Verhalten in der neuen Heimat

Moderator: Keshia

ehem User

Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

Hallo an Alle!
Hat jemand hier Erfahrung mit einer massiven Verhaltensänderung, nachdem ein Pferd den Besitzer und auch den Stall gewechselt hat?
Ich habe mir vor mittlerweile 5 Wochen ein Pferd gekauft. Ein 7jähriger Wallach. Beim Probereiten war er grottenbrav. Er klebte nicht an anderen Pferden, ließ sich anstandslos aufsatteln und -trensen, war super- lieb beim Reiten. Lt. Vorbesitzerin stand er brav beim Schmied, der konnte ihn allein beschlagen und brauchte keine Hilfe.
Als der Wallach zu mir kam, ließ ich ihn zunächst für ein paar Tage in Ruhe. Am vierten Tag dann, holte ich ihn zum Putzen von der Wiese. Er stand brav am Anbindebalken, aber als ich zu putzen begann, wurde er hektisch, biss ständig gefrustet in den Balken und aufeinmal landete ein Tritt auf meinem Oberschenkel. :-o
Auch bei späteren Putz- Versuchen, folgte erst Hektik, dann Zappeln, dann Rempeln, dann etwas zaghaftes, unsicheres Treten. Zuerst dachte ich an Borreliose, dann an Blockaden.
Er ließ sich brav longieren und verließ mit mir auch brav den Hof. Ansätze zum Kleben beachtete ich nicht weiter. Das hielt ich in neuer Umgebung für normal.
Dann kam der Schmied... ein Hinterbein war nicht zu bearbeiten, das Pferd lehnte das volle Gewicht auf dieses Bein und ließ es nicht mal hochnehmen. Auf mehrmalige Versuche des Schmieds, folgte dann auch irgendwann ein unsicherer und zaghafter Tritt.
Eine liebe Bekannte riet mir, den Wallach zu Klickern. Das tat ich und innerhalb von nur einer Woche konnte ich ihn Putzen und alle Beine hochnehmen. Beim Putzen ist er entspannt, beim Hufe geben hält er noch die Luft an, aber er macht es und steht. Ich binde ihn nicht mehr an, wir "üben" alles in der Wiese. Wenn ihm etwas zuviel wird, dann geht er, wenn ich ihn anbinde, wehrt er sich irgendwann - tritt -.
Nun wollte ich dann mal Satteln...
Drama! Augenrollen und Flucht... Mit Geduld und diesmal ohne Klicker, hatte ich den Sattel aber nach 20 Minuten drauf. Auch das wieder frei in der Wiese. Ein paar Tage später, habe ich den Sattel mal wieder einfach so aufgelegt und diesmal gegurtet. Nur ganz locker, so daß der Sattel so eben fest saß. Da bockt der los wie ein Bronco!?!?
Kleben tut er nicht mehr, ihm sind andere Pferde verhältnissmäßig egal. Nur dieses Misstrauen...
Er reagiert sehr sensibel auf meine Stimmung. Wenn ich unsicher bin, dann wird er es auch und dann geht gar nichts mehr. Und es ist nicht einfach, Selbstsicherheit auszustrahlen, wenn ein Pferd tritt und bockt...
Sein ganzes Verhalten schwankt zwischen Neugierde, Unsicherheit und Ablehnung.
Habt Ihr sowas bei einem Umzug und Besitzerwechsel schonmal erlebt? Bei einem bis dahin super- braven Pferd!? Anfangs hatte ich den Verdacht, die Vorbesitzerin hat mich ver... aber ich glaube ihr mittlerweile, daß er bei ihr lieb war. Als ich ihn ausprobiert habe, war er ja auch total nett!
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Equester
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Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von Equester »

Ja, kenne ich, von meinem Pferd. Die Vorbesi beschrieb ihn als lieb, ihr Freund wäre mit ihm ins Gelände gegangen, alleine und ein absoluter Nichtreiter. Ich kam mit ihm nicht vom Hof und ein paar andere Sachen hat er dann auch nach und nach ausgepackt....... Ähnliches habe ich schon sehr oft bei Neupferdebesitzern erlebt. Erst waren sie super lieb und als sie einigermaßen warm wurden, haben sie so manches blicken lassen, im positiven wie im negativen Sinne.

