Akademische Reitkunst - Bent Branderup

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Hina_DK
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Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Hina_DK »

Da es ja hier im Forum schon einen sehr schönen Thred zur Ecole de Légèreté - PK gibt, möchte ich noch einen zu BB Akademischen Reitkunst aufmachen.

Es geht hier ganz ausdrücklich nicht darum, einen "Krieg" der beiden Schulen der klassischen Reitkunst anzuzetteln. Das haben beide nicht verdient und ist auch absolut nicht in ihrem Sinne. Beides sind hervorragende Reitmeister, beide verfolgen das selbe Ziel, Reiten für das Pferd, beide stützen sich auf gemeinsame historische Vorbilder, sowie die Anatomie und Biomechanik des Pferdes. Das Ergebnis beider klassicher Schulen sind gesund gerittene Pferde. Natürlich gibt es dennoch ein paar Unterschiede. Die können auch gerne aufgezeigt werden aber bitte nicht im Sinne, das eine wäre besser als das andere, denn wir wissen alle, vieles ist ganz einfach auch eine Glaubensfrage oder auch nur die innere Überzeugung. Den beiden Herren müssen wir aber neidlos zugestehen, sie sind beide beispielhafte Könner.

Mir geht es in diesem Thread also eher um Erfahrungsberichte und das Wecken von Interesse für die klassische Reitkunst (egal welcher Richtung).

Wer von Euch arbeitet mit seinem Pferd nach BB?
Welche Erfahrungen habt Ihr evtl. mit den Online-Kursen gemacht?
Welche Erfahrungen habt Ihr mit lizensierten BB-Trainern gemacht?
Was gefällt Euch oder gefällt Euch nicht an der Philosopie des klassischen Reitens?
usw. usw.

Es soll einfach ein lockerer Austausch werden.

LG Hina
Viele Grüße
Hina

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Muriel
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Muriel »

Ich habe im letzten Jahr die Gelegenheit gehabt, einen Kurs bei H. E. mitzureiten. Das Grundthema war Sitz, aber es kamen natürlich auch einige Randpfeiler der akademischen Reitkunst hinzu.
Was für mich sehr spannend war:
in den letzten Jahren hatte ich mich über PK mit der Schulterbalance - also rechts/links und mit der Grundbalance vorne/hinten (Vorhand/Hinterhand) beschäftigt.
Nun kam der Gedanke hinzu, das Pferd über die vier Beine auszubalancieren - jedes Bein als Säule eines Grundfundamentes, und dieses eben einzeln gezielt über Kruppeherein/Schulterherein auszubalancieren, so dass der Gesamtrumpf in geschmeidiger Balance ist.
Erst nach dem Kurs habe ich so nach und nach verstanden, was in der akad. RK mit dem durchlässigen Hinterbein gemeint ist und finde auch das einen sehr hilfreichen Gedanken.
Allerdings ist das auch gleich mein Hauptkritikpunkt an dem Ganzen: Dadurch dass der Focus so stark auf der Federartigkeit des Hinterbeins gelegt wird, der weichen Hankenbeugung, und in der Regel wenig schwunghaft gearbeitet wird, geht meines Erachtens bei vielen akademisch gerittenen Pferden der Rücken verloren, da ohne Schwung die Kraftübertragung nicht funktionieren kann. Dann ist zwar die Hinterhand weich und mit der Hankenbeugung kann recht viel Versammlung erreicht werden, aber der Rücken federt eher nach unten durch als dass er von hinten her über die Hinterhand und den Abschub aufgewölbt und damit tragfähig wird.

Ich lasse mich da gerne eines besseren belehren, aber auch bei den von Herrn Branderup gerittenen Pferden habe ich so einen von hinten schwingenden tragfähigen Rücken nicht gesehen.

Für mich persönlich wäre das Fazit: Ich würde gerne mehr darüber wissen, weil alleine dieses eine Seminar uns ein ganzes Stück weitergebracht hat, aber als alleine Richtung wäre mir das zu wenig.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
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Muriel
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Muriel »

Hab ich Euch jetzt verschreckt? :-e
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Hina_DK
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Hina_DK »

Nein, nicht verschreckt, ganz im Gegenteil :) .

