Jungpferd = Atombombe?

Moderator: Sheitana

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Purgatori
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Purgatori »

Und mach langsam, fordere nicht zu viel, egal, ob dich alle anderen auslachen. Du hast noch über 20 Jahre Zeit mit dem Pferd, wenn alles gut läuft. Das ist mir am Anfang auch super schwer gefallen, weil man es von ausgebildeten Pferden ja so gewöhnt ist. Da macht man locker 30-45 Minuten konzentrierte Arbeit in der Halle oder reitet 2-3 Stunden aus. Für dein Pferd ist aber alles neu und demnach anstrengend. Denk mal dran, wie anstrengend die ersten Wochen in einem neuen Job immer sind, so dürfte sich dein Hoppel auch fühlen. Geitner sagt übrigens: "Es sind schon viele Pferde durch Überforderung verdorben worden, aber noch keins durch Unterforderung." Da ist jetzt auch mal nicht so schlimm, wenn sie ihre Energie mal nicht komplett und immer los wird. Mitarbeiten kann man trotzdem und dafür gibts ja die Herde, den Paddock, die Weide. (Sie steht ja hoffentlich nicht 24/7 in der Box, oder?)
ehem User

Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von ehem User »

Hier ist ja schon ganz viel kluges gesagt worden und du hast viele Tipps bekommen - mal eine ganz blöde Frage - was ist dein "Atombömbchen" denn für eine Rasse bzw Mischung???

Nach meiner Erfahrung macht es gerade bei "schwierigen" Jungpferden Sinn, sich mal genau anzuschauen, was sie für Anlagen mitbringen und die eigene Vorgehensweise daran anzupassen.

Ich hatte schon Erfahrung mit Jungpferden und musste trotzdem mit unserem Haffi vieles neu lernen - für ihn muss alles, was von ihm verlangt wird, einen "Sinn" machen. Darauf hat mich unsere Reitlehrerin gebracht, die mal gesagt hat, er ist halt ein "Arbeitspferd". Nachdem wir das endlich kapiert hatten, wurde vieles einfacher. Spielen findet er doof. Spazierengehen auch. Klare Aufgaben sind toll. DAs kannte ich von hochblütigeren Arabermischlingen nicht und auch nicht von eigenwilligen Ponies. Und die sind jeweils in ihren Reaktionen auch sehr unterschiedlich.

Erzähl mal, was sie ist - ich glaub da fällt mir bestimmt was zu ein !

Lg, Trixi
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Schneeeule
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Schneeeule »

[/quote] quote="Sunny77"] Besonders die Reitlehrerin sagte mir, Enia müsse unbedingt schnell unter den Sattel, damit man sie ausreichend bewegen kann. Ich würde mir aber wünschen, sie genau damit noch nicht zusätzlich zu belasten! [/quote]

