Reitunterricht ---> Was erwartet Ihr???

[jella]

Ich habe mal eine Frage, die mich schon länger beschäftigt, und zwar, was wird bei Euch im Reitunterricht gemacht?
Wieviel Abwechslung wird Euch geboten und wie wird dies vermittelt?
Werden auch mal Dualgassen aufgebaut oder Stangen? Wie wird erklärt? Von der Bande aus oder kommt der Reitlehrer zu Euch?

Würde mich freuen, von Euch ein Feedback zu hören. Ich hatte heute ein sehr interessantes Gespräch, dass mich sehr zum Nachdenken angeregt hat und daher die Idee diese Frage mal in den Raum zu stellen!

[ehem User]

Hm, schwierige Frage, finde ich. Eigentlich ganz einfach: Wenn Du den/die richtige/n RL gefunden hast der/die den richtigen RU für Dich gibt, dann merkst Du´s, dann stimmt es einfach, dann kommt der Flow und die Fortschritte von ganz alleine und es fühlt sich wunderbar an. Aber an der Antwort merkst Du schon, dass es eben doch nicht so einfach zu beschreiben ist.

Vielleicht fängt es damit an, dass die RL die richtigen Fragen stellt und anhand einiger Fragen und Aufgaben für Dich und Dein Pferd erkennt, wo ihr mit dem RU ansetzen müsst. Dann muss natürlich auch die Chemie zwischen RL, Dir und dem Pferd stimmen und natürlich auch die "Richtung", also klassisch, Western, Englisch, Wasweißisch. Im Umgang mit dem Pferd solltet ihr in euren Ansichten auch nicht allzu weit auseinander liegen.

Meine RL läuft fast die ganze Zeit neben uns her, also nicht daß sie an uns klebt, aber sie läuft im Zirkel und in der Bahn mit. Sie stellt Aufgaben und korrigiert meine Ausführung, steigert oder senkt die Schwierigkeit je nachdem wie gut Pferd und ich zurecht kommen. Sie ermuntert und lobt uns beide ganz viel und motiviert mich, wenn ich verdrossen bin weil etwas nicht klappt. Es ist immer sehr intensiv für uns alle drei. Manchmal fordert sie mich auch auf, mich selbst oder Pferd mehr zu fordern. Stangen, Cavalettis o.ä. benutzen wir selten, eigentlich reiten wir die ganze Stunde Zirkel, Volten, ganze Bahn, aber wir haben uns noch nie eine Sekunde gelangweilt. Sie erklärt viel, Warum und Wieso, Zusammenhänge, greift auch mal ans Pferd oder an mich, um eine Verspannung zu lösen (sie ist auch Osteopathin) oder eine Bewegung zu korrigieren. Natürlich kann ich jederzeit Fragen stellen und bekomme immer gute Antworten. Und ich kann selbst Wünsche äußern und den Unterricht mitgestalten. Jede Einheit dauert so lange, wie sie eben dauert, bis wir alle drei zufrieden sind, das kann nach einer halben oder eineinhalb Stunden sein.

[Biggi01]

Ich erwarte auf jeden Fall, dass mein Reitlehrer beim Reitunterricht 100%ig für mich da ist. Also nicht telefoniert, mit anderen Leuten redet ect.
Mein RL steht in der Reitbahn beim Unterricht, läuft auch mal ein Stück mit, ... Wenn er etwas erklärt, lässt er mich neben sich anhalten und erklärt in Ruhe und ausführlich. Das finde ich angenehm, ich kann nicht gut gleichzeitig reiten und zuhören .
Stangen, Pylonen u. Ä. benutzen wir nicht. Ich reite viele Bahnfiguren und Übungen, langweilig ist es nie. Eher im Gegenteil, ich muss mich sehr konzentrieren.
Für mich ist eine entspannte Unterrichtsatmosphäre sehr wichtig, weil ich selbst eher ehrgeizig und schnell gestresst bin, wenn was nicht gleich so klappt. Da brauche ich es nicht, dass mein RL mich noch zusätzlich unter Druck setzt.

Erfolgserlebnisse sind natürlich immer schön, und motivieren zum Weitermachen.

Ansonsten finde ich es auch noch wichtig, dass mal Zeit ist, um Fragen zu stellen, Wünsche zu äußern usw. Das alles klappt nur, wenn man sich auch menschlich einigermaßen sympatisch ist, denke ich.

Und weil ich selbst viel lese und überlege , brauche ich auch einen RL, der Erfahrung und viel theoretisches Wissen hat, damit ich mir auch was sagen lasse .

[Biggi01]

Ach ja, und die Reitweise, die Philosophie muss natürlich zu den eigenen Wünschen und Vorstellungen passen.

Ich habe zur Zeit auf einem Leihpferd Unterricht, aber ich kann das gelernte immer sehr gut bei meinem Pferd umsetzen.

[jella]

Ich finde Eure Antworten sehr interessant u. genau das war Thema des gestriges Gespräches. Ich wünsche mir auch, dass man mal Hand anlegt, um besser erklären zu können. Für mich gut zu wissen, dass es anderswo genauso läuft, wie ich mir das wünsche.

[Keshia]

Vielleicht fängt es damit an, dass die RL die richtigen Fragen stellt und anhand einiger Fragen und Aufgaben für Dich und Dein Pferd erkennt, wo ihr mit dem RU ansetzen müsst.

