Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

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Scheckenfan
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Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Da wir gerade in einem Tagebuch eine sehr spannende Diskussion zum Thema Dehnungshaltung führen, und ich mich über mehr verschiedene Meinungen freuen würde, mache ich dazu mal ein Thema auf, weil ich erstaunt festgestellt habe, dass wir noch gar keins haben :staun:

Zum Thema Dehnungshaltung gibt's ja verschiedene Theorien, hier ein paar davon:

FN: http://www.pferd-aktuell.de/7732_1

WzP: https://www.wege-zum-pferd.de/2008/10/2 ... gshaltung/

Lahmheiten durch falsches Reiten: http://www.tierheilpraxis-ehrlich.de/do ... -das-r.pdf

Bückeburger Hofreitschule: http://www.dressur-studien.de/quellenregister/

Gerade der Artikel der Hofreitschule ist ja durchaus kontrovers zu sehen und ich würde mich über einen regen Austausch freuen.
Wann ist Dehnungshaltung richtig & gesundheitsförderlich, und warum? Wann bringt sie das Pferd nur unnötig auf die Vorhand? Kann man Versammlung auch ohne Dehnung erreichen? Wie lange sollte man die Dehnungshaltung beibehalten?
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Laut Putz sollte ein Pferd mindestens 8x pro Einheit ins V/A gehen. Natürlich kriege ich das auch nicht hin, aber darüber kann man mal philosophieren.

Für einen tragfähigen Rücken ist grundsätzliches V/A - das heißt auch immer abrufbare Dehnungshaltung - meiner Ansicht nach unabdingbar. Auch um Losgelassenheit und Takt (für mich die zwei wichtigsten Dinge der Ausbildungsskala - nicht nur die ersten zwei Punkte) zu erarbeiten ist die Dehnungshaltung unverzichtbar. Meiner Ansicht nach auch in jeder Gangart.

Wie man dort hin kommt - darüber gibts sicher verschiedene Ansichten, weil auch jedes Pferd hier anders tickt. Mein Pferd war anfangs extrem vorhandlastig. Dennoch habe ich das in Kauf genommen um überhaupt Entspannung und Tendenzen zu generieren. Die richtige Dehnungshaltung habe ich uns dann über mehr vorwärts erarbeitet. Durch das vorwärtsreiten wurde die Hinterhand aktiv, schwang mehr vor, nahm automatisch mehr Last auf, entlastete Schulter und Vorhand. Das Pferd kann raumgreifender Laufen und spart somit auch enorm an Energie. Die Bewegungen werden immer leichter, die Hilfen kommen besser durch und Biegung und Stellung werden erleichtert.


Daher bin ich auch noch der Meinung, dass V/A vor Biegung und Stellung zu sehen sind. Biegung und Stellung kann ich erst erarbeiten, wenn das vorwärts stimmt und die Bereitschaft den Hals fallen zu lassen.
Das ist auch das wo ich völlig anderer Ansicht bin wie die Bückeburger die grundsätzlich sofort an Biegung und Stellung (Seitengängen) arbeiten. Ich denke, erst wenn ich die richtige Muskulatur ansprechen kann, kann ich auch reelle Biegung und Stellung fordern.

Ein junges Pferd würde ich daher mehr im frischen Vorwärts arbeiten und es nicht sofort seitlich formen. Hier kann das Pferd am ehesten Balance unter dem Reiter finden.
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Scheckenfan
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Oh, spannend. Ich habe jetzt schon mehrfach (u.a. Rosina, Hugo, Indra) korrektes V/A durch Stellung & Biegung erarbeitet, weil die Pferde das von sich aus vorher nicht anboten. Wie erarbeitest du V/A ohne Stellung?
Allerdings gehen wir so weit konform, dass ich Stellung/Biegung mit dem Hauptziel des v/a erarbeite.

Es waren allerdings auch alle 3 keine jungen, unbelasteten Pferde.

