Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Moderator: Keshia

ehem User

Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von ehem User »

Danke Elin :oops: :)
Genau wie du schreibst, ging es mir auch lange und geht es mir immernoch manchmal. Ich finde die "Wege zum Pferd"-Thematik so wichtig, aber genau dieser Mittelweg zwischen, dem Pferd seine Individualität und Freiheit lassen und Führung übernehmen ist eben nicht einfach, genau wie du schreibst! Ich habe mich für den Moment dazu entschieden, selbst wieder die klare Führung zu übernehmen. Mein Pferd darf zeigen, was es denkt, darf uns aber nicht in Gefahr bringen - nur: Wie soll er das erkennen?! Dafür ist er zu unsicher und braucht gerade mich als Entscheider in der Menschenwelt, in der wir uns bewegen. Das bedeutet, wenn ich sage, wir gehen da jetzt lang und springen NICHT zur Seite, dann tun wir das ohne Diskussion (das ist das Ziel ;) ). Denn klar, darf er Angst vor dem bellenden Hund im Garten haben, aber wenn er dann vors Auto springt, hilft uns Verständnis für seine Angst auch nicht weiter. Ganz wichtig:
Elin89 hat geschrieben:Aber ohne dabei ungerecht, laut, aufbrausend, unsicher, panisch oder was auch immer zu werden. Keine leichte Aufgabe.
Und das funktioniert einerseits eben am besten, wenn man sich sicher ist, dass man den richtigen Weg geht. Andererseits, ist es eben gerade für mich wichtig, erstmal "alles" zu entscheiden. Wenn wir uns ein Kontinuum zwischen Freiheit und Dominanz vorstellen, befinde ich mich gefühlt gerade eher in Richtung Dominanz. Eine solche Situation, wie Tania sie letztens im Bloq beschrieben hat, als sie eigentlich reiten wollte, Aramis oder Antony (?) aber lieber die Gastpferde beobachten wollte und sie dann abgestiegen und doch nicht geritten ist, ihm also die Entscheidung überlassen hat, liegt für mich zur Zeit zu weit in Richtung Freiheit auf diesem Kontinuum. Da kann man vielleicht nach Pferdetypen unterscheiden und ich würde gerade sagen, meiner ist zu unsicher, um selbst die Führung zu übernehmen, also geht das nicht. Und das ist der Gedanke, den ich im Hinterkopf hatte, als ich geschrieben habe, das widerspricht evtl. dem Konsens des Forums.
Das fühlt sich komisch an, gerade wenn man "nett" zu seinem Pferd sein und Rücksicht nehmen will... Verständnis hat... Aber ich sage mir im Moment immer: Ich bin mit ihm in unserem Menschendorf unterwegs und ich kann einfach besser entscheiden, was gerade zu tun ist. Außerdem profitiert er langfristig ja auf jeden Fall, weil er schnell merkt, dass der bellende Hund nicht gefährlich ist, mir vertrauen lernt und ruhiger wird. In der konkreten Situation fühlt sich das schnell "gemein" an. Aber es geht ja nicht um Dominanz oder Maßregeln, sondern Einhalten von Prinzipien, die transparent und gerecht sind.
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Lottehüh
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von Lottehüh »

Das widerspricht doch gar nicht dem Forum! Regeln geben Sicherheit.

Das gilt für Menschen(kinder) und auch für Pferde, vor allem unsichere Pferde.

Es ist eine schwierige Aufgabe, den Mittelweg zu finden. Gewalt nein, Konsequenz ja. Fair sein.

Ich freue mich für Euch!!
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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Lottehüh
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von Lottehüh »

Freiheiten gibt es für Souveränität. Sind die Regeln klar und jeder fühlt sich wohl, dann gibt es Freiheiten.

Lotti darf sagen, dass sie heute keine Lust auf Spazierengehen hat. Sie darf den Weg aussuchen und am Strick buckeln, wenn ihr danach ist. Sie darf beim Reiten auch mal diskutieren. Sie darf mich anbetteln und dabei anstupsen. Wir sind seit 7 Jahren zusammen, haben viel zusammen erlebt, sind durch Gesundheit und Krankheit gegangen, ich war blöd zu ihr, ich hab für sie gekämpft, sie weiß, dass ich Fehler mache, sie sich aber auf mich verlassen kann. Wir kennen uns und vertrauen uns. Sie ist souverän, fühlt sich wohl mit mir alleine draußen. Sie darf quasi alles. Wenn’s drauf ankommt, gehen wir meinen Weg, weichen wir aus, reiten wir von den spinnenden, ausgebrochenen, zurückgaloppierenden Pferden weg. Sie und ich, wir sind ein Team.

Pablo darf nichts von alledem. Er ist unsicher, hat vor allem Angst, fühlt sich mit mir alleine draußen mittlerweile „geht ganz ok“ wohl. Er darf eben nicht den Kopf ins Gras stecken, wenn ihm danach ist. Er darf nicht vor mir laufen und am Strick ziehen. Er darf mich nicht anbetteln. Er ist auch eher in der Dominanzrichtung als in der Freiheitsrichtung. Und das tut ihm gut. Denn wenn er machen darf, was er will, geht er grasen, dann fällt ein Blatt vom Baum, er erschrickt sich zu Tode und dann ist draußen wieder alles blöd. Freiheit gibt es für (Selbst-)Vertrauen, und das muss man sich erst erarbeiten. Du hattest das Vertrauen wohl schonmal und hast dann zu viel Freiheit auf einmal gegeben. Ist natürlich extrem schwierig, wenn man ein krankes Pferd dastehen hat, das richtige Maß zu finden, ganz klar.

