Wenn man also wirklich erst wieder aufs Pferd steigen will, wenn man nicht mehr schrief ist, ich glaube, dann kommt man nie wieder aufs Pferd. Meiner Meinung nach ist ein solches Ziel illusorisch. Ich arbeite daran schon im Grunde seit 30 Jahren (ja ich bin ein älteres Kaliber

).
Ja, das ist gut möglich. Obwohl ich da im Prinzip unbeirrt meinen Weg gehe, komme ich immer wieder mal an den Punkt, an dem ich mich frage, ob ich so überhaupt jemals wieder auf`s Pferd komme. Auch die letzten Tage habe ich da wieder viel drüber nachgedacht UND nachgespürt. Schlußendlich komme ich immer wieder zu derselben Antwort und ich schreibe das jetzt mal hier auf. Vielleicht interessiert es jemanden und wenn ich wieder mal an diesen Zweifelpunkt komme, lese ich hier einfach nach , was ich geschrieben habe. Das macht es vielleicht einfacher

.
Also: ich bin natürlich schief, mein Pferd ist natürlich schief. Mein Pferd ist darüber hinaus aber noch völlig unverdorben, sehr temperamentvoll und kennt keine erlernte Hilflosigkeit. Sie ist noch völlig frisch und klar und reagiert auf genau das, was ist. Damit meine ich, sie hat nicht gelernt (und soll das auch nicht lernen), auf körpersprachlich widersprüchliche sog. "Hilfen" zu reagieren. Es ist ja gang und gebe, dass Reiter sog. Hilfen geben, die aber nicht der inneren körperlichen Zielrichtung entsprechen und die Pferde haben gelernt, auf diese "Hilfen" zu reagieren und das Innere zu ignorieren. Dafür muss ein Pferd sich irgendwie "festmachen" und irgendwann ist dieses "Festmachen" automatisiert. DAS will ich nicht. Was ich irgendwann will, ist ein absolut losgelassenes, mittig ausbalanciertes , bewegliches und starkes Pferd, das wirklich die Fähigkeit hat, mit einem ebenso losgelassenen, ausbalancierten, beweglichen und starken Reiter EINS zu werden wie ein Zentaur. Die üblichen reiterlichen Kontrollmittel werden damit überflüssig.
An all diesen Themen arbeiten meine Stute und ich gemeinsam am Boden. Was würde ich erreichen, wenn ich jetzt auf ihren Rücken steigen würde? Schief klettert also auf schief

. Mein schiefes Gleichgewicht irritiert sie und hilft ihr gar nicht, ihre eigene Balance unter dem Reiter zu finden. Aber genau das ist meine Aufgabe als Reiter. Meine Stute würde je nach Stimmungslage entweder protestieren (quieken und Kopf schütteln) oder sie würde mitmachen so gut es ihr eben möglich ist und wir würden beide gemeinsam vor uns hinschwanken. Gut, ich wäre mal wieder auf ihr gesessen und könnte mir auf die Schulter klopfen, aber das wär`s dann auch schon. Irgendetwas gewonnen hätten wir dabei nicht.
Wenn sie z.B. auf der rechten Hand nach innen driftet (sie ist Rechtshänderin und links hohl), was soll ich, die ebenfalls Rechtshänderin und links hohl ist, ihr da entgegensetzen? Es ist mit dieser Schiefe ja unmöglich, das Gewicht aus der Körpermitte reel nach links zu verlagern. Es geht einfach aus biomechanischen Gründen nicht. Und in der Hüfte einknicken, macht`s ja nur noch schlimmer.
Also sehe ich es einfach als mein wirklich vornehmste Aufgabe an , in mir die Voraussetzungen dafür zu schaffen, für sie auf ihrem Rücken zu einem Gewinn zu werden und nicht zu einer Belastung, die sie halt erträgt. Und solange das nicht der Fall ist, habe ich auf ihrem Rücken einfach nichts zu suchen. Punkt! So, und wenn ich nun nie gerade werden sollte und niemals auf diesem wunderschönen Pferd reiten kann? Tja, dann ist das halt so. Obwohl ich nicht auf meinem Pferd reite, haben wir zwei eine wirklich gute Zeit miteinander und das Wichtigste ist , sie ist ein strahlendes Pferd. Wenn ich also mein Ziel nicht erreiche, so bleibt doch wirklich der Weg das Ziel

. So, Tanuschka, schreib`Dir das nochmal hinter die Öhrchen

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Aber ich habe festgestellt, dass es im Grunde nicht einfach nur um die Überwindung der Schiefe geht. Die Überwindung der Schiefe hat ja vor allem mit einem sehr hohen Grad an Körperbewusstsein zu tun, denn was ich nicht spüre, kann ich nicht verändern (oder eben auch mal belassen) und letztendlich auch mit Beweglichkeit. Der Schiefe kann man immer noch am besten, nicht durch exessives Muskeltraining oder sagen wir mal nur begrenzt, sondern vor allem durch eine enorm hohe Beweglichkeit entkommen. Und da bin ich unglaublich gut gesegnet. Ich bin nach allen Seiten beweglich, wie eine Gummipuppe. Ich bin da genetisch auch sehr gesegnet und natürlich auch trainiert. Zu starkes Muskeltraining und dann noch an den falschen Muskeln, würde das aber behindern. Dezentes Muskeltraining, um den Stützapparat zu stärken und einseitig trainierte Muskulatur auszugleichen ja aber als Reiter sollte man sich davor hüten, ein Muskelpaket werden zu wollen. Die Geschmeidigkeit geht damit verloren und wenn ein Reiter nicht absolut geschmeidig ist, dann ist er auch nicht losgelassen und macht die selben Probleme, wie ein Pferd, das nicht losgelassen ist.
Ich bin schlank und extrem beweglich, meine Stute ist extrem beweglich. Das ist ja schon mal gut, aber das alleine ist es noch nicht, denn es ist nur eine schiefenbedingte relative Beweglichkeit. Da ist noch viel mehr möglich.
Viele Grüße
Tanuschka