Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

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Cashew
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Cashew »

Hallo!

Ich finde die Diskussion super interessant! Ich habe über 15 Jahre mit Gebiss geritten und auch so reiten gelernt, vor allem mit einfacher Trense, teils mit Pelham. Das Pferdemaul war immer heilig, wer nach Ermahnung weiterhin an den Zügeln zog durfte vom Pferd steigen und für den war die Reitstunde zu Ende... Wir sind damals so ausgebildet worden, dass wir vor allem mit Gewicht und Beinen arbeiten sollten, die Zügel waren ein "Extra". Ich empfand das damals als sehr schön und sehr fein.

Seit nunmehr 5 Jahren reite ich gebisslos. Ich bin da total reingerutscht, weil ich kein eigenes Pferd hatte und bei Freunden ritt die überzeugte gebisslos-Anhänger sind. Das "Arsenal" war bunt: Side-Pull, LG-Zaum, Bitless-Bridle, Hackamore. Alles also selber getestet, mit verschiedenen Pferden. Die eine Zäumung behagt dem Pferd, die andere eher nicht. Das muss man erst herausfinden. Ich mag gebisslos reiten und finde, dass technisch alles genauso möglich ist wie bei einem Gebiss, trotzdem fehlt mir manchmal die feine Verbindung mit dem Maul (wie schon irgendwo in diesem Thread mal angedeutet)

Als wir mit Gebiss ritten wurde uns eingebleut: nehmt eine dicke Kordel in den Mund und lasst jemand anders daran ziehen (wurde das damals im Reitstall durch einen Jungen live getestet und der war ziemlich geschockt). Übrigens können wir ja nur den Druck auf die Mundwinkel (autsch) und Zunge (geht noch) nachvollziehen, Druck auf das Zahnfleisch können wir gar nicht selbst fühlen, es sei denn, uns fehlen Zähne. Überhaupt ist der Mechanismus beim Pferd bei Zug auf das Gebiss ja anders, aber es gibt zumindest mal eine Idee. Macht mal das gleiche mit einer Kordel über den Nasenrücken - das Ergebnis wird ähnlich ernüchternd sein. Legt einen breiten Nasenriemen auf die Nase und es ist ganz anders. Mit einer Kandare kann man dem Pferd den Kiefer brechen - mit einer Hackamore die Nase.

Ich hab den Link zu den Dressurstudien mal kurz angeklickt, bis jetzt aber nur überflogen. Jedenfalls finde ich den Abdruck auf der Zunge bei 2, bzw 4 kg schon mal ziemlich beeindruckend. Jemand von euch schon mal mit dem Finger auf die Waage gedrückt bis 2 bzw. 4 kg da waren? So viel ist das gar nicht... Die Publikation suggeriert auch, dass die vermeintliche feine Anlehnung nicht besteht... Stimmt mich doch alles nachdenklich. Habe vor einigen Monaten ja bereits die Videos der Nezvorovs gesehen. Auch hier bleibt mir ein unwohles Gefühl, auch wenn die Wissenschaftlichkeit ihrer "Studie" nicht so unbedenklich ist.

Fragen über Fragen... Und für mich gerade sehr aktuell, da mein Traber sehr sehr sensibel auf Einwirkung auf der Nase (bislang mit Vienna-Kappzaum) reagiert.
Viele Grüße,
Sarah und Co


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Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Rennfisch hat geschrieben:Ich hab versucht den Scherenvergleich nachzuvollziehen, mit dem Ergebnis, dass ich jetzt einen Knopf im Hirn hab :neben: Ist auch durchs ausprobieren nicht besser geworden... :-e
Ich hab mal Fotos gemacht, um das besser zu veranschaulichen.

Modell 1:
Bild
Die Schenkelenden (=Ringe) bewegen sich auf einer geraden Linie (entlang der Tischkante) auf einander zu. Dabei verschiebt sich das Gelenk "nach oben". Beim Gebiss im Pferdemaul würde dies bedeuten, dass sich das Gebiss an den Gaumen drückt. Wie wir bereits festgestellt haben, passiert genau das aber nicht.

Modell 2:
Bild
Die Schenkelenden bewegen sich auf einer Bogenlinie aufeinanderzu. Das Gelenk bleibt unverändert auf derselben Position. Das Gebiss bleibt also unverändert auf der Zunge liegen. Der Abstand zwischen den Schenkeln wird jedoch kleiner, wie man sieht. Also mehr Druck auf der Zunge (insbesondere die Ränder) und Unterkiefer.
Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Cashew hat geschrieben:Macht mal das gleiche mit einer Kordel über den Nasenrücken - das Ergebnis wird ähnlich ernüchternd sein.
Wobei man aber nicht vergessen darf, dass der Nasenrücken des Pferdes durch einen Knochen gebildet wird, wogegen der Mensch da nur Knorpelmasse hat.