Ich finde, das hört sich alles ganz gut an. Solange Dominanz bei Dir nicht in Wutanfällen und Schlagen endet, ist das für mich richtig.
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von Scheckenfan »

:-n Das hast du sehr schön geschrieben Lotthüh! :geruehrt:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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kolyma
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von kolyma »

Finde auch, dass du das wirklich schön beschrieben hast...
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Elin89
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von Elin89 »

Wichtig und gleichzeitig schwierig finde ich eben immer die Frage, wo setzte ich mich durch und wo nicht? Denn von früher kenne ich eben nur dieses "Dein Pferd hat dazu nichts zu sagen". Ich habe mich also immer durchgesetzt, auch wenn das für mein Pferd viel Stress bedeutet hat. Das will ich so nicht mehr. Und dann zu merken, ob ich sie nun überfordere mit dem was ich möchte, oder ob sie einfach nur eine klare Führung benötigt ist eben nicht so leicht. Wenn man dadurch dann aber selber unsicher wird, hilft das auch nicht weiter.
Das ist glaube ich grad so der Grund, warum ich mit meinem Pferd recht wenig mache - sie will am leisten gar nicht und ich bin unsicher, was ok ist und was zu viel :/
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kolyma
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von kolyma »

Es gibt Dinge, da wird nicht gehandelt. Und wenn es Stress bedeutet - mei... Ich hab auch oft Stress. Bitte versteht mich nicht falsch - aber auch für ein Pferd ist das Leben kein Ponyhof. In der freien Wildbahn haben die auch mehr als genug Stress. Da ist das Leben bei uns das Leben im Paradies.
Beispielsweise lass ich nicht mit mir verhandeln wenn ich mein Pferd einladen möchte. Und wenns ne Stunde dauert - wir gehen in diesen Hänger. Punkt. Was mach ich denn bitte wenn mein Pferd ne Kolik hat und in die Klinik muss? Da gehts um Stunden - da kann ich keine Stunde vor dem Hänger stehen und büdde-büdde sagen.
Wenns um Leib und Leben geht, dann gibts keine Diskussionen. Ich will mein Pferd nicht sterben sehen, weil ich ihm ja bloß nie Stress machen wollte.
Gleiches gilbt im Straßenverkehr. Und da ein Pferd nunmal nicht versteht, wann es etwas muss und wann es etwas nur vielleicht muss - muss es halt bestimmte Dinge immer. Egal ob Gefahr in Verzug ist oder nicht. Hänger, durchparieren wann immer ich das will, rückwärts schicken lassen, weitergehen. usw...

Man braucht ja nicht glauben, nur weil man sich mit seinem Pferd keine drei Meter vom Hof bewegt, dass man kein verladefrommes Pferd braucht. Höchstens unter der Prämisse, dass man es halt drauf ankommen lässt.
Und dafür liebe ich mein Pferd zu sehr um den Fall der Fälle im vorneherein nicht zigmal zu üben. Und wenns denn sein muss auch mit Stress wenn es stressfrei nicht geht. Mein Pferd hat ja immer die Wahl.


Ich bemühe mich um einen fairen, gerechten und transparenten Umgang. Ich würde meinem Pferd nie Druck machen wenn ich das Gefühl habe, er hat etwas nicht verstanden. Für alles Andere bin ich verantwortlich. Ich trage die Verantwortung für ihn. Also muss ich auch in der Lage sein zu bestimmen wo es lang geht.
Ich gebe in engem Rahmen meinem Pferd ein Vetorecht oder ein Vorschlagsrecht. Die letzte Entscheidung treffe ich. Kann ich seinem Wunsch/Vorschlag nachgehen - mache ich das sehr, sehr gerne.
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ehem User

Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von ehem User »

Lottehü hat geschrieben:
Freiheit gibt es für (Selbst-)Vertrauen, und das muss man sich erst erarbeiten.
Nur kurz, weil ich kaum Zeit habe:
Meiner hat Selbstvertrauen erst und ausschließlich durch Freiheit gewonnen, alles andere hat bei uns nicht funktioniert. Ich denke, das ist sehr individuell.
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kolyma
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Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von kolyma »

Ich glaube ich hab schon verstanden was Lottehü sagen wollte. Für ein sehr unsicheres Pferd ist Freiheit ein taumeln im Wind. Es braucht unbedingt Orientierung - ein Mensch der es leitet und ihm immer zu verstehen gibt: "Das ist richtig, das ist falsch" - auf einem Weg aus Regeln und Empfehlungen kann man sich orientieren, das gibt Sicherheit - schenkt Selbstvertrauen. Das Pferd wird sozusagen begleitet - an die Hand genommen.

Das hat nichts mit Unterdrückung zu tun - das würde Selbstvertrauen zerstören. Es ist ja wie mit einem Menschenkind in der Schule. Man wird gefordert und gefördert.

Meiner war ja auch unsicher, schreckhaft, hat gescheut wie verrückt. Also ein Schritt zurück - Führtraining - sich auch mal wo hinführen, wo hinschicken lassen. Und jeder Versucht mit etwas gruseligem Kontakt aufzunehmen mit Gesten, Lob und Zuneigung bestärken. Dadurch wächst Selbstvertrauen und so erarbeitet man sich Stück für Stück Freiheit.

Freiheit ist ja auch schon sich nicht mehr von seinen Ängsten gefangen halten zu lassen. Ein Angstfreies Pferd welches Vertrauen hat, der geht gerne mit seinen Reiter in die weite Welt. Denn es kann nichts geschehen und wenn doch, wird mir mein Reiter genau sagen was ich zu tun habe...
So ticken Pferde.
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ehem User

Re: Chronik eines großen Problems - Was soll ich nur tun?

Beitrag von ehem User »

Ja, so habe ich es auch verstanden... und trotzdem ist es bei uns anders.
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