Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Moderator: Sheitana

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umamulher
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Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von umamulher »

Hallo Allerseits,

ich wollte mal nach Euren Erfahrungen fragen. Mitte Februar ist meine Pferdedame in einen neuen Stall und damit auch in ein für sie neues Leben umgezogen, nämlich Offenstall. Bis dahin kannte sie nur Paddockbox und im Sommer tagsüber Koppel. Sie ist eher unterwürfig und ich war deswegen besorgt, ob sie sich integrieren kann. Aber sie hat es geschafft, erst recht als 6 Wochen später eine ihr bekannte Stute aus dem alten Stall nachgekommen ist und sie sofort unter ihre Fittiche genommen hat. Sparky hat ihren Platz an den Heuraufen und sie liegt auch zum Schlafen, von daher also kein Stress. Aber sie hat auch sehr viel abgenommen, was zum einen an dem nicht optimalen Futtermanagement im Stall liegt (wir arbeiten daran, suchen immer wieder das Gespräch mit der Stallbesitzerin und es hat sich schon etwas gebessert) und wohl auch an der vielen Bewegung, die sich nun verschaffen kann. Ich füttere ihr 4-5 mal die Woche zusätzlich Gerste/Hafer, Mineralfutter, Karotten und Reiskeimöl, was ihr offensichtlich gut bekommt. Man sieht leicht ihre Rippen, aber sie ist jetzt nicht klapprig. Geistig ist sie wach und munter.

Die ersten Wochen sind wir noch fröhlich in der Halle galoppiert und ich war verwundert, als die anderen Pferdebesitzer das Durchhaltevermögen bestaunt haben, ich fand das ganz normal. Zwischenzeitlich komme ich ins Grübeln. Meine Kleine ist jetzt nach 3 Monaten so was von unmotiviert und faul bei der Arbeit, wie ich es von ihr überhaupt nicht kenne. Ich muß sie wie verrückt antreiben um nur ein wenig Schwung ins Ross zu bringen und habe schon Angst, sie dabei stumpf zu "klopfen". Auf der Koppel allerdings macht es ihr überhaupt keine Mühe ab und an mal zu zeigen was so eine echte Quarterhinterhand für einen Antrieb hat und galoppiert fröhlich mit den anderen herum. Das Positive ist natürlich, dass sie eine richtig coole Socke geworden ist und so ausgeglichen wie noch nie.

Ist die Lustlosigkeit beim Reiten der Preis, den ich für die artgerechte Haltung bezahlen muß ? Habt Ihr ähnliche Erfahrungen gemacht ?
LG Christa

Urteile nie über einen Fremden bevor Du nicht 1000 Schritte in seinen Mokassin getan hast
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Schnucke
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Schnucke »

Eine Freundin von mir hatte selbiges Problem. Ihr Wallach (ranghöchster) war vom Offenstall so platt, daß an ernsthaft weiterkommen beim reiten nicht mehr zu denken war. Die beiden haben sich auf M- Niveau befunden auf dem Weg zu S, dafür fehlte aber eindeutig die Kraft, die hat der Kerl nämlich in seiner Freizeit verpulvert. Selbst mit zufüttern (Futterautomaten) von 6kg Hafer war dem Energedefizit nicht beizukommen. Sie hat dann in den sauren Apfel gebissen und ihn in eine Paddockbox gestellt mit täglich Koppelgang in der Herde. Das bekam ihm ganz glänzend, er war dann auch ausgeglichener anderen Pferden gegenüber, hat besser abschalten können, hat auch wieder zugenommen, für den war Offenstall einfach nur Streß.
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ehem User

Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von ehem User »

Ich denke, dass es ganz normal ist, dass sich Pferde verändern, wenn man ihre Lebensgewohnheiten verändert.
So ein Herdenleben im Offenstall ist definitiv anstrengender als ein Leben in einer Box.

Meine Stute (ex-aktiver Traber) ist vor etwas über einem Jahr in einen Offenstall umgezogen (vorher Box mit 12h Weide im Trainingsstall). Sie hat zwar nicht abgenommen (eher im Gegenteil, das fehlende regelmäßige Training und Heu ad libitum haben sie etwas - nun ja - fülliger werden lassen), aber sie hat sich komplett verändert. So richtig "angekommen" ist sie auch erst nach ca. einem Jahr, nach 1 Monat hat sie sich das erste Mal überhaupt zum Schlafen hingelegt.
Sie war ricntig platt nach ein paar Monaten, schlapp und unmotiviert, so wie Du es auch beschreibst. Auf der Koppel dagegen: Volle Kanne voraus!
Inzwischen ist sie wieder motiviert, jagt mit mir im Sattel im Renntrab durchs Gelände und hat sich zu einem hochzufriedenen Stütchen gemausert. Das eine oder andere beschäftigt sie noch, dann hat sie mal Tage, da ist sie nicht so gut drauf, weil sie gestresst ist, aber das nehme ich gern in Kauf für ein glückliches Pferd.

