Mentaler Zwang

Moderator: Keshia

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.Anni.
Schulpferd
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Mentaler Zwang

Beitrag von .Anni. »

Hallo,

seit einiger Zeit frage ich mich, was es braucht um ein Pferd zu etwas zwingen. Nicht, weil ich eben dieses tun möchte, sondern weil ich es möglichst vermeiden möchte.

Oft denke ich mir, dass die Pferde in einem Moment lieber gehen würde, als bei mir zu bleiben. Und rein theoretisch hätte auch das kleinste meiner Ponys jederzeit die Chance sich loszureißen, stärker sind sie allemal. Doch wissen sie das?
Und wenn sie es nicht wissen, dann ist doch schon ein Halfter, das zwar kaum Schmerzen auslösen kann, doch trotzdem schon ein großer Zwang.

Bei der Bodenarbeit des Rai-Reitens wird z.B. auch davor gewarnt, dass das Pferd niemals die Erfahrung machen darf, dass es sich dabei losreißen kann, weil man es dann niemals wieder "gescheit unterordnen" kann. Und ich kannte auch ein Pferd, dass es gelernt hatte sich beim Führen einfach in die Zäumung zu hängen und zu verschwinden und das kam angeblich auch durch falsches Dominanztraining.

Nun frage ich mich, wie groß dieser Zwang ist, den wir mit relativ kleinen Hilfsmitteln schon auf mentaler Ebene ausüben können? Und andererseits auch, ob er überhaupt existent ist oder ob jedes Pferd nur so weit mitkommt, wie es selbst möchte...

Ich bin mal gespannt ;) !
Liebe Grüße, Anni

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Cate
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von Cate »

Für mich ist das eher eine Frage der Motivation, und vielleicht auch die Frage meiner Diplomatie (und meiner "Übersicht" über Hintergründe etc.) ;)

Ein motiviertes Pferd muß ich nicht zwingen, es möchte gerne mitmachen, weil es Spaß und Freude an der gemeinsamen Arbeit - wie auch immer diese aussieht - hat. Stichwort hier ist die positive Bestärkung, meist das Clickertraining.
Hat ein Pferd keine Freude an der Beschäftigung mit mir, frage ich mich, woran es liegt - Schmerzen? Angst? Zu eintönige oder zu hohe Anforderungen? Unverständnis? Je nachdem, wo ich die Ursache finde, kann ich ansetzen, mit ein paar Schritten zurück im Trainingsplan, mit noch kleinschrittigerem Training etc.

Beispiel: Bei mir im Stall steht ein Haffi, der war sehr fest im Genick und ließ sich nicht gut führen. Da wir nicht perfekt sind, haben wir sicher manchesmal energisch durchgegriffen (Zwang angewendet), gleichzeitig haben wir dran gearbeitet, sein Genick zu lösen, durch Physiotherapie und Longenkurs. Nun ist er viel weicher im Genick, und als "Nebenwirkung" ist der alpenpanzer beim Führen fast völlig verschwunden, kommt er doch mal wieder, hilft kurzes Stellen im Genick deutlich besser als gegenhalten.

Ich als Mensch muß einen Plan haben, wie ich Zwang möglichst vermeide, ihn unnötig mache, weil ich vorausgedacht habe. Außerdem sollte ich eine souveräne Führungsperson sein, der sich das Pferd gerne anvertraut.
Natürlich wird es immer wieder Situationen geben, wo man einfach durchgreifen muß, aber es liegt an mir, diese durch vorausschauendes Handeln möglichst zu vermeiden. Hilft dir das weiter? :-)
Es ist sinnvoll, sich mit dem Üben anzufreunden, denn man wird weit mehr Zeit mit Üben verbringen als damit, perfekt zu sein - Maren Diehl

Was wir sehen, hängt hauptsächlich davon ab, wonach wir suchen - Sir John Lubbock :puppy: :puppy:
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sacramoso
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von sacramoso »

Hallo Anni,

Wie definierst du Zwang? Grundsätzlich ist jede Form der Pferdehaltung mit Zwang verbunden. Das Pferd an sich möchte unbegrenzten natürlichen Lebensraum in dem es sich mit seinen Artgenossen frei bewegen kann. In dem Moment in dem ich das Pferd in eine wie auch immer geartete Haltungsform bringe übe ich Zwang aus weil ich seine Freiheit begrenze. Vom Einsatz als Reit- Arbeits- oder Zugpferd einmal ganz abgesehen...

Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.

Allerdings ist es auch so, daß das Pferd als soziales Wesen und Herdentier darauf angewiesen ist in der Gruppe zu leben und sich wohlfühlt wenn ein Leittier da ist, das die Verantwortung übernimmt, sagt wo es lang geht und für Sicherheit sorgt. Ist Zwang in diesem Kontext negativ? Oder gar in einem gewissen Maß sogar erforderlich?

Für mich stellt sich daher nicht die Frage ob Zwang ausgeübt wird oder nicht, sondern wie der Mensch seiner Rolle als verantworliches (Leit-) Tier gerecht wird. Geschieht das pferdegerecht und ohne Gewalt? Bin ich mir meiner Rolle überhaupt bewußt? Dücke ich mich meinem Pferd gegenüber in einer für das Pferd verständlichen Weise aus?

Für mich persönlich muß die Rangfolge im Umgang mit Pferden klar sein. Das Pferd soll mir vertrauen und sich bei mir sicher fühlen. Dann ist es auch bereit mir zuzuhören, mit mir zu arbeiten und für mich Leistung zu erbringen. Das wichtigste für mich ist die Harmonie mit meinem Pferd. Sowohl im Umgang als auch beim Reiten, Bodenarbeit, etc.
Meines Erachtens haben nahezu 100% aller Probleme im Umgang mit Pferden den Menschen als Ursache...

Meine Gedanken zum Pferd.
Grüße
Sacramoso
Als Gott erfuhr daß Reiten nur für die Besten ist erschuf er noch Fußball :dance1:
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.Anni.
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von .Anni. »

Danke für die Antworten :-) .

@Cate
Da stimme ich dir vollkommen zu :gut: !
Aber ich glaube ich hab meine Frage etwas unglücklich formuliert ;) .

Also, wenn ich z.B. mit meinem Pferd über eine Wiese gehe, das Pferd fressen möchte und ich es davon abhalte, indem ich es am Halfter immer wieder hochhole und das Pferd so auch weiter mit mir mitkommt - warum kommt das Pferd dann mit? Weiß es nicht, dass es auch einfach weiter grasen könnte und ich nichts dagegen tun kann, rein von der physischen Kraft her? Und ist dann eben schon ein Halfter ein Zwangsmittel, eben weil es vom Pferd so empfunden wird?

@sacramoso
Wie definierst du Zwang? Grundsätzlich ist jede Form der Pferdehaltung mit Zwang verbunden.
Ich denke, Zwang beginnt da, wo einem Lebewesen die Möglichkeit genommen wird sich zu entscheiden. Und somit ist natürlich auch die Haltung von Pferden schon grundsätzlich mit Zwang verbunden. Ich denke jedoch nicht, dass dieser Zwang eine große Rolle spielt, solange die Bedürfnisse des Pferdes gestillt werden.
Und ob es nun richtig ist, Pferde oder andere Tiere zu unserem Vergnügen zu halten, darüber grüble ich noch :kratz: ...

Wenn wir dies aber tun, und damit komme ich zum eigentlichen Punkt, dann sehe ich mich in der Verpflichtung ihnen so viele Entscheidungsfreiheiten wie möglich zu bieten. Sie sollen sich als Individuen mit ihren Wünschen respektiert fühlen und ich möchte an einen Punkt gelangen, an dem sie lieber mit mir zusammen sind, als z.B. sich dem Gras am Wegesrand zu widmen. Ein langer, langer Weg... ;)
Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.

