Intrinsische versus extrinsische Motivation

Moderator: Keshia

ehem User

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von ehem User »

ok, jetzt hab ichs kapiert.
Tatsächlich scheint ein Ansatz zur Erklärung dieser im Eingangsposting thematisierten Motivationsreduktion durch Belohnung darin zu liegen, dass alle möglichen anderen Folgen der Handlung durch die sehr saliente Belohnung sozusagen überdeckt werden, um es mal ganz einfach auszudrücken.

in welchem paper steht das? wäre jetzt nicht mein erstes modell. ich würde eher mit einer form von adaptation argumentieren.

also, ich habe die intrinsische motivation, ein seltsames spiel zu spielen.
dann bekomme ich noch eine belohnung (geld, kekse,...)
damit ist mein gesamtmotivationsniveau erstmal größer als ohne keks.
ich gewöhne mich aber irgendwie an dieses höhere niveau, meine schwelle für die ausführung der handlung rutscht ein bisschen nach oben (auch wenn der keks nur 5% der gesamtmotivation ausmacht), und wenn dann der keks wegfällt, fühlt sich die intrinsische motivation weniger an als vor der belohnung. das motivationsniveau was vorher noch ausgereicht hat, dass ich die handlung ausführe, reicht jetzt nicht mehr ganz.

also wie wenn du deine hände in 30° warmes wasser tauchst, sie danach in 40° warmes tunkst, und danach wieder in 30°, dann fühlt sich beim 2. mal 30° kälter an als beim ersten mal. (schon klar - weit entfernte ähnlichkeit ;-) )

adaptation wirkt aber überall. von rezeptormolekülen in bakterien, die dadurch erreichen, dass sie einem ansteigenden konzentrationsgradienten folgen, auf quasi allen ebenen unserer sensorischen verarbeitung - bis zu höheren kognitiven ebenen, auf millisekunden und auf langen zeitskalen.
im dopaminergen system gibt es gewöhnungseffekte in jedem fall. jemand, der kokainabhängig ist, kann zB dieses system auf normale weise nicht mehr in dem maße aktivieren, wie ein gesunder mensch, wenn ich mich richtig erinnere.

nicht festnageln, 5 min, nicht mein fachgebiet, kein entsprechendes hintergrundwissen, das erste spielzeugmodell was mir in den sinn kam ;-)



du schreibst, beim menschen kann man instruieren, die aufmerksamkeit auf eine bestimmte wirkung ihrer handlung zu legen, und dass dieser besonders beachtete faktor dann am stärksten formend wirken.

bei deinem beispiel mit der passage - geht es darum, dass du annimmst, dass in der passage das pferd im grunde den focus auf ein anderes ziel als futter setzt, und dass eine belohnung aus dem konreten verhaltenskontext besser geeignet wäre als futter?

die frage kam mir nämlich nach dem lesen deiner ausfürungen.

also passage ist im ja relativ klar aus dem balz-/imponier-kontext. die frage ist, ob es in dem fall eventuell richtiggehend interferieren kann mit der motivation des pferdes, wenn du ihm ein leckerli anbietest
(man stelle sich einen gigolo vor, der eine heiße blondine anmacht und sie gibt ihm ne tafel schokolade ohne auf sein gebalze einzugehen - der wär wohl eher irritiert :kratz:).
bzw, ob in dem fall eine belohnung aus dem verhaltenskontext effektiver ist (bevor ich wieder aus jugendschutzgründen zensiert werde: ich meine aufrichtige bewunderung!).

im fall meines wallachs (der nicht passagiert, sich aber trotzdem gelegentlich sehr toll findet), habe ich ganz deutlich das gefühl, dass in solchen imponier-handlungs-situationen meine intuitive bewunderung deutlich mehr impact hat als jeder keks.
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Romy
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Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von Romy »

