Chef unserer Herde ist und mich beschützt, oder dass Pia die Prinzessin ist, um die sich scheinbar ihrer Meinung nach das gesamte Universum dreht. Auf bestimmte Verhaltensregeln einigen können wir uns völlig unabhängig davon trotzdem. Aber keine Bravheit und Anschlussfreudigkeit dieser Welt könnte mir so viel bedeuten wie einfach beobachten zu können, wie ein Pferd diese starke, in sich selbst vertrauende Ausstrahlung von "Ich kann!" an den Tag legt.

Mich würden eure Meinungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit Dominanz interessieren, sowie eure Ansichten darüber ob man so ein Konzept überhaupt braucht, ob es für euer Verhältnis mit euren Pferden eine Rolle spielt und wie ihr damit umgeht.