Diesen Spruch haben sicher die Meisten von euch schonmal gehört, aber vielleicht fällt es Einigen (wie auch mir) schwer, den Gehalt dahinter zu erkennen. Heute wurde ich wieder mal dran erinnert, dass ich oft mit "zuviel Kopf" reite. Beim Reiten auf dem Platz haben wir immer wieder mal das Problem, dass die Lenkung unsauber funktioniert und dann dochmal der innere Zügel zum Einsatz kommt *schäm*, dass Tempowechsel nicht präzise klappen usw usw. Man sucht die Ursache beim Pferd : ist er vielleicht einseitig zu steif, hat er sonstige Probleme die ihn daran hindern sich besser zu bewegen, - aber an der Longe ist zwar eine gewisse Händigkeit, aber keine grösseren Probleme zu erkennen. Und bei sich selber : bin ich zu schief, sitze ich falsch, gebe ich die Hilfen nicht richtig, - diese Überlegung führt dann wieder dazu, dass man seinen Sitz analysiert und versucht, sich zu erinnern, wie die optimalen Hilfen nun auch wieder waren. Dabei ist es egal, ob man versucht zu ergründen, wo man seine Einzelteile zu positionieren hat oder ob man die Centered Riding-Bilder vor seinem inneren Auge durchblättert, auf der Suche nach dem Bild was momentan helfen könnte. Sicher sind solche Lehren gut und nützlich, aber wenn wir uns auf dem Pferd sitzend mit solchen Anweisungen beschäftigen, führt das eben anscheinend dazu, dass wir mit "dem Kopf" reiten statt mit dem Hintern.
Wie gesagt wurde mir das heute wiedermal bewusst. Ich ritt (zum 3. Mal in diesem Jahr) mit Handpferd auf dem Platz. Ich hatte mir mit Schaumstoffgassen und Pylonen einen Parcour gelegt, den ich auf eine bestimmte Art mit Handpferd meistern wolte. Das Handpferd war nicht sehr kooperativ heute und verlangte teilweise soviel Aufmerksamkeit, dass ich kaum noch an mein Reitpferd denken konnte. Die Zügel führe ich normalerweise beidhändig, nur manchmal übunghalber einhändig, und dann klappt es mit der Lenkung meist nicht mehr präzise genug. Beim Handpferdereiten führe ich die Zügel öfter bequemlichkeitshalber einhändig und - dann klappt es prima. Und heute hatte ich teilweise den Zügelkontakt komplett verloren, weil ich mit dem Getüddel Zügel-Handpferdestrick-Gerte ein Chaos veranstaltete. Und - das ist eben das Merkwürdige : mein Reitpferd lief perfekt. Alles was manchmal nur mit viel Mühe und innerem Zügel klappt, klappte heute einhändig oder ganz ohne Zügelkontakt. Mein Verdacht ist, dass ich heute eben SO mit dem Handpferd beschäftigt war, dass ich mein Reitpferd nur "mit dem Hintern" geritten bin. Nicht nur physisch mangels Zügelkontakt, sondern auch mental war ich so mit dem Handpferd beschäftigt, dass ich nicht "mit dem Kopf" über Sitz, Hilfen usw gebrütet hab, sondern nur einigermassen den Kurs vor Augen hatte, den ich durch den Parcours steuern wollte, und mein Sitz und Hilfen dann irgendwie "automatisch" richtig gewesen sein mussten.
Sowas in der Art habe ich auch gespürt, als ich mir vor ein paar Wochen auch eine "Jux-Aufgabe" gestellt hatte : ich hatte einen Autoreifen an ein Seil gebunden, das Seilende auf einen Stapel Reifen gelegt sodass ich es vom Pferd aus erreichen könnte. Nach dem üblichen Trainigsprogramm bin ich an den Reifenstapel geritten (dazu musste ich das Pferd auch präzise nahe genug heransteuern und exakt anhalten, damit ich das Seilende vom Pferd aus greifen konnte), habe dann das Pferd rückwärts und seitwärts treten lassen, damit es den schleifenden Reifen sehen kann (hatte es natürlich schon am Boden vorbereitet, aber vom Sattel aus ist's dann doch wieder was Anderes aus der Sicht des Pferdes). Bei einer späteren Übung habe ich den Reifen dann hinter uns hergezogen. Das war auch so eine Aufgabe, wo ich meine Aufmerksamkeit auf das zu ergreifende Seil richtete, dann musste ich meine Aufmerksamkeit darauf verwenden, ob das Pferd nicht zu ängstlich wird, musste aufpassen dass der Reifen nicht gegen ein Pferdebein gerät - und hatte da natürlich kaum noch die Möglichkeit, mich bewusst um Sitz und Hilfengebung zu kümmern (und beidhändige Zügelführung war da auch nicht möglich, da ich eine Hand brauchte um den Reifen am Seil zu ziehen). Trotzdem klappte alles super, besser als zuvor, als ich noch 100% darauf konzentriert war, reiterlich alles richtig zu machen....
Ich glaub, ich sollte öfter sowas machen. Es gibt da noch so nette Sachen, z.B. Besenpolo wollte ich auch schon immer mal probieren

Um Missverständnisse zu vermeiden : ich mag NICHT diesen Gymkhana-Stil, bei dem die Ausführung der Aufgabe nach dem Motto "der Zweck heiligt die Mittel" im Vordergrund steht. Denn da sind die Reiterlein oft SO intensiv mit der Lösung ihrer Aufgabe beschäftigt, dass man im Eifer des Gefechtes unschöne Sachen sieht (Zügelzerren, Hackenbolzen usw). Aber ich denke, es kann echt hilfreich sein, wenn wir ab und zu mal eine Übungseinheit einlegen, wo wir uns mal auf was Anderes konzentrieren als darauf, "verbissen, verkrampft, verspannt" alles richtig machen zu wollen. Und ich hab das Gefühl, dem Pferd macht's auch Spass, mal "was merklich Anderes" zu machen

Falls noch wer Vorschläge für solche Übungen hat : immer her damit. Je mehr Ideen umso besser
