Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Antworten
ehem User

Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von ehem User »

Liebe Leute,

ich hätte jetzt gerne mal wieder den ultimativen Anschrattip für meine extrem bewegliche, schnelle PRE- Stute, die sich aber eben durch ihre Beweglichkeit und ihre Schnelligkeit anstrengenden neuen Bewegungen, bzw. bereits bekannten Bewegungen in neuer Tiefe sehr gut entziehen kann.
Vorab: ich habe sie seit 3 Jahren (sie ist jetzt 6) und wir arbeiten auch seit fast 3 Jahren mit dem LK. ALLES ist deutlich besser geworden. Sie hat keine Wutausbrüche mehr, ist wirklich kooperativ und versteht im Prinzip auch, was ich von ihr will und ist bemüht, es umzusetzen. Sie kann sich 100mal besser "fallen lassen" als früher, läuft nicht mehr auf 4 Hufschlägen und ist wirklich ein Goldschatz, ABER ihr PRE-Grundmuster (Kopf hoch, um die Gegend immer im Blick zu haben, sowie fester Unterhals sowie "Hinterhand, wer bist du?") bestimmt natürlich immer noch alles. Und natürlich ist ihre Begradigung über die 3 Jahre nur eine relative. Der Unterschied zwischen rechter und linker Hand ist immer noch extrem deutlich. Überhaupt erlebe ich das paradoxe Phänomen, dass je besser alles wird, desto deutlicher werden die Probleme in der Tiefe.

Und man mag es kaum glauben, wir können immer noch nicht richtig anschraten. Ich habe das immer und immer versucht, mich dann wirklich mit Mini-Fortschritten zufrieden gegeben und weiter gemacht, weil sonst wären wir heute immer noch nur beim FiS. Und auch da sehe ich immer noch Defizite. Sie kann toll ihren Hals biegen, aber sich wirklich reel im Genick zu stellen, schwierig. Inzwischen übe ich das mit ihr - rückwärts vor ihr herlaufend - im Zeitlupentempo. Und ich meine wirklich Zeitlupentempo und da zeigt sich jetzt genau dasselbe Problem wie beim Anschraten. Sie will es richtig machen, aber scheint gar nicht anders zu können, als mich dann immer wieder vor sich herzuschieben, weil sie dem Ungewohnten über Schnelligkeit ausweichen möchte (wie eine Eisenbahn, die auf ein Hindernis trifft und sich dann von hinten um sich selbst wickelt) . Da ich dann aber ja praktisch vor ihr stehe, bzw. gehe, können wir das jetzt im Schritt (FiS) wunderbar üben.
Aber beim Anschraten? Unmöglich! Sie weiß, dass sie in Stellung neben mir bleiben soll. Tut sie auch. Aber ihr Körper kommt da nicht mit. Sie weicht dann aus, indem sie die Hinterhand raus nimmt und den Hals rein und trabt fast auf der Stelle neben mir. Und immer noch wirft sie den Motor vorne an und kommt nicht wirklich von hinten. Auf Distanz funktioniert das besser, zumindest auf ihrer hohlen Seite, aber eigentlich ist das Grundproblem immer die Flucht in die Beweglichkeit und Schnelligkeit. Ihr müsst Euch wirklich ein Pferd vorstellen mit den Qualitäten einer extrem beweglichen Tänzerin. Die trabt rechts und links schlängelnd neben Euch her und weicht dabei aber immer dem Eigentlichen aus.

Meine Zeitlupenübungen im FiS- Schritt finde ich ganz gut, weil sie da auch innerlich inne halten und bewusst jeden Schritt vor den anderen setzen muss und für einen Moment die Umgebungskontrolle abgibt. Aber im Trab, bzw. beim Anschraten? Hat da jemand vielleicht eine gute Idee?

Viele Grüße

Tanuschka
calista
Sportpferd
Beiträge: 1435
Registriert: Di 15. Mai 2012, 12:27

Re: Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von calista »

Ich habe eine (Lusitano)Mixstute, die neben einem Schlangenhals, blitzschneller Wendigkeit und großer Beweglichkeit auch über eine riesengroße Sensibilität verfügt. Wir schraten gar nicht. Wir haben uns in mühevoller Kleinarbeit über die klassich-barocke Handarbeit im Schritt und Trab in den Seitengängen geübt (Galopp probiert, da sind wir an der Hand noch nicht weiter), Das verlangt dem Pferd viel ab und hier bekomme ich ein Trabtempo, bei dem ich mitgehen kann. Wegen des äußeren Zügels habe ich einfach etwas mehr Einwirkung und Kontrolle über die Schulter, das scheint dabei entscheidend zu sein. Wir üben FiS im Schritt, im Trab verkürze/verlängere ich die Longe dann von 50 cm Länge auf 5m und wieder zurück, also beständige Veränderung. Auf einer mittleren Distanz von ca. 3-4 m Longenlänge kann ich Stellung usw mit Tempounterschieden im Trab, auch deutlich verlangsamt herauskitzeln, aber wenn das Pferd im Trab gut in Stellung an der Longe läuft, dann braucht man auch kein Anschraten. Denn das Ziel ist ja, mittels anschraten zu einem vernünftigen Trab an der Longe zu kommen.
ehem User

Re: Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von ehem User »

Hallo Calista,

you made my day :) .

herzlichen Dank für Deine Antwort, die jetzt wirklich sehr hilfreich für mich war und meiner Stute und mir heute zu einer unseren besten und harmonischsten "Arbeitseinheiten" führte, die wir je hatten.
Der Satz "Wir schraten gar nicht", war der Beste :-D . Ehrlich! Ich habe augenblicklich eine so riesige Erleichterung und Entspannung gespürt und diese Entspannung habe ich dann wohl in unsere heutige LK-Einheit mit reingenommen. Beim Trab habe ich so mit dem Abstand gespielt, wie du es beschrieben hast und das war absolute oberklasse. Und dabei wurde mir wieder - und zum bestimmt 1000endsten Mal - bewusst, wie außerordentlich wichtig die eigene Körperspannung und der eigene Takt ist, wenn man mit so einem hypersensiblen Pferd arbeitet. Ich konnte dann wirklich ganz gleichmäßig, weich, offen und gleichzeitig aber sehr straight mit ihr mitgehen und an ihrer Reaktion habe ich gesehen, wie ungewohnt das für sie war. Immer wieder hat sie gewechselt zwischen der Tendenz, sich verkrampft zu verlangsamen und auseinander fallend wegzuspurten und ich sah mich förmlich, wie ich sonst bei unseren Schratmurksversuchen verkrampft neben ihr herlaufe (einerseits Hotti in die Gänge bringen, andererseits bremsend wirken wollen), aber da ich ganz ruhig am Ball und in meinem Körper bleiben konnte, ist zu irgendeinem Zeitpunkt der Groschen bei ihr gefallen und sie hat es - für ihre Verhältnisse - super gemeistert. Und ich habe mich darüber so sehr gefreut, dass ich fast geheult hätte und ihre Augen haben gestrahlt :-D . Herrlich!

Ja, das mit der Schulterkontrolle, das stimmt schon. Aber ich denke, eine reele Kontrolle setzt voraus, dass auch das Pferd körperlich in der Lage ist, seine Schulter zu kontrollieren. Da mein Pferd so sensibel ist, reicht es eigentlich fast aus, ihre Schulter anzupusten. Aber bei für sie schwierigen Bewegungsabläufen kann sie gar nicht anders, als entweder gegen die Gerte anzurempeln oder sich irgendwie zu verwinden und schief zu machen oder schneller zu werden. Die Schulter kann sich schiefenbedingt noch nicht reel "verschieben". Aber das wird noch.

Viele fröhliche Grüße

Tanuschka
calista
Sportpferd
Beiträge: 1435
Registriert: Di 15. Mai 2012, 12:27

Re: Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von calista »

Das freut mich sehr, dass mein Beitrag eine Hilfe war. Manchmal hilft es, das Problem in Einzelteile zu zerlegen, die zu bearbeiten und dann das große Ganze zu sehen. Zum Problem Hinterhand fiel mir noch ein, dass uns eine Übung von Muriel hier aus dem Forum, die sie uns bei einer Physiotherapie gezeigt hat, ziemlich hilft: Ausrüstung = Pferd am Halfter mit längerem Strick und eine etwas steiferen, längere Gerte. Du lässt Dich dabei etwas zurückfallen und schiebst im Schritt (später im Trab) das innere Hinterbein mit der Gerte begleitend unters Pferd. Ich touchiere dabei kurz überm Fesselgelenk.

Man macht es sich leichter, wenn man sich nicht vornimmt, das innere Hinterbein bei jedem Schritt zu berühren sondern nur bei jedem 2. Hat man das geschafft und ist auch dann soweit, dass man es bei jedem Schritt schafft, dann wechselt man die Hand und stellt fest, dass auf der neuen Seite das gar nicht klappt ;) . Später im Trab, am besten auf einer kleinen Zirkellinie. Vorne vernächlässigst Du mal für die Dauer der Übung das Thema Stellung... Irgendwann kannst Du dann auch an der Longe mit der Longierpitsch durch Touchieren des inneren Hinterbeins die Übung mit Stellung und Biegung zusammenbringen.
ehem User

Re: Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von ehem User »

Ja, das will ich gerne ausprobieren. Und damit will ich das Pferd nur auf sein Hinterbein aufmerksam machen? Wird das Phänomen der "Hinterhand - das unbekannte Wesen" denn damit wirklich verbessert? Konntest Du das bei Deinem Pferd feststellen?

Immer noch beschwingte Grüsse

Tanuschka
calista
Sportpferd
Beiträge: 1435
Registriert: Di 15. Mai 2012, 12:27

Re: Tip zum Anschraten bei einem Schlängelwurmpferd

Beitrag von calista »

Ehrlich gesagt, habe ich mich zum Hinterteil-Krauler entwickelt :tuete: . Das verbessert die Wahrnehmung des Pferdes für den Poppes ganz erheblich. Ich massiere auch die Sehnen unterhalb des Sprunggelenks, bearbeite die Flanken mit den Daumennägeln und kratze an der Schweifrübe - Rüsselnase. Dann habe ich als Teil der KG die oben beschriebene Übung immer mal wieder mit in die Aufwärmphase genommen und beim longieren das Touchieren eingebaut. Insgesamt hat sich das Gangbild ganz klar verbessert, im Schritt bei aufgenommenen Zügeln unterzutreten und nicht den Rücken weg und den Hals hoch zu nehmen geht jetzt (im Trab war das wegen des Schwungs kein Problem). Die Rückenmuskulatur ist absolut super. Allerdings habe ich auch den Sattel jetzt endlich passend hinbekommen, bei einem hypersensiblen Pferd mit schwieriger Sattellage ist das echt schwer.
Antworten