Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Moderator: Keshia

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Hottie
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Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Hallo zusammen,
ich brauche mal wieder einen Rat von euch. Mein Pferd ist ein temperamentvoller, sehr sensibler, unsicherer Kerl, der unbedingt einen Reiter benötigt, der ihm Sicherheit vermittelt. Er lässt sich auch wirklich unglaublich beeinflussen von meiner Stimmung, viel mehr als ich das bei anderen Pferden vorher bemerkt habe. Mein Problem ist, dass ich sowohl meine Angst- als auch leider manchmal meine Wut-Gefühle nicht 100%ig unter Kontrolle bekomme :? . Ich bin leider schon 2 mal von ihm runtergfallen und seitdem seehr vorsichtig geworden und außerdem nervt es mich manchmal einfach wirklich total, wenn er vor jeden Blatt in die Luft springt :roll: . Das Problem ist natürlich, dass er es sofort merkt, wenn ich auch nur minimal angespannt bin und sich die Anspannung sofort aufs Pferd überträgt und somit alles noch viel schlimmer macht :wall: .

Während des letzten Jahres ist das Pferd ausschließlich von meiner Reitbeteiligung geritten worden (ich war schwanger) und sie fand ihn total toll und ist angstfrei gewesen. Tjoa das Ergebnis war, dass sie einmal auf dem Platz runtergfefallen ist, weil er eine 180° Drehung gemacht hat, als sie kurz vermutlich etwas geträumt hat und das Pferd ihr einmal in fremder Umgebung richtig durchgegangen ist, weil er mit der Situation völlig überfordert war :-o .
Das erzähle ich hier, um zu erklären, dass ich meine Angst auch alles andere als irrational finde. Er ist leider ein Pferd, das wirklich kopflos reagieren kann, wenn er sich psychisch überfordert fühlt (und das kann je nachdem sehr schnell sein).

Ich sollte also im Idealfall absolut entspannt, aber gleichzeitig vorsichtig, umsichtig und aufmerksam sein. Und das überfordert dann mich öfters :nix: . Habt ihr vielleicht Tipps, wie ich es trotz Zeitnot und berechtigter Vorsicht schaffen kann, möglichst entspannt zu bleiben auch wenn er zum x-ten Mal schief ein Blümchen am Rand anschielt oder sich in einen Zuschauer am Platz reinsteigert? :?:
Ich schaffe es leider nicht mehr täglich zum Pferd und umso mehr stört es mich dann aber, wenn eine Einheit hauptsächlich daraus besteht, dass er sich bzw wir dann gemeinschaftlich uns :roll: in irgendwas reinsteigern.
Elin89
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Elin89 »

Hey!

Ich kann deine Gefühle total gut nachvollziehen, ich hab ein ähnlich temperamentvolles Pferdi. Zu meinem Glück habe ich immer eher zu den angstfreieren Reitern gehört und bin auch recht sattelfest, dass ich zumindest nicht schonmal grundsätzlich Angst bekomme, wenn mein Pferd 180-Grad-Wendungen hinlegt - das kommt aber nur durch Übung (unfreiwillige :roll: ). Dennoch haben auch wir eben volle Stresssituationen. Vor allem zB auf Ausritten wenn LKWs kommen, wo ich weiß, dass sie davor wegrennt und so. Und da hab ich eben immer nur wenig Zeit zu reagieren. Mein Lösungsweg, um zmindest etwas Ruhe reinzubekommen, ist der, dass ich mir grundsätzlich für so Standartsituationen Lösungsansätze überlege. Bei den LKWs reite ich mittlerweile einfach mitten auf der STraße, damit sie anhalten müssen. Das gibt mir Zeit (dann bekomm ich nicht so schnell Panik) und die Fahrer sehen, dass mein Pferd Angst hat und brettern nicht einfach an uns vorbei.
In anderen Situationen versuche ich, wenn ich weiß dass es schwer werden könnte, mein Pferd nicht zu überfordern. Als immer eben alle Situationen vorher gut durchdenken. Und im Zweifel auch mal sagen "Okay, dann heute nicht". Es gibt nichts, womit du deine Angst sofort komplett verlierst. Übe Situationen, die im "gRenzbereich" liegen. Wenn ihr sowas immer wieder gemeinsam schafft, werdet ihr beide besser. Und wenn eine Herausforderung auftaucht, nimm sie an als Übung und denke nicht "Oh Gott, das hat uns gerade noch gefehlt". Wenn du aber merkst "Das schaffen wir nie" dreh um, irgendwann seit ihr so weit. Aber das ist okay. Versuche immer, dir Zeit zu verschaffen, dass du klar darüber nachdenken kannst und frage dich, wovor konkret du gerade Angst hast, was im schlimmsten Fall passieren kann und wie du dann am besten reagieren kannst.
Und nochmal: wenn du dann das Gefühl hast, es ist noch zu viel, geh einen Schritt zurück.
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Vielen Dank für deine Antwort. Also im Gelände löse ich meine Angstprobleme relativ einfach durch absteigen und führen. Das funktioniert auch ziemlich gut und ich fühle mich mit Knotenhalfter und Gerte "bewaffnet" auch relativ sicher mit ihm zu Fuß. Das führt dann höchstens dazu, dass ich total entnervt bin, weil ich wieder mal mehr gelaufen als geritten bin....

