Das ist auch ein wenig ironisch gemeint

. Sieht man alte Abbildungen, dann sitzen da Reiter wie die Zinnsoldaten kerzengerade auf dem Pferd, Arme und Beine in ganz korrekt gezeichneter und beschriebener Winkelung usw. Solche Abbildungen findet man auch gerne in dem einen oder anderen modernen Buch. Eines haben diese Abbildungen in der Regel fast alle gemeinsam. Die Pferde stehen und Ross und Reiter haben so eine Art "Normgröße". So kann kein Mensch reiten und zu einem unabhängigen Sitz gelangen aber den Reitschlülern wird gerne glauben gemacht, dass es so aussehen müsste. Und so ruft nicht selten der RL durch die Halle: "XYZ, sitz gerade." Und der arme Reitschüler grübelt die ganze Zeit, während der Reitlehrer ihn immer wieder dazu auffordert, wie er eigentlich seinen Körper gerade bekommen soll und so reckt und streckt er sich und der RL ist immer noch nicht zufrieden. Der Reitlehrer hat nämlich schlicht und einfach "aufrecht" mit "gerade" verwechselt. Was aufrecht sitzen bedeutet, darunter kann sich fast jeder etwas vorstellen und das auch bewerkstelligen, ich habe aber noch nie jemanden gesehen, der es fertig gebracht hat, seine Wirbelsäule zu begradigen, so sehr er sich auch abmühte. Das wäre ja auch furchtbar, denn dann ginge jegliche Elastizität flöten

. Das Problem, vielen Reitschülern wird nicht nachvollziehbar erklärt, worum es überhaupt beim Sitz geht, warum der Reiter eben nicht so wie ein nasser Sack auf dem Pferd hängen soll, ihm wird nicht erklärt, was es mit dem Schwerpunkt des Pferdes und des Reiters auf sich hat und wie der Reiter das in Einklang bringen kann. Er soll einfach nur "gerade" sitzen und basta und das fällt vielen Reitschülern einfach schwer, ein Verständnis dafür aufzubauen und dieser Anweisung dann auch "korrekt" zu folgen. Zudem kommt noch die eigene Wahrnehmung, von aufrecht und schief.
Anderes Beispiel. Der Reitlehrer ruft dem Reitschüler zu, er soll den Blick nach vorne richten und das Kinn hochnehmen, sozusagen Kinn zum Hals in den rechten Winkel bringen. Wie lange wird das wohl funktionieren ? Und erklärt der Reitlehrer dem Reitschüler überhaupt, warum der sich in so eine Haltung, die ihn das Genick vollkommen versteift, brigen soll? Schafft es der Reitlehrer selbst, so eine komplette Lektion durchzureiten ? Ich wette nicht. Der Blick mag vielleicht noch in Fahrtrichtung sein, der Kopf wird in wenigen Sekunden wieder seine natürliche Haltung einnehmen.
So könnte man das ganze auch mit den Armen und den Beinen, Füßen, z.B. das berühmte Problem, dass Reitlehrer sehr gerne Hacken und Absatz als tiefsten Punkt verwechseln, ganz einfach, weil ihnen unterm Strich selbst das Verständnis für einen unabhängigen Sitz fehlt. Aber wie soll da ein Reitschüler etwas nachvollziehen und auch umsetzen können?
Aber der Sitz ist ja nur eines der vielen Dinge, die man beim reiten lernen lernt und so gibt es vieles, wofür der Reitschüler erstmal ein Verständnis aufbauen muss. Das kann er aber nur, wenn er auch die entsprechende Unterstützung seines Reitlehrers erhält. Und genau da liegt das Problem, wie wird unterrichtet. Spult der RL sein immerwährendes Programm runter oder stellt er sich auf auf seinen Reitschüler ein und geht ganz einfach mal davon aus, dass der Reitschlüler auch in die Lage veretzt werden muss, Schritt für Schritt auch zu verstehen, was passiert.
Was ich auch nicht verstehe, warum so wenige Reitlehrer nicht erstmal etwas theoretischen Unterricht mit den Schülern machen und zwar in ruhiger entspannter Atmosphäre. Statt dessen sitzt so ein Anfänger das erste mal auf dem Pferd, hat Herzklopfen, ist sowieso erstmal vollkommen angespannt, weiß nicht, was nun wohl abgehen wird und wird nebenbei noch Empfänger von Anweisungen, die er auch noch befolgen soll. Der Reitschüler wird dabei kaum in der Lage sein, tiefgründige Fragen an seinen Reitlehrer zu stellen und wird letztenlich mehr oder weniger widerspruchslos versuchen, das abzuarbeiten, was ihm aufgegeben wird. Lernt man aber wirklich auf diese Weise reiten ?