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Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Fr 23. Aug 2013, 00:35
von Jochen
Hallo Tanuschka,

beim Bogenschießen braucht man Muskeln, die man meist im sonstigen Leben wenig einsetzt. Mit dem Training entwickeln die sich, werden stärker, und das Auszugsgewicht, das man ohne Schwierigkeiten ziehen kann, wird größer. Daher "verschleißen" Anfänger oft mehrere Bögen, weil sie sich "aufbauen".

Falls Du herausbekommen kannst, mit welcher Bogenstärke Du auf den Festen geschossen hast, wäre das schon mal ein Anfang: War es zu schwer, oder hättest Du auch mehr ziehen können?

Es wäre bestimmt kein Fehler, wenn Du verschiedene Bögen ausprobieren könntest, z. B. in einem Verein oder bei einem Händler.

Die Art des Bogens ist weniger entscheidend als der Unterschied zwischen dem möglichst genauen Zielen beim "normalen" Schießen einerseits und andererseits dem Intuitivschießen, oft auch fälschlicherweise Instinktivschießen genannt.

Aber ein Langbogen zu Pferd ist zu unhandlich. Es sollte zumindest irgendwas Kleines sein, damit man das Pferd nicht damit piekt.

Beim berittenen Bogenschießen, wo die meisten früher oder später nicht nur vom stehenden Pferd, sondern auch aus dem Galopp schießen wollen, kommt es überdies auf schnelles Nocken (den Pfeil auf die Sehne klemmen), Ausziehen und Loslassen an. Da hilft nur Übung.

Zu Anfang ist ein Armschutz sicher zu empfehlen, nicht nur, weil man sich ganz schön dicke blaue Flecke am Bogenunterarm holen kann, sondern auch, damit Pfeil und Sehne nicht an die Kleidung schlagen. So einen Armschutz für die Anlaufphase kann man sich aus einem Stück Leder oder Kunstleder mit zwei Streifen Klettverschluß unschwer selber basteln.

Ob man eine Fingerauflage für die Sehnenhand braucht oder einen Daumenring, das hängt von der Release-Technik ab (bei schwachen Bögen, z. B. Kinderbögen, braucht man meist gar nichts). Kann man aber ebenfalls leicht selber herstellen und evtl. Varianten ausprobieren.

Bei Bögen ohne Pfeilauflage streift der Pfeil (und damit die Befiederung!) über die Bogenhand — deshalb wird man sie schützen wollen. (Eventuelle Überzeugungsarbeit leistet ggf. die Praxis, kann aber weh tun.)
Bei Bögen mit Pfeilauflage ist das nicht nötig, weil der Pfeil über die Auflage streift.

Die meisten Schützen schießen nur als Rechts- bzw. Linkshänder. Das hat nichts mit der Hand zu tun, die man zum Schreiben benutzt, sondern mit dem stärkeren Auge, mit dem man zielt. Auf der Seite dieses Auges ist dann die Sehnenhand.
Ohne Zielen und mit zwei offenen Augen (man sitzt ja auf einem Pferd!) ist diese Unterscheidung hinfällig.

(Als Rechtshandschütze stelle ich im Moment bei meinen ersten "Gehversuchen" im Intuitivschießen, also ohne Zielen, mit einem Kinderbogen, fest, daß ich links genauso gut (will sagen: genauso schlecht...) schieße wie rechts. Und zwar sowohl nach vorn, als auch seitlich, als auch nach hinten (Partherschuß). Allerdings mit weniger Muskeln.

Was passiert, wenn man von Anfang an beidseitig schießt, das kann ich Dir nicht sagen. Mir selber würde ich es heute rückhaltlos empfehlen, nur bin ich dafür etwas spät dran. Aber aus dem Alter der unnötigen Einseitigkeiten bin ich wohl endlich raus — von Essen, Schreiben, Autos und ähnlichen Maschinen, Werkzeughaltung etc. abgesehen, war das die letzte, und die störte mich schon länger. Doch besser spät als nie...)

Und dem Pferd muß man das berittene Bogenschießen ebenfalls nahebringen, es muß also nach und nach an all die bizarren Dinge gewöhnt werden, die damit zusammenhängen.
Wie immer, so auch hier: Kleinschrittigkeit, Geduld, Ruhe.

