Pferd reiten und fahren, Vorteile?, Nachteile?

[Stjern]

Das Thema fahren und reiten gleichzeitig wird ja kontrovers diskutiert.
Mein Mann und ich haben nun einen "Neuzuwachs" und zwar einen schweren Irish Cob. Nun schwebt die Frage im Raum, ob Fahren nicht doch eine Erweiterung wäre.

Mich würde nun freuen, von Erfahrungen zu hören, ob Reiten und Fahren gut geht. Welche Vorteile/Nachteile gibt es?
Hat einer vielleicht schonmal das eine oder andere wieder "abgeschafft"? Wenn ja warum?
Kann ein Pferd "umschalten", von "ziehen und Schub bringen" auf "reiten und Tragen"?

[SirMax]

Als erstes ich bin kein Experte!!

ich kann dir jetzt nur meine persönliche Meinung und Einschätzung sagen (und die basiert auf eigene Erfahrungen und Gefühl) (Reiten ca. 30 Jahre im Freizeitbereich, Fahren Fahrabzeichen Kl 4 (2010) und 3 (2011)

dein Pferdchen bringt ja von der Rasse (Bilder?) schon die besten Voraussetzungen mit um eine Kutsche zu ziehen so wie unser Max – wo man nicht gleich Angst haben muss ohjeee schafft das arme Tier so ne Kutsche

Ich denke die Mischung aus Reiten, Fahren, Longieren und auch Bodenarbeit macht es aus – die Abwechslung so ist mein Empfinden tut unserem Max ganz gut – wobei natürlich das Fahren schon allein vom Gebiss her wesentlich „schärfer“ ist und man in der einen oder anderen Situation auch „härter“ reagieren muss. Wenn man aber auch beim Fahren den Kopf einschaltet und dem Pferd nicht zuviel zumutet ist es bei der richtigen Mischung kein Problem. Denke ich!

Ich bin bei Max sogar der Meinung ihm gefällt es auch wenn er ab und zu mal schön lange Trabstrecken frei ohne lästigem Reiter im Rücken gehen darf… und ich denke dass tut dem Rücken auch richtig gut – logisch hat man das auch beim Longieren…. Aber wenn er sich mal bei so einem richtig schönen laaaaangen Waldweg austraben kann – hat das schon was.
Und es werden auch wie bei uns wenn wir verschiedenen Sportarten betreiben (falls wir neben unseren Pferden noch Zeit haben) verschiedene Muskelgruppen beansprucht.

Beim Reiten hab ich mich am Anfang schwer getan, da natürlich ein Pferd dass mit einer Kandare gefahren wird… dich mit einer Wassertrense nur auslacht und es war auch so… allerdings wollte ich nicht wie viele Fahrer und auch Reiter empfohlen haben auf ein schärferes Gebiss beim Reiten umsteigen – wir haben es mit viel Zeit, Geduld, Schweiß (ja auch Angstschweiß) geschafft. Ich reiten ihn heute mit einer doppelt gebrochener Knebeltrense und in der Zwischenzeit geht er mir nur noch selten gegen die Hand und ich kann ihn in allen Ganarten im Tempo nach meinen Wünschen regulieren … meistens

Er lässt sich etwas schlecht biegen – aber ob das jetzt mit dem Fahren zusammenhängt ?? kann ich nicht sagen -

Ich bin froh dass wir ein Fahr-Reit-Kombi haben, da mein Mann nicht reiten darf können wir das schöne Hobby Pferd gemeinsam erleben und gemeinsame Kutschfahrten zu dritt (Rainer, Max und ich)

Kann ein Pferd "umschalten", von "ziehen und Schub bringen" auf "reiten und Tragen"?