Toll, dass Du bei einem Kurs bei H. E. warst. Meine BB-Trainerin, M. C., war auch bei ihr ein Jahr in der "Lehre". Die beiden Damen sind ja sehr auf Sitz spezialisiert, mischen aber immer ihre Sitz-Kurse auch mit anderen Elementen der akademischen Reitkunst und durchaus auch mit anderen Einflüssen.

Das ist ja ein schwieriges Thema, das Du da anschneidest, denn Schwung ist so ziemlich das, was jeder anders definiert ;) . Es ist durchaus auch ein wichtiges Thema bei BB. Er versteht unter Schwung das Schwingen der Wirbelsäule, auch unabhängig davon, ob eine Schwebephase vorhanden ist oder nicht. Ohne Losgelassenheit kein Schwung. Für ihn sind da vor allem die Reiter das Problem. Ich glaube, in ähnlicher Weise sieht es PK im Prinzip auch. Letztendlich geht das dann auch alles auf Baucher zurück.

Was die Pferde von BB selbst betrifft, so ist das eine Sache für sich ;) . Das sind teilweise mehrfach schwerstbehinderte Pferde. Eigentlich ein Wunder, dass die überhaupt Lektionen der hohen Schule können. Das spricht natürlich für BB aber sie sind dadurch natürlich auch nicht so perfekt. Man sieht auch, dass er mit ihnen ganz anders arbeiten muss, als mit seinen Berittpferden. Erst seine neue Generation Pferde wird man tatsächlich als Maßstab nehmen können. Noch sind sie ja sehr jung aber diesmal "handverlesen".
Zuletzt geändert von Hina_DK am So 10. Jun 2012, 22:06, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
Hina

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Muriel
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Muriel »

ja, gerade war Hanna auch vier Tage hier, aber die Umstände waren für mich ungünstig und ich konnte nicht mitmachen. :heul:
Er versteht unter Schwung das Schwingen der Wirbelsäule, auch unabhängig davon, ob eine Schwebephase vorhanden ist oder nicht. Ohne Losgelassenheit kein Schwung.
naja, ob Schwingen oder Schwung ist reittechnisch gesehen schon ein Unterschied. Aber den letzten Satz kann man natürlich komplett so unterschreiben.
Schwung entwickelt sich im Abschub bei guter Losgelassenheit im Rücken. Und klar, da behindern die Reiter schon vieles.
Letztendlich geht das dann auch alles auf Baucher zurück.
Bei der akademischen Reitkunst auch? Erzähl mehr.... :bittebitte:
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Hina_DK
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Hina_DK »

Neben Baucher müssen natürlich auch La Guérinière und noch einige andere wie Steinbrecht usw. genannt werden. Auf die Philosophie die Balance des Pferdes durch Entspannung, vor allem im Maul (Unterkiefer), Kopf und Hals zu fördern und Hilfen ohne Karfteinwirkung zu geben, baut letztendlich die ganze Palette der klassischen Reitlehren auf. Das ist Reiten unter Berücksichtigung der Anatomie und Biomechanik des Pferdes. Weder BB noch PK haben dieses System erfunden, sie haben es aber in die Moderne gebracht und mit neueren Erkenntnissen und natürlich auch ihren eigenen Erfahrungen ergänzt und da unterscheiden sie sich natürlich, nicht aber in den tiefsten Grundlagen und der Zielsetzung.