Für die ersten Schüsse vom Pferd aus würde ich jedenfalls empfehlen, ohne Sattel (im Stand, dann im Schritt) erst mal Roß und Schützenhampeleien zusammenzubringen. Und dabei auch die Feinheiten der Gemeinsamkeit "ohne alles" zur Gewohnheit zu machen. Später kann man dann den Sattel einbringen und sich darin üben, die Feinheiten über dieses Hindernis hinweg zu erhalten.

Wenn Du Dir aus einem alten Teppich(boden) einen brauchbaren Pfeilfang herstellen kannst oder z. B. in den Boden schießen kannst, ohne daß dabei die Pfeile kaputtgehen, dann sehe ich keinen wirklichen Grund, zunächst vom Boden aus "richtig fit" zu werden. Ein bißchen üben, und rauf aufs Pferd.
Dann einerseits am Boden die Muskeln aufbauen (beidseitig, wenn's geht...), andererseits auf dem Pferd das (beidseitige...) Gleichgewicht und die Zusammenarbeit trainieren.

Ende offen...

Viel Spaß, und viele Grüße aus der Provence, Jochen

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Fr 23. Aug 2013, 08:16
von ehem User
Hi Jochen :) ,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!
Am besten wäre sicher, verschiedene Bögen auszuprobieren, aber der nächste Händler ist 60 km entfernt und hat, wie ich gerade gesehen habe, nur ganz wenig Auswahl.
Die Bogenstärke auf dem letzten Fest war entweder 25 oder 35. Ich hatte extra gefragt, weil es so schwer für mich war und ich - vor allem links - ganz schön gezittert habe (mit Muskelkater am nächsten Tag). Und er hat mir dann für den Anfang entweder 25 oder 15 empfohlen und ich kann mich leider nicht mehr an die genaue Zahl erinnern :roll: .
Und ist nicht auch die "Zollweite" eine wichtige Größe?

Mit meinem Pferdchen bin ich noch lange nicht so weit, von ihrem Rücken aus Pfeile abzuschießen. Ich gehe da ganz kleinschrittig vor und beginne - mit allem - am Boden.
Hm, wenn man da wegen der sich entwickelnden Muskulatur so einen Bogenverschleiß hat, sollte ich mir vielleicht gar nicht so einen Kopf machen, sondern einen ganz simplen, günstigen Kinderbogen kaufen, oder?
Gezieltes oder intuitives Bogenschießen? Ich denke, später vom Pferd in Bewegung hat man nicht so recht die Möglichkeit, gemütlich zu zielen. Ist es dann nicht besser, gleich intuitiv zu schießen? - was immer das auch genau heißen mag :mrgreen: .

Und danke für den Tip mit dem Armschutz und dem Teppichbodenpfeilfang. Das sollte auch ich als völlig unbegabte Bastlerin hinbekommen.
Ach ja, ist es völlig egal, was man für den Anfang für Pfeile bestellt? Ich habe gesehen, da gibt es welche aus Holz, Carbon und sogar Aluminium?!

Viele Grüße in die sicher wunderschöne Provence, in der ich leider noch nie war

Tanuschka :)

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Fr 23. Aug 2013, 09:10
von Axel
Hi zusammen,

als kleiner Tipp. Nicht jeder hat einen Platz auf dem er gut schießen kann, weil die Gefahr besteht, irgendetwas zu treffen oder kaputt zu machen. http://www.idv-engineering.de/html/larp.html Mit den Pfeilen kann man auch in der Halle schießen. Sie fliegen definitiv nicht so gut wie echte Pfeile. Aber hier wird niemand verletzt. Ne kurze Warnung, wenn man die volle Wucht gegen eine Bande schießt, werden sie auch mal 1 Meter mit der Nocke zurückgeschleudert. Meine Freundin übt ab und zu mit diesen Pfeilen.

