Ich glaube aber nicht, dass das etwas mit Dominanz oder fehlender Dominanz zu tun hat.Lottehüh hat geschrieben:Trotzdem hat sie keine Lust, einen höheren Rang in der Herde einzunehmen.
Nicht jedes Pferd strebt danach Chef zu sein... Und nicht jedes Pferd, das ranghoch ist ist gleich dominant gegenüber dem Menschen... Ich beschreibe zur Verdeutlichung mal die (Ex-)Mitglieder unserer Herde.
Bis vor Kurzem hatten wir einen Wallach in der Herde. Er war lange Hengst und war immer und sofort unangefochten Chef in jeder Herde. Auch in seiner Neuen. Dabei beschützt er die Herde und sorgt dafür, dass es keinen Streit gibt. Er ist höchst dominant und setzt das in der Herde auch durch (wenn auch IMMER ohne Schlagen und Beißen. Er ist einfach so souverän, dass der das nicht nötig hat). Er ist wirklich immer nach kürzester Zeit Chef, auch bei Herden, wo die Chefs ihre Position eigentlich verteidigen wollen würden.
Dem Menschen gegenüber ist er höchst vorsichtig, er weicht lieber einmal zuviel als zu wenig, würde nie Rempeln oder Überholen, ist höchst zuvorkommend und schmeichelnd. Würde man ihn anschreien würde man ihn (aufgrund seiner Vergangenheit) in Todesangst versetzen.
Zum Ende hin war er soweit, dass er auch beim Menschen - immer noch höchst schmeichelhaft - seine Dominanz kund tat, er war Meister im Leckerlies erbetteln... Dennoch hätte ihn niemand als dominant eingeschätzt.
In unserer Herde steht noch eine alte Tinkerstute, irgendwas Ü20. Sie hat und hatte nie den Drang Chef zu sein. Auch sie würde ich nach o.g. Definition als dominant einschätzen. Sie weiß was sie will und wo sie steht und ist auch durchaus bereit, ihre Wünsche gegen den Menschen durchzusetzen, auch vehement wenn nötig. Trotzdem steht sie in der Herde nicht sonderlich hoch.
Sie hat in der Zeit als die Leitstute beim Hengst war die Führung übernommen und den Jungpferden damit Sicherheit gegeben. Nicht, weil sie unbedingt wollte, aber anscheinend sah sie es als ihre Aufgabe an während der Zeit, wo die Leitstute fehlte. Als diese zurück kam trat sie sofort wieder von diesem Posten zurück.
Die Leitstute selbst würde man vermutlich nur bedingt als dominant einschätzen. Sie kann durchaus auch ihren Kopf vehement gegen den Menschen durchsetzen, hat das aber einfach nicht nötig. Wir kommunizieren auf einer Ebene, die das einfach nicht nötig macht. Zu Kindern ist sie ein Lamm und auch sonst in der Regel zu Menschen nett. Erwartet aber von denen, die mit Pferden umgehen bzw. reiten können durchaus Korrektheit.
Meine Jungstute, Tochter der Leitstute ist das, was ganz viele Reiter wohl als dominantes Miststück bezeichnen würde. Ich bin sicher, dass sie in falschen Händen Beißen, Treten und Steigen und gnadenlos ihren Kopf gegen den Menschen durchsetzen würde. Im Grunde ist sie nicht viel anders als ihre Mutter, aber sie ist erst im besten Teeniealter, strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und "was kostet die Welt" und hat ihr Leben lang gelernt, dass sie durchaus auch ihre Rechte hat.
Im Grunde ist auch die Rangstruktur gar nicht immer so fest. Es ist bei uns deutlich, dass die Leitstute ebendiese ist und die Herde führt. Heißt aber nicht, dass sie nicht auf mal aus dem Weg geht, wenn z.B. eines der Jungpferde spielen will und sie darauf keine Lust hat. Oder wenn jemand Anders unbedingt der Meinung ist DA schmeckt das Heu jetzt besser...
Und ich denke, jetzt kommen wir an einen weiteren wichtigen Punkt:
Entscheidend, ob ein Pferd dominant gegenüber dem Menschen ist oder nicht ist doch letztlich die Haltung und der Umgang.
Die Tinkerstute z.B. war nur sehr schwer zu führen in ihrem alten Stall. Ganz oft riss sie sich los und rannte zum nächsten Grün. Seit sie bei uns in der Herde ihren festen Platz gefunden hat und ihre Ruhe ist sie wie ausgewechselt. Auch die Besitzerin ist angekommen und dadurch natürlich auch anders in ihrer Einstellung.
Ich selbst halte mich für einen Menschen, der in gewisser Weise doch recht strenge Regeln aufstellt im Umgang mit dem Pferd. So erwarte ich im Umgang schon viele Dinge, die einfach sein müssen. Trotzdem ist das Verhältnis zu meinen Pferden vor Allem durch Freundschaft geprägt. So haben wir z.B. keinerlei Probleme im Umgang miteinander, trotz nach landlaufiger Meinung äußerst dominanter Pferde, während andere im Stall sich immer wieder mit einfachsten Dingen "quälen" müssen.