Den Punkt finde ich persönlich beim Reitunterricht sehr wichtig. Am Anfang sollte eine Art Anamnese, ein Kennenlernen stattfinden. Der Trainer sollte sich angucken, was Ist-Stand ist, und dann sollte gemeinsam besprochen werden, woran man arbeiten möchte. Hierbei wünsche ich mir vom Reitlehrer, daß er mir plausibel erklären kann, warum Schritt A vor Schritt B kommt. Ich gehe da mit Biggi Fundiertes theoretisches Wissen sollte da sein, damit man sich was sagen läßt.
So werden Ziele gesetzt. Bei den Zielen finde ich es wichtig, daß sie für mich meßbar sind. Ich möchte mich nicht darauf verlassen, daß der Reitlehrer sagt: Super! Ihr seid besser geworden, das Pferd geht mehr über den Rücken!, wenn ich selber das gar nicht merke. Ein guter Trainer gibt mir Anleitung, damit ich selbst überprüfen kann, ob ich Fortschritte mache oder nicht.

Daher sind für mich die Ziele, die im Unterricht gesetzt werden, eigentlich der Dreh- und Angelpunkt. Das Erreichen von Zielen motiviert, und das Ganze bekommt etwas mehr Struktur. Leider fehlt mir genau das bei vielen Trainern, wenn ich da so an meine vergangenen zurück denke.

[kolyma]

Meine RL arbeitet auch nicht mit Stangen und Pylonen. Wir reiten auch hauptsächlich Bahnfiguren - diese aber korrekt und so lange das Pferd körperlich und geistig nicht in der Lage ist bestimmte Übungen auszuführen, werden sie auch nicht gemacht.
Sie orientiert sich sehr am Pferd und der Ausbildungsskala. Mein Pferd ist ja in der Ausbildung und von daher achtet sie peniebel darauf, dass er für schwierigere Aufgaben ordentlich vorbereitet wird.
Sie läuft mit, erkennt sehr schnell Probleme und korrigiert immer so, dass es auch für mich absolut nachvollziehbar bleibt.
Sie achtet darauf, dass das Pferd losgelassen ist, dass das Training sinnvoll aufeinander aufbaut und dass die Stunde für Pferd und Reiter mit Erfolgserlebnis endet.

Vor allem mein Pferd mag sie auch sehr und gibt sich sehr viel Mühe bei ihr. Ich hab das Gefühl, dass er nach jeder Stunde vor Stolz ein Stück größer wird. Und was besseres kann ich mir eigentlich nicht wünschen.

[calista]

die "Richtung", also klassisch, Western, Englisch, Wasweißisch.

Es gibt aber auch reitweisenunabhängigen (jetzt habe ich es schon mit "ai" geschrieben) Unterricht. Den habe ich bei Physio-Riding gefunden. Da geht es um gesundes Laufen und der Fokus liegt darauf. Wir arbeiten seit einem halben Jahr daran, zuverlässig den Rücken herzugeben und Anlehung an die Hand zu suchen. Das ist vorher leider verschludert wordern. Pylonen, Stangen, Dualgassen werden verwendet, nach dem Reiten der Rücken kontrolliert, die Muskulatur wird bewertet und ich bekomme von jeder Einheit einen schriftlichen Bericht mit Anleitung für Massagen (mit manueller Anleitung natürlich) und Reitübungen, Handarbeit, Langzügel.

[ehem User]

Für mich gut zu wissen, dass es anderswo genauso läuft, wie ich mir das wünsche.

Das hat bei uns 6 Jahre und zahllose RL-Versuche gedauert.

@Biggi und Keshia: Fundiertes theoretisches Wissen bei RS und RS sind natürlich gut und wichtig, aber bei uns war letztenendes das Gefühl und das Gespür für die Situation ausschlaggebender. Meine RL fragt ganz oft nach meinem Gefühl für mich und das Pferd (also nach meinem körperlichen Gefühl, der Balance und der Bewegung, nicht ob ich Pferd lieb habe ) und gibt mir dann Hinweise, ob mein Gefühl mit ihren Beobachtungen übereinstimmt. Und sie kann auch ganz klar benennen, worin sie unsere Fortschritte sieht und wo nicht. Der Nachteil daran: Sie sieht auch ganz genau, ob wir zwischen den RS geübt haben oder nicht

@calista: Naja, das fängt aber schon mit dem Zaumzeug und Sattel, Zügelhilfen und Sitz an, ohne Gebiss wirst Du z.B. keine Legèreté nach P.K. reiten können, und in einem Westernsattel nur bedingt eine englische Dressur oder springen. Die Reitweisenübergreifenden Dinge sind mehr die Gymnastizierung, und selbst da werden ja im Western z.B. ganz andere Ziele verfolgt und andere Übungen gemacht. Reitweisenübergreifend ist ein schöner Weg, aber auch eine Modeerscheinung und es hat mMn schon seine Grenzen.

[calista]

Ich stimme Dir da völlig zu. Bei Physio-Riding gehts tatsächlich um gesunde Korrektur und dieser Unterricht macht sich selber überflüssig (sprich die Abstände zwischen den Einheiten werden größer, je besser das Pferd läuft mit dem Ziel, Physio Rding nicht mehr zu benötigen). Es ist keine Reitausbildung im Sinne von Lektionen lernen sondern nur von "das Handwerkszeug bekommen, um Lektionen gesund fürs Pferd reiten zu können".