Ich denke, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Das Verhalten, wie wir es von unseren Hauspferden kennen ist mMn deutlich rabiater und von mehr Aggression geprägt, als das von Pferde, welche in einem natürlichen Lebensraum auf großer Fläche leben. Meist werden Pferde auf recht beengtem Raum gehalten und die Ressourcen sind begrenzt und nicht jederzeit für jedes Pferd zugänglich, zudem gibt es oft nicht die Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen. Ich sehe da schon große Unterschiede zwischen Pferdeherden auf großen Weiden und Pferdeherden in Offenstallhaltung. Konflikten kann viel einfacher aus dem Weg gegangen werden.

Auch was Leittiere angeht sehe ich es nicht so, dass sie sagen, wo der Hammer hängt. Warum sollte z.B. das Leittier ein anderes Pferd verscheuchen wollen, wenn es nur ein paar Schritte in die andere Richtung machen müsste, um weiter zu fressen. Das wäre doch Energieverschwendung.
Und warum sollte eben jenes verscheuchte Pferd dann nicht einfach gehen, anstatt es zu solch grobem Verhalten kommen zu lassen, wenn es jetzt gerade nicht wirklich an diesem Ort grasen muss.
Versteht man, was ich meine? :-e

Ich schreibe das nur so ausführlich, weil ich immer wieder höre, dass Pferde untereinander ja auch nicht zimperlich sind und die Menschen sich damit oft das Recht herausnehmen diese Grobheit zu übernehmen. Das ist mMn jedoch nicht notwendig und auch nicht fair, wenn man sich bewusst macht, dass Pferde eben auch mit kleinsten Signalen (die der Mensch oft nicht wahrnimmt) kommunizieren, wenn sie die Wahl haben.
Für mich persönlich muß die Rangfolge im Umgang mit Pferden klar sein. Das Pferd soll mir vertrauen und sich bei mir sicher fühlen. Dann ist es auch bereit mir zuzuhören, mit mir zu arbeiten und für mich Leistung zu erbringen.
Ich persönlich glaube nicht an eine Rangfolge zwischen Pferd und Mensch. Unabhängig davon soll natürlich Vertrauen entstehen. Dabei unterscheide ich einmal zwischen dem Vertrauen und dem Anvertrauen. Einerseits kann das Pferd wissen, dass ich ihm nichts tun werde und das es von mir Gutes zu erwarten hat, es vertraut mir. Dadurch muss es sich mir in beängstigenden Situationen jedoch nicht anvertrauen. Dafür muss ich mich erstmal als guter Beschützer erweisen.
Das alles hat für mich wenige mit einer Rangordnung zu tun, da eine Rangordnung/Dominanz mMn eher klarstellt, wer Vorrang im Bezug auf Ressourcen hat. Vielleicht ist es sogar möglich, dass mit den Rechten nicht auch die Pflichten einhergehen. Es wäre doch dumm sich auf den Weg zur nächsten Futterstelle auf das durchsetzungsstärkste Tier zu verlassen, wenn es ein rangniederes, aber erfahreneres Tier gibt!

Auch, dass das Pferd (freiwillig und gern) Leistung erbringt, wenn der Mensch ranghöher ist, würde ich so nicht behaupten. Kein Pferd verlangt von einem anderen eine wirkliche Leistung. Und wenn ein Pferd von einem anderen vom Futter vertrieben wird, dann wird es wohl allerhöchstens widerwillig das Feld räumen, eben weil es sonst unangenehme Konsequenzen zu fürchten hat. Aber bestimmt nicht, weil es das gern und freiwillig für sein Leittier tut.

