Wenn Du ein Pferd wärst...

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Lisa-Marie

Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von Lisa-Marie »

...mit welcher Erklärung oder durch welches Gefühl würdest Du verstehen, warum ein Mensch auf Deinem Rücken sitzen soll/ kann/ muss?

Ihr Lieben, ich bräuchte mal bitte ein bißchen Input:
Durch intensive Beschäftigung mit dem Thema der Pferdefreundlichkeit, artgerechter Haltung und Umgang, was muss, was kann und was darf nicht, erlebe ich gerade mit meinem ersten eigenen Pferd eine wunderschöne erste Zeit.
ABER:
ich habe das Gefühl, er findet einen Menschen auf seinem Rücken tatsächlich eher unheimlich und fraglich
UND:
ich frage mich, was mir das "Recht" verleiht, auf einem Tier zu sitzen, das ganz grundsätzlich nicht zum Last tragen geschaffen ist

Da ich ein absoluter "Reiter in meiner Freizeit" bin, also keine Notwendigkeit habe, auf einem Pferd von A nach B zu kommen, überlege ich gerade selbst, mit welcher Erklärung ich sowohl mir als auch (innerlich) dem Pferd das Ganze nahe bringen kann.

Eine mögliche Ausführung wäre:
wir können, wenn ich AUF ihm bin, weitere Kreise im Gelände erkunden, da ich als langsames, unfähiges Menschlein sonst nicht so gut/ so lang/ so weit laufen kann.

Was wißt Ihr darüber?
Über viele Ideen oder eben auch Gefühle würde ich mich sehr freuen!
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kolyma
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von kolyma »

Offen gestanden - wenn ich an dem Punkt bin, das Reiten vor mir selbst zu rechtfertigen, würde ich vermutlich die Lust verlieren.

Mal anders herum gefragt - was genau ist so grausam daran ein Pferd zu reiten? Was löst diese unguten Gefühle in dir aus? Warum glaubst du, dass du für dein Pferd eine Belastung bist? Warum sollte das Pferd Angst davor haben, wenn du auf seinem Rücken sitzt?

Ich sehe es so - ich bin in der Pflicht mein Pferd zu bewegen, denn unsere Haltungsformen sind nicht gut für das Bewegungstier Pferd. Selbst eine riesige Koppel kann das nicht ausgleichen. Wir halten Lauftiere, die eigentlich 16 Stunden am Tag in Bewegung sein würden, wären sie nicht von Zäunen umgeben. Ich kann unmöglich so viel spazieren gehen oder longieren (was für das Pferd auch eher auf Dauer ungesund und stupide wäre) um das auch nur ansatzweise auszugleichen.
Ja, ich bin schon der Meinung, dass man Pferde reiten sollte - schon alleine um ihnen die nötige Bewegung zu verschaffen. Das bedeutet aber auch, dass ich es entsprechen reiten und gymnastizieren muss, damit sie mit mir auf dem Rücken keinen Schaden nehmen. Das heißt der Mensch befindet sich in der Zwickmühle, dass er das Pferd entsprechend bewegen sollte (meiner Ansicht nach sind die allermeisten Erkrankungen beim Pferd auf chronischen Bewegungsmangel zurück zu führen - auch wenn das die meisten nicht hören wollen und meinen sie könnten alles durch Futter und Tüddeln heilen...) und auf der anderen Seite das so tun muss, dass das Pferd das auch schadlos übersteht.

Ich persönlich versuche uns beiden möglichst viel Freude beim gemeinsamen Tun zu verschaffen. Da kommt mir gelegen, dass Pferde per se sehr gerne arbeiten und dem Menschen gefallen möchten. Pferde sind defitniv nicht für die Arbeitslogkeit gezüchtet worden. Pferde wollen Aufgaben, davon bin ich überzeugt. Natürlich ist Arbeit erst mal anstrengend, aber ich stelle auch fest, je mehr mein Pferd kann, desto mehr zeigt es gerne was es alles kann. Und wenn man diese Freude des Pferdes beim Reiten das erste Mal spürt, stellt man sich eigentlich gar nicht mehr so in Frage.
Natürlich muss ich mein Pferd so schonend wie möglich reiten - aber ich finde - ja - auch wenn der Trend in eine andere Richtung geht - wir sollten unsere Pferde reiten oder fahren - auf alle Fälle bewegen!..