Wenn das Futtermanagement nicht stimmt, dann würde ich zu allererst dafür sorgen, dass das in Ordnung kommt. Da bist Du ja schon dran.

Hast Du die Entscheidung für den Offenstall denn aus Überzeugung getroffen? Eben weil Du eine artgerechtere Haltung für Dein Pferd haben möchtest? Dann dürfte es ja nicht schwer fallen, Deinem Hotti die Zeit zu geben, sich mit den neuen Umständen zu arrangieren.
Reitmaus
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Reitmaus »

Hm, ich kenne es eigentlich nur andersrum, nämlich dass Offenstallpferde durch die viele Bewegung eine tolle Grundkondition haben. Allerdings habe ich keinen Vergleich aus persönlicher Erfahrung, weil meine Pferde immer im Offenstall wohnten. Daher weiss ich nicht ob sie in Boxen "leistungsfähiger" wären. Kann ich mir aber nicht vorstellen.

Und wenn eure Pferde auf der Weide genug Energie haben, so scheint es als ob der Hase anderswo im Pfeffer liegt als in mangender Energie des Pferdes. Es kann schonmal sein, dass Offenstallpferde saisonale Leistungsschwankungen haben (Sommerhitze, Fellwechselzeiten o.ä., was bei Boxenpferden haltungsbedingt evtl nicht so ausgeprägt ist), aber dann sind sie auch auf der Weide weniger aktiv. Wie gesagt : wenn auf der Weide genug Energie, aber keine Lust zur Arbeit, dann liegt die Ursache m.E. kaum an der Haltungsweise an sich. Ich könnte es mir so vorstellen, dass ein Boxenpferd den Vergleich hat "Box = langweilig, öde, Arbeit im Vergleich dazu = endlich mal Unterhaltung", und dass das Pferd dann erfreut über diese Abwechslung eifrig mitarbeitet. Das Offenstallpferd hat den Vergleich "Weide, Herde = toll, Arbeit im Vergleich dazu = blöd, sinnlos", und dann sieht es nicht so recht ein, warum es sich der Arbeit unterziehen sollte. Ich denke, da muss man viel mehr als beim Boxenpferd Wert auf Motivation legen, die "Arbeit" als toll, interessant, lohnenswert zu "verkaufen".
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Schnucke
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Schnucke »

Reitmaus beim Wallach meiner Freundin lags nicht an der Motivation, der hatte im Offenstall einfach Streß, den er sich selbst gemacht hat. Der war einfach ein Alphatier noch dazu spät kastriert und mußte alles unter kontrolle halten, sprich der stand 23 Stunden am Tag unter Strom. An der Arbeitsweise war bei diesem Beispiel echt nicht mehr viel zu optimieren, sie hat ihn nach PK geritten, viel Langzügelarbeit und Bodenarbeit gemacht. Er wollte ja mitmachen nur fehlte da einwandfrei Energie. Gemerkt hat sie das als sie mal eine Woche auf Kurs gefahren ist und das Pferd in eine Box kam und eben nur tagsüber auf die Koppel kam. Ganz anderes Pferd, innerlich viel Ruhiger, aber viel mehr Energie.
Ich denke ab einer bestimmten Klasse/ Anforderung kann es bei manchen Pferden im Offenstall an Energie fehlen. Bei ihrem Pferd lag es auch nicht an Fellwechsel, Futter oder Wetter, der war immer so. Futterteschnisch, war er auch voll ausgetestet und abgedeckt, bekam nur besten Hafer in kleinen Portionen, Iwest Mineral, hochwertiges Öl und 1a Heu.
Im Grunde eine Bilderbuchhaltung, - fütterung und -ausbildung, nur eben nicht für dieses eine Pferd auf diesem Level.
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Sheitana
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Sheitana »

Ich würde die Fütterung nochmal komplett unter die Lupe nehmen.
Sicherlich werden Pferde anfangs müder im OS. Das ist normal, bis sich der Körper daran angepasst hat, die nötigen Muskeln da sind etc.
Du hast dein Pferd natürlich auch in der Zeit umgestellt, die wettertechnisch und von der Jahreszeit her am anstrengensten ist. Das muss man auch bedenken.
Wenn jetzt genügend Gras dazu kommt sollte auch wieder mehr auf die Rippen kommen. So sie denn genug bekommt.
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Muriel
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Muriel »

du sagst sie liegt, aber es ist halt die Frage ob sie auch wirklich ausreichend Ruhe bekommt. Wenn sie als rangniedriges Pferd damit beschäftigt ist, permanent zu achten wo sie sein darf und ob ihr niemand etwas will, kann es schon gut sein, dass sie einfach nicht genügend zur Ruhe kommt.
Ich habe mein Pony auch mal in einem großen Offenstall gehabt, aber dort gab es eben nicht ausreichend Ruhemöglichkeiten. Im zweiten Winter war schlechtes Wetter, so dass das Schlafen auf der Koppel quasi unmöglich wurde und mit dem Pony war nichts mehr anzufangen, selbst Spaziergänge waren unmöglich ohne antreiben.
Nach dem Stallwechsel hat er sich in der Paddockbox erstmal vier Wochen ausgeschlafen und war dann super fit und leistungsbereit.
Seitdem achte ich mehr darauf, dass entweder genügend Platz da ist oder er sonst seine Ruhe bekommen kann und merke das sehr in der Leistungsbereitschaft.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Reitmaus »

Schnucke hat geschrieben:Reitmaus beim Wallach meiner Freundin lags nicht an der Motivation, der hatte im Offenstall einfach Streß, den er sich selbst gemacht hat. Der war einfach ein Alphatier noch dazu spät kastriert und mußte alles unter kontrolle halten, sprich der stand 23 Stunden am Tag unter Strom. ....
Okay, das ist 'ne Sondersituation. Solche Infos müssten dann zusätzlich genannt werden. Ich bezog die Frage der Müdigkeit auf prinzipielle Offenstallhaltung, und gehe dabei eigentlich von einer harmonischen Herde "normaler" Pferde aus.
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Biggi01
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von Biggi01 »

Mein Pferd ist auch so ein Alpahtier und war anfangs im Offenstall sehr beschäftigt. Die erste Woche kam er kaum zum Fressen, und Wasser habe ich ihm hinterher getragen, weil er nicht vom Zaun zur benachbarten Stutenweide weg wollte. Das hat sich aber recht schnell beruhigt. Jetzt hat er alles im Griff, ohne viel herumzurennen. Und ich erwäge die Anschaffung einer Fressbremse, weil er so dick geworden ist bei 24 Stunden Heu zur freien Verfügung.

Er hat eine gute Kondition und beim Reiten dürfte er für meinen Geschmack ruhig etwas gemütlicher sein ;)
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umamulher
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Re: Macht Offenstallhaltung faule Pferde ?

Beitrag von umamulher »

Danke für die vielen Kommentare.

vom Konzept der Offenstallhaltung bin ich schon überzeugt, denke aber auch, dass nicht grundsätzlich alle Pferde damit klar kommen. Da meine Maus eher ein Duckmäuschen ist hatte ich auch große Bedenken, aber sie ist wirklich gut integriert und hat auch an Selbstbewusstsein anderen Pferden gegenüber gewonnen. Allerdings wird sie von ihrer Freundin, einer Kaltblutstute :-) schon auch recht dominiert und teilweise von anderen Pferden ferngehalten. Dafür verschafft sie ihr immer einen Platz an der Heuraufe und der Liegefläche. Der Preis dafür sind aber auch ständige Bisse im Schulterbereich :-(

Hier noch ein paar Infos zum Stall: Offenstallbereich ca. 2000 qm mit 2 überdachten Liegeflächen für eine gemischte Herde von 24 Pferden, vom Shetty bis zum Kaltblut, vom Jungpferd bis zum Rentner. Es gibt 3 Heuraufen für Rundballen und freien Zugang zu ca. 1,5 ha Koppelfläche. Das Gras ist da natürlich schnell abgefressen und dient mehr zum Knabbern, dafür gibt es das ganze Jahr Heu. Platz gibt es also reichlich, zu bemängeln ist leider die Heufütterung. Die ersten Wochen war die Qualität extrem schlecht, hat sich jetzt aber durch Wechsel des Lieferanten gebessert, es sind nicht immer alle Raufen gefüllt und die Netze sind sehr engmaschig. Somit müssen die Pferde schon etwas tun um genügend Futter abzubekommen.

Die erste Zeit war schon sehr anstrengend für meine Kleine, aber da war sie trotzdem beim Reiten noch flott. Nach ein paar Wochen wurde sie dann richtig schlapp und war teilweise fast apathisch. Da habe ich den TA angerufen und wir haben einen Bluttest gemacht. Die Werte waren alle in Ordnung, aber ich habe dann damit begonnen ihr zusätzlich zu den Mineralbricks Kraftfutter, Karotten und Reiskeimöl zu füttern. Innerhalb kurzer Zeit war sie wieder wach und helle, nur die Lustlosigkeit/Faulheit bei der Arbeit ist geblieben.

Ich muss mich natürlich auf die Aussagen der Stallbetreiber verlassen und danach liegt sie regelmässig zum Schlafen. Es gibt auch zahlreiche Bilder, wo sie mit ihrer Freundin flach ausgestreckt im Sand liegt.

Ja, im Grunde sind 3 Monate ja noch nicht so lange und vielleicht spielt sich das alles noch ein. Aber ich bin immer so unsicher, ob es meiner Fellnase auch wirklich gut geht und ich alles richtig mache :? Naja, und wieder so reiten wie früher würde ich zugegeben auch sehr gerne :cry:
LG Christa

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