Um Leistung zu erbringen muss das Pferd in irgendeiner Weise etwas davon haben, das ist, wie Cate schon sagte, eine Frage der Motivation. Und diese kann entweder angenehm oder unangenehm ausfallen.
Meines Erachtens haben nahezu 100% aller Probleme im Umgang mit Pferden den Menschen als Ursache...
:gut: *unterschreib*

Man merkt vielleicht, ist mein Thema... :oops:
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ehem User

Re: Mentaler Zwang

Beitrag von ehem User »

.Anni. hat geschrieben:
Wenn wir dies aber tun, und damit komme ich zum eigentlichen Punkt, dann sehe ich mich in der Verpflichtung ihnen so viele Entscheidungsfreiheiten wie möglich zu bieten. Sie sollen sich als Individuen mit ihren Wünschen respektiert fühlen und ich möchte an einen Punkt gelangen, an dem sie lieber mit mir zusammen sind, als z.B. sich dem Gras am Wegesrand zu widmen. Ein langer, langer Weg... ;)
Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.

Ich denke, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Das Verhalten, wie wir es von unseren Hauspferden kennen ist mMn deutlich rabiater und von mehr Aggression geprägt, als das von Pferde, welche in einem natürlichen Lebensraum auf großer Fläche leben. Meist werden Pferde auf recht beengtem Raum gehalten und die Ressourcen sind begrenzt und nicht jederzeit für jedes Pferd zugänglich, zudem gibt es oft nicht die Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen. Ich sehe da schon große Unterschiede zwischen Pferdeherden auf großen Weiden und Pferdeherden in Offenstallhaltung. Konflikten kann viel einfacher aus dem Weg gegangen werden.

Auch was Leittiere angeht sehe ich es nicht so, dass sie sagen, wo der Hammer hängt. Warum sollte z.B. das Leittier ein anderes Pferd verscheuchen wollen, wenn es nur ein paar Schritte in die andere Richtung machen müsste, um weiter zu fressen. Das wäre doch Energieverschwendung.
Und warum sollte eben jenes verscheuchte Pferd dann nicht einfach gehen, anstatt es zu solch grobem Verhalten kommen zu lassen, wenn es jetzt gerade nicht wirklich an diesem Ort grasen muss.
Versteht man, was ich meine? :-e

Ich schreibe das nur so ausführlich, weil ich immer wieder höre, dass Pferde untereinander ja auch nicht zimperlich sind und die Menschen sich damit oft das Recht herausnehmen diese Grobheit zu übernehmen. Das ist mMn jedoch nicht notwendig und auch nicht fair, wenn man sich bewusst macht, dass Pferde eben auch mit kleinsten Signalen (die der Mensch oft nicht wahrnimmt) kommunizieren, wenn sie die Wahl haben.
Für mich persönlich muß die Rangfolge im Umgang mit Pferden klar sein. Das Pferd soll mir vertrauen und sich bei mir sicher fühlen. Dann ist es auch bereit mir zuzuhören, mit mir zu arbeiten und für mich Leistung zu erbringen.
Ich persönlich glaube nicht an eine Rangfolge zwischen Pferd und Mensch. Unabhängig davon soll natürlich Vertrauen entstehen. Dabei unterscheide ich einmal zwischen dem Vertrauen und dem Anvertrauen. Einerseits kann das Pferd wissen, dass ich ihm nichts tun werde und das es von mir Gutes zu erwarten hat, es vertraut mir. Dadurch muss es sich mir in beängstigenden Situationen jedoch nicht anvertrauen. Dafür muss ich mich erstmal als guter Beschützer erweisen.
Das alles hat für mich wenige mit einer Rangordnung zu tun, da eine Rangordnung/Dominanz mMn eher klarstellt, wer Vorrang im Bezug auf Ressourcen hat. Vielleicht ist es sogar möglich, dass mit den Rechten nicht auch die Pflichten einhergehen. Es wäre doch dumm sich auf den Weg zur nächsten Futterstelle auf das durchsetzungsstärkste Tier zu verlassen, wenn es ein rangniederes, aber erfahreneres Tier gibt!

Auch, dass das Pferd (freiwillig und gern) Leistung erbringt, wenn der Mensch ranghöher ist, würde ich so nicht behaupten. Kein Pferd verlangt von einem anderen eine wirkliche Leistung. Und wenn ein Pferd von einem anderen vom Futter vertrieben wird, dann wird es wohl allerhöchstens widerwillig das Feld räumen, eben weil es sonst unangenehme Konsequenzen zu fürchten hat. Aber bestimmt nicht, weil es das gern und freiwillig für sein Leittier tut.