mosheline hat geschrieben:in welchem paper steht das? wäre jetzt nicht mein erstes modell. ich würde eher mit einer form von adaptation argumentieren.
Klingt für mich auch plausibel, aber da ich nicht wirklich Ahnung von der Motivationsliteratur habe, kann ich nicht sagen ob es dazu irgendwelche Studien gibt. Das mit der Salienz stand soweit ich mich erinnere in diesem fMRT-Paper, das ich auf einer der vorigen Seiten mal verlinkt hatte - aber auch nur als eine Anmerkung in der Diskussion und ich weiß nicht mehr, ob die dazu irgendwas zitiert hatten und wenn ja was. Ich hab das Paper aber nicht hier zu Hause, da müsste ich nächste Woche im Büro nochmal nachsehen.
mosheline hat geschrieben:bei deinem beispiel mit der passage - geht es darum, dass du annimmst, dass in der passage das pferd im grunde den focus auf ein anderes ziel als futter setzt, und dass eine belohnung aus dem konreten verhaltenskontext besser geeignet wäre als futter?
Genau, und das was du schreibst über das Interferieren und den Schokoladen-Gigolo trifft es glaube ich auf den Punkt worum es mir geht. Aber neben dem Irritiertsein denke ich, dass eine weitere Folge solcher Situationen sein kann, dass die Handlung (also zum Beispiel die Passage) ihre Macho-Konotation einbüßt und nur noch ein liebloses Abspulen wird. So habe ich mir und Titum damals glaube ich die Piaffe versaut, als er anfing damit zu experimentieren. Er war dann so darauf fokussiert, es brav zu zeigen um sich sein Futter zu verdienen, dass es ein furchtbares kleines Getrippel in den Boden wurde. Aber er bat es eben immer an, auch wenn er sich nicht stolz fühlte oder eigentlich gar keine Kraft oder Lust mehr hatte. Daran arbeiten wir jetzt fast gar nicht mehr, einfach weil er es nach wie vor tut wie ein fleißiges Schulkind. Aber das was für mich sozusagen die Essenz solcher Bewegungen ist fehlt komplett - und so wirklich Spaß daran hat er auch nicht.
mosheline hat geschrieben:bzw, ob in dem fall eine belohnung aus dem verhaltenskontext effektiver ist (bevor ich wieder aus jugendschutzgründen zensiert werde: ich meine aufrichtige bewunderung!).
"Belohnung aus dem Verhaltenskontext" ist eine super Beschreibung. Ich weiß nicht ob sie wirklich effektiver wäre als Futter um das Verhalten an sich zu bestärken - das hängt sicher auch ganz stark von der Situation und dem jeweiligen Pferd ab - aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich anders darauf auswirken würde was das Pferd über die Ausführung der jeweiligen Übung lernt.
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Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von Muriel »

Hm, ich hab jetzt nicht alles im Einzelnen gelesen...
Mein Connemarawallach hat über die Jahre gelernt, sich in schöner Haltung zu präsentieren. Diese Haltung wiederum ist quasi selbstbestärkend, weil es Imponierhaltung ist. Jetzt bietet er es an, weil er sich darin toll findet. Ich werde noch als "Auslöser" benötigt, weil der andere Kumpel nicht gut spielen kann.
Das ist für mich sowohl intrinsisch als auch extrinsisch. :nix:

Ein anderes Mal (ist schon länger her) wollte Mirko unbedingt aufs Podest, ist aber vor lauter Eifer immer runtergefallen. Plötzlich dreht er sich um und geht weg. :-e
Die Lösung: Er ging zu dem ganz großen Podest, stellte sich davor und guckte mich an: "Guck hier kann ich das aber" - ich gab das Signal, er kletterte drauf und fand sich toll. Wiederum - angelernt (Podest klettern ist gut) und selbstbestärkend (Podestklettern ist TOLL)
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
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Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von SCvet »

Hi,

ganz praktisch:

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, ein Pferd (oder anderes Lebewesen) zu bestärken.
Was ein Pferd (o.a.L.) als Bestärkung empfindet, bestimmt das Pferd und NICHT der Trainer.
Futter ist eine mögliche Bestärkung, aber lange nicht die einzige.
Die Wertigkeit einer Bestärkung ist auch Situationsabhängig (wird praktisch bei Hunden im Clickertraining schon stärker gezielt genutzt - Lecker für ruhige Übungen, Spiel bei flotten Sachen).

