Hallo Abendsonne
Ich kann deine Ratlosigkeit gut nachvollziehen.
Es gibt natürlich sehr sehr viele Möglichkeiten, warum das Pferd unachtsam ist und dich Richtung Heimat zerrt.
Allerdings habe ich durch viele Erfahrungen gelernt, dass die Ursache und damit die Lösung tatsächlich immer auf eine Art
beim Menschen liegt.
Du vermutest ja, dass sie eventuell schlechte Erfahrungen gemacht hat. So etwas ist nicht auszuschließen, egal welchen Alters! Unsicherheit kann bei Pferden unterschiedlichste Reaktionen hervorrufen.
Das eine Pferd scheut.
Das andere kehren in sich und schottet sich ab.
Und wieder ein anderes Pferd wirkt auf einmal rüpelhaft und streitlustig.
Im Grunde jedoch ist es überall die gleiche Ursache. Die Lösung ist daher streng logisch betrachtet, relativ einfach -
Sicherheit geben.
Wie erreiche ich das?
Nun, natürlich gibt es mannigfaltige Ansätze dafür, angefangen bei einer guten Herdenkonstellation, genügend Auslauf, Futter und so weiter... aber so tief möchte ich nicht einsteigen. Es gibt nämlich durchaus auch praktische Dinge, die ein Pferd ausgeglichener und aufmerksamer machen
Bevor ich angefangen habe mit meinem Kleinen spazieren zu gehen, habe ich zuerst auf dem Reitplatz einige Dinge eingeübt. Wichtig war mir dabei, dass er freiwillig mitmacht. Ich habe also bewusst weder Strick noch sonstige physische Einwirkungen benutzt Warum? Weil ich auch später beim spazieren gehen nicht auf meine Kraft angewiesen sein möchte, sondern auch hier auf mein Pferd vertrauen will

Die Übungen waren folgende:
1. Anhalten
Wir gehen über den Reitplatz und irgendwann halte ich unvermittelt an. Mein Pferd zeigt garantiert irgendeine Reaktion - und sei sie noch so minimal - Ohren drehen, Kopf hochnehmen, selbst langsamer werden, oder gar mit dir anhalten (es ist allerdings deine Aufgabe, das zu erkennen...

).
Jede Reaktion darauf habe ich sofort belohnt. Wichtig ist es, dass du anfangs sehr deutlich bist in deiner Körpersprache. Das heißt du atmest aus, stemmst deine Füße in den Boden und stellst dir am besten vor, wie ein Ball über deinen Weg springt, du erschrickst und stehen bleibst.
Bereits nach kurzer Zeit klebt die Aufmerksamkeit des Pferdes regelrecht an dir und schon bald werdet ihr gemeinsam stehen bleiben. Dann natürlich überschwänglich loben und sich über das tollste Pferd der Welt freuen

. Je länger ihr übt, desto natürlicher wird es, dass sich dein Pferd auf dich fokussiert und in brenzligen Situation kannst du dir so spielend leicht und ohne jeden Druck ihre Aufmerksamkeit wieder holen
2. Gemeinsam losgehen
Was sich normal anhört, ist in angsteinflößenden Situation oft nicht mehr so selbstverständlich. Eine gemeinsame Körpersprache für gemeinsames Losgehen ist daher enorm nützlich. Üben kannst du es nach dem gleichen Prinzip wie mit dem Anhalten. Du beugst dich überdeutlich vor (geh am Besten in die Knie dazu) und stellst dir ein Gummiseil vor, dass dich langsam nach vorne zieht. Auch hier wieder
jede Reaktion sofort belohnen und so lang üben, bis auch das zuverlässig klappt. Du kannst auch gerne ein Signal dazu geben wie "Schritt" oder ähnliches. Solltet ihr beim spazieren gehen zB von giftigen Kräutern oder gefährlichen Stellen wegmüssen, könnt ihr euch so auch das Strafen und Zerren ersparen.
3. Aufmerksamkeit bündeln
In diese Übung könnte man in deinem Fall mit einbauen, dass deine Stute auf Schulterhöhe gehen soll. Auch hier wieder gleiches Prinzip wie bei Übung 1 und 2: Über den Reitplatz schlendern und
wann immer sie auf Schulterhöhe ist, belohnen. Auch hier wieder in Ruhe üben, bis sie eine längere Zeit neben dir auf Schulterhöhe läuft. Du kannst das auch mit Richtungswechseln und Trab bzw Galopp Phasen abwechseln, damit sich die Position weiter verfestigt. Das Signal zum beibehalten der Schulterposition könntest du außerdem mit einem Antippen verbinden. Damit würdest du dir gleichzeitig wieder ihre Aufmerksamkeit sichern.
Das wichtigste ist, wie du bestimmt gemerkt hast, immer die Aufmerksamkeit des Pferdes zu haben, wenn man sie braucht. Und noch wichtiger ist es,
selbst aufmerksam zu sein. Nur wenn ihr nämlich gegenseitig auf euch achtet, könnt ihr schon frühzeitig erkennen, was der andere gerade tut und bald tun wird und so kannst du Konflikte verhindern, bevor sie überhaupt entstehen. Hol dir einfach ihre Aufmerksamkeit, fokussiere sie auf dich und schon könnt ihr wieder konzentriert weiter gehen.
Übt das am Besten alles in Ruhe bevor ihr wieder spazieren geht. Und wenn das zuverlässig klappt, dann könnt ihr ja mit einer kleinen Runde beginnen und euch dann langsam steigern. Aber nur so weit und so viel wie ihr euch selbst zutraut und euch wohl fühlt
Allerdings würde es mich interessieren, inwiefern es dir wichtig ist, dass sie auf Schulterhöhe läuft? Weil du dich damit sicherer fühlst oder weil du denkst, dass du damit mehr Kontrolle hast?
Ich weiß allerdings nicht ob du einen Reitplatz oder irgendeine Stelle hast, an der du mit ihr in Ruhe üben kannst. Und ich weiß auch nicht, ob du mit
Futterlob arbeitest? Vielleicht magst du mir das noch schreiben, eventuell müsste man dann noch nach weiteren Wegen suchen. Wenn du Fragen zu den einzelnen Übungen hast, wie du es konkret angehen sollst (ich habe es ja nur grob umrissen), kann ich gerne versuchen, es dir ausführlicher zu erklären.
Ich würde mich sehr freuen, wenn dir meine Antwort ein wenig weiterhilft.
Beste Grüße,
Katja