Das kenne ich nur zu gut, aber lass dich da nicht zu sehr beeinflussen nur weil die anderen das sagen... Als ich damals mein Frieschen (damals vier) übernommen habe wurde mir auch gesagt, der muss was schaffen, der muss ausgepowert (fertig!) gemacht werden, durch den tiefen Acker jagen etc. Ich habe damals genau das Gegenteil getan. Er wurde mir verkauft, da er sich nicht mehr hat einspannen lassen (ist gestiegen, rumgehampelt etc.). Er war sehr unruhig, nervös und ist relativ schnell an die Decke gegangen. Alleine anbinden am Putzplatz ging gar nicht (rumgehampel, nervöses schnauben etc.). Meine damalige RL gab mir den Tipp, ihn erst nochmal komplett zur Ruhe kommen zu lassen und dann langsam! neu aufbauen. Das haben wir dann auch so gemacht. Ich habe ihn die erste Zeit einfach Pferd sein lassen, er war mit den anderen Pferden auf der Koppel und zwei- dreimal/Woche habe ich ihn kurz! rausgeholt, bisschen geputzt und zurück. Das haben wir langsam immer weiter ausgebaut. Ziel war es ihm eine konstante Kontinuität zu bieten, die ihn nicht überfordert. Er gehört zu dem Typ Pferd, dass schnell überfordert ist, bzw kann man glaube ich auch sagen, sich schnell überfordert fühlt und da muss man individuell drauf eingehen (können). Wenn man zuviel und zu schnell was von ihm verlangt oder auch Dinge einfach voraussetzt die er können muss/sollte, wird er nervös, ungehalten, hecktisch-hippelig bis giftig. Vielleicht gehört Enia ja auch zu dem Typ Pferd?
Viele neigen auch dazu wenn das Pferd so aufgedreht ist, der Power noch zusätzlich Power zu geben, ich habe das so gehandhabt, dass ich in dem Moment vesucht habe Power rauszunehmen. Wenn er an der Longe nicht mehr aufhören wollte zu rennen hab ich passiv reagiert, also ihn nicht noch zusätzlich befeuert so nach dem Motto "Du hast Power und willst rennen, o.k., ich heitze Dich noch ein bisschen mehr an, bis Du Dich ausgerannt hast..." . Ich habe versucht Ruhe reinzubringen und ihn für jedes langsamer werden gelobt.
Ich habe sehr viel dadurch gelernt - das wichtigste war vor allem erstmal an mir zu arbeien! Mein Verhalten, meine Gefühle haben sich auf ihn übertragen. Ein gutes Beispiel zum Schluss: Er ist neben mir gelaufen, war hektisch, hippelig, angespannt. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen da Augenscheinlich nichts war, bis ich bemerkte, dass ich mit hochgezogenen, angespannten Schultern neben ihm gelaufen bin. Ich hab sie fallenlassen und schwups, Pferdchens Kopf senkte sich, die Tritte wurden langsamer und ruihger
Liebe Grüße
Eule



Mein Frieschen und ich
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Lottehüh
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Lottehüh »

tara hat geschrieben:klingt ja nicht gerade nach Traumpferd. *tröst* das wird schon.

meine spontane Idee, als ich deinen Satz gelesen habe:
Die einzige Situation, in der sie dieses Verhalten NICHT zeigt ist bei spaziergängen. Da ist sie nett, bleibt neben/hinter mir (aber ohne zu drängeln) und auch ruhig stehen, wenn wir uns was anschauen wollen.
im Prinzip fühlt sie sich bei dir sicher. Das restliche Umfeld macht ihr Stress. Wie groß war die Herde, aus der sie kommt? Wie viel Platz hatten sie? und wie groß ist die Herde, in der sie jetzt ist? Mit wieviel Platz?Vielleicht ist sie damit total überfordert.
Ich sehe genau hier den Schlüssel. Enia ist weder ungezogen noch dominant noch hat sie Hummeln im A..., sie ist einfahc mit irgendetwas überfordert im Stall, auf dem Platz oder was auch immer. Da passt was nicht. Du bist ok, Deine Gesellschaft ist ok, rausgehen ist ok, ihre Erziehung ist ok. Aber dort wo sie zur Atombombe wird, hat sie echt Stress. Deine Aufgabe ist es, herauszufinden, was den Stress auslöst.

Wer hat Umgang mit ihr, wie fühlt sie sich in der Herde, wie ist die allgemeine Stimmung in der Herde, was gibt es am Platz, was sie stressen könnte? Sind es nur die andren Einsteller, die dich unruhig machen und wenn ihr lauft, seid ihr alleine und Du bist ruhig oder steckt noch mehr dahinter?

UND: Du hast ein Pferd das halbwild aufgewachsen ist und sich in der Ausbildungsstallzeit extrem verändern musste. Jetzt hat sie nochmal eine komplette Veränderung. Das stresst. Und zwar sie noch mehr als andere Pferde. Bitte versuche nicht, das "abzuschalten" und sei dankbar, dass sie Dir sagt, dass was nicht passt. Ein Pferd, das alles über sich ergehen lässt und dabei tot wird ist auch Mist.
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
Stjern
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Stjern »