Wir haben tatsächlich mehr ein Problem auf dem Platz (Gestürzt bin ich bisher tatsächlich auch nur in der Halle :nix: ). Im Gelände reite/führe ich an der Gefahrenstelle vorbei und gut ist. Auf dem Platz dagegen kommt man ja immer wieder und wieder jede Runde an dem bösen "Grasbüschel" vorbei ;) . Und das macht mir dann wahlweise Angst und/oder Wut, wenn er sich immer mehr reinsteigert bzw bei der x-ten Runde immernoch zur Seite hüpft. Wie gehe ich damit am Besten um? Wie schafft man es, sich nicht mit Pferd gemeinsam in besagten Grasbüschel reinzusteigern??
Wallinka
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Wallinka »

Was machst du denn bisher, wenn er sich an irgendwas festguckt/sich irgendwo festgruselt?
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Wallinka hat geschrieben:Was machst du denn bisher, wenn er sich an irgendwas festguckt/sich irgendwo festgruselt?
Ich versuche weiter zu arbeiten, ihn also vorwärts zu treiben und nach Möglichkeit das Gruseldings zu ignorieren. Wenn er sich richtig festguckt geht das aber nur mit nem Zupfer am Kappzaum/Zügel (und gleichzeitigem Treiben natürlich). Ich lasse ihn also bewusst nicht gucken eigentlich, denn dann steigert er sich erfahrungsgemäß nur noch mehr rein. Ich mache jedoch bei konzentrierter Platzarbeit immer wieder Pausen, in denen er sich in Ruhe umgucken kann natürlich.
Mein Problem ist dann, dass ich es oft nicht schaffe, damit entspannt zu bleiben. Entweder bekomme ich Angst, weil er jeden Moment losschießen könnte oder aber ich werde sauer, weil mich das Hick-Hack einfach nur nervt :oops: . Beides ist nicht gerade förderlich... Im Prinzip geht meine Frage also in die Richtung, wie ich es schaffen kann, in solchen Situationen entspannter zu bleiben.
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-Tanja-
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von -Tanja- »

Ich hatte vor einigen Jahren mal das Problem mit meinem Hafi. Der war zwar sicherlich nicht hyper temperamentvoll, hat aber immer dann losgebuckelt, wenn ich etwas von ihm verlangt habe, was er zwar durchaus hätte leisten können, es aber nicht leisten wollte - weil es eben anstrengend war. Irgendwann war ich soweit, daß ich nur noch Angst im Sattel hatte. Wenn das Pferd abschnaubte - ein Zeichen von Loslassen und Entspannung - war ich sofort in Hab-Acht-Stellung: jetzt gehts gleich los. Das war wirklich beängstigend, in welche Richtung sich das entwickelte. Ich hatte letzten Endes sogar so sehr Angst, daß ich dauernd dachte, ich sitze auf meinem Pulverfaß - obwohl mir verschiedene Trainer versicherten: der ist doch ganz relaxed...

