Brauchen Pferde Menschen...

Moderator: Keshia

Abendsonne

Re: Brauchen Pferde Menschen...

Beitrag von Abendsonne »

Hina_DK hat geschrieben:Oftmals ist das viel schöner, als wenn jemand recht gestresst und nicht so ganz bei der Sache zu seinem Pferd geht und das Pferd spürt, dass es eher das schlechte Gewissen ist, was die Besi dahin getrieben hat, sie aber zwangsläufig ganz wo anders mit den Gedanken ist.
Super umschrieben. Und das ist es auch, was ich lernen musste. Nicht als Pflichtübung reiten oder was machen weil man endlich ein eigenes Pferd hat, sondern aus Überzeugung, Freude und aus ganzem Herzen. Lieber an einem schlechten Tag kuscheln, als dann irgendwas erzwingen.
Es geht ja um die Kommunikation mit dem Besten tierischen Freund!

Das verstehen viele Außenstehende auch nicht. Z.B. beim Spazierengehen, Leute meinen, Pferde sind dazu da um auf ihnen draufzusitzen...

Bei meiner Geschichte mit meiner Stute war das ja so. Sie war in verschiedenen Trainingsställen untergebracht und zu ihrer Turnierzeit musste sie viel leisten und kam unter verschiedene Reiter.
Dann wechselte sie den Besitzer, dieser hatte sie nur 6 Monate und mit einem unschönen Ereignis beendet. Da war sie aber schon aus der Turnierreiterei ausgeschieden.
Sie wurde im Gelände immer heiß geritten, von mir anfangs auch und ich wusste nicht so Recht mit dem Tier umzugehen.
Irgendwann kam der Klick, nachdem ich keuchend auf dem Berg mit ihr stand, die Kandare und das Martingal auf Anschlag und nur noch heulen hätte können.
Von da an fing unsre Umstellung zusammen an, verlief sehr schleppend und auch verschiedene Tips und eine RL konnte mir nicht so richtig helfen. Die RL zuletzt hat mir technisch viel geholfen, aber seelisch und psychisch brauchte die Stute mich. Und ich brauchte sie.
Dazwischen ist noch viel passiert, aber das Ergebnis momentan sieht so aus:

Aus dem distanzierten Pferd wurde eine echte Schmuserin
Aus der stoischen Reiterin wurde ein Mensch, der zuhört und jetzt pferdisch denkt, nicht was mir das Pferd nutzen könnte und was ich alles aus ihm basteln wollte, zugunsten ihrer Pferdeseele die m.M. nach von der Turnierreiterei ganz schön durchgefetzt war.

Ich lernte sie zu führen, ihr Sicherheit zu geben und Verlässlichtkeit, nebenbei habe ich persönlich viel dazugelernt, auch im menschlichen Bereich. Ich habe alte Erinnerungen und Lasten aufgearbeitet und kann ihr jetzt diese Ruhe, Verlässlichkeit und Zugehörigkeit vermitteln.
Auch ihr Leben hat sich sozusagen jetzt stabilisieren können. Fast 10 Jahre die gleiche Herde, vorher immer wieder Umzüge in verschiedene Ställe.
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Luftikus
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Re: Brauchen Pferde Menschen...

Beitrag von Luftikus »

Ich für meinen Teil denke auch, dass es auf das Pferd drauf ankommt. Vielen wird es wohl egal sein, ob "sein" Mensch jetzt bei ihm ist oder nicht. Das Leckerlie zur Begrüßung ist erstmal wichtiger. Das Bespaßen ist auch ganz nett, aber auf uns angewiesen sind sie nicht wirklich. Klar, die Versorgung durch uns brauchen sie, aber uns selber eher weniger. Die Herdengenossen sind da schon wichtiger. Aber wie gesagt, es kommt auf das Pferd drauf an.