Bei meinem war ich damals schwer verunsichert und ich bekam richtig viel Angst vor ihm, weil ich mir das nicht erklären konnte, heute kann ich mir das schon eher.

Für das Pferd ist alles neu (und nur mal am Rande, die Vorbesi muss nicht gelogen haben, aber lieb liegt auch immer im Auge des Betrachters ;) ) und alles ist fremd. Fremde Menschen, fremde Gerüche, fremde Pferde, fremder Umgang. Nichts ist mehr wie bisher und mit 7 ist man in der Regel noch nicht so abgeklärt, dass man alles einfach mal eben wegsteckt. Vielleicht tut ihm auch der Rücken weh, weil er vorher mit unpassendem Sattel geritten wurde, vielleicht hat er mal schlechte Erfahrungen beim Schmied gemacht, wer weiß das schon. Ein "gebrauchtes Pferd" hat nun mal eine beschriebene Festplatte und in der Regel kann man nur raten, warum es nun so und nicht anders reagiert.

Stell Dir vor, Du wirst über Nacht in eine neue Familie verpflanzt, andere Sprache, andere Sitten und dann will man auch noch seltsame Sachen von Dir, die kennst Du gar nicht :ohhh:. Ach ja, und der Mann ist auch noch neu ;) . So ähnlich müssen sich Tiere fühlen, wenn sie neue Besitzer finden und nicht immer sind sie über den Wechsel zunächst glücklich. Gib Dir und dem Pferd Zeit sich aneinander zu gewöhnen. Vielleicht läßt Du mal eine Physio oder Osteo drauf gucken, ob auch alles in Ordnung ist, vielleicht auch mal den Sattel prüfen. Clickern halte ich für eine super tolle Idee, sich anzunähern, das ist so eine positive Arbeit. Die macht Mensch und Pferd gleichermaßen Spaß, weil man sich voll auf das Positive konzentriert und das was nicht klappt, einfach ignoriert.

Übrigens, bei uns hat es ein paar Jahre gedauert, bis wir wirklich zusammen gewachsen waren. Das dauert normal nicht so lange, aber ein halbes Jahr würde ich mir mindestens schon geben :cool:
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Biggi
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Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von Biggi »

Bei unserm Shettlandpony Merlin war es auch so ähnlich. Die Kinder aus seiner Vorbesifamilie machten mit ihm alles nur erdenklich mögliche. Wir haben ihn auch vor dem Kauf 2 mal besucht und alles erschien mir authentisch und nichts geschönt.

Als er dann bei uns war, zwickte er beim Putzen und Hufe auskratzen gerne mal zu, was ich nicht so toll fand, da meine Tochter erst 6 war. Beim Longieren zerrte er mich gerne mit aller Kraft durch die Gegend. War er gesattelt und geschwitzt, wollte er sich ständig zum Wälzen hinwerfen. Ein Kind alleine reiten zu lassen (also ohne immer den Führstrick in der Hand zu haben) war im Gelände viel zu gefährlich, da er ständig durchzugehen drohte. Über Wiesenwege mit etwas höherem Gras konnte ihn kein Kind reiten, da er den Kindern den Zügel energisch aus der Hand riß und durch nichts von den Kindern zum Weitergehen zu bewegen war. Nahm man eine Gerte zur Hand, reagierte er panisch.

Als wir uns darüber bei den Vorbesis beklagten, wiegelten sie erst ab und dann sagte die Mutter: "Wenn ich es recht überlege, war er bei uns am Anfang, als wir ihn bekamen auch so!"