Um Leistung zu erbringen muss das Pferd in irgendeiner Weise etwas davon haben, das ist, wie Cate schon sagte, eine Frage der Motivation. Und diese kann entweder angenehm oder unangenehm ausfallen.
Meines Erachtens haben nahezu 100% aller Probleme im Umgang mit Pferden den Menschen als Ursache...
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Man merkt vielleicht, ist mein Thema... :oops:
Ich kann dazu jetzt gerade nicht viel sagen, aber Anni, ich finde du hast es super geschrieben und ich sehe das genauso!!!!!! :-d :-d :-d
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Fionnlagh
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von Fionnlagh »

.Anni. hat geschrieben:Also, wenn ich z.B. mit meinem Pferd über eine Wiese gehe, das Pferd fressen möchte und ich es davon abhalte, indem ich es am Halfter immer wieder hochhole und das Pferd so auch weiter mit mir mitkommt - warum kommt das Pferd dann mit? Weiß es nicht, dass es auch einfach weiter grasen könnte und ich nichts dagegen tun kann, rein von der physischen Kraft her? Und ist dann eben schon ein Halfter ein Zwangsmittel, eben weil es vom Pferd so empfunden wird?
Ich glaube, dass ein Pferd weiß, dass es physisch stärker ist als der Mensch (also zumindet MEIN Pferd weiß das mit Sicherheit).
Ich denke, man kann einem Pferd beibringen auf Druck zu weichen und ich glaube, dass das irgendwann (bei dem einem Pferd früher, bei dem anderen später - je nach mentaler Stärke) zu einer Art Reflex wird, ähnlich dem Reflex auf Druck mit Gegendruck zu reagieren, nur halt eben das Gegenteil.
Und das führt dann eben dazu, dass man sie dazu bringt weiter zu gehen, wenn sie lieber grasen würden, weil sie auf den Druck am Halfter mit Nachgeben reagieren... So stell ich mir das derzeit zumindest in der Theorie vor - ob´s in der Praxis so funktioniert erzähl ich dir in ein paar Jahren :frech:
"Ich habe es noch nie getan, darum glaube ich, dass ich es kann." Pipi Langstrumpf
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WaldSuse
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von WaldSuse »

Ich frage mich das jedesmal,wenn ich Dustin reite oder ihn am Halfter führe.Warum macht es das?Manchmal scheint es ihm sogar zu gefallen.Ich denke,ein Grund ist,daß es die Pferde auf eine mehr oder weniger angenehme Art gelernt haben.Sie haben gelernt,wenn Mensch das Ding über den Kopf stülpt,dann mit gehen.Entweder mit Zwang oder sanfter,langsamer.Dustin tunkt immer seinen Kopf ins Halfter,weil er eben gewöhnt ist und es ihm nicht weh tut.
Ist es menschengerecht,jeden Morgen in ein Büro,auf eine Baustelle,eine Fabrik zur Arbeit zu gehen?Nein,ganz gewiß nicht.
Aber wir sind es so gewöhnt, "man" macht das halt so.
Ich denke oft an den Satz,den der Fuchs zum Kleinen Prinzen sagt:"Du bist ein Leben lang für das verantwortlich,was zu dir vetraut gemacht hast."
Nicht müde werden,
sondern,
dem Wunder leise,
wie einem Vogel,
die Hand hin halten.
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von Sheitana »

sacramoso hat geschrieben:Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.
Sei mir nicht böse, aber diese Aussage ist schlicht falsch.
Kein Leittier zwingt ein anderes Herdenmitglied mit zu kommen. Die Pferde folgen ihm, weil es weiß wo gutes Futter und Wasser ist, vertrauen ihm, weil es Gefahr erkennt und richtig zu handeln weiß. Aber niemals würde eine Leitstute sagen "du gehtst jetzt mit mir".
Auch ist der Umgang gar nicht so rabiat, wie man meint. Vielleicht schickt das Leittier ein anderes Pferd mal weg, weil es ihm zu nahe kommt. Viel mehr dürfte nicht passieren, denn es ist genug Platz vorhanden.