Geholfen hat mir in dieser Situation, daß ich viel mit inneren Bildern gearbeitet habe. Immer, wenn ich Angst bekam, stellte ich mir eine super-entspannte Situation vor: ich in der Hängematte am weißen Sandstrand in der Karibik unter Palmen, einen Caipi in der Hand...

Das ganze Thema habe ich auf unserer Homepage mal in einem Artikel zusammengefaßt: http://pfinzgauranch.jimdo.com/tanja-%C ... egt/angst/ Witzigerweise kam gerade darüber in der Cavallo ein Artikel und mein Hafi und ich wurden kurz in der Juni-Ausgabe vorgestellt. ;)

Das hat nun nicht den gleichen Hintergrund wie bei Dir, aber vielleicht hilft Dir die ein oder andere Denke weiter. Ich denke, bei Dir ist das zweigeteilt: einmal hypersensibles Pferd, dem Führung fehlt und das sich gerne auf seinen Reiter würde verlassen können, andererseits Deine Angst vorm Runterfallen. Das hebelt sich gegenseitig aus bzw. schaukelt sich so ja immer weiter hoch. Letzten Endes wird es sicherlich an Dir liegen, Dich weiter zu entwickeln und dem Pferd die Sicherheit zu geben, die es offensichtlich braucht. Bei mir war es etwas anders: ich habe meinen Hafi nicht gut genug motiviert. Ich bin eine zeitlang mal wirklich sehr intensiv in mich gegangen, habe mich und mein Verhalten gegenüber dem Pferd sehr hinterfragt. Das war oft nicht sonderlich angenehm, was man da als Selbsterkenntnis so feststellt.

Aber: es hat geholfen! Wir haben seither eine noch wesentlich tiefere Bindung als vorher. Z. B. kann ich zwischenzeitlich mit ihm auf einer nicht eingezäunten Wiese ohne Halfter oder Strick Freiarbeit machen - und er frißt nicht und haut auch nicht ab. Weil ich ihm eben zwischenzeitlich das Gefühl geben kann, daß er das beste Pony der Welt ist.

Wie gesagt: etwas anderes Thema, aber letzten Endes liegt es eben oft "nur" am Mensch.

Ich reite derzeit meinen jungen Noriker an - mangels Halle und Platz sind wir mehr oder weniger gezwungen, recht schnell ins Gelände zu gehen. Hier habe ich anfangs auch etwas Morres gehabt, denn ich habe noch nie ein junges Pferd ausgebildet und bin auch nicht mehr sooo jung, daß ich auf Teufel komm raus jede Situation ganz easy betrachte. Auch hierbei haben mir innere Bilder geholfen.
Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

-Tanja- hat geschrieben:Ich denke, bei Dir ist das zweigeteilt: einmal hypersensibles Pferd, dem Führung fehlt und das sich gerne auf seinen Reiter würde verlassen können, andererseits Deine Angst vorm Runterfallen. Das hebelt sich gegenseitig aus bzw. schaukelt sich so ja immer weiter hoch. Letzten Endes wird es sicherlich an Dir liegen, Dich weiter zu entwickeln und dem Pferd die Sicherheit zu geben, die es offensichtlich braucht. Bei mir war es etwas anders: ich habe meinen Hafi nicht gut genug motiviert. Ich bin eine zeitlang mal wirklich sehr intensiv in mich gegangen, habe mich und mein Verhalten gegenüber dem Pferd sehr hinterfragt. Das war oft nicht sonderlich angenehm, was man da als Selbsterkenntnis so feststellt.
Wie gesagt: etwas anderes Thema, aber letzten Endes liegt es eben oft "nur" am Mensch.
Das hast du wirklich sehr gut auf den Punkt gebracht. Und den Artikel auf deiner Homepage fand ich auch sehr interessant. ich werde es mal versuchen mit entspannten Bildern im Kopf, positivem Denken, ein paar positiven Sätzen, die ich mir vorher zurecht lege und mir eben vorher zu überlegen, wie ich denn reagieren möchte, wenn er sich erschreckt/guckt/reinsteigert.
Eine Bekannte von mir (Psychologin) hat mir das mit den positiven Sätzen empfohlen. Vielleicht sowas wie: Alles ist in Ordnung. Meine Ruhe überträgt sich auf mein Pferd. Harmonie ist meine Priorität. Ich bin ruhig, sanft und freundlich. Oder sowas ähnliches.
Stjern
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Stjern »