By the way: Gibt es einen Unterschied zwischen V/A und Dehnungshaltung? Oder sind es zwei Begriffe für ein und dieselbe Sache?
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Habe übrigens hier zwei Bilder von meinem Pferd. Auf dem ersten sieht man eine schlechte (nicht vorhandene) Dehnungshaltung ohne Körperspannung auf der Vorhand gelaufen.
Ich habe ihn so laufen lassen, da es mir während dieser Ausbildungsphase wichtiger war, dass er nicht den Kopf hochreißt, als ihn hier vermehrt ins Vorwärts zu schicken. Das Bild entstand nach ca. 6 wöchiger Ausbildung (Pferd war fast roh)

Bild

Dieses Bild entstand letztes Jahr im Sommer nach sehr langer Longierpause. Aber man erkennt deutlich, dass das Pferd viel mehr Körperspannung hat. Leider könnte er auf dem Foto noch ein kleines bisschen tiefer - hatte aber kein Besseres. Man beachte bitte die aktive Hinterhand in Kombination mit dem gut arbeitenden Oberhalsmuskel und dem entspannten Unterhalsmuskel - auch die Rückenlinie ist sichtbar aufgwölbt. Das Pferd ist nun seit 1,5 Jahren in Arbeit.
Ach ja - ich longiere mit Dreieckszügeln. Gerne diskutiere ich darüber auch :-P

Bild
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Scheckenfan
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Oh, danke für die Bilder! :dankeschoen:

Stell dir mal beim ersten Bild vor, was passiert, wenn er sich in dieser Haltung nur ein kleines bisschen stellen würde. In meinem Kopf sehe ich da sofort, wie der Kopf ein klein wenig höher kommt und der Hals eine bessere Spannung annimmt.

Zum zweiten Bild: Ich würde mir die Nase ein kleines bisschen weiter vor wünschen, damit es ein VORWÄRTS-abwärts ist. So ist es mehr ein Senkrecht-abwärts, wenn du mich verstehst :kicher:
Ich will damit jetzt überhaupt nicht sagen, dass er schlecht läuft :-ü und ich werd hier auch nicht die Ausbinder-Diskussion anfangen. (By the way: Ich würde den Ausbinder seitlich 1-2 Ringe höher verschnallen, damit es dem Pferd leichter fällt, nicht zu tief zu kommen) aber zu einem Kappzaum würde ich dennoch auf jeden Fall raten ;-)
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Ja, meine RL hat auch erst versucht die Dehnungshaltung über Biegung und Stellung zu erarbeiten. Mein Pferd hat dabei aber an Takt verloren. Wir mussten ihn erst mal vorwärts reiten und ich hab dann (böse-böse) mit Abwärtsparaden (kennt man ggf. vom Barockreiten) gearbeitet. Seit er aber ne korrekte Arbeitshaltung hat, dehnt er sich freiwillig. Das heißt es hängt auch mit dem Thema Körperspannung zusammen. Spanne ich einen Muskel an, habe ich auch den Wunsch diesen zu entspannen/zu dehen. Das funktioniert bei meinem Pferd sehr gut. Das heißt wenn ich ihn vorwärts schicke gewinnt er an Körperspannung und möchte sich dann auch gerne dehnen.

V/A und Dehnungshaltung ist für mich nicht unbedingt das Gleiche. Das Pferd sollte sich im V/A dehnen und nicht - wie bei meinem ersten Bild zu sehen - einfach alles hängen lassen.
Auf meinem ersten Bild sieht man deutlich, dass V/A nicht immer mit aufgewölbten Rücken passieren muss. Mein Pferd läuft mit Nase im Sand trotz Hängerücken. Und das ist wohl das größte Missverständnis. Dehnungshaltung ist nur korrekt wenn dabei der Rücken hoch kommt. Ansonsten schadet sie mehr als sie hilft.
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Scheckenfan hat geschrieben:Oh, danke für die Bilder! :dankeschoen:

Stell dir mal beim ersten Bild vor, was passiert, wenn er sich in dieser Haltung nur ein kleines bisschen stellen würde. In meinem Kopf sehe ich da sofort, wie der Kopf ein klein wenig höher kommt und der Hals eine bessere Spannung annimmt.

Da geb ich dir recht. Das wäre zu dem Zeitpunkt einfach gar nicht möglich gewesen. Er war noch viel zu sehr damit beschäftigt Balance zu finden. Hier noch Stellung zu fordern wäre zu viel auf einmal gewesen.