Schneeeule hat geschrieben: Viele neigen auch dazu wenn das Pferd so aufgedreht ist, der Power noch zusätzlich Power zu geben, ich habe das so gehandhabt, dass ich in dem Moment vesucht habe Power rauszunehmen. Wenn er an der Longe nicht mehr aufhören wollte zu rennen hab ich passiv reagiert, also ihn nicht noch zusätzlich befeuert so nach dem Motto "Du hast Power und willst rennen, o.k., ich heitze Dich noch ein bisschen mehr an, bis Du Dich ausgerannt hast..." . Ich habe versucht Ruhe reinzubringen und ihn für jedes langsamer werden gelobt.
Stimmt, das hatte ich gar nicht mehr in Erinnerung. Das habe ich bei meinem Jungpferd auch so gemacht.
Der Weg noch mehr Power reinzugeben war bei meinem mehr als kontraproduktiv. Auch weil er zuchtlinienbedingt gerade im Galopp enorme Reserven hat.
Wobei ich immer zugesehen habe, dass er sich dennoch viel Bewegen kann. Ruhe reinbringen hat nun nicht bedeutet, dass er nur noch alles (Bodenarbeit und Reiten) im Schritt machen musste. Ich habe immer versucht Trab und Galopp mitzuführen. Aber eben ohne Stress.
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Heupferdchen
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Heupferdchen »

Sunny77 hat geschrieben: Sie war bis 3 1/2 "halbwild" aufgewachsen und niemand kam so richtig mit ihr klar. Für's Füße machen oder den Tierarzt wurde sie sediert, am Halfter stieg sie und riss sich los...
Hmm, es nützt zwar dem Pferd nichts, einen Stempel aufzudrücken, trotzdem würde ich dein wunderhübsches Stütchen als "Problempferd" abstempeln.

... es ist einfach Mist, wenn die in jungen Jahren schon solche Erfahrungen machen. Aber offensichtlich war sie so massiv in ihren Reaktionen, dass die Besitzer professionelle Hilfe holen mussten.
Sunny77 hat geschrieben: Nun ist Enia seit ihrem Umzug zu uns wirklich wie ausgewechselt.
Sie ist hyper-nervös, an konzentrierte, gymnastische Handarbeit ist nicht zu denken. Sie schlägt kurz und heftig mit dem Kopf, rempelt mich um, weicht, bleibt nicht stehen, läuft beim Führen an mir vorbei, Schulterkontrolle=0 (egal ob mit Berührung oder an der Longe).
Die einzige Situation, in der sie dieses Verhalten NICHT zeigt ist bei spaziergängen. Da ist sie nett, bleibt neben/hinter mir (aber ohne zu drängeln) und auch ruhig stehen, wenn wir uns was anschauen wollen....
Ich denke nicht, dass du jetzt jemanden brauchst, der gymnastische Handarbeit mit ihr macht. Ich denke, ein guter, sensibler Bodenarbeitstrainer wäre die richtige Wahl. Ist die Trainerin, die Enia beim ersten Mal zur Korrektur hatte, nicht eine gute Wahl?

Ich könnte mir vorstellen, dass dein Pferd stark verunsichert ist. Aber das kann man aus der Ferne schwer beurteilen. Da muss jemand vor Ort ran.

Mittelfristig würde ich mich fragen, ob du dieses Pferd dauerhaft händeln kannst/willst. Oft wird das wieder richtig gut - aber ab und an bleibt eben doch was zurück aus so einer Vorgeschichte. Und weil du selbst noch recht unerfahren mit Jungpferden scheinst, bedeutet das eben auch teure Trainerkosten für dich.

Es kann sein, dass sie sich im Zweifelsfall in kritischen Situationen immer gegen dich entscheiden wird. Das muss man dann so nehmen, wie es ist, auch, wenn man nicht das brave Ausreitpferd bekommt, das man sich eigentlich gewünscht hatte ...
ehem User

Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von ehem User »

Heupferdchen hat geschrieben:Hmm, es nützt zwar dem Pferd nichts, einen Stempel aufzudrücken, trotzdem würde ich dein wunderhübsches Stütchen als "Problempferd" abstempeln.
Mit Verlaub - das halte ich für ausgemachten Blödsinn. Es gibt keine Problempferde. Es gibt Problembesis, Problemställe, Problemtrainer und andere Problemmenschen. Und dann bekommen diese Problemmenschen Probleme mit ihren Pferden, weil diese - in der Regel einfach und unkompliziert - pferdisch und artgerecht reagieren, als Reaktion und Spiegel auf problematische Haltungsbedingungen und Verhaltensweisen, die die Menschen ihnen bieten. Aber Problempferde an sich, diese Vokabel sollte man mMn aus seinem Wortschatz verbannen.....
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tara
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von tara »

