Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Moderator: Keshia

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Romy
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von Romy »

Mein Ansatzpunkt läge genau da, wo deine Thread-Überschrift bereits ansetzt. Meiner Erfahrung nach finden Pferde es oft nicht hinreichend motivierend, eine gemeinsame Aktivität einfach nur um ihrer selbst willen auszuführen. Ganz kurz und anschaulich hat das mal jemand hier beschrieben: Purpose

Für die Pferde, mit denen ich bisher zu tun hatte, war "ich bekomme ein Leckerli für die Ausführung einer arbiträren Handlung" meist nicht Sinn genug - zumindest nicht, wenn sie belohnungsbasierte Interaktion bereits kannten. Um ihre Begeisterung zu wecken, musste ich dafür sorgen, dass die Aktivität an sich als sinnvoll erlebt wird. Im Kontext des Ausreitens denke ich, dass Pferde es oft wesentlich motivierender finden zu etwas hin zu gehen als einfach nur zu gehen. Vielleicht kannst du ja einfach Ziele schaffen, die sich für dein Pferd lohnen? Wenn du willst, kann ich das im Laufe der nächsten Tage nochmal ausführlicher beschreiben, momentan fehlt mir leider die Zeit. :-)
jella
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von jella »

Hallo, ich hab nun nicht alle Seiten gelesen ... aber ich glaube schon, dass dein Pferdchen ein eher fauler Vertreter ist. Aber auch aus solchen eher faulen Pferdchen kann man bewegungsfreudige Pferdchen machen.

Ich würde beim Auseiten ein bißchen seitwärts mit einbauen u. klettern ... möglichst schwierige Aufgaben, so daß er sich auf das "normale" geradeaus freuen kann. vielleicht ist er einfach nur gelangweilt???

Und ja, die Leckerlis würd ich auch streichen!

Hast du seine Lunge mal durchchecken lassen??? Kann auch sein, dass es gesundheitlich bedingt ist, dass er eher so "sparsam" unterwegs ist??
milli
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von milli »

@romy
deinen beitrag finde ich sehr interessant. und ich würde mich über eine ausführung sehr freuen, wenn du wieder mehr zeit hast :-D .

gesundheit:
seine organe sollten ok sein. also beim ausreiten ist er nicht angestrengter als die anderen pferde. beim kauf wurde ein belastungstest gemacht. das ist zwar nun schon 2,5 jahre her aber er war ja von anfang an sehr gemütlich.
er schwitzt auch weniger wie die anderen pferde. das könnte davon kommen, dass er sich beim ausritt eben auch nicht aufregt. viele pferde schwitzen ja auch vor aufregung. meiner ist eigentlich immer am trockensten, obwohl er bestimmt nicht die meiste kondition hat.
große blutbilder habe ich schon öfters gemacht. die waren so weit immer in ordnung.

fütterung:
er neigt eher zum dick werden. er bekommt heu ad lib und ca. 500 g hafer und mineral. versuchsweise habe ich die haferration auch schon auf 1,5 kg erhöht. einfach um zu sehen ob er ein energiedefizit hat. aber es war kein unterschied festzustellen. im moment hat er idealfigur. bisschen heubauch. im sommer auf der koppel wird er immer bisschen dicker. denke an der fütterung sollte es nicht liegen.

muskeltonus?
wie stelle ich das fest ob der hoch oder niedrig ist?
ich bin eher der sportliche typ. bin auch schon halbmarathon gelaufen. körperspannuns sollte gut sein. früher habe ich gerätetunen geliebt :-)
bubi9191
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von bubi9191 »

Wir hatten mal eine Stute, die deinem sehr ähnlich war.
Die war sehr gemütlich, ließ jeden Schritt aus sich rauskitzeln.
Auch, als sie aufgrund einer Verletzung längere Zeit Boxenruhe verschrieben bekam, blieb die tiefenentspannt.

Wir haben irgendwann wegen Umzug den Stall gewechselt.
Sie hatte ab dann eine Paddockbox und kam tagsüber von ca. 8-18 Uhr raus. Wir sind dann sehr viel ausgeritten und haben erstmals begonnen, dieses Pferd zu fordern, auch unterm Sattel in der dressurmäßigen Arbeit da mal "anzupacken".
Und dieses Pferd hat sich um 180 Grad gewendet seitdem. Sie ist voller Lebensfreude, etc.

Leider mussten wir sie vor 3 Jahren verkaufen, aber auch bei den neuen Besitzern ist es jetzt eher ein übermütiges Pferd.
Also - nicht den Mut verlieren, das wird schon :)
Pferde sollten so geritten werden, wie ein Surfer eine Welle reitet.
Der Surfer zwingt die Welle nicht, er will sie nicht verändern.
Er lernt einfach, wie er sie reiten kann.