Leithengste scheuchen ihre Stuten in der Tag mal, wenn ein Konkurrent in der Nähe ist. Trotz Allem folgt die Herde immer der Leitstute und die zwingt wie gesagt kein Pferd dazu, ihr zu folgen.
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von Equester »

.Anni. hat geschrieben: Wenn wir dies aber tun, und damit komme ich zum eigentlichen Punkt, dann sehe ich mich in der Verpflichtung ihnen so viele Entscheidungsfreiheiten wie möglich zu bieten.


Hm, das ist ein Punkt, den man sehr vorsichtig betrachten sollte. Es ist nicht immer gut, wenn man so etwas zuläßt, weil es immer noch Tiere sind, die nach ihren Instinkten handeln, was aber sehr oft mit äußeren Gegebenheiten kollidiert und für den Menschen und auch das Pferd zu wirklich gefährlichen Situationen führen kann. Ich denke ein gewisser "Zwang" wenn wir das so nennen wollen, ist auch zur Erhaltung der Gesundheit notwendig und gehört zu meiner Verantwortung dem Pferd gegenüber. Nehmen wir als Beispiel das Fressen. Lasse ich z.B. unserem Pony die Entscheidung, ob er Hafer bekommt und wenn ja, wie viel er davon fressen möchte, kann ich ihn anschließend garantiert einschläfern lassen. Genauso verhält es sich mit der Wiese. Ganz sicher will er 24 Stunden Wiese haben, aber ich muss bei ihm wegen Rehe aufpassen und werde ihm im Sommer nur halbe Weidezeit geben und den Rest des Tages mit Heu auffüllen. Dürfte er entscheiden, würde das Heu zu kurz kommen..... ;) .
Die Frage ist, was kann man bedenkenlos dem Pferd überlassen und was will ich eigentlich? Reicht es mir, das Pferd auf der Wiese zu beobachten, sind sicherlich andere Entscheidungen zu treffen, als wenn ich gerne reite oder mich anders mit dem Pferd beschäftige.
.Anni. hat geschrieben:Sie sollen sich als Individuen mit ihren Wünschen respektiert fühlen und ich möchte an einen Punkt gelangen, an dem sie lieber mit mir zusammen sind, als z.B. sich dem Gras am Wegesrand zu widmen. Ein langer, langer Weg... ;)


Das würde aber bedeuten, dass Du von Deinem Pferd verlangst, gegen die Natur zu entscheiden...... ;) Sie sind von der Natur dazu programmiert, keine Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme auszulassen und da kommen wir wieder zu dem Punkt wie viel gut ist und wie viel schadet.
.Anni. hat geschrieben:Andererseits ist das Pferd in seinem natürlichen Lebensraum ebenfalls Zwängen unterworfen. Z.B. sagt das Leittier an was Sache ist und wo es hingeht und wehe ein Pferd richtet sich nicht danach! Pferde gehen untereinander nicht gerade zimperlich miteinander um.


