Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Moderator: Stjern

bubi9191
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Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von bubi9191 »

Hallo ihr Lieben,

hier geht es um ein Thema,
was mich zur Zeit wirklich sehr beschäftigt.

Ich war oder bin ein Mensch, der immer gesagt hat, dass man auf der Abstammung nicht reiten kann, sondern der Umgang mit dem Pferd, WER es reitet und WIE es geritten wird das Pferd ausmacht.

Jetzt bin ich aber an einem Punkt das zu überdenken.
Ich habe mir eine 4jährige Stute gekauft. Gerade (wirklich sehr schonend) angeritten, vorher auf der Weide. Ich glaube nicht, dass sie schon was schlechtes erlebt hat.
Dieses Pferd ist sehr stumpf. Von Anfang an war es so, dass sie sich z.B. nicht rumschieben ließ. Klar, junges Pferd, vielleicht kennt sie das nicht. Also mit Impulsen gearbeitet, für jede Drehen gelobt.
Es wurde einfach nicht besser, sie war total "stur" und stumpf. Irgendwann war ich nicht da, jemand wollte durch, sie drehte wieder nicht und hat dann wohl mal etwas deutlich eins auf den Hintern bekommen. Und zwar mit nem Besenstiel. Nicht meine Art, hätte ICH auch nie gemacht. Seitdem dreht das Pferd sich um wenn ich es möchte. Sie wirkt dabei ruhig und gelassen und nicht, als würde sie sich aus Angst drehen.
Sie ist allgemein sehr rumpelig und rüpelig. Ich versuche da mit absoluter Konsequenz ranzugehen, aber gleichzeitig komplett gewaltfrei, nur bestimmt. Und sie bleibt wie sie ist.
Letztens hatte ich jemanden da, bat sie zu trensen. Dabei zappelte sie wieder rum, etc.
Er wurde dann auch ziemlich deutlich, sie bekam eins auf die Nase und dann wurde ihr Ärger gemacht. Seitdem zappelt sie nichtmehr und schupst mich nichtmehr beim Trensen.

Beim Führen nächstes Problem. Ich übe es seit Ewigkeiten dass sie stehen bleibt wenn ich stehen bleibe, dass sie nicht immer in meine Hacken läuft. Es hat sich auch gebessert, an manchen Tagen vergisst sie das aber.
Ein Bekannter hat ihr mit Gerte (oh gott, ich bin da einfach zu weich für und finde das furchtbar) deutlich gemacht dass sie ihn nicht in die Hacken zu laufen und halb auf den Arm zu springen hat.
Dann ging es.



Lange Rede, kurzer Sinn:
Gibt es vll wirklich so Pferde? Meine Stute ist leistungsorientiert gezüchtet, springt auch locker über 1,80m, ist aber eben sehr büffelig, frech und speziell. Jetzt habe ich mit einigen bekannten Züchtern und Reitern geredet und gegooglet und alle sagen der Linie nach dass das Pferde sind die in "Profihände" gehören weil sehr frech und speziell und von Otto-Normal Verbrauchern nicht zu bedienen.
Kann das wirklich stimmen? Pferde, bei denen man vielleicht mit "lieb" nicht weiterkommt? Es ist teilweise wirklich gefährlich wenn sie ständig mich hinterher zieht.
Ich habe viel mit jungen Pferden gearbeitet in meinem Leben, aber so eine Fall hatte ich noch nie. Dazu muss ich dann aber auch sagen, dass ich auch noch nie so ein Pferd mit so großer Qualität hatte....


LG
Pferde sollten so geritten werden, wie ein Surfer eine Welle reitet.
Der Surfer zwingt die Welle nicht, er will sie nicht verändern.
Er lernt einfach, wie er sie reiten kann.

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Sheitana
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von Sheitana »

Ja, das gibt es!
Es gibt Linien, die dafür bekannt sind schwierig zu sein, welche, die dafür bekannt sind einfach zu sein und und und.