Es hat gebraucht aber Ja (wobei ich hier sagen muss Max war erst gefahren und dann geritten andersherum stelle ich mir einfacher vor)

….. also was mir hier am meisten auffällt beim Reiten, ist wenn Max auf Asphalt einen Berg sieht, dann bekommt er einen Schritt und strengt sich unter mir an als ob er die Kutsche „nehmen“ müsste – das fühlt sich lustig an – depremiert mich aber manchmal sooooo schwer bin ich doch auch wieder nicht Hahah

ich hoffe ich konnte dir ein bisschen Input geben

[Schattenstern]

Mit reiten und Fahren gleichzeitig kenne ich mich nur begrenzt aus. Ich weiss dass meine Anneke früher geritten und gefahren wurde und das gut vertragen hat. Heut wird sie nach einem heftigen Kutschunfall (mehrere Autos mit der Kutsche mitgerissen, die Stute die neben ihr eingespannt war hat immernoch einen Riss in der Zunge von der Fahrkandare) nurnoch geritten und ist relativ fein am Maul. Wenn ein Pferd gut gefahren wird, geht aber beides gut. Haben eine Ponystute, die ab und angefahren wird (allerdings nur auf Trense), die ein superweiches Maul hat.
Ich sehe also eher nur Vorteile darin, beides zu machen. Solang man von beidem Ahnung hat und weder den Rücken noch das Maul kaputtmacht.
Durchs Fahren entwickeln die Pferdis nämlich super Zug-/Schubkraft, was sich super aufs Reiten auswirkt. Und auch ne lange Strecke im flotten Trab geradeaus ohne Reiter tut jedem Pferd gut.

[Veilchen]

Hallo,

wir machen beides. Und ja, die Pferde können ohne Probleme beides machen und in beidem wirklich gut sein.

Unsere beiden Pferde werden auf Liverpool-Fahrkandare gefahren. Reiten können wir beide ohne Probleme auf Wassertrense.

Beide Sportarten ergänzen sich für die Pferde hervorragend. Kutsche fahren ist ein wunderbares Rücken und Hinterhandtraining. Durch das Reiten werden die Pferde schön gerade an der Deichsel.

Vor allem Nemo sieht man es richtig an, wie sehr ihm das Wagen ziehen Spaß macht. Ist da doch kein Reiter oben drauf, dem es mal wieder zu flott wird. Er liebt es vor dem Wagen seine km zu traben.

[Stjern]

Danke für die Erfahrungsberichte.
Finde ich ja echt spannend, dass doch einige Fahren und Reiten. Über noch mehr Berichte und Meinungen würde ich mich riesig freuen. Bitte, bitte.

Nochmal hinterherhaken würde ich gerne mit der von jedem angesprochenen "Weichheit im Maul". Woran liegt es, dass Fahrpferde eher als härter im Maul gelten als Reitpferde? Liegt es daran, dass ein Fahrer weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf das Pferd hat als ein Reiter und deswegen eher am Zügel zieht oder vielleicht sogar ziehen muss? Ist das Notwendigerweise so?

Bzw. gibt es bei den Fahrgebissen genauso grosse Unterschiede, wie bei den Reitgebissen? Und gibt es nur Kandaren beim Fahren?

Sorry für die Unwissenheit, aber Fahren war bisher ausserhalb meiner Welt .

(Sir Max) Ich werde mich um ein Bildchen kümmern.

[Veilchen]

Hallo,

wie hart oder weich das Pferd im Maul bleibt durch das Fahren, hängt ganz alleine von der Fahrerhand ab. Klar, Deine einzige mechanische Bremse an der Kutsche sind halt den Leinen. Du wirst kein gut gefahrenes Pferd über die Bremse an der Kutsche langsamer kriegen. Gebremst wird mit Stimme und die Leinen. Bei dem Versuch mit der Fußbremse der Kutsche zu bremsen, wird Dir das gut gefahrene Pferd eher heiß, weil es ja gelernt hat, es wird schwer und nun muss ich richtig los legen, dass wir den Berg hier hoch kommen. Die Bremse an der Kutsche ist dazu da, dem Pferd bergab die Kutsche weg zu bremsen, damit es nicht aufhalten muss.

Und ja, außer den Kandaren gibt es noch Doppelringtrensen zum Fahren. Die empfinde ich aber fast als noch schärfer, weil Du da außerdem noch eine wunderschöne Nussknackerwirkung hast.