Aus meiner Beobachtung heraus gehen sie nur dann ruppig miteinander um, wenn die äußeren Bedingungen dies quasi einfordern. Zu wenig Platz, zu wenig Futter, unpassend zusammengestellte Gruppen. Haben sie von allem genügend und passt alles, drohen sie zwar und tun vielleicht mächtig, aber sie verletzen sich nicht mutwillig um etwas zu erreichen.
In der freien Natur läuft es etwas anders, da will z.B. ein Hengst, dass nur seine Gene weitergegeben werden, diesen Wunsch setzt er auch mit Gewalt durch, wenn ein anderer Hengst ihm dies streitig machen will. Aber hier geht es um das echte Überleben und ein Hengst, der seine Gruppe nicht beschützen kann, gibt "schwache" Gene weiter und damit ist das Überleben der Gruppe gefährdet. Daraus jetzt das Recht abzuleiten, dass man grob zu ihnen sein darf, ist ein selbst gebasteltes Bild, um unfaires Verhalten oder auch Hilflosigkeit zu rechtfertigen. Damit meine ich jetzt nicht heftiges Wedeln mit dem Strick oder ähnliches, sondern körperliche Züchtigung, die als notwendiges Mittel zur Erziehung angewandt wird.
.Anni. hat geschrieben:Auch was Leittiere angeht sehe ich es nicht so, dass sie sagen, wo der Hammer hängt. Warum sollte z.B. das Leittier ein anderes Pferd verscheuchen wollen, wenn es nur ein paar Schritte in die andere Richtung machen müsste, um weiter zu fressen. Das wäre doch Energieverschwendung.
Und warum sollte eben jenes verscheuchte Pferd dann nicht einfach gehen, anstatt es zu solch grobem Verhalten kommen zu lassen, wenn es jetzt gerade nicht wirklich an diesem Ort grasen muss.
Versteht man, was ich meine? :-e

Ich schreibe das nur so ausführlich, weil ich immer wieder höre, dass Pferde untereinander ja auch nicht zimperlich sind und die Menschen sich damit oft das Recht herausnehmen diese Grobheit zu übernehmen. Das ist mMn jedoch nicht notwendig und auch nicht fair, wenn man sich bewusst macht, dass Pferde eben auch mit kleinsten Signalen (die der Mensch oft nicht wahrnimmt) kommunizieren, wenn sie die Wahl haben.

Sagen wir mal so, es gibt auch Panzer unter den Pferden....... *liebevollanunserponydenk* . Der guckt Dich an und übersieht gepflegt die kleinen Gesten, wenn man z.B. zwischen ihm und dem Objekt seiner Begierde steht. Da reicht dann leider ein leises Wedeln wie bei den anderen nicht, da braucht es dann schon öfters mal mühlenartige Armbewegungen . Zu seiner Ehre sei gesagt, dass er im Rang die letzte Stelle einnimmt und trotzdem die anderen bei ihm deutlicher werden müssen, damit er versteht, dass er da gerade stört, er behandelt uns also alle gleich :kicher: .

.Anni. hat geschrieben:Ich persönlich glaube nicht an eine Rangfolge zwischen Pferd und Mensch. Unabhängig davon soll natürlich Vertrauen entstehen. Dabei unterscheide ich einmal zwischen dem Vertrauen und dem Anvertrauen. Einerseits kann das Pferd wissen, dass ich ihm nichts tun werde und das es von mir Gutes zu erwarten hat, es vertraut mir. Dadurch muss es sich mir in beängstigenden Situationen jedoch nicht anvertrauen. Dafür muss ich mich erstmal als guter Beschützer erweisen.
Das alles hat für mich wenige mit einer Rangordnung zu tun, da eine Rangordnung/Dominanz mMn eher klarstellt, wer Vorrang im Bezug auf Ressourcen hat. Vielleicht ist es sogar möglich, dass mit den Rechten nicht auch die Pflichten einhergehen.


*unterschreib*
.Anni. hat geschrieben:Es wäre doch dumm sich auf den Weg zur nächsten Futterstelle auf das durchsetzungsstärkste Tier zu verlassen, wenn es ein rangniederes, aber erfahreneres Tier gibt!


Wenn ein Tier etwas weiß, was die Gruppe am Leben erhält - hier die Suche nach guten Futterstellen - ist es nicht mehr rangniedrig. Wenn wir es mal auf menschliche Beziehungen übertragen wollen: hier ist Wissen "Macht".
.Anni. hat geschrieben:Auch, dass das Pferd (freiwillig und gern) Leistung erbringt, wenn der Mensch ranghöher ist, würde ich so nicht behaupten. Kein Pferd verlangt von einem anderen eine wirkliche Leistung. Und wenn ein Pferd von einem anderen vom Futter vertrieben wird, dann wird es wohl allerhöchstens widerwillig das Feld räumen, eben weil es sonst unangenehme Konsequenzen zu fürchten hat. Aber bestimmt nicht, weil es das gern und freiwillig für sein Leittier tut.

