Oh, das erinnert mich sehr an die ersten Monate mit meinem Fjord. Der war unglaublich rammelig... nach einer Woche hab ich erstmal "aufgegeben" und nichts mehr ohne Gertenbewaffnung gemacht. Er liess sich überhaupt nicht rangieren, steuern, hatte nur Fressen im Kopf, konnte keine Sekunde stillstehen und hat nicht zugehört. Man musste recht massiv werden bis er wahrnehmen konnte was man wollte bwz dass man überhaupt was wollte... und das kleine Problem war, er hasst Druck - wenn man dann also Druck machte (und sei es um das eigene Leben ein wenig zu schützen) machte er doppelt so viel Gegendruck. "Du willst was? Ey isch mach Disch platt!"
Das einzige wo er richtig richtig toll war war völlig freie Arbeit. Alles andere fand er doof. Gut, Ausreiten ging auch, draufsetzen und los gings, aber da konnte er sich auch nur eine gute halbe Stunde konzentrieren, dann ging der Kampf los ums Gras essen oder nicht essen.
Das war keine schöne Zeit und ich hab mich ehrlich geschämt dass ich so ein Pferd habe, dass ich fast nichts von seinem schlechten Verhalten mal auf Video gebannt hab.
Ich hab dann nach reiflicher Überlegung (wegen seiner ausserordentlichen Futterfixiertheit) mit Clickern angefangen, und dann wurde es erst richtig schwierig.... Erst als er der Sache "Clickertraining" wirklich traute konnte er ein eindeutiges "Ja" zu fast allem sagen und immer besser zuhören. Im Hirn wurde langsam mehr Platz, weil der "FUTTER"- Gedanke nicht mehr der alles beherrschende war.
Heute (zwei Jahre später) ist er ein absoluter Oberstreber, wenn auch in manchen Situationen immer noch seine Unsicherheiten zum Vorschein kommen. Und ich habe sehr sehr lange gebraucht, bis ich sein Verhalten nicht als "unverschämt", sondern als Unsicherheit definieren konnte.
Ich habe von Anfang an versucht, nur soviel Druck wie nötig zu verwenden, und so schnell es geht zu so feinem Kontakt wie möglich zu gelangen. Jede richtige Reaktion von ihm wurde mit dem Clicker bestärkt, so dass er merkte dass es sich wirklich lohnen kann, zuzuhören. Ich habe nach Möglichkeit keinen verstärkenden Druck benutzt, sondern nur gleichbleibenden. Also kein "anklopfen, Tür eintreten, Gewitter", sondern "nerven, bis ein Hauch von Verständnis entsteht, und dieses belohnen - und gleich wieder anfragen (mit geringerer Druckstärke) um zu sehen ob das Verständnis immer noch da ist..."
Ich finde der Clicker ist da das ideale Werkzeug, weil ich eben dem Tier zeigen kann, dass es sich lohnt, mitzumachen und auf feine Sachen zu hören. Aber ich will nicht verhehlen dass er mich wirklich an die Grenzen meiner Geduld gebracht hat und es 9 Monate gedauert hat, bis er wirklich begann zuzuhören und nicht in jeder Situation aufs neue genau nachzufragen ob ich das auch wirklich so meine...
Und es hat ein Jahr gedauert, bis seine Konzentrationsfähigkeit deutlich angestiegen ist (über eine halbe Stunde).
Woran kann das liegen? Es ist nicht so, dass er keinen Respekt vor mir hat, ich habe eher das Gefühl, dass er manchmal einfach abwesend ist. Finde ich sehr dreist.
Warum empfindest du das als dreist? Dein Pferd hat keinen Vertrag unterschrieben, bei dem er 100%ige Aufmerksamkeit gelobt hat, oder? Du bist es doch, der etwas von ihm möchte.
Wie gesagt, Jack hat mich gelehrt, vieles in Frage zu stellen und hinzuhören, was sich hinter der Rüpeligkeit verbirgt. Er hat mir wirklich sehr viel beigebracht. Ich wünsche Dir, dass Du Dein Pferd auch als Lehrer sehen lernst und nicht nur als ungezogenen Schüler, der keinen Bock auf Lernen hat.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain