Ich mag noch ein bisschen auf das ursprüngliche Thema zurückkommen, denn über menschliche Beziehungen zu urteilen, empfinde ich als problematisch und vermessen - und komme immer mehr davon ab. Andere Menschen werden gute Gründe dafür haben, sich eben so und nicht anders zu verhalten.
Erst mal

an Tanuschka: Ich kann gut nachvollziehen, dass dir nach der Trennung deines Pferdes von diesem Wallach das Herz blutet.
Tanuschka hat geschrieben:Weshalb wehren sich Pferde so wenig gegen die oft rüde Behandlung durch uns Menschen?
Es sind so starke Tiere, viel viel stärker als wir und was lassen die sich alles gefallen? Notwehr ist doch etwas, was instinktiv veranlagt ist. Ist das bei den meisten Pferden ausgeschaltet?
Ich schließe mich den anderen an, die dafür vor allem die Selektion auf 'duldsam und umgänglich' dafür verantwortlich machen. Es gibt wenige Tierarten, die überhaupt als domestizierbar gelten. So las ich als Kind ganz erstaunt in Grzimeks Tierleben, dass sich Asiatische Halbesel hoch aggressiv dem Menschen gegenüber verhalten (man hat als Kind ja irgendwie diese Vorstellung im Kopf, dass die gesamte Tierwelt nett und harmlos ist).
Tanuschka hat geschrieben:Ich sehe die Parallele zu uns Menschen. Was Menschen alles mit sich machen lassen und "brav" mitmachen!
'Bravheit' kann durchaus ein evolutionärer Vorteil sein. Deeskalationsstrategien sind bei sozialen Tieren doch recht verbreitet, oder? Man stelle sich das Gegenteil vor: Menschen würden beim kleinsten Konflikt aufeinander losgehen oder auch nur 'ihre Grenzen setzen'. Deutlich mehr Konflikte wären die Folge, die neben der Fitness der anderen Beteiligten indirekt auch die eigene Fitness schmälern. Also macht ein solches Verhalten durchaus auch für den einzelnen Sinn.
Tanuschka hat geschrieben:Pferde sind doch eigentlich ein Symbol für Wildheit und Freiheit. Aber die Pferde, die ich sehe, sind höchstens noch eine Karikatur davon.
Hmm, ich empfinde das schon anders. Obwohl ich häufig unschöne Pferd-Mensch-Interaktionen sehe, sehe ich doch ebenso häufig zufriedene, in sich ruhende, ganz normale Pferde.
Zumindest, so lange keine Menschen dabei sind.
Dazu kommt, dass ein zufriedenes und entspanntes Pferd oft nicht 'wild und frei', sondern reichlich unspektakulär aussieht.
Tanuschka hat geschrieben:Ich bin zur Zeit Zeugin einer solchen Behandlung eines Pferdes. Es soll jetzt "ausgebildet" werden ohne jedes Gefühl, ohne jede Beziehung zu dem Pferd. Und dieses Pferd hat sehr viel Feuer, ist aber schon 12 Jahre alt und hat in seinem Leben nix Gutes mit Menschen erlebt. Sein Körper und seine Muskulatur, die tiefen Kuhlen über seinen Augen sprechen Bände. Und dennoch ist das ein vitaler Kerl, der beim Zusammentreffen mit meiner Stute wieder zum Hengst wurde. Da wurde er richtig lebendig und fröhlich und stand nun bald 2 Monate mit ihr auf der Weide. Aber da er mit ihr zu vital und lebendig wurde und anfing sich gegen seine "Ausbildung" zu wehren, haben sie ihn von meinem Pferd getrennt

. Könnt Ihr Euch das Gewieher und diese Traurigkeit quer über die Elektrozäune vorstellen? Ich war völlig fassungslos und habe jetzt gut eine Woche gebraucht, um mich wieder zu sammeln. Es war absolut unfassbar für mich, dass die Menschen so etwas machen, nur um ihr Pferd "kleinzukriegen". Aber ihre Rechnung scheint aufzugehen. Und er wehrt sich nicht!
Ich glaube nicht, dass ein Pferd einen Zusammenhang zwischen der Trennung von seiner Stute und seinem selbstbewussten Verhalten beim 'Einreiten' herstellen kann. Dass seine Besitzer für die Elektrozäune verantwortlich sind, die jetzt zwischen den beiden stehen.
Bei meinem Pony bin ich mir sehr sicher, dass er nicht weiß, wie viel Macht ich über ihn habe. Dass ich über sein ganzes Leben (und auch über seinen Tod) nahezu frei entscheiden und verfügen kann. Zum Glück. Denn dann müssten unsere Pferde noch deutlich mehr vor ihren Eigentümern zittern. Wie man bei einer solchen Ausgangssituation noch von einer Beziehung auf Augenhöhe sprechen kann, ist mir ein völliges Rätsel.
Ich sehe das eher so: Pferden erkennen nicht die größeren Zusammenhänge, sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt. Das macht den Umgang mit ihnen ja so angenehm und wohltuend. Und: Wir nehmen den Einfluss unserer Arbeit mit dem Pferd viel zu wichtig. Vielleicht, weil wir doch zu sehr von Menschen auf Pferde schließen? Die auf unsere Bestätigung und unser Wohlwollen nicht so angewiesen sind, wie wir vielleicht glauben?
Am Samstag war ich auf dem Münchner Oktoberfest und bin an einer Reitbahn vorbeigelaufen, in der Ponies mit kleinen Mädchen auf dem Rücken ihre Runden drehen. Inmitten dieses ganzen Lärms. Kein schönes Bild: Die Ponies hatten allesamt ihre Ohren Richtung Boden gedreht, trotteten ihre Runden. Aber ist das nun schlimm oder einfach nur die Methode der Ponies, mit dieser Reizüberflutung umzugehen? Was wäre die Alternative? Das Mädchen abschmeißen, über die Umzäunung springen, durch die Menschenmassen in Richtung Bavariapark galoppieren? Die Ponies kennen doch nichts anderes. Und wissen: Die Arbeit endet irgendwann, dann gibts Heu und hoffentlich auch irgendwann eine Graskoppel.
Diese Ponies sind bestimmt länger im Einsatz als die meisten Freizeitpferde. Wie das Pferd einer Stallkollegin, das seine Reiteinheiten mit ähnlichem Gesichtsausdruck absolviert wie die Kirmesponies. Und auf dem Paddock, in der Herde, im Umgang mit anderen Menschen trotzdem neugierig und freundlich ist. Der weiß: Die Reiteinheit endet irgendwann.
Ich habe den Eindruck, dass eine tiefe Mensch-Pferd-Beziehung - die es ohne Zweifel gibt - eher ein Zusatz ist, eine Bereicherung, als etwas, was jedes Pferd braucht und wonach es sich sehnt. Im Gegensatz zu uns Menschen, die in dieser Hinsicht ganz eigene Wünsche und Bedürfnisse haben!