Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

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.Anni.
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Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von .Anni. »

Ich hab einfach mal einen neuen Thread für das Thema aufgemacht und die Beiträge mal hier rein kopiert, damit die anderen Wissen worum es geht ;) :

Fenja
Heute möchte ich dann auch mal eine kleine Literaturempfehlung aussprechen .

Schon oft erschien mir die gängige Praxis, Pferden ein Gebiss in Maul zu packen merkwürdig.
Wie kam man dazu, gerade auf so eine empfindliche Stelle ein Stück Metall zu legen? Konnte das wirklich angenehm sein? Und ist es wirklich so, dass ein Gebiss nur so hart ist, wie die Reiterhand?

Dann wurde mir von einer Freundin dieses Buch empfohlen und ich habe es gestern in einem Rutsch durchgelesen:

Hiltrud Straßer / Robert Cook
"Eisen im Pferdemaul"

Es erklärt sehr gut und mit Bildern versehen die Auswirkungen des Gebiss auf Kehlkopf, Lungen, Unterkiefer, Zahnfleisch, Stoffwechsel und Zähne. Es bezieht sich weniger auf die Krafteinwirkung des Reiters, sondern macht deutlich, dass schon ein Gebiss, das ohne Zugkraft im Maul des Pferdes liegt, diesem Probleme bereitet und zu großen gesundheitlichen Schäden führen kann.

Ich lege jedem Reiter zum Wohle unserer Pferde ans Herzen, sich mit diesen Vorgängen vertraut zu machen.
Mairead
Also ohne das Buch zu kennen ist es natürlich nicht möglich, es zu "bewerten". Aber was soll das bloße (passende) Gebiss für Schäden anrichten (zumal, wenn es nur im Maul liegt)???
Auf der anderen Seite sollte man die Empfindlichkeit der Pferdenase nicht unterschätzen. Wenn Du dir schon mal das Schienbein angestoßen hast, weißt Du was ich meine....
Liliana
Meine Stute läuft absolut zufrieden mit Gebiß, sie kaut leicht, ist locker im Rücken und sie hat Spaß bei der Arbeit. Wenn ein Pferd das so unangenehm fände (weil es Probleme etc. macht), würde ein Pferd (ganz besonders meine Stute, sie zeigt mir SOFORT wenn ihr etwas nicht passt) doch nicht so zufrieden laufen.

Auch muß ich Mairead recht geben, ein Pferd ist auf dem Nasenrücken ebenso empfindlich, da zum einen die Haut direkt auf dem Knochen liegt (Stichwort empfindliche Knochenhaut/ Periost) und es sind viele Nerven(enden) am Kopf. Ergo: dürfte ich im Sinne des Pferdes auch nicht gebißlos reiten ?
Antworten kommen gleich noch...
Liebe Grüße, Anni

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.Anni.
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von .Anni. »

Ich versuche erstmal zu erklären, weshalb das Gebiss nicht erst durch Krafteinwirkung schädlich wird, sondern schon, solange sich das locker Gebiss im Maul befindet (ab dem Zeitpunkt, an dem eine körperliche Leistung vom Pferd verlangt wird).

Wenn ein Fremdkörper im Maul des Pferdes liegt und es körperliche Leistung erbringen soll (laufen...), kommt es zu einem Konflikt zwischen zwei verschiedenen Reflexen.
Üblicherweise haben Pferde nur Nahrung im Maul. Es wird Speichel produziert und es muss geschluckt werden. Dieser Speichel wird auch beim Kauen auf dem Gebiss produziert (welches nicht immer Wohlbefinden ausdrückt, sondern auch vom Kaureflex herrühren kann). Dabei verschließt der Kehldeckel die Luftröhre. Dabei melden die Nerven Ruhe und damit geringe Atmung, also nur wenige Atemzüge pro Minute.

Bewegt sich das Pferd jedoch, hat es einen erhöhten Sauerstoffbedarf. Es muss mehr atmen und dafür den Kehlkopf weit stellen, also den Weg zur Luftröhre frei machen.
Dies ist nicht möglich, wenn gleichzeitig Speichel produziert wird, der nicht in die Lunge gelange darf und das Pferd durch die Einwirkung des Gebisses den Kopf abwinkelt, denn dadurch werden die Luftwege eingeengt.

Für eine gesunde und optimale Sauerstoffversorgung muss das Pferd die Kehlknorpel parallel stellen und somit die Öffnung erweitern. Das funktioniert aber nur mit einem gestreckten Kopf-Hals-Winkel.
Sonst bleibt immer etwas (und mit jedem Atemzug etwas mehr) kohlendyoxidbeladene Luft in der Lunge zurück. Damit kann die Herz- und Skelettmuskulatur nicht optimal versorgt werden (sie ist also nicht zu Höchstleistungen fähig!)