Wir sollten sie gymnastizieren, sinnvoll beschäftigen und ihnen entsprechende Bewegung an der frischen Luft verschaffen - weil das die Pferde zufrieden und ausgeglichen macht (wenn man mal von ganz normalen, gesunden Pferden ausgeht und nicht von alten, kranken oder gehandicapten...)
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Schnucke
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von Schnucke »

Also Famosa hat mich "eingeladen" auf ihren Rücken zu klettern, damit wir zusammen durch die Landschaft flitzen können (ok ihre Gedanken waren poetischer) von rennen mit dem Wind war die Rede und zusammen Dinge erleben, die wir eben ohne draufsitzen nicht erleben könnten, weil sie einfach weiter weg sind und es ist auch was anderes ob ich mit meinem Pferd in engem Körperkontakt etwas erlebe oder eben nebenher geh.
Und sie mag mit mir tanzen und hüpfen ect.
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kolyma
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von kolyma »

Kenne ich irgendwo her - meiner steht selbst im Wald an jedem Baumstumpf still, damit ich hoch kann... Denn wenn ich neben ihm her gehe, bin ich ja doch eher ein Klotz am Bein... So richtig schnell laufen kann ich nicht und mir geht zu schnell die Puste aus... Wenn ich "oben" bin, dann macht das gleich deutlich mehr Laune...
Und wenn man dann mal so richtig Fahrtwind hatte, kann man auch ganz entspannt mit hängender Unterlippe durch den Wald tappen... Also Leidend kommt er mir dabei wirklich nicht vor... *ggg*

Und im Viereck meint er oft, er wüsste alles besser als ich - "du willst doch jetzt bestimmt....."
Ist voll dabei und denkt mit... Würde er es hassen, würde er sich anders verhalten.
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Lisa-Marie

Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von Lisa-Marie »

Danke für Eure Antworten schonmal.
kolyma hat geschrieben: Mal anders herum gefragt - was genau ist so grausam daran ein Pferd zu reiten? Was löst diese unguten Gefühle in dir aus? Warum glaubst du, dass du für dein Pferd eine Belastung bist? Warum sollte das Pferd Angst davor haben, wenn du auf seinem Rücken sitzt?
Meine Frage bezieht sich auf die Pferde-Sicht. Wie kann ich (m)einem Pferd erklären, dass es "Reiten" schön findet oder sogar sucht? Welche Ideen kann ich ihm vermitteln, welche Gefühle dazu?
Schnucke hat geschrieben:Also Famosa hat mich "eingeladen" auf ihren Rücken zu klettern
Das ist ja echt superschön!
Schnucke hat geschrieben:Und sie mag mit mir tanzen und hüpfen
...*malsturesPferdspiele*: geht das nicht auch zusammen am Boden??????

Bitte laßt Euch durch meine Nachfragen nicht abhalten, weiter zu posten, ich will das soo gerne für mich, für uns rausfinden und verstehen - und freue mich, wenn ich von Euch ein paar Gedanken dazubekomme!
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von kolyma »

@Lisa-Marie - das kann ich dir nicht sagen. Ich bin nicht so auf der Pferdeflüsterer-Schiene unterwegs. Ich bin da eher pragmatisch. Mein Pferd ist auch grundsätzlich eher der "NEIN!!!-Sager" und anfangs bekam ich des öfteren seinen mentalen Stinkefinger gezeigt. Erst nach und nach lies er sich überzeugen. Gut, Geländereiten war nie das Problem - er ist gerne draußen. Aber Arbeit? Nä!
Ich hab ihm immer wieder gesagt: "Wirst sehen, das bringt dich nicht um..."
Und - wenn man das mal auch in dieser Sprache ausdrücken will - er antwortete nach anfänglichen "Nein!" mit - "och - doch nicht so übel... "

Je mehr Kraft er bekam, desto mehr Spass hatte er daran. Je leichtfüßiger und gelenkiger er wurde, desto leichter fiel ihm alles. Es ist wie mit Kindern die lesen lernen. Erst ist jeder Buchstabe schwer und lesen sehr hakelig und stockend und macht keinen Spass. Später erwischt man sie mit den Büchern unter der Bettdecke...

Ich kann einem Kind was lesen lernt nichts von großer Literatur erzählen, die es später lesen können wird.... Damit kann ich es nicht motivieren. Weil es das nicht versteht. Das Kind muss Schritt für Schritt fühlen, wie sich aus Buchstaben Wörter und Sätze bilden und dann eröffnet sich ihm langsam aber sicher eine ganze Welt.