Deswegen finde ich persönlich Papiere sehr wichtig. Nicht, weil man darauf reiten kann oder um zu sagen "schau mal, mein Pferd hat Vererber xy in der Abstammung", sondern um zu wissen, was man vor sich hat.

Das schließt natürlich nicht aus, das jedes Pferd ein Individuum ist, mit Stärken und Schwächen und geprägt von der Umwelt. Dennoch kann man mit etwas Erfahrung aus einem Papier viel lesen und vielleicht auch mal sagen "lass da die Finger von" oder "das könnte das Richtige für dich sein".
puscheltier
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von puscheltier »

Nein, tut mir leid, ich glaube nicht, dass es Pferde gibt, bei denen man nur mit Gewalt weiterkommt, auch wenn es bestimmt welche gibt, die schwieriger sidn als andere. Man darf schon mal deutlich werden, aber dass du andere Leute dein Pferd schlagen lässt finde ich ehrlich gesagt....

Ich denke eher, dass eure grundelgende Kommunikation nicht stimmt. Wenn ihr zum Besipiel niemand mal erklärt hat, dass auf Berührung an der Hinterhand o.ä. ein Weichen erwünscht ist, woher soll sie das dann Wissen und fein reagieren?

Stur und rüpelig ist meist eher ein "ich weiß nicht was du willst oder bin überfordert" bei sehr sensiblen Tieren.
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Sheitana
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von Sheitana »

Bevor ich falsch verstanden werde: Gewalt ist nie der richtige Weg. Aber es gibt Pferde da muss man eben deutlicher sein, oder eben feiner.
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kolyma
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von kolyma »

Also - einerseits glaube ich, dass ein deutliches Wort an der richtigen Stelle nicht schaden kann. Letzte Woche ist mir mein Pferd auf den Fuß getrampelt, weil es dachte, dass es jetzt unbedingt ein anderes Pferd angiften muss - ich stand dazuwischen.
Es kommt ja selten vor, dass ich sauer werde - aber da wurde ich echt richtig stinkig!

Aber gerade die "vermeintlich" sturen Böcke brauchen sehr oft viel feinere Signale. Ich bin bei meinem unglaublich weit mit clickern gekommen. Gerade was das HH-Weichen angeht. Wenn ich ihn mit der Hand schiebe hat ers nicht verstanden - aber wenn ich lieb bitte - das heißt, ein deutlicher Blick auf die HH, keine Berührung, versteht er es. Click-Keks und somit die Lektion gefestigt.

Was viele verwechseln, Autorität hat nichts mit Gewalt zu tun, viel mehr mit dem Aufreten und der Ausstahlung. Wenn ich das Pferd von mir weichen lassen möchte, muss ich mich aufrichten, muss meinen Weg im Auge behalten, muss bewußt gehen und meine Energie Richtung Pferd schicken. Das ist alles gänzlich ohne Gewalt, aber mein Pferd spürt, dass ich komme und dass es aus dem Weg gehen sollte. Und dann übt man das und bestärkt richtiges Verhalten.

Das ist nicht leicht, aber man kann es lernen.

Dein Pferd ist sicher nicht stumpf. Beobachte es mal mit Herdenkollegen. Du wirst feststellen, dass es dort bereits leicht auf die Mimikveränderung der Herdenmitglieder reagiert. Es wird einer kaum sichtbaren Aufforderung zum Spielen nachkommen oder bei Bedarf eine Futterstelle frei machen...
Bild Geduld ist die hohe Kunst sehr langsam wütend zu werden...:ohm2: :sofort:


"Besser wenig und das Wenige gut."Egon v. Neindorff

leidenschaftliche Pferdefotografie: https://www.facebook.com/melanie.viereckel.photography
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Scheckenfan
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von Scheckenfan »

@ puscheltier: Hm ja schon, aber es gibt schon auch Pferde, die mit ner eindeutigen Ansage manchmal sehr glücklich sind. Wirklich.