Tschüs
Axel

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Fr 23. Aug 2013, 12:14
von Scheckenfan
:panik: Jochen, hör auf, setz mir nich so einen Floh von beidhändig schießen ins Ohr :panik:

:ohhh: Zu spät - das muss ich UNBEDINGT ausprobieren :willhaben:

Zum den Schonern: Mit vernünftiger Technik konnte ich bisher sowohl den Unterarmschützer als auch den Handschuh auf der Sehnenhand weglassen.
Das einzige, was ich bisher nicht wegrationalisieren konnte, war der Schutz der Bogenhand vor den Pfeilfedern. Für 20-30 Schüsse geht das, aber nicht, wenn ich > 100 Pfeile schieße - und das geht mit Schnellschusstechnik fix.
:kicher: Das ist immer lustig, wenn ich zusammen mit "normalen" Bogenschützen schieße: Ich schaff in der selben Zeit 3-4x so viele Pfeile wie die, ohne mich sonderlich zu beeilen. :nix:
"Du igelst schon wieder die Scheibe" sagen die dann immer :kicher:

@ Tanuschka: bei nem Reiterbogen zieht der Normale eigentlich immer nen 24-28 lbs Bogen problemlos. Langbögen ziehen sich bei gleicher Lbs Zahlung deutlich anstrengender (härter), finde ich.

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Fr 23. Aug 2013, 18:25
von Jochen
Äätsch, Scheckenfan, reingelegt (Pardon: reingesetzt)... :ichwarsnich:
Aber Du hast mich ja als erste angestiftet :siewars: , und jetzt haste eben den Salat! :twisted:

(Und wenn Du >100 Pfeile schießt, dann verstehe ich auch, woher Dein Bestellwahn beim Ungarn kommt... Du scheinst ja für 'ne Mongolenarmee ausgerüstet zu sein! :attacke: )

@ Tanuschka: Klar wäre ein Kinderbogen mit billigen Pfeilen eine Möglichkeit zum Reinschnuppern.

Was die "Zollweite" betrifft, das ist die durch die Armlänge des Schützen vorgegebene Auszugsweite. Bei sehr langen Armen kann es vorkommen, daß die Pfeile zu kurz sind (gefährlich: könnten in die Bogenhand gehen) oder daß der Bogen zu weit ausgezogen wird (gefährlich: könnte brechen, und dann fliegen einem die Stücke unkontrolliert um die Ohren, und zwar mit Schmackes!).

(Auch niemals die Sehne ohne Pfeil losschnellen lassen: Bogen könnte brechen!)

Das Auszugsgewicht eines Bogens wird bei 28" Auszug gemessen. Wenn der Bogen einen längeren Auszug vertragen kann, dann findet man ggf. auch zusätzliche Auszugsgewichte z. B. für 30" und für 32" angegeben.
Aber Arme für mehr als 28" muß man erst mal haben.
(1 Zoll = 2,54 cm — also 28 x 2,54 cm = 71,12 cm)

Intuitivschießen bedeutet, seinem Körper die Arbeit des Treffens anzuvertrauen, anstatt alles bewußt kontrollieren zu wollen.
(Ist so was Ähnliches wie reiten ohne sich mit Superkleber auf dem Sattel festzukleben und ohne dem Pferd den Kopf festzuhalten und ohne ihm zu sagen "vorne rechts von A nach B, hinten links von C nach D", darauf vertrauend, daß schon jeder sein Teil irgendwie hinkriegen wird.)

Erst aus einem Meter Abstand schießen. Wenn man nach und nach gute (d. h. kleine) Gruppierungen bekommt, den Abstand vergrößern. Wenn dann die Gruppierungen erneut gut sind, den Abstand weiter vergrößern, etc.
Der eine Körper lernt das schneller und besser, der andere langsamer und schlechter. Aber seine Muttersprache spricht man ja auch nicht mit einem ständigen Blick ins Grammatikbuch...

Bei einem schlechten Bogen hat man natürlich den Frust der Ungenauigkeit des Materials, vor allem durch die unpassenden Pfeile (die sollten auf das Auszugsgewicht abgestimmt sein, und zwar nicht unbedingt bei 28", sondern auf das, welches der Schütze bei seiner individuellen Auszugslänge tatsächlich aufbringt — aber hier fängt dann auch bald der Pfeile-Eigenbau an).

