Hinter diesen Spielen verbirgt sich für mich ein interessantes Thema. Ich habe in den letzten Tagen nochmal viel darüber nachgedacht. Es ist für mich genauso eine Kunst, wie alles andere in der Pferdearbeit auch.
Irgendwo im Forum gibt es einen Thread über einen Wendepunkt in der Pferdearbeit oder so ähnlich.
In den freien Spielen finde ich meinen Wendepunkt.
Ich habe in der "alten Schule"gelernt, dass man Pferde quasi immer einschränken muß. Ich habe z.B. Pferden nie zugetraut, zu verstehen, wie sensibel wir Menschen physisch sind (mal ganz abgesehen von dem gängigen Glauben, dass Pferde nicht wissen, was gut für sie ist...). Mit physisch sensibel meine ich z.B., dass wir als Zweibeinder schneller unser Gleichgewicht verlieren, dass unsere Füße zwar fast provokant hervorstehen, aber man trotzdem nicht auf sie treten sollte, vor allem nicht mit Hufen, und wenn ich, nach wilden Hengstspielchen, mit lauter Hämatomen oder Bisswunden im Gesicht zur Arbeit käme, hätte das sicher auch noch psychologische Konsequenzen...Pferden mußte, in der alten Schule die ich genossen habe,
immer gezeigt werden was sie tun müssen und was sie nicht tun dürfen. Die Betonung liegt auf immer. Heute weiß ich: Natürlich müssen Pferde lernen, wie man mit uns Menschen umgehen kann und was die "Spielregeln" sind. Seit meiner das verstanden hat ist er sehr vorsichtig mit mir.
Wir Menschen können selten mit der physischen Kraft des Pferdes und der Schönheit und dem Stolz umgehen, es scheint uns zu beängstigen. Wenn Pferde genau das zeigen, sind die meisten froh, gerade nicht direkt damit konfrontiert zu sein oder, wenn sie es sind, versuchen sie das Pferd einzuschränken. Kein Wunder, es handelt sich auch oft um Imponiergehabe vom Pferd, demonstriert man doch so seine Kampfesstärke...Dennoch scheint es uns zu faszinieren. Oder warum würden wir sonst versuchen es kontrolliert zu reproduzieren (wie zum Beispiel in der klassischen Dressur...)
Ich versuche die Angst vor dieser Macht, Kraft und dem Stolz aufzulösen. Dabei gibt es die Regel: Nicht angreifen. Den Fehler hab ich mal gemacht. Ich habe gemerkt, dass er auf Angriff die schönsten Bewegungen macht, aber es ist damit geendet, dass er mich auch angegriffen hat und ich mit viel Angst abbrechen mußte. Dananch war es schwer, das Spielen wieder auf eine partnerschaftlichere Ebene zu bringen. Das Spielen ist wirklich eine feine Kunst...
Mit meinem Wallach und hier besonders beim Spielen kam für mich der Wendepunkt, vor allem auch im Verständnis für die Pferdepsyche. (Ich meine mit Spielen nicht, dressierte Dinge abzurufen, die der Mensch als Spiel empfindet, sondern sich wirklich frei miteinander über Bewegungen auszudrücken. Aber das ist ja klar oder?)
Und ich merke, dass mein Wallach, seit ich ihm in dieser Hinsicht mehr zutraue und vertraue, sich viel mehr auf mich einlässt, quasi "ja" sagt. Er ist wie gesagt in der Lage, sein Temperament zu zügeln, um mich nicht zu verletzen und setzt dennoch seine ganze Kraft und Schönheit im Spiel ein. Wenn ich ihm dabei stolz und spielerisch begegne, geht er voll in diesem Spiel auf, oder nein, wir beide.
Ich beobachte, dass er seither viel mehr Selbstbewußtsein entwickelt hat und dass er bereit ist und lernt, mit mir als Mensch umzugehen, mich zu verstehen. Und das gleiche gilt für mich. Ich verstehe im Moment jedes "Wort" von ihm.
Eigeninitiative zu übernehmen fällt ihm trotzdem immernoch schwer. Ich habe eine Position mit ihm "er/gefunden", wenn ich auf der bin und mich ganz ruhig verhalte, darf er die Initiative ergreifen. Er dürfte es natürlich sowieso, aber er kam irgendwie nie auf die Idee. Er fängt gerade an zu erforschen, was dabei alles möglich ist. Ganz vorsichtig natürlich. Gestern habe ich mit ihm daraus ein kleines Systemspiel entwickelt. Das ging so: er initiiert ein paar Schritte, ich folge. Er entscheidet auch wann wir anhalten. Dann geh ich los und er folgt, ich entscheide, wann wir anhalten. Das fanden wir total nett und wir waren ganz konzentriert und aufmerksam und haben uns recht ausdauernd abgewechselt. An irgendeinem Punkt war es plötzlich so, dass wir beide absolut gleichzeitig losgegangen sind und angehalten haben. (Interessant, ich kenne das als Vorbereitung für Tanzimpros, um die Wahrrnehmung zu verfeinern und für den Anderen und den eigenen Körper zu öffnen, aber das war nicht geplant und von mir "gewollt", ist einfach passiert) Es war wie eine Einheit, eine Einigung zwischen uns. Es war wirklich, als entscheiden wir zusammen. Wir haben absolut aufeinander gehört und haben das ganz lange praktiziert. Ich hatte das Gefühl, er war total glücklich, vielleicht nur, weil ich total glücklich war, aber nein, ich glaube es ging uns beiden so.... Es scheint mir, wir haben eine tolle Perspektive miteinander gefunden, in diesem Moment. Ich habe gedacht: Diese Art der Einigung will ich in unserer weiteren Zusammen"arbeit" niemals vergessen...
Ich kann wirklich jeden ermutigen, im Rahmen der momentanen Möglichkeiten dem Pferd Auge in Auge frei zu begegnen und zuzulassen, was daraus entstehen mag, rennend und buckelnd oder auch mal ganz ruhig und fein. Das Ganze auch ohne zu wollen oder abzufragen und mit viel Liebe und Geduld.. Einfach spielen oder einfach sein. Gerade die schüchternen unsicheren Pferde werden davon profitieren, wenn sie erstmal gemerkt haben, dass sie "dürfen".Bei denen sollte man bloß nicht aufgeben.
Das sind mit die schönsten Momente im Zusammensein mit meinem Pferd für mich. Es ist ein wertvoller Bestandteil in unserer Beziehung und auch eine Basis für unsere Gymnastik und alles dressierte.