Ich hab das bei meinem Pferd schon mehrfach erlebt. Eigentlich geh ich sehr friedlich mit positiver Verstärkung und wenig Druck mit ihm um. Aber gerade in seiner Jungspund-Zeit hat er mich halt schon mal echt an die Grenzen getrieben, und ein paar Mal bin ich "explodiert" und richtig sauer, laut und teilweise auch mal handgreiflich geworden. Ich hab mich danach immer ungemein geschämt :tuete: aber mein Pferd hat sich richtiggehend entspannt und es mir kein bisschen übel genommen - im Gegenteil :staun:

Ich sage damit nicht :-ü dass das generell eine gute Erziehungsmethode ist, aber ich sehe es als kein großes Problem an, wenn man in Ausnahmefällen mal straft - insbesondere, wenn's um Sicherheit gibt, wie z.B. Anhalten beim Führen ohne die Führperson umzurennen.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
- Mahatma Ghandi
puscheltier
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von puscheltier »

Klar, mit mal einer Ansage habe ich kein Problem, dass bekommt meiner auch mal, je nach Situation. Aber ich wollte darauf hinaus, dass es keine Grundeinstellung dem Pferd gegenüber sein sollte, die hat die und die Abstammung, da geht das immer nur so... und bei bubi klingt es leider so, als würde sie die Verantworutng an Leute abgeben, die wenig zimperlich sind und das ist in meinen Augen der falsch Ansatz, sondern man sollte erstmal weiter an den Grundlagen arbeiten, bei einer 4jährigen die vermutlich nach Standardverfahren eingeritten wurde, kann das durchaus sein, dass da ein Ausbildungsschritt fehlt.
ehem User

Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von ehem User »

Papiere und Abstammungen sagen nur etwas über den Genpool aus, aus dem ein Tier schöpft. Das lässt für Experten Wahrscheinlichkeitsaussagen darüber zu, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Individuum genetisch bedingte Eigenschaften bestimmter Vorfahren übernimmt. Sonst nichts.

Die individuellen Eigenschaften eines Tieres können genetisch oder sozialiosationsbeding sein. Bei der Sozialisation können sehr offensichtliche Dinge eine Rolle spielen, aber auch Kleinigkeiten, die niemand mitbekommt. Daher ist es immer schwer und nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich, bestimmte Verhaltensweisen auf bestimmte Ursachen zurückzuführen. Meistens gibt es keine monokausalen Ursachen, viele Aspekte eines Verhaltens bleiben oft im Verborgenen.

Bei dem von Dir geschilderten Problem würde ich neben der Ursachenforschung, die vielleicht hilfreich sein kann, vor allem auf Eindeutigkeit und freundliche Konsequenz setzen. Hilfen heißen deshalb Hilfen, weil sie Pferd und Mensch helfen sollen, und zwar bei der Kommunikation. Hilfen, die nicht ankommen, helfen weder dem Pferd noch dem Menschen, sondern sie stumpfen pferd ab und ärgern mensch. Daher denke ich schon, dass es richtig ist, die Aufmerksamkeit dieses Pferdes mit so einerseits eindeutigen und andererseits energischen (kommt von Energie! :five: Kyloma) Hilfen zu erregen, dass beim ersten Versuch eine Reaktion erfolgt, die dann aber unbedingt und sofort z.B. durch Klickern positiv und euphorisch verstärkt werden muss. Dadurch lernt das Pferd mMn dass es sich lohnt, aufmerksam zu sein und auf Hilfen zu achten und zu reagieren und wird mMn im Laufe der Zeit weitestgehend unabhängig von genetischer Veranlagung und Sozialisation immer freudiger auf immer feinere Hilfen des Menschen achten und reagieren.
bubi9191
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von bubi9191 »

Hallo,

also clickern kennt sie und so habe ich ja auch versucht das rumdrehen am Putzplatz zu erlernen.
Genauso wie ich mit Konsequenz mit ihr umgehe, weil sie 5x nachfragt bevor sie schnappt.
Nicht immer, meistens.
Bevor sie tritt droht sie auch. Da ich das mittlerweile weiß, beobachte ich sie stets so gut es geht und unterbinde jede kleinste Kleinigkeit, lenke sie ab.