Das Problem der Pferde lässt sich leicht am eigenen Leib erfahren. In den Reiterferien haben wir uns oft im Dorf ein paar Süßigkeiten geholt und mussten danach einen ziemlich steilen Anstieg wieder hoch. Dabei wollten wir natürlich sofort etwas von den Süßigkeiten probieren und waren dabei ziemlich am schnaufen.
Kauen, schlucken und atmen funktioniert nicht gleichzeitig! Geht doch mal Kaugummi kauend eine Runde joggen und dann nehmt das Kaugummi raus. Ihr werdet den Unterschied sofort merken ;) .

Durch das Gebiss kann es auch zu nicht sichtbaren Entzündungen kommen, vorallem, wenn diese gebrochen sind. Ein gebrochenes Gebiss kann das Pferd nicht mit Hilfe der Zunge vom Unterkiefer heben.
Außerdem sind Zahnprobleme auch die Folge vom Kauen auf dem Gebiss. Hat das Pferd den hals erhoben und den Kopf abgeknickt (also genau das Gegenteil seiner natürlichen Fresshaltung), dann liegen Ober- und Unterkiefer nicht mehr aufeinander und die Zähne werden stellenweise nicht mehr abgenutzt. Dadurch entwickeln sich lange und scharfe Kanten.

Soweit dazu. Ich hoffe es ist einigermaßen verständlich ausgedrückt :shifty: . Ich empfehle aber wirklich sich das Buch mal durchzulesen, da steht es nochmal ausführlicher und ist durch Abbildungen auch anschaulicher.
Liebe Grüße, Anni

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BiJu
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von BiJu »

Aber auch beim gebisslosen Reiten kaut ein Pferd doch und produziert dementsprechend Speichel, oder nicht? :nix:

Also ist es ja eigentlich keine Frage ob mit Gebiss oder ohne, sondern man müsste so reiten, dass das Pferd nicht kaut :brain: :roll:
BiJu = Bianca und Justin (das Pferd von der Käsetheke) :bounce:

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.Anni.
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von .Anni. »

Dann möchte ich mich noch kurz dazu äußern, dass auch der Nasenrücken des Pferdes empfindlich ist. Dem stimme ich zu.

Doch auch Zunge, Gaumen und Zahnfleisch sind sehr empfindliche Körperpartien. Hinzu kommt, dass Gebisse für gewöhnlich rund sind. Sie drücken also punktförmig und verteilen ihren Druck besonders schlecht. Gebisslose Zäumungen haben jedoch optimalerweise (mMn) einen breiten, flachen Nasenriemen, der nicht einschneidet und den Druck auf eine größere Fläche verteilt. Trotzdem muss das Pferd natürlich so geritten werden, dass keine große Krafteinwirkung nötig ist, sondern es schon auf geringe Einwirkung/Druck reagiert.
Und ich bin ganz klar gegen Zäumungen mit Hebelwirkung!

Und um mich auf dein Beispiel zu beziehen Mairead: wenn ich zwischen einer Eisenstange, die auf mein Zahnfleisch, meine Zunge und meinen Gaumen einwirkt oder einem breiten Riemen der auf meinen Nasenrücken oder mein Schienbein einwirkt entscheiden kann, dann weiß ich was ich lieber wählen würde.

@Liliana
Ich denke, das besonders Pferde sich an vieles gewöhnen, wenn man ihnen die Zeit gibt. Auch eine Schmerzgrenze kann gehoben werden. Also mal von den möglichen Schmerzen abgesehen halte ich gebisslos für angenehmer (siehe meinen vorherigen Post).

Ich hoffe, dass das hier nicht in einer Streiterei endet, ist ja doch irgendwie ein heikles Thema ;) . Ich möchte auch niemanden schlechtreden. Für mich ist das völlig in Ordnung wenn jemand mit Gebiss reitet und das für sich und sein Pferd als besser ansieht.
Das nur vorweg und jetzt hoffe ich auf produktiven Gedankenaustausch :kissenchat: .
Liebe Grüße, Anni

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.Anni.
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von .Anni. »

BiJu hat geschrieben:Aber auch beim gebisslosen Reiten kaut ein Pferd doch und produziert dementsprechend Speichel, oder nicht? :nix:

Also ist es ja eigentlich keine Frage ob mit Gebiss oder ohne, sondern man müsste so reiten, dass das Pferd nicht kaut :brain: :roll:
Die Frage hatte ich beim Lesen auch und habe keine wirkliche Antwort.
Aber vielleicht ist Kauen ja nicht gleich Kauen. Bei einem Fremdkörper im Maul wird es ja durch einen Reflex ausgelöst. Ohne Gebiss könnte es eine Art bewusste Entscheidung sein... das Problem mit dem Speichel besteht dabei natürlich weiterhin. Obwohl ich noch nie ein gebisslos gerittenes Pferd so stark habe schäumen sehen (ich überlege grade, ob ich da überhauft schonmal von außen Speichelfluss gesehen habe :kratz: ) wie viele es mit Gebiss oft tun.
Liebe Grüße, Anni

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WaldSuse
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von WaldSuse »