Das Thema, dass das Pferd sich an etwas festgruselt bin ich ganz anders angegangen als Du. Ich habe dazu einen kleinen Umweg genommen, der sich aber letzendlich gut ausgezahlt hat. Ich habe das Pferd an unbekannte Dinge rangeclickert. Dazu bin ich mit PFerd zu fremden Dingen hin. Dann kommt der Abstand, in der das Pferd seine individuelle Komfortzone verliert. Da bin ich immer vor das Pferd gegangen. Meinem Pferd hilft es, wenn ich zwischen ihm und dem Gruselding ist.
Dann habe ich jede Annäherung seitens des Pferdes (am Anfang auch noch so klein) durch clicker und Belohnung belobigt.
So hat er gelernt, dass es sich lohnen kann auch scheinbar gruselige Dinge zuzugehen. Das gibt mir Zeit. Die Fortschritte sind am Anfang natürlich nicht so grandios und der Sprung bis das Pferd aktiver auf Unbekanntes zugeht, dauert. Aber lohnt sich.
Allein heute hat es mir den Kopf gerettet. Ich bin ohne Sattel und nur mit Strick und Halfter geritten. Plötzlich kam eine getriebene Schafherde in der Engstelle auf uns zu. Ich konnte noch gut absteigen und mich vom Boden aus weiter beschäftigen. Ohne obiges Training hätte er gedreht gehabt, bevor ich die Schafe gesehen hätte.
Elin89
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Elin89 »

Auf dem PLatz ist es bei uns so, dass die komplette "obere" Hälfte gruselig ist, und meine Maus dann so ins rennen kommt, dass sie immer schneller und schneller wird. Da machen wir es jetzt so, dass ich dort erst dann hinreite, wenn sie wirklich locker ist und super an den Hilfen steht. Dann kommen wir dort einigermaßen geregelt lang, und auch nur dann üben wir das vom Sattel aus. An manchen Tagen mache ich dann noch gezielt Entspannungstraining (Kopf tief usw.) auf der Reitplatzhälfte.
Wenn ein ganz konkretes Gruseldings da ist, habe ich zwei Möglichkeiten (ich merke immer in der SItuation, was besser funktioniert): entweder in Ruhe Arbeit unterbrechen und langsam das Ding angucken und annähern (mit clickern geht das deutlich leichter) oder eben ignorieren, also dran vorbeireiten, eventuell dran vorbei mit Schulterherein oder so, und dann zuerst in so großem Abstand, wie es gerade geht, ohne dass du groß "ziehen" musst oder so und so dann einfach in Ruhe weiterabreiten - irgendwann kommt ihr ganz "ausversehen" näher ;) und was ganz ganz wichtig ist: biete deinem Pferd Programm! Wenn ich mit meiner ganz ganz viele Sachen mache, interessiert sie sich viiieeel weniger für die Umwelt. Wenn ihr dagegen langweilig wird, sucht sie ihr eigenes Programm ;)
Elin89
Remonte
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Elin89 »

Oh, un das wichtigste hab ich vergessen: wenn ich merke, dass sie sich immer mehr aufspult, statt sich zu entspannen, steige ich ab und führe so lange, bis sie wieder wirklich entspannt ist (und ich auch) und steige dann wieder auf und fange nochmal neu an. Wenn ich merke, das klappt nicht, ich bin zu sauer, ich hab nicht genug Zeit, wie auch immer, dann lass ich es für den Tag bleiben ;)
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