Es spricht aber doch nichts dagegen, dass Du Dein Pferd mit dem normalen Reitgebiss fährst. Die Renn-Traber werden auch meist ohne Stangen gefahren.
Abgesehen davon, kannst Du ja auf Stange fahren, aber die Leinen in den Schaumring, also ohne Hebel verschnallen. Machen wir beim Einspänner auch. Beim Zweispänner verschnallen wir mit mini mini Hebel. Und wichtig ist: Kläre mit Deinem Versicherer, ob das Fahren -auch auf normale Trense- mit abgesichert ist. Manche haben das leider nicht.

[Goya]

Hallo Stjern,

ich kann Veilchen nur zustimmen - ein Pferd ist so hart oder weich im Maul wie der Reiter oder Fahrer am anderen Ende. Und der Trend im Fahrsport geht immer mehr zu "normalen" Gebissen - es muss nicht immer eine Kandarre sein.
Die Tatsache, dass viele Fahrpferde relativ hart im Maul sind, liegt m.E. daran, dass der Fahrsport meist eine Männerdomäne war (auch hier tut sich in den letzten Jahren einiges) und - sorry liebe Männer - viele da nicht gerade zimperlich mit den Leinen umgehen. Da spielt dann einfach Kraft eine Rolle - ich hab schon Gespanne erlebt, die man als normale Frau, die nicht jeden Tag Bodybuilding macht, kaum fahren konnte. Aber all das muss nicht sein, wir haben z.B. einen tollen Trainer, der sehr viel Wert darauf legt, dass man quasi nichts in der Hand

Um noch mal aufs Reiten zurückzukommen - Reiten und Fahren ergänzt sich wunderbar und das zeigen auch "große" Turniersportler. Ludger Beerbaum z.B. trainiert seine Springpferde mit einer speziellen Kutsche:


Und die meisten Fahrpferde werden regelmäßig geritten, die Profis haben sogar eigene Bereiter.

Bei der Equitana letztes Jahr gab es beim Fahrertag eine ganz tolle Demonstration dazu - da wurde ein Pferdchen erst geritten während das andere erst gefahren wurde und nach ca. 10 Minuten wurde dann getauscht - vor Publikum mitten in der Halle. Muss mal gucken ob ich das noch irgendwo im Netz finde.

EDIT: Hier ist zumindest der Bericht dazu http://www.equitana.com/fn_die_vielseit ... 8.452.html

Nochmal EDIT: Jetzt hab ich auch die Fotos

[SirMax]

WOW Goya, super toller und informativer Bericht...

dem kann ich (auch den teilen die ich noch garn nicht wusste ) nur Zustimmen.... auch bei uns war es so dass wir erst bei unserem 2. Fahrleherer (aber auch ein Mann) gelernt haben mit viel nachgebender Hand zu fahren !!

[Veilchen]

Oh ja, ich habe auch einen Fahrausbilder der sehr auf nachgeben bedacht ist. Das war mir auch sehr wichtig. Und den Bericht muss ich unbedingt auch noch lesen.

Ich denke, ein hartes Maul kann ich auch durch reiten erhalten. Da ist immer der Mensch am Zügel oder an den Leinen schuld. Wobei ich z.B. extra für den 2-Spänner ganz leichte Biothane-Leinen gekauft habe. Erstens, weil mir die Lederleinen immer zu schwer waren beim Fahren und zweitens habe ich dann gemerkt, dass die Pferde viel williger sich strecken und Leine nehmen, wenn ich die Leinen aus der Hand kauen lasse. Die Lederleinen sind ja auch schwer auf die Strecke gesehen und wenn sich die Pferde da Leine nehmen sollen geht das auch auf´s Maul. War zumindest bei unseren Ponys so.

[Stjern]

Hallo Sir Max hier das versprochene Bildchen

Unser Irish Cob, gerade 4 geworden. Er hat eine lange Reise hinter sich und dazu noch einen Infekt bekommen, den wir gerade behandeln. Aber er wird bestimmt noch ein ganz hübsches Pferd werden.