Zum zweiten Bild: Ich würde mir die Nase ein kleines bisschen weiter vor wünschen, damit es ein VORWÄRTS-abwärts ist. So ist es mehr ein Senkrecht-abwärts, wenn du mich verstehst :kicher:

Das Bild ist momentan das Optimalste was ich finden konnte. Habe es auch mit meiner Barock-RL diskutiert, die das so sieht wie du ^^
Auch hier ist es ein Bilder des damaligen IST-Zustandes. Mittlerweile läuft er noch schöner. Muss mal kucken, dass wer Fotos macht. Dann stelle ich es hier auch ein. Auf dem zweiten Bild hat es an Vorwärts gefehlt - und zwar vorwärts durch die Hinterhand - dann wäre er mit der Nase auch noch deutlich vor die Senkrechte gekommen. Er kann nämlich auch noch deutlicher Übertreten. Dehnung findet ja immer vorne UND hinten statt.

Ich will damit jetzt überhaupt nicht sagen, dass er schlecht läuft :-ü und ich werd hier auch nicht die Ausbinder-Diskussion anfangen. (By the way: Ich würde den Ausbinder seitlich 1-2 Ringe höher verschnallen, damit es dem Pferd leichter fällt, nicht zu tief zu kommen) aber zu einem Kappzaum würde ich dennoch auf jeden Fall raten ;-)
Ja - das mit dem Kappzaum ist bei dem ungünstigen Kopf sehr schwierig. Ich hab schon zig Modelle durch. Ideal finde ich das nicht und möchte auch niemanden ermuntern es so zu machen. Es ist unsere derzeitige Lösung - soll aber nicht so bleiben.
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Also ist v/a quasi der Oberbegriff für alles, wo die Nase gen Boden geht, und Dehnungshaltung dann die korrekte Variante, ja?
Frei nach dem Motto: Jede Dehnungshaltung ist v/a aber nicht jedes v/a ist eine Dehnungshaltung.
:kicher:

Und v/a hast du erarbeitet, indem du am relativ langen Zügel Paraden gegeben hast, bis das Pferd auf die Idee kam, den Kopf zu senken, woraufhin keine Paraden mehr kamen und er entsprechend mehr Zügel bekam = negative Verstärkung.

Übrigens habe ich festgestellt, dass man bei sensiblen Pferden (kurzfristiges) Kopfsenken über die Bauchmuskelspannung hervorrufen kann. Quasi durch ein kurzes, bewusstes Nachlassen der Spannung in den Bauchmuskeln, wie übertriebenes Ausatmen, nur ohne andere Muskeln dabei zu nutzen. Klappt auf allen Pferden, auf denen ich es bisher testen konnte.
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Wie gesagt - ich will gar nicht an dir & deinem Pferd kritteln, sondern nur auf Grundlage des Bildes fachsimpeln ;-) und da ist halt fehlergucken angesagt, denn es geht ja um das Ideal :frech:

Sag mal, welche Gangart ist das auf dem Foto? Ich dachte erst Trab, weil's so dynamisch aussah, aber da passt die Fußfolge ja nicht (bzw. dann hätte er arge Taktfehler!) also Schritt?
Wenn dem so ist, ist das wirklich eine beachtliche Körperspannung!
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Nein, wir erarbeiten das, in dem das Zügelmaß der Kopfhaltung angepasst wird. Ich gebe sanfte Abwärtsparaden und mein Pferd darf dann die Zügel aus der Hand kauen. Wenn er wieder hoch kommt korrigiere ich das Zügelmaß und wir fangen von vorne an. Jetzt gehen wir V/A nur noch auf dem Zirkel (wir sind ja mittlerweile sehr viel weiter als noch vor einem Jahr) und mein Pferd dehnt sich sofort, wenn ich die Zügel nachgebe - ohne Anlehnung zu verlieren - wenn der Kopf hoch kommt (genauer gesagt der Rücken weg...) reicht ein leichtes annehmen des inneren Zügels um ihn wieder in die Dehnung zu schicken.

Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen ist sozusagen die wichtigste Lektion in dem Zusammenhang. Das heißt aber auch immer das Zügelmaß ständig zu korrigieren. Meine RL ist auch der Meinung wie du, dass korrektes V/A nur in Biegung und Stellung geritten werden sollte. So weit waren wir früher nicht, aber mittlerweile schon. Also V/A nur auf geraden Linien ist nicht falsch, aber nicht so effektiv.

Geholfen hat uns auch Stangenarbeit auf dem Weg dahin.
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