Wenn Du dem schlechten Bogen aus dem Weg gehen möchtest, gäbe es noch die Möglichkeit eines Notbehelfs:
— Maßband oder Zollstock an einem Ende mit den Fingerspitzen in der Mitte der Handfläche festhalten (ausgestreckter Arm, Bogenhand), und ohne Bogen messen, wie weit die Sehne bei gutem Auszug davon entfernt wäre. Der wirkliche Auszug ist dann eher kleiner als größer...
— Mit einer Federwaage (z. B. 20 kg) und Gepäckgummis x-mal messen, wieviel Kraft Du bei diesem Auszug aufbringst. (Verschiedene Gummilängen, also verschiedene Kräfte nehmen, von gerade noch bequem bis anstrengend. Wenn das Ablesen im Spiegel nicht klappt, brauchst Du halt Hilfestellung.)
(1 Pound = 0,4536 kg)
Und mit diesen Werten ausgerüstet :erklaer: (oder eben auch ganz radikal: "Quatsch, was soll's, 30 Lbs und basta! Ich ziehe ja sowieso keine 28 Zoll.") das finanzielle Risiko eines richtigen Reiterbogens mit passenden Pfeilen eingehen. (Ab 30 Lbs ist auch die Auswahl größer...)

Daß Reiterbögen sich sanfter ziehen als Langbögen, hat etwas mit der Form der Wurfarme zu tun, aber ich bin zu faul, das jetzt zu recherchieren.

Wenn es irgend geht: Bodentraining ("die Scheibe igeln" — he he, super!) in der Nähe des (grasenden...) Pferdes zeigt selbigem, daß das was ganz Normales ist...

(Wer die Scheibe igelt, hat es nur wieder nicht geschafft, um die Ecke zu schießen !
So !!
Gelb vor Neid !!!
Arme kleine Scheibe...! :troest: )

(Psst, Scheckenfan, woher haste eigentlich Deine Techniken? Ich erzähl's auch fast gar nich weiter... :duo: )

Viele Grüße aus der Provence, Jochen

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Sa 24. Aug 2013, 16:14
von Scheckenfan
Guck mal Seite 1, 3. oder 4. Beitrag oder so.... Der Link zu "falsche Hand" ist meine Technik, und wenn du dich da bisschen durch youtube zappst findest du noch mehr von der Gruppe. Die machen's nur der Schnelligkeit wegen, schießen nicht auf ein Ziel und schon gar nicht vom Pferd. Das funktioniert aber auch, hab's ausprobiert und bin damit gar nicht schlecht dabei, wenn ich mir andere berittene Schützen anschaue.

Öhm, ich hab keine 100 Pfeile, sondern geh halt zwischendurch sammeln. Aber so 20 - 30 Pfeile machen zum Üben schon Sinn, sonst ist man ja nur am sammeln :augenroll:

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Sa 24. Aug 2013, 18:14
von ehem User
Hi Jochen,

nochmals danke :) . Hab`einige Zeit gebraucht bis ich das alles verstanden habe ;) . Ist ja eine komplexe Angelegenheit und ich habe mich jetzt entschieden, doch den Weg auf mich zu nehmen, um wenigstens mal ein paar unterschiedliche Bögen auszuprobieren. Auch die günstigen Bögen sind ja nicht geschenkt und so lohnt es sich wohl, ein bisschen zu probieren, bevor ich mich zum Kauf entscheide.

Tanuschka :)

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Sa 24. Aug 2013, 18:50
von Scheckenfan
Tanuschka, wo kommst denn du her?
Bin nächstes Wochenende auf nem (riesigen) Mittelaltermarkt in Hamburg Öjendorf anzutreffen, inkl. Bogenbahn mit diversen Bögen (Langbögen und Reiterbögen in diversen Pfundzahlen). Wenn du da vorbei schauen kannst bekommste ne Einführung :frech:

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Mo 26. Aug 2013, 07:33
von ehem User
Scheckenfan, das ist gar nicht so weit weg. Ich wohne in Wilhelmshaven. Trotzdem denke ich, dass das am nächsten Wochenende nix wird. Schade eigentlich! In Rastede, wo das Spectaculum auch jedes Jahr stattfindet, ist mir noch nie eine Bogenbahn aufgefallen.
Falls Du sonst noch ein event oder einen Laden empfehlen kannst, wo ich vor dem Kauf ausprobieren könnte, nur her damit :) .

Re: Berittenes Bogenschießen und berittener Kampf

Verfasst: Mo 26. Aug 2013, 08:54
von Scheckenfan
Nächstes Jahr sind wir vermutlich mit Bogenbahn in Rastede :frech:

Aber ist vllt. bissl lang hin... SOnst weiß ich nix, sorry :nix: