Reiter in Balance?!

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Nucades
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Reiter in Balance?!

Beitrag von Nucades »

Ihr Lieben!

Immer wieder lese und höre ich vom ausbalancierten Sitz des Reiters und dass ein nicht-ausbalancierter Sitz dem Pferd das Leben schwer macht. Eigentlich dachte ich, dass mir klar ist, was das ist: die Balance des Reiters. Als ich aber intensiver drüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich mir doch nicht so sicher bin :?
Deswegen einige Fragen an Euch:
- Woran erkenne ich den ausbalancierten Reiter?
- Woran erkenne ich, dass ich selbst in Balance sitze (oder eben nicht)?
- Und: Wie erkenne ich an den Bewegungen des Pferdes die (Im)Balance des Reiters?

Ich freue mich auf Eure Antworten :-)
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Keshia
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Keshia »

Spannend. Bin auch sehr gespannt, was für Antworten kommen.
Unter Balance des Reiters verstehe ich, wenn der Schwerpunkt des Reiters über dem Schwerpunkt des Sattels, also an der optimalen Stelle fürs Reiten liegt.
Sally S. hat dafür ein gutes Bild von den vier Bausteinen:
http://centeredriding.org/images/building_blocks2.jpg

Das heißt, in Balance kann der Reiter in vielen Positionen sein, wenn er sich so ausbalanciert, daß der Schwerpunkt derselbe bleibt. Die vier Bausteine müssen also zusammenspielen.
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sacramoso
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von sacramoso »

Ich würde nicht von der Balance des Reiters sprechen sondern von der gemeinsamen Balance der Kombination aus Pferd und Reiter. Und die ist nicht statisch sondern muß auch in der Bewegung harmonisch übereinstimmen. Im Idealfall bringt keiner (weder Pferd noch Reiter) den anderen aus seiner Balance, sondern beide bewegen sich harmonisch als Einheit. Und genau daran läßt es sich auch ganz schön erkennen ob Reiter einen "ausbalancierten Sitz" hat.
Als Gott erfuhr daß Reiten nur für die Besten ist erschuf er noch Fußball :dance1:
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Hina_DK
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Hina_DK »

Weil ich mir da auch nicht so sicher war, bin ich einfach mal zu einem Centrered riding-Kurs gegangen. Da lernt man das fühlen und erkennen bzw. man schult sein Bewusstsein für den Sitz in der Bewegung. So einfach erklären lässt sich das nämlich nicht wirklich. Das muss man machen und wirklich fühlen lernen. Dazu gibt es auch eine Reihe Übungen. Kann absolut jedem mal so ein Kurs empfehlen. Das war ein totales Aha-Erlebnis. Der Kurs ging zweieinhalb Tage und war für mich eine der besten Investitionen, die ich im Zusammenhang mit Reiten gemacht habe. Anfangs saßen eigentlich alle scheinbar ganz gut auf dem Pferd und die Pferde liefen ganz nett. Am Ende saßen alle vorzüglich IM Pferd und die Pferde liefen gaaaaanz anders ;).

Zudem kann ich jedem noch unbedingt diesen Film von einem Vortrag von Eckart Meyners, dem Sitzpapst der Reiterei, wärmstens ans Herz legen (Achtung, sehr lang). Der gibt auch sehr viel Aufschluss über wirklich gutes Sitzen in der Balance und erläutert viel Hintergrundwissen. Die Übungen, die Eckart Meyners da mit den Leuten macht, sind übrigens richtig gut. Seit dem rolle ich auch erstmal mit den Augen, wenn ich aufs Pferd steige ;). Die Wirkung ist frappierend.
http://www.youtube.com/watch?v=eNLU4JeTHOo

