Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

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ehem User

Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von ehem User »

Vielen Dank Muriel für die Erklärungen und Bilder!

Ich hab auch noch zwei Pferde:

knapp zwei Jahre dazwischen, wobei ich davon 10 Monate im Ausland war:
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und

9 Monate dazwischen:
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Mit beiden arbeite / habe ich gearbeitet nicht nur in der Dehnung, aber bei beiden ist/war das erste Ziel das Loslassen, was dann die Dehnung bewirkt hat.
Bei Plüschi wie gesagt über stellende und biegende Arbeit, mit Fayola eher über das Anheben des Brustkorbs und die Aktivität der Hinterhand (wobei hier nicht das Vorwärts der Weg ist, sondern die Arbeit an der Qualität des Vorwärts - was ein ruhigeres Grundtempo entstehen lässt).
bubi9191
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von bubi9191 »

Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, nicht mehr zu versuchen die Stirn-Nasen-Linie meiner jungen Stute immer vor die Senkrechte zu holen.

Sie hat ein leichtes Genick und ist so gebaut, ihr fällt das einfach leichter und sie fühlt sich wohler, wenn sie leicht hinter der Senkrechten laufen "darf".

Klar ist Ziel, dass sie an die Senrkechte oder davor kommt, aber auf Biegen und Brechen mache ich das nicht. Sie lässt sich jetzt langsam aus dem Widerrist fallen, ist locker und rittig, steht gut an den Hilfen.
Sobald ich sie immer hochhole macht sie Taktfehler, drückt deutlich den Rücken weg.

Mehrfach durchgecheckt ist sie.

Ich denke jedes Pferd hat eine individuelle Dehnungshaltung. Je nach Exterieur ist nicht die eine automatisch "ungesünder" als die andere, denke ich
Pferde sollten so geritten werden, wie ein Surfer eine Welle reitet.
Der Surfer zwingt die Welle nicht, er will sie nicht verändern.
Er lernt einfach, wie er sie reiten kann.

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Scheckenfan
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Scheckenfan »

Bubi, such mal auf Youtube nach der Ausbildungsserie "Just Paul" (ab Folge 11 oder so :-e wobei die gesamte Serie interessant ist) - das Pferd tendiert auch "von allein" hinter die Senkrechte und Klimke bekommt das sehr gut korrigiert, ohne das Pferd aktiv "hochzuholen". Vielleicht hilft dir das :nix:
In Kurzform war das Problem wohl, dass das Pferd keinen guten Gegendruck am Gebiss bot, sondern jeder Verbindung hinter die Senkrechte auswich. Also wurde über Tempo zulegen im Wechsel mit Zügel aus der Hand kauen lassen erarbeitet, dass das Pferd die Anlehnung besser annimmt, und dann dehnte es sich auch besser nach vorn.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Hatte letzte Woche eine Unterhaltung mit meiner RL, die auch über das Thema "einrollen" gesprochen hat. Ihr Pferd neigt auch dazu sich selbst einzurollen und bei korrekter Haltung den Rücken nur immer sehr kurz aufwölben zu können. Mit der Nase leicht hinter der Senkrechten ist er wohl eher in der Lage den Rücken aufzuwölben. Fand das sehr interessant.
Sie meinte auch, dass man das vom Pferd abhängig machen muss. Sie reitet einen engl. Vollblüter.
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Schattenstern
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Schattenstern »