Heupferdchen hat geschrieben: Ich denke, ein guter, sensibler Bodenarbeitstrainer wäre die richtige Wahl. ...
aber nicht einer, der mit dem Pferd arbeitet, sondern einer, bei dem Sunny unter Aufsicht und Anleitung vertrauensbildende Maßnahmen mit dem Pony erarbeiten kann.
Liebe Grüße
tara
☮️ 🇺🇦 🇮🇱

Ändere deine Einstellung zu den Menschen, und die Menschen ändern ihre Einstellung zu dir.
Samy Molcho



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ehem User

Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von ehem User »

sic! :-n :-n :-n
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Sunny77
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Re: Jungpferd = Atombombe?

Beitrag von Sunny77 »

So viele Antworten :) Ich hoffe ihr verzeiht mir, wenn ich nicht wieder per Zitat auf jeden Einzenen eingehe ;)

Insgesamt sehe ich die Notwendigeit Enia noch mehr/besser zur Ruhe kommen zu lassen und an mir persönlich zu arbeiten.
Da ich mit Tara gestern noch telefoniert habe, weiß sie schon mehr als Andere. Ich habe - rein testweise - die Reitlehrerin mal gebeten mit Enia in's Roundpen und die Halle zu gehen und zu schauen, ob die mit ihr ebenso zappelig ist wie mit mir.
Das Ergebnis: Enia sei total nett, sie versteht mein Problem nicht so richtig...
Ergo: Ich bin im Umgang mit Enia in bestimmten Bereichen SO angespannt, dass sie mich zu 100% spiegelt. Mein Plan ist nun also tatsächlich Enia nur für die Dinge aus dem Paddock zu fischen, die gut laufen und die uns beide enger zusammen schweißen. und ein bis maximal 2x die Woche werde ich gemeinsam mit Enia Unterricht nehmen - in der Hoffnung, dass ich mich besser entspannen kann und sie mich besser verstehen.
Dabei werde ich keine besondere Aufmerksamkeit auf Gymnastizierung oder Ausbildung legen, sondern auf Vertrauen, Respekt und Spaß an der gemeinsamen Zeit. Und wenn ich mit der Reitlehrerin nur clickere - egal!
Wenn ich mir ein Pferd halten will zum spazieren gehen und clickern - dann mache ich das. Egal, was die anderen Einsteller sagen!

So! :) Und nun fahre ich bei blauem Himmel und bestem Wetter zu meinem Pony und gehe ein bisschen mit ihr raus!

Danke für Eure Gedanken und Anregungen!

Ach ja, und bevor ich das vergesse: Die Haltung ist so optimal, wie es halt im Rahmen meiner Möglichkeiten geht. Enia steht 24 Stunden in einer leider sehr großen Herde auf einem teils befestigten Paddock, teils ist der Paddock extrem schlammig. Groß genug wäre er allemal, aber die Pferde gehen nicht gerne vom befestigten Teil weg. Futterplatz ist mehr als genug, nachts wird die kleine Reithalle als Liegefläche geöffnet. Gefüttert wird Heu-Silage, was nicht optimal ist, aber bei fast 50 Pferden leider nicht anders handhabbar. Natürlich ist Enia noch am Ende der Kette und wird viel gescheucht, aber im Großen und Ganzen geht alles um sie herum mit viel Harmonie von statten. Sie wird wenig ernsthaft malträtiert. Da Enia in einer großen Herde aufgewachsen ist, gehe ich davon aus, dass ihr diese Haltungsform auf jeden Fall "am liebsten" ist. Die erzwungene Einzelhaft im Eingliegerungs-Paddock war für sie keine einfache Zeit...
Liebe Grüße,
Sunny
Eine unerwartete Reise
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