Dustin kaut und produziert Speichel,wenn ich ihn mit dem Bidless Bridle reite,es kommt sogar so viel Speichel,daß er ihm aus dem Maul laufen kann......
Ich reite ihn aber auch hin und wieder mit Gebiß.Als ich das letzte Mal auf dem Platz mit ihm gearbeitet hab,mußte ich fest stellen,daß ich mehr in der Hand habe,als mit Gebiß.Er tut sich mit Gebiß leichter,an den Zügel zu gehen,sich anzulehnen.Ich werde auf dem Platz das Gebiß nehmen und ihn genau beobachten.
Nicht müde werden,
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Integra »

Hi,

ich denke das kommt auch mit aufs jeweilige Pferd an.
Mein Kleiner z.B. kaut auf dem Gebiss, wenn er steht, wenn er läuft ist die Konzentration beim laufen und er kaut nicht wirklich, speicheln tut er fast gar nicht.
Wenn ich jetzt andere Pferde ansehe, die schäumen so, dass es schon tropft und der Schaum an der Pferdebrust und den beinen hängt, da bin ich mir nicht so sicher ob das so gut ist... :nix:

Aber wenn die Pferde auch beim Gebisslosreiten speicheln, dann ists glaube ich ja schon fast wieder egal oder?

LG
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feendrache
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von feendrache »

Hmm...
also ich bin weder komplett für oder gegen Gebisslos.
Duende reite ich gebisslos, da er damit einfach besser läuft und wesentlich entspannter ist, was ein wichtiger Faktor bei ihm ist. Aber ob das wirklich physische und nicht nur psychiche Anspannung ist, die das Gebiss auslöst kann ich nicht sagen.
Da er auch Serreta-Narben auf der Nase sein eigen nennt, war ich zuerst sehr zurückhaltend, ob er eine gebisslose Zäumung nicht schlimmer als das Gebiss findet, aber dem ist nicht so.

Meine Kleine reite ich derzeit auch Gebisslos, aber hauptsächlich weil sie immer noch Zahnwechselprobleme hat.
Generell habe ich bei ihr aber das Gefühl, dass sie eher ein Gebiss-Pferd ist. Als ich sie am Samstag mit Gebiss ritt, fand sie das, so kam es mir vor, besser als den Druck auf die Nase von der Gebisslosen. Allerdings ist der Zahnwechsel da noch im Weg. Das wird sich aber ja später dann heraus kristallisieren, da ja nichts dagegen spricht beides weiter zu führen.
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tara
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von tara »

Fenja hat geschrieben:Für eine gesunde und optimale Sauerstoffversorgung muss das Pferd die Kehlknorpel parallel stellen und somit die Öffnung erweitern. Das funktioniert aber nur mit einem gestreckten Kopf-Hals-Winkel.
also, anständig reiten, vorwärts-abwärts, Nase vor der Senkrechten, und keine Rollkur.
Egal ob mit oder ohne Gebiß.
Liebe Grüße
tara
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ehem User

Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von ehem User »

Ich bin nicht grundsätzlich gegen gebissloses Reiten. Ich selber habe es auch schon während des Zahnwechsels meines Ponys getan. Was mich nur extrem stört sind solche reisserischen Titel. Mit reisserischen Titeln meine ich jetzt nicht dein Thread, sondern diese extreme Einstellungen - nach dem Motto: nur das ist richtig, alles andere falsch.Ich selbst hatte mal ein Buch zum Thema gebissloses Reiten zu hause. Danach war man als Reiter, der sein Pferd mit Gebiss (egal welcher Art) reitet, der Tierquäler schlechthin. Natürlich gabs auf der letzten Seite gleich ein Bestellformular für den gebisslosen Zaum...Dieses Buch flog direkt in den Müll.
Und gerade was das kauen angeht, gibt es ja große Unterschiede. Eine ehemalige Stallbetreiberin war ganz stolz auf ihr Pferd, weil es so ein aktives maul hatte. Dabei war das nichts als nervöses Gekaue (man hörte ja sogar die Zähne aufeinander schlagen). Wenn das Pferd "korrekt kaut" sollen ja nur die Lippen einen leichten weißen Rand haben, als hätten sie weißen Lippenstift. Dabei bleibt das Maul geschlossen. Beim Legerte spielt das Kauen eine Schlüsselrolle, soweit ich das verstanden habe.

Mein Fazit: Mein eigenes Pony fühlte sich mit Gebiss wohler. Das schließe ich daraus, dass es sich beim Reiten mit Gebiss schön an die Hand herandehnt (und das wurde mir auch von einer ernsthaft kompetenten Person bestätigt ;) - ich weiß nicht, ob ich hier Namen nennen darf?) und ohne Gebiss (LG-Zaum in Sidepull-Einstellung) hinter dem Zügel verkroch, egal mit welchem Zügelmaß. D.h. für mich: eine gebisslose Zäumung ist nicht besser, nur anders (ich hätte auch schreiben können: Reiten mit Gebiss ist nicht automatisch besser, nur anders ;) )
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