Was den Schwung betrifft, so ist das ja eine sehr heiß diskutierte Angelegenheit und letztendlich kommt wohl keiner zu einer klaren Definition, weil jede Reitlehre das anders definiert und verschiedene Personen auch noch. Viele setzen Schwung mit Schub gleich, andere das Untertreten der Hinterhand, andere das energische Vorwärts (in der Piaffe das "gedachte" Vorwärts), Leute wie Branderup das Schwingen der Wirbelsäule usw. Irgendwo habe ich mal eine Auflistung der verschiedenen "Definitionen" gelesen. Ich glaub, es war mal in der Cavallo. Ein heißes aber durchaus sehr interessantes Thema ;).
Viele Grüße
Hina

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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Muriel »

Für mich entsteht Schwung aus physiologischer Sicht in dem Moment, wo im Abschub des Hinterbeins die Muskelkette der Hinterhandstrecker sich über den Glutaeusmuskel in den Rückenmuskel fortsetzt und darüber den Rücken anhebt. Wenn in diesem Moment auch die Schnellkraft der Muskeln nicht behindert wird, entsteht Schwung und die Schwebephase.
Im Grunde genommen eine logische Abfolge von Takt, Losgelassenheit und Arbeitstempo (das Tempo in dem Anspannen und Abspannen im Gleichgewicht sind).
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Hina_DK
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Hina_DK »

Das ist auch für mich so gut nachvollziehbar aber BB hat da in sofern wohl nicht so unrecht, denn Schwung gibt es durchaus auch im Schritt oder z.B. im Tölt und diese Gangarten werden ja ohne Schwebephase geritten. Das Augenmerk liegt also nicht im "vom Boden abheben", sondern eben in der von Dir erwähnten Muskeltätigkeit.
Andere definieren das überhaupt nicht über die Muskeltätigkeit, sondern eher rein physikalisch, als Impuls. Ein weites Feld ;) .
Viele Grüße
Hina

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Hina_DK
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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Hina_DK »

Was mir bei einigen BB-Schülern aufgefallen ist. Sie bleiben gerne mal irgendwo im SH, KH usw. stecken. Sie vergessen auch mal vorwärts zu reiten und machen die Lektionen, die ja eigentlich "nur" der Gymnastizierung ihres Pferdes als Grundlage pferdefreundlichen Reitens dienen sollten, nun zum reinen Selbstzweck. Nun mag das ja einige auch seelig machen aber die meisten haben doch eigentlich ihr Pferd mit anderen Wünschen und Zielen angeschafft. Ich glaube sogar, dass das nichtmal auf BB-Reiter beschränkt ist, sondern sich quer durch die Klassik-Szene zieht, dass die Leute sich einfach nicht mehr raustrauen, wenn ihr Pferd noch nicht ordentlich über den Rücken geht und keine pferfekte Versammlung drauf hat. Irgendwie habe ich den Eindruck, gerade in diesen Bereichen kommt es oft zu einer sehr starken Fixierung, dann nur noch klassische Lektionen zu reiten. Geht man aber mal auf die historische Klassikreiterei zurück, so war sie immer nur die Grundlage für die Gebrauchsreiterei, früher im wesentlichen natürlich für die Kavallerie. Das höfische Reiten, bei dem man die Lektionen präsentiere, war eher nur ein Nebenprodukt.

Oder sehe ich das zu krass ;) ?
Viele Grüße
Hina

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Re: Akademische Reitkunst - Bent Branderup

Beitrag von Ayira »

Ich reite zuhause auch nach BB, aber nachdem ich jetzt auf einem Antje-Bandholzkur mit meinem Buben war, finde ich die Art und Weise, nach ihm zu reiten nicht ausreichend. BB hat echt tolles Wissen, was mich aber beim Reiten stört, ist, dass ich das Pferd eigentlich nur über die Zügel ausrichte, aber nicht über die Hinterhand.

Und wie es bei meinem Herrn ist, so habe ich Erfahren, dass er sehr schief ist, sein Gewicht gern auf die äußere Schulter verlagert und dabei mit der HH hereinkommt. Wenn ich nur am Zügel ausrichte, kann ich nicht die HH rausbringen. Das geht nur durch Schenkel bzw. Gerte mal an der Kruppe.
SH sehe ich jetzt in meinem Fall auch nicht mehr als so sinnvoll an, da ich dadruch ja wieder die Schulter belaste. So lang er noch nicht geradegerichtet ist, machen Seitengänge aller Art keinen wirklichen Sinn.
Für mich ist das logisch. Er muss zuerst lernen, sich korrekt auf einer Kreisbahn zu biegen, bevor ich in höhere Lektionen gehe.
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