Die Stute meiner Bekannten, die ich von 4-jährig bis 11-jährig geritten habe, wurde anfangs in einen Reitstall gestellt damit ich es leichter hatte mit der Ausbildung der Stute. Zuhause hat die Besi nämlich keinen Platz oder eine Halle und so sind wir uns einig geworden, dass sie die Stute in den Reitstall stellt. Ich alleine habe die Stute geritten und mich um sie gekümmert. Gefüttert und gemistet wurde. Auf die Koppel habe ich sie gebracht, da es leider keinen Koppelservice in dem Stall gab. In diesen 1,5 Jahren, in denen die Stute im Reitstall stand, hat sie eine sehr intensive Bindung zu mir aufgebaut. Sie ist allgemein ein sehr vorsichtiges Pferd anderen Menschen gegenüber und sie würde sich niemals von Fremden auf der Koppel einfangen lassen. Selbst wenn ich zur Koppel gekommen bin und jemand Fremdes war dabei, keine Chance, sie kam nicht her bzw. sehr sehr zögerlich. Männer durften sie kaum oder gar nicht nicht anfassen, am Kopf durfe nur die Besi und ich sie anfassen. Selbst meine Freundin, (die die Stute wirklich auch kannte) die mir die Stute mal geputzt hatte, sagte als ich kam: "Den Kopf musst selber putzen, da hat sie mich nicht rangelassen".
Wenn die Stute mein Auto hörte, streckte sie sofort den Kopf aus dem Fenster um mich brubbelnd und blubbernd voller Freude zu begrüßen. Ich musste nix sagen, es hat gereicht, dass ich aus dem Auto gestiegen bin. Sie hat sich also sichtlich über mein Kommen gefreut.
Der Lebensgefährte der Besi (bei dem die Stute schon ein paar mal über den Winter im Stall stand und sie kannte ihn auch) hat die Pferde von der Koppel holen sollen. Die Araberin hat sich noch einfangen lassen, aber die Stute ließ sich von ihm nicht einfangen, sondern rannte von ihm weg, ihre Mutter hat es ihr gleich getan. Nach einer viertel Stunde hat er es aufgegeben und hat der Besi die Botschaft überbracht, sie möge doch selbst ihre Pferde von der Koppel holen gehen.

Meine eigene Stute freut sich zwar auch, ist aber nicht ganz so extrem auf einen fixiert wie die Stute meiner Bekannten. Also: es gibt solche und solche ;)
ehem User

Re: Brauchen Pferde Menschen...

Beitrag von ehem User »

Spannendes Thema - und schon so viel kluges dazu geschrieben - jetzt weiss ich garnicht mehr genau, ob meine Meinung dazu JA oder NEIN ist

Also stell ich mal ne neue These auf ;) - vorraussgesetzt, dass ein PFerd gut versorgt ist und einigermassen artgerecht gehalten wird, kommt es zu Überleben auch ohne enge menschliche Bezugspersonen aus ( sonst würde Pferdezucht in grösserem Rahmen ja auch nicht wirklich klappen, oder?) - ABER - für so etwas wie "geistige Weiterentwicklung", für Aufmerksamkeit, für Erfolge im Training an der Hand und unterm Reiter, für "Zufriedenheit" unterm Sattel - vielleicht braucht ein Pferd dafür "eigene" Menschen?

Ich nehm' mal unseren Haffi als Beispiel - er ist so ein bisschen ein "Kaspar-Hauser-Pferd". Aufgrund von einer Krankheit seiner Vorbesitzerin stand er die ersten 6,5 Jahre seines Lebens auf einer Koppel im Offenstall "rum" - ohne allzu viel Ansprache und ohne "eigene" Menschen. Es hat sich immer jemand gekümmert, Schmied, Wurmkur, Futter, alles gut. Es hat ihn mal jemand geputzt und geführt und ab und zu auch mal anlongiert. Das wars.