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milli
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von milli »

danke bubi9191h, du machst mir mut :-).
wer weiß was noch kommt :-D. wir kommen ja so weit auch prima zurecht. bis auf das ausreiten im moment ;-).
ich warte mal noch auf die tipps von romy.
vielleicht wacht er auch irgendwann noch auf. muss mal ein kleines video von ihm aufnehmen, tiefenentspannt auf dem paddock.
ich werde die nächsten wochen einige eurer empfehlungen ausprobieren und dann berichten. vielen dank!!
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Romy
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von Romy »

milli hat geschrieben:ich warte mal noch auf die tipps von romy.
Tut mir leid, ich schaffe es im Moment leider echt nicht, was Ausführliches zu schreiben. Daher kann ich dir momentan nur ein paar Links geben, die allerdings Englisch sind, ich hoffe das ist okay.

Hier eine eher generelle Beschreibung dazu, sein Training durch Auswahl und Kombination der Übungen so aufzubauen, dass es für das Pferd Sinn macht: Making sense of exercises. Ein bisschen anders aber mMn vom Prinzip her ähnlich - die gewünschte Übung als Weg zum Ziel: Moving towards important things.

Ich sorge also dafür, dass die Sachen, die ich vom Pferd will, notwendig dafür sind um das zu bekommen was es auch will. Witzigerweise wirkt sich das auf die Laufmotivation komplett anders aus als wenn ich zum Beispiel ein Leckerli gebe oder einfach nur Gras pflücke und als Belohnung fürs Traben anbiete. Es kommt also wirklich darauf an, dass das Rennen selbst es ist, was das Pferd zum Ziel bringt. Das habe ich immer wieder beobachtet, auch in anderen Kontexten, zum Beispiel wenn ich Leckerlis vor uns auf die Straße werfe und das Pferd dort hingehen kann, um sich diese zu holen oder als ich vor vielen Jahren mit Titum zum ersten Mal gerittenes Seitwärts erarbeitet habe: Wir haben uns einfach parallel zu einem Maisfeld gestellt und durch Seitwärtsgehen konnte er dort hinkommen, um sich Mais zu pflücken.

Es geht damit also nicht mehr ums "Vorwärtslaufen" oder um die Ausführung irgendeiner Handlung an sich, sondern um das funktionelle Ergebnis der Handlung. Die Handlung oder die Qualität ihrer Ausführung wird Mittel zum Zweck. Meiner Erfahrung nach macht dieses Reframing für Pferde einen Riesenunterschied.

Viel Glück mit deinem Pferd und berichte mal, was ihr letztendlich probiert habt und was euch geholfen hat! :-)
milli
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von milli »

@romy
vielen dank!!!! vom grundgedanken geht das sehr in die richtung, die ich favorisiere. habe mir auch die links angesehen.
allerdings fällt mir nicht so recht ein, wie ich das in die praxis umsetzen kann. vielleicht kannst du mir oder jemand anders hier noch mit ein paar beispielen in bezug auf das ausreiten auf die sprünge helfen?
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Romy
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von Romy »

milli hat geschrieben:allerdings fällt mir nicht so recht ein, wie ich das in die praxis umsetzen kann. vielleicht kannst du mir oder jemand anders hier noch mit ein paar beispielen in bezug auf das ausreiten auf die sprünge helfen?
Ich denke, das kann ganz unterschiedlich aussehen und muss sich nicht notwendigerweise nur auf Futter beziehen - obwohl das natürlich eine einfache und für das Pferd sehr angenehme Variante ist. Viele Pferde lieben es zum Beispiel, wenn man unterwegs immer wieder ganz zufällig versteckte Apfelnester findet. ;) Aber auch andere Dinge können als sinnvoll erlebt werden. Ich kopiere einfach mal einen Abschnitt aus meinem TB im Pferdemenschlein-Bereich.
Eine Zeit lang hatte Pia Angst, alleine von der Koppel weg zu gehen und die großen Pferde dort zurück zu lassen - und wenn Pia etwas nicht will, kann man da oft herzlich wenig machen. Nora hat aber ein Spiel mit Pia: Sie schleicht sich von hinten an und rennt dann so schnell sie kann an Pia vorbei. Da Pia immer die Erste sein will, rennt sie also ebenfalls los und versucht, Nora den Weg abzuschneiden. Nachdem ich also ein paar Tage mit viel Mühe und Geduld aber mit nur kleinen Erfolgen daran gearbeitet hatte, dass Pia mit mir mit läuft, nahmen wir Nora mit und sie probierte ihr Rennspiel - mit dem Ergebnis, dass Pia im Trab die Straße hoch rannte und ohne Angst einen kompletten Spaziergang mit uns machte. Angst und Wildheit passen scheinbar nicht so gut zusammen. :mrgreen:
Daher würde ich als ersten Schritt vorschlagen, dass du versuchst herauszufinden, was dein Pferd mag und was ihm wichtig ist. Das kann zum Beispiel passieren, indem du einfach immer wieder Zeit in der Herde verbringst und die Pferde beobachtest, aber auch indem du dein Pferd einfach aus der Koppel lässt und an einem langen Seil hinterherläufst, während es frei die Gegend erkundet. Für mich ist es immer wieder unglaublich spannend, die Welt meiner Pferde kennenzulernen und auch zu sehen wie stark sich die Pferde da in ihren Vorlieben und in ihrem Explorationsverhalten unterscheiden. Wenn ich dieses Wissen einmal habe, kann ich versuchen, es in unsere gemeinsamen Aktivitäten einzubauen. :-)
milli
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von milli »

