Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Moderator: Keshia

Benutzeravatar
SCvet
Remonte
Beiträge: 172
Registriert: Di 15. Mai 2012, 19:21
Wohnort: Weinviertel
Kontaktdaten:

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von SCvet »

Hi,
Pietralla verwendet z. B. den Begriff "subtraktiv" (neg.) bzw. "additiv" (pos.), oder es wird einfach von minus und plus gesprochen. Das Wegnehmen von Druck ist lediglich dann negative Verstärkung, wenn der Druck vom Trainee (Pferd) als unangenehm betrachtet wird. Das Wegnehmen von Druck beim Kratzen an der Lieblingsstelle fällt z. B. üblicherweise unter negative Strafe (= wegnehmen von etwas Angenehmen).

Signale müssen nicht taktil sein, speziell bei der Bodenarbeit.

Beim Reiten kommt man allerdings nicht ohne Druck aus, da der ja schon mit dem Menschengewicht auf dem Pferderücken sehr stark ist. Vermutlich stärker als jeder Schenkeldruck und in Kombination mit unpassendem Sattel wohl definitiv als positive Strafe anzusehen (was erklärt, daß das Verhalten >ruhig stehen, um Menschen aufsteigen zu lassen< in diesem Fall verschlechtert bzw. ganz wegtrainiert wird.

Nachdem man Tiere jedoch sowohl trainieren kann, Kontakt und somit auch gewissen Druck zu suchen (andocken), wie auch dem Kontakt und minimalstem wie auch starkem Druck zu weichen, traue ich mich nicht zu behaupten, daß taktile Signale am Pferd prinzipiell positive Strafe bzw. deren Nachlassen negative Bestärkung sind (auch wenn sie es durchaus häufig sein können bzw . oft sind).

Viele Grüße

Carola
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

Das ist richtig. (V+ und V- empfinde ich auch als angenehme Abkürzung für positive und negative Verstärkung. :) )

So sehe ich beispielsweise das Seilschlenkern bei einigen NHS-Trainingsarten sehr kritisch. Es ist zwar nicht taktil, wird aber von meinem Pferd als beängstigend und verstörend wahrgenommen und eher als Strafe verstanden. Da nützt letztlich auch das Wegnehmen des Druckes nix, weil es dann das erwünschte Verhalten aus Angst zeigt. Lernen bleibt hier aus.
Benutzeravatar
SCvet
Remonte
Beiträge: 172
Registriert: Di 15. Mai 2012, 19:21
Wohnort: Weinviertel
Kontaktdaten:

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von SCvet »

Ich glaube, zumindest heftigeres Seilschlenkern in Pferdenähe wird von so ziemlich jedem Pferd als beängstigend wahrgenommen. Leider verfallen etliche Tiere daraufhin in das Muster der Erstarrung, was leider von etlichen Trainern als Widersetzlichkeit interpretiert wird.Etliche Pferde gehen auch in der Fluchtmodus und lernen durch das folgende Aussetzen des Geschlenkers, daß dies die richtige Reaktion war (Lernen erfolgt ja durchaus sehr gut auch durch Strafe. Ist nur die Frage, ob Pferd das lernt, was ich will...).

Und manche Exemplare gehen auf Angriff...Pech speziell für unerfahrene Trainer.

Viele Grüße

Carola
Benutzeravatar
.Anni.
Schulpferd
Beiträge: 1193
Registriert: Di 15. Mai 2012, 14:52

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von .Anni. »

Sehr interessant, wie die Unterhaltung hier weiter geht :) .

Was bedeutet 'taktil'?
Liebe Grüße, Anni

Zwei Mädchen wollen auf Reisen gehen, um EURE Wege zur Freundschaft mit dem Pferd zu erfahren.
Lust mitzumachen?: *klick*

Pixelschaaf, unser Fotoblogbaby :baby: :foto:
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

Öhm, grob "etwas, was man über die Haut fühlt". Also ein taktiles Signal ist etwas, was durch direkte Berührung gegeben wird, vollkommen unabhängig von der Intensität.
Benutzeravatar
wiassi
Sportpferd
Beiträge: 1750
Registriert: Di 15. Mai 2012, 16:07
Wohnort: im Auenland

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von wiassi »

Wenn das "Seilschlenkern" beängstigend wird, dann sind wir wieder bei der falschen Stärke von "Druck".
Dann war das viel zu viel. Beim nh fängt man immer immer wieder bei Stufe 1 an, mit der Prämisse, die nächsten so wenig wie möglich zu verwenden. Jede Stufe oder "Phase" soll mind. 3 Sekunden dauern, um dem Pferde jede Gelegenheit zu geben zu reagieren. 3 Sek können sehr lang sein und viele geben nicht diese kurze Zeit, die das Pferd braucht, um zu verstehen. Beim "Seilschlenkern" finden Stufe 1+2 statt, ohne, dass das Seil überhaupt in Bewegung kommt. Erst bei Stufe 3 soll eine leichte Bewegung am Halfter spürbar sein und bei Stufe 4, die gleichzusetzen ist mit "alles nur dass nicht" kommt das Seil in Bewegung. und zwar auch langsam steigernd dann nur so viel, bis das Pferd reagiert und dass kann ein Gewichtsverlagerung sein.
Beispiel Rückwärtsschicken mal in ganz kurz:
Phase 1 : Zeigefinger bewegt sich hin und her, Seil liegt auf dem Boden und rührt sich nicht
Phase 2: Hand wird im Gelenk hin und herbewegt, Seil liegt auf dem Boden und rührt sich nicht
Phase 3: Unterarm wird ab Ellenbogen hin und her bewegt, das Seil kommt etwas in Bewegung, aber nur so viel, dass eine leichte Bewegung am Halfter ankommt.

Bis hierhin liegt der Oberarm am Körper an, damit man nicht zu große Bewegungen macht.
Erst jetzt bei Phase 4 macht man die Bewegung allmählich größer und bricht beim leisesten Zeichen von richtiger Reaktion des Pferdes ab. Die Steigerung hängt sehr vom Pferd ab, auch dass muss man einschätzen lernen.
Die Reaktion kann zu Anfang eine Gewichtsverlagerung nach hinten sein, oder auch ein erster halbherziger Schritt mit einem Huf. Quasi eine Frage des Pferdes "soll ich das??". Wenn dann nicht sofort der "Druck" weg ist, dann lernt das Pferd nix, dann kommt Frustration oder Angst auf. Und genau da machen viele eben auch große Fehler und reagieren selbst nicht fein genug. Nh muss man lernen und es ist zu Großteil die Schulung des eigenen Körperbewußtseins und der eigene Reaktionsfähigkeiten. Also genau das, was jede(r) im Umgang mit dem Pferd unweigerlich einsetzt, so oder so.

Bei mir bekommt das Pferd dafür auch noch ein Leckerlie, weil die positive Verstärkung für mich eben zusätzlich noch einprägsamer wirkt. Das ist aber Lex Astrid, nicht nh. :lol:

Richtig gemacht kommt da kein Pferd im Panik, es sei denn, es hätte in grundsätzliches Problem mit Seilen. Und dann muss erst mal eine freundliche Desensibilisierung durchgeführt werden um dieses Grundproblem zu lösen. Hatten wir aktuell mit unserm Elmi, der einen Teil Zaun abmontieren mußte und dann erst mal Angst hatte vor Seilen, Litzen, Bändern. Auch vorher hätte Elmi bei groben Seilgereiße Angst bekommen, so was geht gar nicht. Er ist sehr sensibel und fein und das können die besten nh Pferde werden, wenn man sie läßt. Inzwischen macht er alles sogar frei super gut und begeistert mit. Ihm hilft nh auch enorm für sein Selbstbewußtsein. Falsches nh kann Pferden hingegen jedes Selbstbewußtsein rauben.

Das Problem ist aber doch, dass viele im Umgang gleich mit Phase 3-4 anfangen. Der schlechte Ruf des nh kommt zum Gutteil daher. Da wird wild am Seil gerissen und geschleudert und man wundert sich, warum das Pferd abstumpft -oder eben Angst bekommt je nach Typ- statt feiner zu werden.

Beim ausgebildeten nh-Pferd, dass bei Phase 1 schon fein zu reagieren gelernt hat, da fährt man die Phasen schneller hoch um promptere Reaktionen zu erlangen. Aber auch da fängt alles mit eine laaangen Phase 1 an. Außerdem wird die Phase1 verfeinert, die Scala damit nach vorne verschoben, immer weiter weg von "viel Druck".
Um im Beispiel zu bleiben:
Phase1 ist dann der ausgestreckte Zeigefinger, Phase 2 der Zeigefinger bewegt sich hin und her etc, die vorherige Phase 3 ist wird zu Phase 4, die man nicht mehr einsetzen will.
Also nix mit wildem Seilgereiße und-geschlenker und wüstem Dominanzgehabe.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