Wirklich in Balance können Reiter und Pferd aber eigentlich nur kommen, wenn der Sitz nicht durch den Sattel vorgegeben wird (schwerpunktverlagerte Gangpferdesättel, DS-Sitzprothesen, stuhlsetzende Westernsättel usw.) und wenn der Tiefpunkt des Sattels so dicht wie möglich am Schwerpunkt des Pferdes liegt. Alle Abweichungen davon bringen schon das Pferd-Reiter-Paar mehr oder weniger aus der Balance, also in eine gewisse Disharmonie. Die meisten Reiter befinden sich hinter der Bewegung des Pferdes und ihr Sitz ist nicht unabhängig. Daher bevorzuge ich auch mein im Sitz ganz flaches superkurzes Sattelkissen, dem ich am liebsten noch die Pauschen wegoperieren lassen möchte ;). Da ich aber nicht so lange Oberschenkel habe, behindern die mich nicht so sehr. In dem ist man einfach gezwungen, in Balance zu sitzen bzw. sitzen zu können http://abload.de/img/diddiglattp0ku8.jpg.

Und ganz wichtig und von den meisten Reitern sträflich missachtet ist, dass sich der Reiter genauso gymnastizieren muss, wie sein Pferd. Was nutzt es, wenn unten alles top und geschmeidig ist und obendrauf der totale Störfaktor hockt, der im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus der Hüfte kommt ;). Kein Pferd hat soviele Ausreden dagegen, wie der Reiter.

Und zu guterletzt mein Geheimtipp: Salsa tanzen :-D .

PS: Einen ausbalancierten Reiter erkennt man daran, dass es aussieht, als würde er sich gar nicht bewegen, wie z.B. hier http://www.youtube.com/watch?v=fBq5rJM4XvI. Einen nicht ausbalancierten Reiter erkennt man daran, dass er sehr bewegt aussieht, z.B. als wolle er das Pferd anschieben. Sieht man auch häufig sogar in der S-Dressur. Oder hier mal vor allem ab 1:43 und 3:10 Schritt :? http://www.youtube.com/watch?v=k07789X1zAQ Das extreme Nicken des Kopfes verrät, dass der Mann total steif in der Hüfte ist.
Viele Grüße
Hina

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WaldSuse
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von WaldSuse »

Ich habe auch ein paar Stunden Centered Riding gehabt,das ist wirklich super!Ich sollte vor der Reitstunde immer auf ein Kindertrampolin und dort selber "Schritt,Trab und Galopp" gehen.Da merkt man ganz schnell,wie wenig wir unseren Körper wirklich in Balance,also in unserer Mitte haben.Und das,obwohl ich Tänzerin bin und eigentlich in Balance sein sollte......Was ich auch noch hilfreich finde ist das Bild einer rollenden Kugel im Unterbauch,also da,wo wir menschen unseren Schwerpunkt haben,wir Frauen sogar genau an der Stelle,wo unsere Gebärmutter liegt.Die Kugel rollt langsam,wenn wir ruhig reiten wollen und rollt schneller,wenn wir mehr Tempo möchten.Also sie rollt nach hinten,schiebt also an.Das geht auch gut im Laufen.
Salsa tanzen ist natürlich gut,um eine lockere Hüfte zu bekommen,aber orientalischer Tanz auch! :hula:
Nicht müde werden,
sondern,
dem Wunder leise,
wie einem Vogel,
die Hand hin halten.
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Sanojlea
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Sanojlea »

Vielen Dank für dieses super Vortragsvid Hina, das schaue ich auf alle Fälle noch zu ende!
"Ich will alles daran setzen und mein Bestes geben, damit diese Pferde in ihrem freundlichen Wesen gut über mich urteilen und damit Harmonie walte, getragen vom Einvernehmen zwischen zwei Lebewesen."
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Jochen
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Jochen »

Hina, ich hab's schon mal irgendwo geschrieben, aber ich kann's mir einfach nicht verkneifen:

Es gab mal so Hunde mit Wackelkopf für die Heckablage im Auto...

Der erste Reiter bewegt sich wie eine (senkrechte) Ziehharmonika, da kommt kein einziger Stoß auf den Pferderücken (und auch keiner in den des Menschen!) — wohingegen der zweite: So steif sitzt sogar ein Sack Zement nur, wenn er Feuchtigkeit gezogen hat und steinhart geworden ist. Da schmerzt meine arme alte Wirbelsäule ja fast schon vom Zuschauen...