Lustig wie einen die eigenen Themen im Forum immer wieder einholen.
Ich habe mich ehrlich gesagt mit dem Dehnungs-Thema nie wirklich tief beschäftig. Früher weil ich noch nicht so weit war, ein Pferd so weit aktiv "auszubilden" und meine RL dann Dehnung für unnötig hielt (Da gings in der Stunde eig nur drum, das Pferd mit der Nase woanders hin als in die Luft zu bekommen) und dann bei Bilbo, weil ich da irgendwie am Anfang auf dem akademischen Dampfer war. Also viel Schritt, langer Zügel und vor Allem Seitengänge.
Seit ich ihn wieder "klassisch Ennglisch", also Richtung FN reite, weil das mir einfach mehr liegt und er irgendwann so beweglich war, dass er nurnoch in alle Richtungen ausgewichen ist, beschäftige ich mich sehr mit dem Thema. Das sind jetzt so zwei Monate :lol:
Natürlich war Dehnung bei der Ausbildung von so einem jungen Pferd immer mit dabei, aber eben eher in der Pause am langen Zügel oder zum warmreiten im Schritt.
Seit wein paar Wochen versuche ich aber die aktive Dehnung im Trab in die Hand hinein mal zum Thema für uns zu machen. Über Tempo und geradeaus ist das gefühlt schwer zu erreichen, da nimmt er eine für ihn entspannte Arbeitshaltung ein und hält den (extrem kurzen) Rücken fest. Also erarbeite ich zuerst einen schwingenden Rücken in Anlehnung, durch Biegung auf Volten oder in den Seitengängen und versuche den auf größeren Linien beizubehalten, während ich das Tempo auf "Arbeitstempo" erhöhe. Das hilft uns gut und nach nur zwei Wochen Arbeit kann er diese Haltung dann auch mal eine ganze lange Seite halten. Dabei schwingt der Rücken, ich komme zum sitzen und er dehnt sich mit der Nase nach vorne in die Hand hinein. Das finde ich vor Allem deshalb bemerkenswert, weil er sonst zum verkriechen neigt.

An der Longe ist die Haltung gefühlt schon sehr gut, wobei er sich da nicht wirklich abwärts dehnt sondern eher in eine Art der Arbeitshaltung kommt. Das Tempo ist da dann sehr langsam, sobald er aber schneller wird klappt er auf die Vorhand. Ich schau mal ob ich Bilder hab, die was taugen.
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

@ Schattenstern - die Problematik kenne ich nur zu gut. Nero kommt mit der Nase auch nicht so weit hinunter - kommt er weiter runter als mit der Nase auf Brusthöhe kippt er auf die Vorhand.
Habe hierzu auch meine RL befragt die meinte - ein Stückchen sollte er noch tiefer kommen - aber bei dem Gebäude ist nicht mehr drin. Zumal er auch überbaut ist. Von daher muss man das Pferd schon immer als Gesamtes anschauen. Es ist nicht ausschlaggebend, wo die Nase ist, sondern der Spannungsbogen.
Ich denke Bilbo hat ähnliche Vorraussetzungen wie Nero - nur, dass der kleine Mann deutlich leichter und wendiger ist als mein Dickerchen.

Dahingehend ist bei uns am Stall noch ein springgezogenes Warmblut - der kann tatsächlich mit der Nase im Sand laufen ohne auf die Vorhand zu kommen. Da ist das Verhältniss Hals/Rücken/Hinterhand ganz anders. Er bietet sich auch immer freiwillig an - was unsere Pferde mit ihrem ungünstigen Halsaufsatz und der schweren Vorhand wegen den dadurch entstehenden Schwierigkeiten die Balance zu halten nur ungerne tun.
Ich hab da alleine beim zuschauen unglaublich viel lernen können. V/A ist vor allem auch eine Balancegeschichte. Die braucht auch entsprechende Zeit und ein erkennen bis wohin das Abwärts fürs Pferd überhaupt machbar ist.
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jella
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von jella »

Ich stelle jetzt mal ein Foto ein, das von März 2013 ist. Ich hatte sie zu diesem Zeitpunkt ca. 3 Wochen. (sorry, Kappzaum hatte ich da noch nicht)
Heute abend stelle ich dann eins ein, wie sie heute läuft ... Es hat sehr lange gedauert, ehe ich die Nase vor bekam! Auch mit Kappzaum sah es anfangs so aus!

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jella
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von jella »

Ich finde leider kein neueres Video ... werde eins am WE machen.
Aber was ich damit nur zeigen wollte, sie lief anfangs immer in den Boden, für mich war einfach wichtig, sie ein bißchen höher zu holen, da sie in dieser tiefen Haltung stets gestolpert ist. Heute höre ich mit dem Trab früher auf, wenn ich merke, dass sie wieder zu tief kommt, weil sie die Dehnung nicht mehr halten kann. Zu der Zeit als das Video entstand hatte ich sie 7 Monate. Und der Galopp ------> na ja ... verlieren wir keine Worte darüber :oops:
https://www.youtube.com/watch?v=VVIgxQ47gcY
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Muriel
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Muriel »