Wir haben nicht aufgegeben, aber meine Tochter war manches mal ganz schön frustriert -und ich auch. Heute ist er 12 Jahre bei uns und unser weltbestes Shettlandpony. Meine Tochter hatte viele Jahre auf seinem Rücken Spaß und heute arbeitet sie mit ihm an der Hand. Er ist ihr Seelenpferd geworden und folgt ihr wie ein Hund. Aber es hat so zwei/drei Jahre gedauert.
Viele Grüße

Birgit

Reiten ist ganz einfach: Du sitzt drauf und brauchst fast nichts zu machen! :-D Das Probelm: Du darfst auch fast nichts machen! :mrgreen:

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Muriel
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Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von Muriel »

Ich hatte für meine Tochter ein Reitbeteiligungspony übernommen. Die Besitzerin wollte mit ihren anderen Pferden etwas später ebenfalls in den Stall umziehen, das Pony ging sozusagen einen Monat voraus und wir sollten uns kümmern.
Es war wirklich total nett, unkompliziert, hingebungsvoll - ein richtiges Therapiepony, obwohl noch nicht soo alt (6 Jahre).
Wir verluden also (problemlos) das Pony, fuhren zum Stall....


und luden einen feuerspeienden Drachen wieder aus, den wir zu zweit kaum über den Hof brachten. Sie zerlegte alles was in Reichweite war, sprang über die Boxentür und verbrachte schliesslich die Nacht in der rundum verschlossenen Box, selbst die obere Tür mussten wir zumachen. In den nächsten Wochen war es nicht denkbar, dass meine Tochter mit ihr umging. Sie trat, zog am Strick und versuchte in allem ihren Willen durchzusetzen.
Nach einigen Wochen wurde es langsam besser. Ich war aber froh dass wir sie nicht gekauft hatten, sondern nur als RB hatten.
Sie erwies sich in Folge als zu kompliziert für meine Tochter so dass wir die RB nach knapp einem dreiviertel Jahr wieder beendeten.
Ansonsten war das ein wirklich tolles Pony.

Hätte mir das jemand erzählt, ich hätte das nicht geglaubt dass sich ein Pferd durch Wechsel der Umstände so verändern kann.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
ehem User

Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

hat ich die haltungsform deutlich geändert?
hatte er schon erfahrung mit der jetzigen haltungsform?
hat er stress in der herde?
andere fütterung? weniger heu zB?

wenn ich mien pferd verkaufen würde, un djemand stellte ihn in einen stall mit rationierter heufütterung, hätte der wahrscheinlich auch in kurzer zeit einen drachen (und danach ein wrack, meiner braucht einfach immer heu, kein stroh keine karenzen - nur als beispiel)

es kann natuerlich im schlimmsten fall sein, dass man dir ein pferd unter schmerzmitteln vorgestellt hat :-(
ehem User

Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

Ohje..... vom schlimmsten Fall sollte man erstmal nicht ausgehen, das ist nämlich mir mit meinem ersten Pferd passiert und das war ein echtes Drama- auch wenn ichs schlussendlich auf die Reihe gekriegt hab.
ehem User

Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

Kann ich auch etwas zu beisteuern: wir sind vor ca. 6 Wochen in den neuen Stall gezogen. Hatte ich vorher ein Pferd, dem so ziemlich alles egal war und das sich gefreut hat, wenn ich kam, habe ich jetzt eines, dem ich relativ egal bin. Und das, weil er jetzt einen Pferdekumpel hat. Die Pferde auf dem "alten" Hof, haben ihn eigentlich alle nur angenervt, manche waren ihm zu aufdringlich, manche sehr böse zu ihm.
Und jetzt hat er sein "Traumpferd" kennengelernt :sigh:
Er klebt regelrecht am neuen Stall, was für mich (und meine RB, die das gestern bei einem Ausritt das erste Mal erleben durfte) natürlich erstmal nicht so schön ist. Auch sonst benimmt er sich doch schon etwas anders. Er ist zwar immer noch ein grundsätzlich menschenbezogenes Pferd, das aber jetzt auch schon mal viel deutlicher sagt, wenn es etwas nicht mag oder tun möchte (dass es z.B. auf dem neuen Reitplatz viel zu gruselig ist, um darauf etwas zu "arbeiten"). Auch beim Spazieren gehen beispielsweise, mussten und müssen wir viele Dinge nochmal neu klären. Wo vorher viel Kooperation war, ist jetzt erst mal hinterfragen angesagt. Mal sehen, wie sich das entwickelt...