Auch ist es entscheidend, wo sich der Nasenriemen befindet. Der Knochen wird um so dünner und "gebrechlicher" je weiter unten er verschnallt wird. Wenn der Nasenriemen kurz unterhalb der Jochbeine sitzt, ist der Knochen doch um einiges stabiler. Natürlich rechtfertigt das nicht, dass am Zügel gezogen wird, ich wollte das nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt haben, dass die Lage des Nasenriemens auch ein Aspekt ist, der berücksichtigt werden muss.

Ansonsten driftet mir die Diskussion aber ehrlich gesagt schon wieder zu sehr in Richtung der Einwirkung ab. Das man mit oder ohne Gebiss nicht wehtun muss, sehr wohl aber mit beidem kann, steht doch außer Frage.

Die Ausgangsfrage war doch, ob ein Gebiss bereits ohne Einwirkung allein durch seine bloße Anwesenheit Schaden anrichtet.
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Cashew
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Cashew »

Ramona hat geschrieben:
Cashew hat geschrieben:Macht mal das gleiche mit einer Kordel über den Nasenrücken - das Ergebnis wird ähnlich ernüchternd sein.
Wobei man aber nicht vergessen darf, dass der Nasenrücken des Pferdes durch einen Knochen gebildet wird, wogegen der Mensch da nur Knorpelmasse hat.

Auch ist es entscheidend, wo sich der Nasenriemen befindet. Der Knochen wird um so dünner und "gebrechlicher" je weiter unten er verschnallt wird. Wenn der Nasenriemen kurz unterhalb der Jochbeine sitzt, ist der Knochen doch um einiges stabiler. Natürlich rechtfertigt das nicht, dass am Zügel gezogen wird, ich wollte das nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt haben, dass die Lage des Nasenriemens auch ein Aspekt ist, der berücksichtigt werden muss.

Ansonsten driftet mir die Diskussion aber ehrlich gesagt schon wieder zu sehr in Richtung der Einwirkung ab. Das man mit oder ohne Gebiss nicht wehtun muss, sehr wohl aber mit beidem kann, steht doch außer Frage.

Die Ausgangsfrage war doch, ob ein Gebiss bereits ohne Einwirkung allein durch seine bloße Anwesenheit Schaden anrichtet.
Ist denn ein Unterschied im Gefühl, ob es jetzt ein Knochen oder Knorpel ist? Also ob ich jetzt mit meiner Nase im Schwimmbad gegen die Mauer schwimme (schon passiert... :wall: ) oder mit dem Schienbein gegen eine Stange komme, beides tut weh. Aber vielleicht meinst du die Stärke von Knorpel bzw Knochen?

Ich hab es jetzt nicht so verstanden, dass die Ausgangsfrage des Threads war, ob ein Gebiss allein durch seine Anwesenheit bereits Schaden anrichtet. Diese Diskussion erscheint mir für Reiter auch ein wenig sinnlos, schließlich liegt das Gebiss beim Reiten nicht einfach nur im Pferdemaul rum, sondern passiert damit quasi ständig was.
Viele Grüße,
Sarah und Co


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Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Cashew hat geschrieben:Ist denn ein Unterschied im Gefühl, ob es jetzt ein Knochen oder Knorpel ist? Also ob ich jetzt mit meiner Nase im Schwimmbad gegen die Mauer schwimme (schon passiert... :wall: ) oder mit dem Schienbein gegen eine Stange komme, beides tut weh. Aber vielleicht meinst du die Stärke von Knorpel bzw Knochen?
Also ich halte die menschliche Nase doch für etwas schmerzempfindlicher als das Schienbein. Natürlich kann man sich an beidem weh tun, aber es kommt ja auch auf die Intensität des Zusammenpralls womit auch immer an. Aber das ist nun wirklich nur mein Empfinden. Kann sein, dass es bei anderen Leuten anders ist.
Cashew hat geschrieben:Ich hab es jetzt nicht so verstanden, dass die Ausgangsfrage des Threads war, ob ein Gebiss allein durch seine Anwesenheit bereits Schaden anrichtet. Diese Diskussion erscheint mir für Reiter auch ein wenig sinnlos, schließlich liegt das Gebiss beim Reiten nicht einfach nur im Pferdemaul rum, sondern passiert damit quasi ständig was.
Doch! Guckst du in die ersten Beiträge. ;)
Das ist doch überhaupt der Knackpunkt! So lange es nur um die Einwirkung geht, kann sich jeder (ob nun mit oder ohne) damit "herausreden", dass es ja nur auf die Hand ankäme, die den Zügel führt. Und wenn das Vorhandensein des Gebisses nicht schadet, dann ist das eben so und es ist letztlich müßig überhaupt seitenlang darüber zu diskutieren. Dann kann man die Wahl des Zaums allein von den persönlichen Vorlieben abhängig machen.

