Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Moderator: Stjern

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Hina_DK
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Hina_DK »

Auch das ist an sich nicht unbedingt ein Totschlagargument ;). Mein Reddi ist ja auch so einer, der es gut gelernt hatte, sich mittels Maultätigkeit den Zügelhilfen seiner Reiter zu entziehen. Würde der in Island an den Klippen so rumrennen, dann könnte ich noch verstehen, dass ein Sperriemen durchaus auch mal vor lebensgefährlichen Situationen retten könnte. Genau aus diesem Grunde sind die ja mal von der Kavallerie erfunden worden, lebensgefährlichen Situationen zu entkommen und das Pferd immer an den Hilfen zu haben. Wir sind aber weder im Krieg noch reiten wir an isländischen Klippen. Ich bin anfangs auch mit englischem Nasenriemen geritten, ohne mir größere Gedanken zu machen aber als ich mich dann bewusst damit beschäftigte, war der Fall klar, das Ding brauchen wir nicht, wir gehen andere Wege. Wenn ein Pferd sperrt und sei es aus alter Gewohnheit, hat es immer einen Grund. Ihm ist die Zügeleinwirkung oder das Gebiss im Maul unangenehm oder es hat schlicht und einfach aus Erfahrung Angst, dass es unangenehm werden könnte. Meiner hat dann auch noch freundlich die Zunge übers Gebiss gelegt, womit sämtliche Zügelhilfen erledigt sind. Der wurde früher mit so viel Druck geritten, dass er das schon aus weiser Voraussicht automatisch machte. Amtshandlung Nr. 1 war, als ich ihn übernahm, Druck raus nehmen, Zügelhilfen wirklich nur als solche einsetzten und mehr Augenmerk auf Schenkel- und Gewichtshilfen legen. Das Pferd ist so fein, da braucht man keinen Druck im Maul. Amtshandlung Nr. 2 war die Überlegung, überhaupt weiter mit Gebiss oder doch lieber gebisslos zu reiten. Ich habe mich erstmal trotzdem fürs Gebiss entschieden, weil seine Reaktion drauf die beste Selbstkontrolle für mich ist. Damit es aber nicht doch zu brenzlichen Situationen kommen konnte, die wir heute eigentlich gar nicht mehr haben, reite ich ihn seither vierzügelig mit noch zusätzlich dem LTJ-Balancezügel. Den Tipp bekam ich hier aus dem Forum und der war Goldwert. Für den Fall der Fälle kann dann immernoch der Balancezügel auch als Notbremse dienen, ohne dabei am Maul des Pferdes Schaden anzurichten oder komplett die Kontrolle über das Pferd zu verlieren. Ersthaft gebraucht haben wir den dafür aber noch nicht. Nachdem wir jetzt gut am Gebiss unterwegs sind, meist am langen oder leicht aufgenommenen Zügel, ist unser nächster Schritt nun, es auch gebisslos zu versuchen.
Jochen hat geschrieben:Bei einem gebrochenen Gebiß stellen sich die beiden Hälften im Winkel auf und drücken gegen den Gaumen, wenn man die Zügel annimmt.
Wenn das Gebiss diesen Effekt hat, dann passt es schlicht und einfach nicht. Jedes Gebiss sollte am besten vom Dentisten angepasst werden, damit sowas gar nicht erst passiert. Aber es ist nicht ein generelles Problem einfach gebrochener Gebisse, sonst würden überall und seit Jahrhunderten Pferde mit schweren Gaumenschäden rumrennen, immerhin ist es der Klassiker unter den gebrochenen Gebissen aber es muss natürlich korrekt angepasst sein.
Viele Grüße
Hina

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Morena3
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Morena3 »

Lateva hat geschrieben: Die Argumente meiner Gesprächspartnerin FÜR die Verwendung des Sperriemens:
1. Das Pferd klappert mit den Zähnen - mit Sperriemen ist das "besser geworden" :wall: :wall: :wall:
(Daraufhin konnte ich immerhin noch fassungslos erwidern, dass es dafür ja einen GRUND gibt und man die Ursache dafür finden muss, anstatt das Symptom abzuschalten...darauf ist sie dann nicht weiter eingegangen)
Hmm, das würde ich doch als ein gutes Zeichen ansehen... Mein Pferd klappert beim Reiten auch öfter mit den Zähnen, aber nicht, weil ihm etwas unangnehm ist, sondern weil er dann insgesamt sehr locker ist. Er klappert dann im Takt der Bewegung. Hört sich ganz lustig an, ist aber nicht wirklich laut...
Wir sind mit ST-Zaum aber ohne Sperriemen unterwegs, weil dieser keinen Druck auf Genick ausübt...
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Scheckenfan
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Jochen hat geschrieben:Bei einem gebrochenen Gebiß stellen sich die beiden Hälften im Winkel auf und drücken gegen den Gaumen, wenn man die Zügel annimmt.
Da gibt's eine ganz tolle Studie, die das deutlich widerlegt. Egal welches Gebiss in welchem Maul, schon bei geringem Zug am Zügel vergrößerte sich die Entfernung Gebiss - Gaumen.
Die Distanz war immer am geringsten, wenn gar kein Druck auf dem Gebiss war.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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kolyma
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Kann man ja einfach selbst testen. Einfach gebrochenes Gebiss in die Faust nehmen, ruhig halten. Dann an den Zügeln ziehen. Der Winkel dreht sich nach vorne - nicht nach oben. Das ist physikalisch gar nicht möglich. Höchstens wenn man das Pferd mit Zügeln führt und der Druck nach unten wirkt. Dann könnte ich mir das gerade noch vorstellen...
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Lateva »