Ich glaube, dass man eine so komplexe Denkweise nicht auf Pferd anwenden kann. Sie sind in ihrem Denkmuster einfach anders als wir. Für Pferde zählt als allererstes die Gruppe, sie sichert das Überleben, ein einzelnes Pferd kann in der Wildnis nicht überleben. Zwar haben wir durch Begrenzung des Lebensraumes und Ausrottung natürlicher Feinde dieses "Problem" beseitigt, das ändert aber nicht die genetische Veranlagung der Pferde, die nur so Millionen Jahre überleben konnten.
Diese absolute Teamfähigkeit macht es für Pferde akzeptabel und auch angenehm, in der Gruppe zu leben, sie gehen nicht widerwillig, sie gehen einfach, weil das nun mal so ist. Wenn wir allerdings das Futterangebot so eingeschränkt haben, dass es im Grunde nicht für alle reicht, dann ist dieses Vertreiben das äußere Zeichen für einen weiteren evolutionsbedingten Instinkt: nur die Starken überleben und können ihre Gene weitergeben. Die Schwachen verhungern, können keine Nachkommen zeugen und sterben somit aus. Es geht also nicht um :ich mache das gerne oder unwillig. Zugrunde liegt dabei immer die Sicherung des Überlebens, auch wenn das in dieser Form für unsere Hauspferde nicht zutrifft (aber das wissen sie nicht, ihre Gene sind da noch nicht.... ;) )

Meines Erachtens haben nahezu 100% aller Probleme im Umgang mit Pferden den Menschen als Ursache...
Das stimmt nicht ganz, es gibt Erkrankungen, z.B. Borna, die führen zu Veränderungen im zentralen Nervensystem und damit zu Problemen, wo weder Mensch noch Tier etwas für können, es ist nicht steuerbar.
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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november
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Re: Mentaler Zwang

Beitrag von november »

.Anni. hat geschrieben:
Sie sollen sich als Individuen mit ihren Wünschen respektiert fühlen und ich möchte an einen Punkt gelangen, an dem sie lieber mit mir zusammen sind, als z.B. sich dem Gras am Wegesrand zu widmen. Ein langer, langer Weg...


Das würde aber bedeuten, dass Du von Deinem Pferd verlangst, gegen die Natur zu entscheiden...... Sie sind von der Natur dazu programmiert, keine Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme auszulassen und da kommen wir wieder zu dem Punkt wie viel gut ist und wie viel schadet.
Eine 100%ige Freiwilligkeit ist wohl illusorisch. Da spielen viel zu viele Faktoren mit, wie z.B. notwendige Schmied- und TA-Termine, rationiertes Fressen, um Krankheiten zu vermeiden, Haltungsbedingungen etc.
Man kann aber, denke ich, zu einem Punkt kommen, an dem man eben so viel Freiwilligkeit erreicht, wie möglich. Es ist ja schon mal schön, wenn das Pferd manchmal etwas freiwillig für einen tut. Mein Oldie liebt es, zu clickern. Meist kommt er freiwillig mit (mehr noch, er "überfällt" mich und fordert es ein). Wenn die Pferde im Sommer auf der Weide stehen, hat er aber manchmal keine Lust. Das ist dann für mich okay. Wenn es keinen wichtigen Grund gibt, dass er mitkommt (z.B. Schmiedtermin o-ä.), lasse ich ihn. Er muss nicht mit mir arbeiten (reiten tue ich ihn ohnehin nicht mehr).

Wenn ich aber z.B. mit ihm spazieren gehe und er grasen möchte (im Frühjahr immer ein Thema), verwehre ich ihm das durchaus. Ich finde es aber schön, wenn es wenigstens Momente gibt, wo man dem Pferd die Wahl lassen kann.
Little by little, one travels far.
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