huhu romy,
das mit den apfelnestern ist ja eine süße idee :-D . die würden meinem pferdchen mit sicherheit sehr gut gefallen.
ich habe auch schon überlegt womit man ihm denn einen wirklich großen gefallen machen kann. er ist da eigentlich recht einfach gestrickt. er liebt es einfach zu fressen. ich kenne kein pferd, das so schnell wie er so viel gras fressen kann. er kommt mir immer vor wie eine heupressmaschine...grasen ist tatsächlich sein lebenselexier ;)
bei uns beginnt schon das gras zu wachsen. und im moment kann man ihm keine größere freude machen, als ihn grasen zu lassen. er steht sonst im offenstall und auf der koppel steht eigentlich kein grün mehr.
ansonsten ist er keiner der wirklich viel spielt und auch kuscheln findet er eher überflüssig. fremde, rossige stuten findet er noch ganz interessant. aber das wird schwierig, die auf dem weg zu deponieren ;).
ich denke, es wird sich also tatsächlich hauptsächlich auf das futter beschränken. was jetzt im frühjahr mit dem frischen gras aber recht einfach umzusetzen ist.
so wie ich es verstanden habe genügt es aber nicht, ihn einfach auf der strecke 2-3 mal grasen zu lassen; er soll ja besser das aktive laufen und vorwärtsgehen belohnt werden. macht es dann sinn, ihn nach einem flotten trab direkt grasen zu lassen? wird er dann nicht recht schnell lernen, dass flotter trab belohnt und er versuchen wird, möglichst frühzeitig abzubrechen, um an seine belohnung zu kommen?
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Romy
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Re: Pferd sieht keinen Sinn Auszureiten

Beitrag von Romy »

milli hat geschrieben:macht es dann sinn, ihn nach einem flotten trab direkt grasen zu lassen? wird er dann nicht recht schnell lernen, dass flotter trab belohnt und er versuchen wird, möglichst frühzeitig abzubrechen, um an seine belohnung zu kommen?
Das wird er sicherlich - wenn er nicht weiß, dass du schneller bist. Der Trick dabei ist, es nie-niemals erst soweit kommen zu lassen, dass dein Pferd abbrechen möchte (das ist für mich übrigens eines der wichtigsten Dinge im Umgang mit Pferden überhaupt). Für den Anfang heißt das, ganz winzig kurze Trabsequenzen abzufragen, also ihn eigentlich direkt nach dem Antraben wieder zum Anhalten zu bringen und ihn bitten zu fressen. Je klarer dabei wird, dass du das vorschlägst anstatt einfach nur zulässt, umso besser. Stell dir einfach vor du bist auf der Suche nach Gras und dein einziges Ziel ist es, die besten Büschel für dein Pferd zu finden und ihm als Überraschung zu präsentieren. Wenn man als Mensch wirklich (1) schnell und (2) aktiv im Anbieten der vom Pferd favorisierten Option ist, lernen Pferde meiner Erfahrung nach innerhalb kürzester Zeit, dass sie sich nicht mehr selbst kümmern müssen. Das Ziehen zum Gras verschwindet, ihre Reaktionen auf mich werden immer feiner und ihre Geduld immer größer - wahrscheinlich weil sie sich keine Gedanken darum machen müssen "zu ihrem Recht zu kommen", dafür sorge ich ja schließlich.

Hier mal zwei Videos von einem Pferd, das überhaupt nicht laufen wollte. So sah es am Anfang aus - es war wirklich körpersprachliche Präzisionsarbeit nötig, um auch nur einzelne Schritte aus dem Pferd rauszukitzeln. Dann haben wir das mit dem Hinrennen zum Gras eingeführt (also Gras gibt es immer sofort fürs Traben, aber eben auch nur genau dann). Schon am ersten Tag, also nach etwa 10 Minuten, war es schwer, das Pferd vom Traben abzuhalten, er hat richtig gegen die Leine gezogen. Lustigerweise wurde, obwohl die Laufmotivation ja aus dem Wunsch zu grasen entstanden war, das Gras für ihn immer weniger relevant und manchmal habe ich ihn gebeten zu grasen und er hat einfach abgelehnt, weil er weiter rennen wollte. Das war zwar einerseits toll und wir haben das ganze Spiel dann aufs Galoppieren übertragen und sind so viel gerannt wie noch nie. Aber die Herausforderung war dann, wieder Ruhe reinzubringen und mehr aufs Anhalten und Grasen als aufs Rennen zu fokussieren. Hier sieht man ihn schon wieder sehr entspannt, aber Traben stand immer noch hoch im Kurs. ;)

Viel Spaß euch beiden! :-)
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