Das Problem ist, dass dieses Pferd für mich mittlerweile zu gefährlich ist.
Mit ihren 1,78m habe ich überhaupt keine Chance. Immer wieder rennt sie zum Ausgang, reißt sich los, etc.
Am Anfang habe ich das auf ihren Übermut geschlossen. Es kann aber sein, dass sie 4 Runden brav neben mir her geht und plötzlich dicht macht.
Überforderung kann nicht sein. Sie hat in der Halle noch nie was schlechtes erlebt, wurde nie überfordert.
Ich versuche sich beim Führen zu beschäftigen so gut es geht. Weichen lassen, anhalten, anschreiten, dabei viel lob usw.

Es ist aber auch für die Menschen um mich herum zu gefährlich. Ich kann dieses Pferd nicht festhalten wenn sie aus dem Nichts (und damit meine ich aus dem Nichts. Ich beobachte sie so genau und merke kein Anzeichen und plötzlich ist sie weg) losspringt. Ich kann auch nicht sagen "Ich mache nur solange sie brav ist und dehne das aus" denn manchmal passiert es gar nicht, manchmal nach 30 Sekunden, manchmal nach 5 Minuten.

Die Stute wird jetzt 5, sie ist noch nicht lange unterm Sattel, Kinderarbeit kannte sie also definitiv nicht.
Genauso wie beim Longieren. An manchen Tagen läuft sie und läuft sie und an anderen Tagen zerrt sie mich ohne Vorwarnung durch die Halle.
Ich habe versucht ALLEM auf den Grudn zu gehen. Habe vorher aufgeschrieben wie meine Stimmung ist. Ich habe versucht, es ihr nie krumm zu nehmen.
Aber nach mir treten, mich umrempeln, durch die Halle ziehen... das geht doch nicht.
Und ich bin eben sehr zaghaft und wenn ich sie dann mal "antitsche" dann zeigt sie keinerlei Reaktion! Wirklich null.

Ihr Vollbruder ist genauso und eben die ganzen Pferde aus dieser Linie. Ich weiß einfach nicht, ob ich nicht doch dran glauben soll, dass die Linie ihr übriges dazu tut. Springvermögen hat sie für den ganz großen Sport. Oft hört man ja, dass solche Pferde so gezüchtet werden, dass sie Leistung bringen. Der Chrackter bleibt auf der Strecke.
In der Herde ist sie auch so. Mal super lieb und anhänglich, plötzlich total frech. Sie steht ihr Leben lang in der Herde, hatte immer Pferde mit denen sie sich verstand und ich deute ihr Verhalten sicher nicht als "hat schlechte Erfahrung" gemacht.


Ich kann euch verstehen, wie ihr darüber denkt, dass ich sie aus den Händen gebe. Aber mittlerweile ist es mir zu gefährlich. Für mich, für das Pferd und für die anderen Leute am Stall.
Pferde sollten so geritten werden, wie ein Surfer eine Welle reitet.
Der Surfer zwingt die Welle nicht, er will sie nicht verändern.
Er lernt einfach, wie er sie reiten kann.

viewtopic.php?f=14&t=4214
puscheltier
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Re: Auf dem Papier kann man nicht reiten.....

Beitrag von puscheltier »

Ich habe gerad nochmal nachgesehen, dass ist doch auch die Stute, die jetzt so lange nicht raus konnte wegen Griffelbeinbruch und die ihr nur unter Sedierung arbeitet, oder?

Ich denke schon, dass das für eine junges Pferd ganz schön viel ist...kann sie den mitlweile wieder aus ihrer Box raus und in die Herde?
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