wiassi hat geschrieben:Wenn das "Seilschlenkern" beängstigend wird, dann sind wir wieder bei der falschen Stärke von "Druck".
Dann war das viel zu viel. (...) Beim "Seilschlenkern" finden Stufe 1+2 statt, ohne, dass das Seil überhaupt in Bewegung kommt. Erst bei Stufe 3 soll eine leichte Bewegung am Halfter spürbar sein und bei Stufe 4, die gleichzusetzen ist mit "alles nur dass nicht" kommt das Seil in Bewegung. und zwar auch langsam steigernd dann nur so viel, bis das Pferd reagiert und dass kann ein Gewichtsverlagerung sein.
Jep. Ich zitiere mich aus einem Beitrag weiter oben:
Jarit hat geschrieben:Druck auf Stufe 1 ist letztlich Körpersprache, ein Fingerzeig, ein Blick.
Das ist für mich aber nicht "Seilschlenkern" (weil ich meist ohne Seil arbeite ... :oops: ) Insofern habe ich mit meinem vorherigen Post
Jarit hat geschrieben:So sehe ich beispielsweise das Seilschlenkern bei einigen NHS-Trainingsarten sehr kritisch.
genau das gemeint, was Du schreibst. Weg vom tatsächlichen, wortwörtlichen Seilschlenkern, hin zu den feinen Signalen.
Axel
Jährling
Beiträge: 80
Registriert: Di 26. Jun 2012, 13:17

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Axel »

Hi zusammen,

ich will noch eine weitere "Dimension" in dieses Thema reinbringen, was ich persönlich wichtig finde und zwar die mentale Einstellung zu dem, was man mit dem Pferd macht.

Vorab dazu - wahrscheinlich ist es euch bekannt - Die mentale Einstellung eines jeden spiegelt sich in seiner Körpersprache und Verhaltensweise wieder. Ich habe die Erfahrung gemacht - wahrscheinlich ihr auch ;) - dass Pferde durch die Beobachtung des Menschen auch sofort seine mentale Einstellung erkennen und darauf reagieren.

Deswegen ist es wichtig, dass die mentale Einstellung auch immer zu dem passt, was man erreichen will. Ich arbeite regelmäßig an meiner inneren Gelassenheit und Ruhe, um dies auch auf das Pferd abzustrahlen und es ruhiger zu machen. Oder umgekehrt versuche ich Begeisterung und Bewegungsfreude auszustrahlen, wenn ich freie Bodenarbeit mache und das Pferd in den Trab bringen will, es aber dahinschlurft ;-).

Tschüs
Axel
Stjern
Einhorn
Beiträge: 5024
Registriert: Di 15. Mai 2012, 11:18

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Stjern »

Axel hat geschrieben: Deswegen ist es wichtig, dass die mentale Einstellung auch immer zu dem passt, was man erreichen will. Ich arbeite regelmäßig an meiner inneren Gelassenheit und Ruhe, um dies auch auf das Pferd abzustrahlen und es ruhiger zu machen. Oder umgekehrt versuche ich Begeisterung und Bewegungsfreude auszustrahlen, wenn ich freie Bodenarbeit mache und das Pferd in den Trab bringen will, es aber dahinschlurft ;-).
Axel
Ach schön, das kann ich voll unterstreichen. Mich würde interessieren, WIE beeinflusst Du Dich selbst? Bzw. wie gehst du vor, wenn Du z.B. bemerkst, dass Du z.B. Dich ärgerst oder oder...
Hast Du Techniken, die Du erlernt hast?
Axel
Jährling
Beiträge: 80
Registriert: Di 26. Jun 2012, 13:17

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Axel »

Hi,

die Frage hätte ich fast voll übersehen ;-).
Stjern hat geschrieben:
Axel hat geschrieben: Deswegen ist es wichtig, dass die mentale Einstellung auch immer zu dem passt, was man erreichen will. Ich arbeite regelmäßig an meiner inneren Gelassenheit und Ruhe, um dies auch auf das Pferd abzustrahlen und es ruhiger zu machen. Oder umgekehrt versuche ich Begeisterung und Bewegungsfreude auszustrahlen, wenn ich freie Bodenarbeit mache und das Pferd in den Trab bringen will, es aber dahinschlurft ;-).
Axel
Ach schön, das kann ich voll unterstreichen. Mich würde interessieren, WIE beeinflusst Du Dich selbst? Bzw. wie gehst du vor, wenn Du z.B. bemerkst, dass Du z.B. Dich ärgerst oder oder...
Hast Du Techniken, die Du erlernt hast?
Erlernt habe ich das durch einen Kurs und durch "Erleben".
Ich fasse mal die wichtigsten Punkte zusammen, die mir gerade einfallen:
1. Selbstreflektion: Wie gehts mir? Wie fühle ich mich? -> Wichtig, denn ich hab auch schon mal die Arbeit mit dem Pferd abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass ich besch.... drauf war.
2. Wie gehts denn dem Pferd? Strahle ich aufs Pferd ab? Was braucht das Pferd?
3. Dann gehts los: Ich baue mir Gedankenbilder auf, hole Erinnerungen an passende Situationen hervor. Kennst du STAR WARS? Wenn ich mal Ruhe und Gelassenheit brauche, dann stelle ich mir vor, wie ausgelassen und ruhig ein Jedi-Ritter ist :ohm2: .
Das ist zwar nicht immer so einfach - wenn das Pferd um einen herumtanz ruhig zu sein - aber es funktioniert immer besser.

Tschüs
Axel
Antworten