Vielen Dank für diese wunderschönen karikaturhaft deutlichen Kontrastbeispiele! :clap:
Halt mich fern von der Weisheit, die nicht weint, der Philosophie, die nicht lacht,
und der Größe, die sich nicht vor Kindern verbeugt.


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Hina_DK
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Hina_DK »

Genau, der Wackeldackel, den kenne ich auch noch :lol: .
Bei den Isländerreitern wird das übrigens der Geiersitz genannt, wobei man den zugegebenermaßen auch dort so extrem nicht alle Tage sieht ;).
Viele Grüße
Hina

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wiassi
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von wiassi »

Danke für die Videos! Gerade das erste, das waren zwei aus der Zeit, als ich noch Dressur im Fernsehen sehen mochte..wenn sie denn mal gezeigt wurde. Auch wenn da auch nicht alles paletti war, gab es so grobe Ausreißer wie heute nicht.
Ich bin an das Thema Balance über Feldenkrais rangeführt worden von einer RL. Die lies uns schon mal 10 m über den Boden im Vierfüßlergang kriechen um ein Gefühl für die Bewegung zu bekommen. Und 1min auf einem Gymnastikball sitzen ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, gemessen ab dem Zeitpunkt wo man sich "Im Gleichgewicht" fühlte. Einige sind gleich umgekippt..war sehr bezeichnend und lehrreich.

Ich bin nach wie vor Fan von Sitzlonge, weil man sich da auf den Sitz und nur den Sitz konzentrieren kann. Was man da ungestört erfühlen kann, der der/die RL gut ist, öffnet so manches innere Auge.
Sitzen mal bewußt mit bis zum Zwiesel hochgezogenen Beinen, extrem nach hinten gelehnt oder nach vorne oder mal ganz bewußt extrem von hinten nach vorne und zurück pendeln...braves Pferd vorrausgesetzt...die bewußt erlebten Abweichungen machen einem die richtige Haltung wieder spürbar, da wir sonst nicht merken, wie wir falsch sitzen, das Gefühl trügt da gewaltig ( "Ich sitz doch gerade"). Außerdem habe ich dort gelernt, dass der ideale Sitz eben nicht für alle gleich ideal ist, sondern eben das individuelle Gleichgewicht entscheidet. Ich kann in den Tiefsitzprothesen auch nicht sitzen und muss mich bewegen können.

Spannendes Thema!
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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Hina_DK
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Re: Reiter in Balance?!

Beitrag von Hina_DK »

Das ist auch so ein typischer RL-Spruch "Sitz doch mal gerade." Wer das schafft, ist ein anatomisches Wunder oder kippt beim Versuch gleich vom Pferd ;). Mensch kann und sollte aufrecht sitzen aber gerade, das geht gar nicht, so sind wir nicht konstruiert. Zudem haben gut 80 % der Menschen ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Hohlkreuz. Sie alle könnte theoretisch nicht ausbalanciert sitzen, glaubt man den Reitlehren. Sie können es aber durchaus. Eckard Meyners spricht ja auch in seinem Video an, dass man mal über 50 Anweisungen, die die Reitlehren so von sich geben, auf wirkliche Machbarkeit überprüft hat. Die meisten sind durchgefallen. Er hat aber erklärt, warum die Leute trotzdem reiten lernen ;). Auch das Problem mit dem tiefen Absatz ist so eine Sache. Das wird immer aktiv gefordert und der Reiter verspannt sich total, kann so einfach nicht ausbalanciert sitzen. Der tiefe Absatz ist eine reaktive Folge eines gut ausbalancierten Sitzes. Ist der Absatz hochgezogen, liegen die Probleme ganz woanders aber es hat keinen Sinn, das Symptom zu korrigieren, man muss an der Ursache anpacken.
Viele Grüße
Hina

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