Wenn ein Pferd freiwillig und vermehrt hinter der Senkrechte geht um den Rücken mehr in Arbeit zu bringen, dann liegt es meistens daran, dass sie versuchen über die Nackenbandspannung zu arbeiten, weil es ihnen im Brustbereich an Kraft fehlt.
Das ist für mich kein Grund das Pferd in dieser Haltung gehen zu lassen, im Gegenteil, genau dann muss man alle mögliche machen, um das Pferd in die Dehnung zu bringen, weil sonst der Rücken einfach nicht in Arbeit kommt.
Ich hab genau so ein Pferd in der Kundschaft, und ja, es ist langwierig, aber es lohnt sich.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
ehem User

Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von ehem User »

Jetzt ist mir Muriel - mit einer besseren Erklärung - zuvor gekommen:
Ich bin auch der Meinung, dass die aktive Dehnung nach vorn entscheidend ist (der beschriebene Zug ans Gebiss / in die Hand) und das Zielbild, innerhalb des Exterieurrahmens, bei jedem Pferd prinzipiell gleich ist.
Allerdings muss der Weg dazu zu Interieur und Exterieur des Pferdes passen, was bedeutet, dass nicht jedes Detail bei jedem Pferd funktioniert und manche einfach sehr viel länger brauchen.

Danke für die Erklärung dazu, Heike, ich hätte jetzt nicht genau sagen können, woran es liegt.
Aber ich habe bisher noch kein einziges Pferd gesehen, was den Kopf hinter der Senkrechte hatte (besonders, wenn wir nicht von Aufrichtung, sondern eigentlich von v/a oder Dehnung reden) und wirklich über den Rücken ging.

Was man niemals vergessen darf:
Die Kopf-Hals-Haltung ist immer 'nur' der Anzeiger dessen, was sonst im Pferd passiert.
Das kann die Psyche sein (Stress, Anspannung, Furcht) oder aber mangelnde Qualität oder Aktivität in anderen Bereichen (angehobener Brustkorb, aufgerichtete Schulter, federnde, raumgreifende Hinterhand).
Alles greift ineinander und sobald irgendwo ein Faktor hakt, wird sich das zeigen - meist an ganz anderer Stelle.
Deswegen ist die Dehnung auch eine gute Überprüfung, ob ich mit dem Training auf dem richtigen Weg bin. Habe ich die richtigen Körperteile angesprochen, wird das Pferd, sobald ich es lasse, die Dehnung anbieten.

Meine Vorstellung der Haltung oder Spannung des Pferdes ist die von Pilates beim Menschen.
Also eine Spannung vor allem in der Mittelpositur, die für gute Stabilität und damit auch Beweglichkeit oder Bewegungsunabhängigkeit der 'Extremitäten' sorgt.
Das ist anstrengend - vergleichbar auch mit Rückbildungsgymnastik oder Pilates als untrainierter Mensch (hab ich beides hinter mir :lol: ) - und am Anfang nur in kurzen Sequenzen möglich - die sich aber mit wachsender Kraft verlängern und die Bewegungsqualität und auch das Körpergefühl des Pferdes deutlich verbessern.
Gerade das verbesserte Körpergefühl hat einen unheimlich positiven Effekt auf die Psyche des Pferdes.


Kolyma, übrigens ist der Hafi, den ich gepostet habe, überbaut und hat einen Senkrücken.
Der ist immer mit hohem Kopf getrabt, die konventionellen Ansätze (Vorwärts, Stangenarbeit) haben überhaupt nichts gebracht. Mit Ausbindern hatte er den Kopf zwar unten, aber der Rest stimmte trotzdem nicht - vor allem war der Kopf ohne immer schnell wieder oben.
Das erste Bild ist für den Zeitpunkt ein sehr (!) gutes Laufbild gewesen. Man sieht hier - dank des Senkrückens ;) - sehr deutlich, dass das erste, was er gelernt hat, war, den Brustkorb anzuheben. Dann kamen bald Dehnung und aktive Hinterhand dazu.
Mir war das damals nicht so bewusst, aber im Nachhinein ist das auf den Bildern sehr deutlich erkennbar.

Jella, da hat sich doch deutlich was getan. :-)
Ich habe das Video jetzt nur überflogen, in Anbetracht der Tageszeit, aber man siehts sehr deutlich.
...da fällt mir ein/auf:
Das alte Laufmuster deiner Stute, also nicht nur das Einrollen, sondern vor allem auch die Nase im Sand, ist natürlich auch der Versuch, das Nackenband zu nutzen, weil sie den Brustkorb noch nicht halten kann.



Toller Thread, wirklich - vor allem von den physiotherapeutischen Erklärungen kann ich viel lernen.
:-d
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