Dem Pferd gehts genau so. Ich kann ihm nichts von der großen Freiheit erzählen, wenn die Kraft nicht mal für eine Stunde Schritt durch den Wald reicht. Ich muss schrittweise vorgehen und jeden Schritt belohnen. Ich muss ihm zeigen, dass sich die Mühe lohnt. Ich muss es dort abholen wo es steht und kann ihm dann die Welt zeigen. Die Freude stellt sich dann von ganz alleine ein. Je mehr es kann und je mehr es lernt sich selbst zu spüren.

Reiten ist ja auch Körpererfahrung für das Pferd. Sich bewußt werden - eigene Bewegung steuern koordinieren. Mir kann niemand sagen, dass ein Sportler sich nicht in seinem Körper wohl fühlt! Ein Couchpotatoe hingegen schon.
Wenn der mit Sport anfängt erzähl ich ihm auch nichts vom Spagat. Der ist froh, wenn er drei Kniebeugen hinbekommt... ^^
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von Lisa-Marie »

kolyma hat geschrieben:Reiten ist ja auch Körpererfahrung für das Pferd. Sich bewußt werden - eigene Bewegung steuern koordinieren
Das alles ist doch auch am Boden erfahrbar, kurzzügeln, langzügeln, Arbeit an der Hand zur Hohen Schule, Longieren, Freispringen (wer's mag), Spazieren/ Klettern..........?
Warum OBEN DRAUF?
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von jaz »

Es gibt keinen Grund dass ein Pferd einen Menschen tragen MUSS.

Es KANN aber viel Spaß machen.
Lisa-Marie

Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von Lisa-Marie »

Danke, jaz, welchen Spaß hat das Pferd mit Mensch OBEN DRAUF, den es nicht mit Mensch am Boden haben kann? Hast Du da eine Idee oder ein konkretes Beispiel?
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kolyma
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Re: Wenn Du ein Pferd wärst...

Beitrag von kolyma »

Kannst du denn an der Hand zur hohen Schule - mal provokativ gefragt...?

Wenn du dein Pferd so weit ausgebildet bekommst - Hut ab - kenne nicht einmal eine Hand voll Leute die das können OHNE sich jemals in den Sattel zu schwingen und dem Pferd mit Gewicht, Schenkeln und Hand Versammlung bei zu bringen. Die meisten, die so gut langzügeln können reiten.
Schon nett, sich so hehre Vorbilder zu nehmen - aber man muss auch mal die eigenen Potentiale selbstkritisch einschätzen können. Und ob man ein Pferd nur damit körperlich auslasten kann wage ich auch anzuzweifeln. Außer man hat Zeit zweimal täglich zu trainieren - aber wer hat das schon?!

Und auch provokant gefragt - würdest du als Pferd täglich longiert werden wollen? Meiner würde defitniv streiken, wenn ich auch nur zwei Tage hintereinander longieren würde.

Das sind alles schöne Dinge, die man mit seinem Pferd machen kann, ich glaube aber nicht, dass sie ausreichen um ein Pferd wirklich ausreichend zu bewegen. Ich gehe nicht unter zwei Stunden ins Gelände - langzügeln kann ich maximal eine halbe Stunde bevor mein Pferd keine Konzentration mehr hat. Auch longiere ich nie mehr als eine halbe Stunde - Dressur kann ich aber ohne mein Pferd überzustrapazieren ne gute Stunde reiten. Mir sind da einfach deutlich mehr Variationsmöglichkeiten gegeben.

Und wie gesagt - das mit dem Langzügeln klingt alles nett - die meisten Leute die ich kenne, quittieren spätestens bei den Seitengängen... Weil die wenigsten Leute können am Boden Seitengänge korrekt erarbeiten. Das was man oft sieht ist einfach hingemogelt. Das Pferd lässt sich am Boden nicht so gut einrahmen wie wenn ich noch Schenkel dazu haben. Das liegt in der Natur der Sache.
Langzügel ist ne schöne Abwechslung - aber wie gesagt, wenn man es korrekt machen möchte (und wenns nicht korrekt ist, kann ichs auch bleiben lassen - das ist halt einfach meine Meinung - sonst hats einfach keinen Wert) - dann muss ich Profi sein - und davon gibts Wenige.... Und selbst die Reiten zur Korrektur.
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