Scheckenfan, hast du vielleicht einen Link zu der Studie? Gerne auch per PN (habe über die Uni Zugriff auf fast alle wissenschaftlichen Zeitschriften)
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Keshia
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Keshia »

Ich weiß nicht, ob es dieselbe Studie ist, die Scheckenfan meinte. Aber hier gibt es u.a. bebilderte Erklärungen zur Wirkungsweise von Trensen. Achtung: Das habe ich selbst noch nicht gelesen und mir keine Meinung gebildet, wie aussagekräftig ich das Beschriebene finde.

http://friederike-uhlig.de/bakarbeit_uhlig.pdf
Der späte Wurm entgeht dem Vogel.

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Hina_DK
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Hina_DK »

Ich habe mir die Dis mal vor längerer Zeit durchgelesen. Die ist in sofern sehr aussagekräftig, weil da nicht mit theoretischen Computersimulationen, die den Nussknackereffekt aufzeigen, gearbeitet wurde, sondern mit ganz realen Röntgenbildern unter verschieden heftiger Zugkraft an verschiedenen Gebissen. Eines hatten alle gemeinsam, keines verursachte einen Nussknackereffekt unter Zugkraft, nichtmal das unpassende Gebiss. Das Gegenteil war der Fall, der Abstand zum Gaumen vergrößerte sich sogar. Aber alle Gebisse hatten mehr oder weniger den Effekt, bei Zugkraft die Zunge zu quetschen. Dabei versucht dann das Pferd das Gebiss mit der Zunge zwecks Erleichterung aus dem Maul rauszuschieben und öffnet dabei das Maul, soweit es durch den Sperriemen möglich ist.
Viele Grüße
Hina

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Nelchen
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Nelchen »

Ich hatte neulich auch eine Disskusion wegen Sperriemen und ich denke,viele denken da garnicht nach, sondern tun das, weil das eben so gemacht wird. Die Argumente,die dann kommen sind der übliche Abklatsch von dem, was sonst so darüber von sich gegeben wird. Eben,dass das Pferd sonst das Maul auf sperrt usw.
Wenn man dann erwähnt, dass das Gründe hat, wird das einem zwar bestädigt, aber ein Wille diesen zu finden oder abzustellen ist meist aus Unwissenheit nicht vorhanden.
Ich frage dann gern, ob sie bei ihrem Auto auch die Tankanzeige zukleben, wenn die "leer" anzeigt. :mrgreen:
Da fangen die meisten an nachzudenken. Erfahrungsgemäß dauert das bei den wenigsten an, da man sich ja Gedanken machen müsste. Und das ist vielen Reitern zu viel des Guten.Leider. Es funktioniert ja leider auch mit Zwang und das Pferd jault nicht! Ein Hund würde jammern, dass könnten sie sicher nicht ertragen.
LG Katrin

Ein Tänzer scheint nur denen verrückt, die die Musik nicht hören.
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von jella »

Also, ich hatte gerade wieder eine Diskussion darüber. Erst mit meiner RL u. nun mit der RL meiner Tochter. Also die sind unisono der Meinung, dass das Ding ja eine Funkltion hat u. das Maulaufsperren eine Unart ist.
Ich habe dann argumentiert, dass ich MÖCHTE, dass sie das Maul aufsperren, da ich ja sonst gar nicht merke, wenn fürs Pferd etwas nicht in Ordnung ist.
Ich hörte dann, dass das Pferd so die Möglichkeit nutzt, sich den Zügelhilfen zu entziehen.
Morgen hat meine Tochter Unterricht u. sie hat nun einen neuen Zaum, einen Westernzaum, da ist jetzt gar nichts mehr auf der Nase. Bin gespannt, was sie morgen sagt ...
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Hina_DK
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Re: Sperrriemen - Sinn und Unsinn

Beitrag von Hina_DK »

Tja, genau das machen sie dann. Sie versuchen sich der Zügelhilfe zu entziehen, weil das für sie nicht mehr als Hilfe ankommt, sondern als eine unangenehme Sache, z.B. auch Dauerzug, vor allem, wenn der Zügel nicht einfach nur aufgenommen ist und das Pferd selbst die Anlehnung sucht, sondern wenn mit zu viel Druck geritten wird, die Hand nicht ausreichend nachgibt oder die Zügelhand selbst aktiv die Anlehnung herstellt und im Grunde permanent gegengehalten wird, spricht gezerrt wird. Da treten die Probleme natürlich in der FN-Reitweise eher und öfter auf, als in Westernreitweise oder bei den Klassikern, wo mehr Signalreitweise geritten wird. Dass das alles bei FN-RL nicht so ins Bild passt, ist im Grunde ganz klar.
Viele Grüße
Hina

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