Als wir ihn bekommen haben, war er freundlich, friedlich, gut sozialisiert und ein bisschen desinteressiert. Er hatte so einen nach innen gekehrten Augenausdruck, kann ich schlecht beschreiben. So, und dann wurde er bei uns ein REITPFERD mit eigenen Besitzern.... nicht gerade im Stress ;) , aber regelmässig beschäftigt, das ganze immer noch in einer Offenstallherde. Und er hat sich verändert. Sein ganzer Gesichtsausdruck ist anders, sieht man auf Fotos. ER ist aufgeschlossener, interressierter, selbstbewusster.
Er hat Spass an BEschäftigung und er weiss genau, wer ihn nur füttert und wer was mit ihm "macht".

Vielleicht brauchen REITPFERDE ihre Menschen? Vielleicht ist ein autarkes Leben als Zuchtstute auf einer WEide völlig ok, aber dafür ist es ziemlich hart, ein Schulpferd zu sein, was jeden Tag Menschen durch die Gegend trägt, ohne eine Bezugsperson zu haben?

Lg, Trixi
Abendsonne

Re: Brauchen Pferde Menschen...

Beitrag von Abendsonne »

Ich glaube Pferde entwickeln mit dem Lösen ihrer Aufgaben, vorausgesetzt sie bekommen das nötige Lob dazu, so was wie Stolz ihrerseits.
Gegenüber einem Pferd, dass eine Übung nicht kann, verhalten sich solche Pferde m.M.n. gewitzter.
Wenn meine Stute auf dem Podest steht, guckt sie auch ganz selbstgefällig!

Auf der Koppel frisst sie halt den ganzen Tag nur rum oder ruht mal oder rennt eine kleine Runde mit ihren Artgenossen. Wenn man sie rausholt "erlebt" sie ja dabei etwas.
Ich glaube wir Menschen sind eine Bereicherung (wenn wir es richtig machen, oder uns wenigstens Bemühen) ihr Leben ein wenig interessanter zu gestalten.
Schimmelchen
Remonte
Beiträge: 177
Registriert: Fr 1. Jun 2012, 13:14

Re: Brauchen Pferde Menschen...

Beitrag von Schimmelchen »

Wirklich brauchen, wenn alle ihre Grundbedürfnisse wie Artgenossen, Futter und Bewegung gedeckt sind, nein.

Ich denke aber, wenn die Pferde-Mensch Beziehung passt, dann "gewöhnen" sie sich irgendwie an uns ;)

Ich werde nie mein ertstes Pony vergessen; ein Welsh B. Er stand in der Nacht in einer Box und während des Tages in einer großen Wallachherde auf der Weide/dem Paddock. Ein Jahr, nachdem ich ihn gekauft hatte, fuhr ich 10 Tage auf Urlaub. Meine Schwester war in dieser Zeit tägl. bei ihm im Stall. Als ich zurückkam, bin ich nat. als erstes in den Stall gefahren; voller Vorfreude auf mein Pony.
Normalerweise hat er mich immer brummelnd begrüßt und kam auch immer sofort zu mir; egal ob er auf der Weide oder im Paddock war. Tja, dieses mal nicht. Er stand ca. 10 Meter von mir entfert, hat mich direkt angesehen und mir dann den Hintern zugedreht. Es hat fast eine Woche gedauert, bis er wieder von selber auf mich zukam. Der kleine Stinker war total beleideigt :-D

Auch meine jetzigen Ponys kommen von selber, der Große begrüßt mich auch immer mit einem ganz tiefen Brummeln.
Wenn ich ins Paddock gehe, wollen beide immer mit; obwohl sie Gesellschaft und Spielgefährten haben. Ich muss aber dazu sagen, dass ich sie nicht nur zum Arbeiten raushole. Nat. wird der Große auch geritten, aber wir gehen auch spazieren, wenn die Koppeln geschlossen sind, lasse ich sie auch an der Hand grasen, wir streifen quer durch den Wald, machen Bodenarbeit ....
Ich glaube, meine Jungs schätzen die Abwechslung
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