LG
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Biggi
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Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von Biggi »

Yshgl hat geschrieben:Kann ich auch etwas zu beisteuern: wir sind vor ca. 6 Wochen in den neuen Stall gezogen. Hatte ich vorher ein Pferd, dem so ziemlich alles egal war und das sich gefreut hat, wenn ich kam, habe ich jetzt eines, dem ich relativ egal bin. Und das, weil er jetzt einen Pferdekumpel hat. Die Pferde auf dem "alten" Hof, haben ihn eigentlich alle nur angenervt, manche waren ihm zu aufdringlich, manche sehr böse zu ihm.
Und jetzt hat er sein "Traumpferd" kennengelernt :sigh:
Er klebt regelrecht am neuen Stall, was für mich (und meine RB, die das gestern bei einem Ausritt das erste Mal erleben durfte) natürlich erstmal nicht so schön ist. Auch sonst benimmt er sich doch schon etwas anders. Er ist zwar immer noch ein grundsätzlich menschenbezogenes Pferd, das aber jetzt auch schon mal viel deutlicher sagt, wenn es etwas nicht mag oder tun möchte (dass es z.B. auf dem neuen Reitplatz viel zu gruselig ist, um darauf etwas zu "arbeiten"). Auch beim Spazieren gehen beispielsweise, mussten und müssen wir viele Dinge nochmal neu klären. Wo vorher viel Kooperation war, ist jetzt erst mal hinterfragen angesagt. Mal sehen, wie sich das entwickelt...

LG
Ich denke mal, dein Pferd ist einfach nur unsicher! Un der neue Freund gibt ihm Sicherheit, darum möchte er auch bei ihm sein.
Viele Grüße

Birgit

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ehem User

Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

Ja, Biggi, das stimmt so. Und ich bin auch selbst durch die neuen Umstände noch etwas verunsichert, also passt das schon.

Mittlerweile finden wir auch wieder etwas mehr zusammen. Gestern war ein sehr schöner gemütlicher Spaziergang/Ausritt angesagt...Und er bekommt langsam wieder mehr Spaß am Arbeiten mit mir/uns. Muss mir halt immer wieder klar machen, was das für ein Einschnitt ist, so ein Stallwechsel, der wird nicht von heute auf morgen verdaut (auch wenn es zum Positiven ist).
ehem User

Re: Verhalten in der neuen Heimat

Beitrag von ehem User »

Hallo, manche Verkäufer (vorwiegend Händler) sedieren ihre Pferde vor einem Proberitt. Der künftige Käufer ist dann der Meinung, er habe ein ausgeglichenes und liebes Pferd vor sich, das alles in Ruhe mit sich machen lässt (Satteln, Putzen, Reiten). Mir hat so etwas eine Züchterin erzählt. Deren Bekannte hatte bei einem Händler ein Pferd gekauft. Beim Proberitt war es das liebste Pferd. Im neuen Stall wurde die Besitzerin dann aber permanent vom Pferd gebuckelt... Muss ja in deinem Fall nicht so gewesen sein. Womöglich liegt es wirklich nur daran, dass es die Umstellung noch nicht verarbeitet hat. ´

Drücke dir die Daumen, dass sich das bald gibt!
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