Wenn aber das Vorhandensein des Gebisses bereits ohne Einwirkung schadet, dann nützt die zarteste Zügelführung nichts. Es schadet trotzdem! Dann richtet eine sanfte Einwirkung lediglich keinen zusätzlichen Schaden an.
Lemmy
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Lemmy »

Ramona hat geschrieben:Also ich halte die menschliche Nase doch für etwas schmerzempfindlicher als das Schienbein.
Egal, ob Kiefer, Schienbein oder Nasenbein - das, was schmerzt ist immer die Knochenhaut. Wie empfindlich der jeweilige Bereich ist, hängt deswegen nur von der Dicke des darüberliegenden Gewebes ab. Darum ist der schleimhautbedeckte Kiefer deutlich empfindlicher als Knochen, die von normaler Haut (mit Hornschicht usw.) bedeckt sind. Sowohl die menschliche wie auch die Pferdenase besteht im oberen Bereich aus Knochen, Richtung Mund/ Maul folgt dann zunehmend Knorpel. Der ist an sich unempfindlicher, kann aber über Deformation Nervenendigungen reizen. Beim Pferd kommt noch hinzu, dass sich Richtung Nüstern, also im Knorpelbereich, viele sensible Nervendigungen befinden. In Jochbeinnähe befindet sich dann eine Knochenöffnung, durch die ein Hauptnerv austritt (der sog. Infraorbitalnerv). Es steht also nur ein relativ schmaler Bereich für die Unterbringung eines Nasenriemens zur Verfügung. Bei meiner Araber-Mix-Stute reicht schon eine geringfügige Lockerung während des Reitens und sie reagiert auf den absackenden Nasenriemen mit Kopfschlagen. Deswegen glaube ich, dass (abgesehen von großen Anzügen und Hebeln) die Störung durch einen gebisslosen Zaum weniger von der Art des Zaumes als vom sicheren Sitz abhängt. Ich habe beim LG-Zaum die besten Erfahrungen mit einer sehr festen Verschnallung bei allerdings weich gepolstertem Kinnriemen gemacht. Auch beim Kappzaum habe ich die Erfahrung gemacht, dass schon ein geringfügig anderer Sitz (5 mm zu hoch oder zu niedrig) unangenehm für's Pferd sein kann.

LG, Lemmy :)
Rennfisch
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Rennfisch »

Ah, jetzt hab ichs auch kapiert ^^° Danke Ramona :)

Wobei man aber nicht vergessen darf, dass der Nasenrücken des Pferdes durch einen Knochen gebildet wird, wogegen der Mensch da nur Knorpelmasse hat.
Nicht ganz. Der obere Teil ist schon Knochen. Da wo bei Brillenschlangen wie mir die Brille aufliegt ;) Aber der knorpelige Teil ist größer, stimmt schon.
:aquarium2:
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Cat_85 »

Ramona hat geschrieben:Die Ausgangsfrage war doch, ob ein Gebiss bereits ohne Einwirkung allein durch seine bloße Anwesenheit Schaden anrichtet.
Ich kann da schon die Meinungen verstehen, weil da ja eigentlich die Zunge liegt. Aber das allein führt ja nicht zu Haarissen und Co. Ich denke, es ist eher eine Gewöhnungssache und nicht gleich Tierquälerei. Und das eine Pferd kommt damit klar, das andere nicht.

In meinem Kiefer ist auch kein Platz für eine Gebisschiene. Ich brauch die aber, da ich nachts mit den Zähnen knirsche. Habe ich die drin, ist das nicht grad hübsch. Der Biss ist anders, die Lippen schließen auch nicht so wie sonst. Aber nach Gewöhnungsphase ist es nicht unangenehm und ich vermisse sie, wenn sie nicht da ist. Einfach wegen positiver Verknüpfung: mit Schiene=keine Kopfschmerzen. Warum soll es den Pferden anders gehen? Gebiss = reiten, Bewegung, Spaß.
Liebe Grüße von Silvia und Lady.

:giraffe:
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von La Espanola »

Cashew hat geschrieben: Übrigens können wir ja nur den Druck auf die Mundwinkel (autsch) und Zunge (geht noch) nachvollziehen,
Das verstehe ich nicht.

Wenn ich mir auf die Zuge beiße tut das mehr weh als wenn ich meine Mundwinkel gleichzeitig hoch ziehe.

:tuete:
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Sheitana
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Sheitana »

Ich glaube sie will damit sagen, dass wir es im Grunde nicht nachvollziehen können, wie es sich anfühlt, weil wir nun mal da Zähne haben, wo die Pferde keine haben...
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