Rein praktisch gibt´s bei uns ruhig reingeschobenes Lecker nach click fast nur bei Shaping/Microshaping. Speziell bei jackpotwürdigen Clicks gehört Gebrüll und Gerubbel dazu (mögen meine Pferde - zumindest meistens). Für mehr Bewegung im Pferd (Action) gehört auch mehr Bewegung bei mir dazu (Ausnahme: Pferd ist sowieso schon überdreht).
Für Training auf der Wiese muß ich mich besonders stark einbringen, da das Lecker in meiner Hand gegenüber dem Gras am Boden doch nur mäßige Wertigkeit hat.
Etliche Dinge machen Pferd soviel Spaß, daß sie auch unaufgefordert oder im Spiel mit anderen Pferden gezeigt werden (sowohl trainierte wie auch nicht trainierte Dinge).

Ich glaube, wenn das Belohnungsdenken nicht so sehr auf das Lecker (oder bei den Nicht-Clickerern auf die Pause) fixiert ist, spart Mensch sich viele Knoten im Gehirn.

Viele Grüße

Carola

PS ich hab´gestern von Lele ein Timeout der etwas anderen Art erhalten: Freies Schulterherein ist irgendwie bäh, und so hat sie mich stehengelassen und ist zum Sitzsack gegangen, der noch von vorher rumlag und hat sich hingesetzt :-o
ehem User

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von ehem User »

dann machen die clickerprofis das also eh so.

ich finds trotzdem nen guten denkanstoß, die belohnung an den verhaltenskontext anzupassen. hab ich bisher einfach nicht drüber nachgedacht.
ehem User

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von ehem User »

Arbeitet jemand hier mit dem Prinzip der Belohnung nach Premack?

(Hier eine kurze Erklärung http://www.lernen-mit-grips.de/aktivitaetenverstaerker/)

Ich arbeite mit dem Hund oft nach diesem Belohnungsprinzip und habe schon mehrfach gestaunt, wie enorm viel stärker die Motivation, eine von mir geforderte Handlung auszuführen, wird - im Gegensatz zu Futter (das er auch sehr liebt). Beides kombiniert hat enormes Potential.

Beispiel: mein Hund buddelt sehr gerne in abgeernteten Maisfeldern. Will ich ihn da abrufen kann das etwas schwierig werde :)

Belohne ich das sofortige Herkommen auf Zuruf mit Futter, verblasst die Reaktion immer mehr.
Belohne ich nur über den Umweltreiz, also sofort nach dem Herkommem wieder zum buddeln schicken, kommt er zwar, mein Einfluss auf ihn ist aber enorm kurz weil er ja sofort wieder weg darf.
Belohne ich das Herkommen zuerst hochwertig mit Futter und schicke ihn dann wieder zum buddeln, reagiert er von Mal zu Mal besser und die Verweildauer bei mir ist grösser. Er wartet freudig auf die Freigabe zum buddeln.

Ich habe mir schon überlegt, das auf das Pferdnzu übertragen, bin aber mit dem Verstärker/ Umweltreiz/ Motivationsreiz unschlüssig.

Arbeitet hier jemand mit dem Pferd so?
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Romy
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Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Beitrag von Romy »

Danke für deinen Beitrag, wika, das ist ja total klasse! Von Premack im Zusammenhang mit Motivation hatte ich, wenn mich nicht alles täuscht, damals im Studium schonmal was gehört, aber längst vergessen und schon gar nicht in Bezug zum Pferdetraining gebracht.

Was du mit deinem Hund beschreibst habe ich mit den Pferden manchmal gemacht, wenn es ums Grasfressen und freiwillig aufhören ging (auch hier hat reine Futterbelohnung bei uns keine Chance). Aber das war eher so nebenbei und aus dem Bauch heraus, ohne dass ich mir da sonderlich was bei gedacht hätte. Werde ich aber im Frühling, wenn wieder Gras wächst, auf jeden Fall ein bisschen systematischer probieren.

Fürs restliche Training weiß ich noch nicht so richtig wie wir das verwenden können, weil wir ohnehin meistens das machen was die Pferde wollen, aber ich werde das auch hier mal im Auge behalten und dann berichten, wenn es was zu berichten geben sollte. Danke dir!! :-)
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