.Anni. hat geschrieben:
Wenn wir dies aber tun, und damit komme ich zum eigentlichen Punkt, dann sehe ich mich in der Verpflichtung ihnen so viele Entscheidungsfreiheiten wie möglich zu bieten.
Hm, das ist ein Punkt, den man sehr vorsichtig betrachten sollte. Es ist nicht immer gut, wenn man so etwas zuläßt, weil es immer noch Tiere sind, die nach ihren Instinkten handeln, was aber sehr oft mit äußeren Gegebenheiten kollidiert und für den Menschen und auch das Pferd zu wirklich gefährlichen Situationen führen kann. Ich denke ein gewisser "Zwang" wenn wir das so nennen wollen, ist auch zur Erhaltung der Gesundheit notwendig und gehört zu meiner Verantwortung dem Pferd gegenüber. Nehmen wir als Beispiel das Fressen. Lasse ich z.B. unserem Pony die Entscheidung, ob er Hafer bekommt und wenn ja, wie viel er davon fressen möchte, kann ich ihn anschließend garantiert einschläfern lassen. Genauso verhält es sich mit der Wiese. Ganz sicher will er 24 Stunden Wiese haben, aber ich muss bei ihm wegen Rehe aufpassen und werde ihm im Sommer nur halbe Weidezeit geben und den Rest des Tages mit Heu auffüllen. Dürfte er entscheiden, würde das Heu zu kurz kommen.....

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Die Frage ist, was kann man bedenkenlos dem Pferd überlassen und was will ich eigentlich? Reicht es mir, das Pferd auf der Wiese zu beobachten, sind sicherlich andere Entscheidungen zu treffen, als wenn ich gerne reite oder mich anders mit dem Pferd beschäftige.
.Anni. hat geschrieben:Sie sollen sich als Individuen mit ihren Wünschen respektiert fühlen und ich möchte an einen Punkt gelangen, an dem sie lieber mit mir zusammen sind, als z.B. sich dem Gras am Wegesrand zu widmen. Ein langer, langer Weg...

Das würde aber bedeuten, dass Du von Deinem Pferd verlangst, gegen die Natur zu entscheiden......

Sie sind von der Natur dazu programmiert, keine Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme auszulassen und da kommen wir wieder zu dem Punkt wie viel gut ist und wie viel schadet.
.Anni. hat geschrieben:Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.
Aus meiner Beobachtung heraus gehen sie nur dann ruppig miteinander um, wenn die äußeren Bedingungen dies quasi einfordern. Zu wenig Platz, zu wenig Futter, unpassend zusammengestellte Gruppen. Haben sie von allem genügend und passt alles, drohen sie zwar und tun vielleicht mächtig, aber sie verletzen sich nicht mutwillig um etwas zu erreichen.
In der freien Natur läuft es etwas anders, da will z.B. ein Hengst, dass nur seine Gene weitergegeben werden, diesen Wunsch setzt er auch mit Gewalt durch, wenn ein anderer Hengst ihm dies streitig machen will. Aber hier geht es um das echte Überleben und ein Hengst, der seine Gruppe nicht beschützen kann, gibt "schwache" Gene weiter und damit ist das Überleben der Gruppe gefährdet. Daraus jetzt das Recht abzuleiten, dass man grob zu ihnen sein darf, ist ein selbst gebasteltes Bild, um unfaires Verhalten oder auch Hilflosigkeit zu rechtfertigen. Damit meine ich jetzt nicht heftiges Wedeln mit dem Strick oder ähnliches, sondern körperliche Züchtigung, die als notwendiges Mittel zur Erziehung angewandt wird.
.Anni. hat geschrieben:Auch was Leittiere angeht sehe ich es nicht so, dass sie sagen, wo der Hammer hängt. Warum sollte z.B. das Leittier ein anderes Pferd verscheuchen wollen, wenn es nur ein paar Schritte in die andere Richtung machen müsste, um weiter zu fressen. Das wäre doch Energieverschwendung.
Und warum sollte eben jenes verscheuchte Pferd dann nicht einfach gehen, anstatt es zu solch grobem Verhalten kommen zu lassen, wenn es jetzt gerade nicht wirklich an diesem Ort grasen muss.
Versteht man, was ich meine?
Ich schreibe das nur so ausführlich, weil ich immer wieder höre, dass Pferde untereinander ja auch nicht zimperlich sind und die Menschen sich damit oft das Recht herausnehmen diese Grobheit zu übernehmen. Das ist mMn jedoch nicht notwendig und auch nicht fair, wenn man sich bewusst macht, dass Pferde eben auch mit kleinsten Signalen (die der Mensch oft nicht wahrnimmt) kommunizieren, wenn sie die Wahl haben.
Sagen wir mal so, es gibt auch Panzer unter den Pferden....... *liebevollanunserponydenk* . Der guckt Dich an und übersieht gepflegt die kleinen Gesten, wenn man z.B. zwischen ihm und dem Objekt seiner Begierde steht. Da reicht dann leider ein leises Wedeln wie bei den anderen nicht, da braucht es dann schon öfters mal mühlenartige Armbewegungen . Zu seiner Ehre sei gesagt, dass er im Rang die letzte Stelle einnimmt und trotzdem die anderen bei ihm deutlicher werden müssen, damit er versteht, dass er da gerade stört, er behandelt uns also alle gleich

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.Anni. hat geschrieben:Ich persönlich glaube nicht an eine Rangfolge zwischen Pferd und Mensch. Unabhängig davon soll natürlich Vertrauen entstehen. Dabei unterscheide ich einmal zwischen dem Vertrauen und dem Anvertrauen. Einerseits kann das Pferd wissen, dass ich ihm nichts tun werde und das es von mir Gutes zu erwarten hat, es vertraut mir. Dadurch muss es sich mir in beängstigenden Situationen jedoch nicht anvertrauen. Dafür muss ich mich erstmal als guter Beschützer erweisen.
Das alles hat für mich wenige mit einer Rangordnung zu tun, da eine Rangordnung/Dominanz mMn eher klarstellt, wer Vorrang im Bezug auf Ressourcen hat. Vielleicht ist es sogar möglich, dass mit den Rechten nicht auch die Pflichten einhergehen.
*unterschreib*
.Anni. hat geschrieben:Es wäre doch dumm sich auf den Weg zur nächsten Futterstelle auf das durchsetzungsstärkste Tier zu verlassen, wenn es ein rangniederes, aber erfahreneres Tier gibt!
Wenn ein Tier etwas weiß, was die Gruppe am Leben erhält - hier die Suche nach guten Futterstellen - ist es nicht mehr rangniedrig. Wenn wir es mal auf menschliche Beziehungen übertragen wollen: hier ist Wissen "Macht".
.Anni. hat geschrieben:Auch, dass das Pferd (freiwillig und gern) Leistung erbringt, wenn der Mensch ranghöher ist, würde ich so nicht behaupten. Kein Pferd verlangt von einem anderen eine wirkliche Leistung. Und wenn ein Pferd von einem anderen vom Futter vertrieben wird, dann wird es wohl allerhöchstens widerwillig das Feld räumen, eben weil es sonst unangenehme Konsequenzen zu fürchten hat. Aber bestimmt nicht, weil es das gern und freiwillig für sein Leittier tut.
Ich glaube, dass man eine so komplexe Denkweise nicht auf Pferd anwenden kann. Sie sind in ihrem Denkmuster einfach anders als wir. Für Pferde zählt als allererstes die Gruppe, sie sichert das Überleben, ein einzelnes Pferd kann in der Wildnis nicht überleben. Zwar haben wir durch Begrenzung des Lebensraumes und Ausrottung natürlicher Feinde dieses "Problem" beseitigt, das ändert aber nicht die genetische Veranlagung der Pferde, die nur so Millionen Jahre überleben konnten.
Diese absolute Teamfähigkeit macht es für Pferde akzeptabel und auch angenehm, in der Gruppe zu leben, sie gehen nicht widerwillig, sie gehen einfach, weil das nun mal so ist. Wenn wir allerdings das Futterangebot so eingeschränkt haben, dass es im Grunde nicht für alle reicht, dann ist dieses Vertreiben das äußere Zeichen für einen weiteren evolutionsbedingten Instinkt: nur die Starken überleben und können ihre Gene weitergeben. Die Schwachen verhungern, können keine Nachkommen zeugen und sterben somit aus. Es geht also nicht um :ich mache das gerne oder unwillig. Zugrunde liegt dabei immer die Sicherung des Überlebens, auch wenn das in dieser Form für unsere Hauspferde nicht zutrifft (aber das wissen sie nicht, ihre Gene sind da noch nicht....

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Meines Erachtens haben nahezu 100% aller Probleme im Umgang mit Pferden den Menschen als Ursache...
Das stimmt nicht ganz, es gibt Erkrankungen, z.B. Borna, die führen zu Veränderungen im zentralen Nervensystem und damit zu Problemen, wo weder Mensch noch Tier etwas für können, es ist nicht steuerbar.