Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Moderator: Keshia

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Romy
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Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Romy »

Angeregt durch die Diskussion im Thread Spazierengehen und ein zwischenmenschliches Erlebnis von heute gehen mir gerade mal wieder ein paar Gedanken und Fragen zum Thema Dominanz durch den Kopf. Unter anderem frage ich mich dabei, welche Relevanz dieses Konzept für die Pferd-Mensch-Beziehung hat - also weniger ob es relevant ist, sondern wirklich eher auf welche Weise. Kurz vorab: Für mich ist Dominanz etwas, das eher mit der Selbstwahrnehmung im Sinne von stark, eigenständig, handlungswirksam oder ähnlichen Dingen zu tun hat als mit einem Vergleich im Sinne von "besser als der andere". Mir ist klar, dass es da auch gegenteilige Definitionen gibt. Ich denke allerdings, dass diese Unterscheidung für meine nachfolgenden Argumente keine sonderlich große Bedeutung hat.

Zunächst mal glaube ich ganz sicher, dass die meisten Verhaltensweisen von Pferden, die oft als "dominant" interpretiert werden, nicht wirklich was mit Dominanz zu tun haben. Wenn ich entscheide, wie ich auf ein unerwünschtes Verhalten meines Pferdes reagiere, habe ich nie das Gefühl, dass die Frage nach der Dominanz mir dabei irgendwie behilflich wäre. Die meisten Probleme lassen sich für mich klären, wenn ich mir klar darüber werde mit welchem Verhalten des Gegenübers ich gut klar komme und durch welche Verhaltensweisen dafür sorgen, dass ich mich nicht mehr wohl fühle. Und genau das versuche ich dann eben auf eine Art und Weise zu vermitteln, die dem Pferd genau das zeigt: "ICH fühle mich nicht wohl" (im Gegensatz zu "DU machst das verkehrt"), optimalerweise in Kombination damit, dass ich alternative Verhaltensweisen anbiete und bestärke, mit denen ich mich wohl fühle. Ich glaube, dass ich diese Botschaft relativ interpretationsunabhängig sende, also sowohl in Situationen, in denen das Pferd das Verhalten aus Enthusiasmus zeigt oder infolge nicht gelernter Umgangsregeln oder aus Angst oder Ärger oder warum auch immer.

Obwohl Dominanz für mich also keine direkte Handlungsrelevanz hat, finde ich das Konzept sehr spannend. Ich glaube durchaus, dass es sowohl bei Pferden als auch bei Menschen mehr oder weniger dominante Persönlichkeiten gibt. Ich persönlich mag es sehr, mit dominanten Personen zu tun zu haben, egal ob Pferd oder Mensch. Mir gibt das die Sicherheit, dass der andere für sich selbst aufkommt, was mir insofern wichtig ist, weil ich selbst eine sehr dominante Person bin (wenn auch nicht offensiv unterbutternd sondern eher ruhig und freundlich, aber eben sehr klar in Bezug auf die Dinge die ich will). Damit gehe ich im Umgang mit anderen ständig die Gefahr ein, dass die Dinge so laufen wie ich es will und gegenteilige Vorlieben des anderen übergangen werden. Zum Beispiel fällt es mir total leicht, ein Pferd dazu zu bringen, das zu tun was ich will. Das geschieht zwar meist in einer fröhlich-belohnungsbasierten Weise, aber das Ergebnis ist trotzdem, dass ICH am Ende mein Ziel erreicht habe.

Mein (sehr un-dominanter) Titum zum Beispiel liebt es, spazieren zu gehen und findet Bodenarbeit auf der Koppel nur mäßig spannend. Trotzdem kann ich ihn in Zeiten, in denen ich zu faul zum Spazierengehen bin, dazu bringen, freiwillig auf der Koppel mit mir zu arbeiten und komplett auf Spaziergänge zu verzichten. Ich glaube noch nicht mal, dass er dabei unglücklich ist. Aber das wobei er wirklich aufblüht bleibt dann eben außen vor. Summy und Pia dagegen sind beides sehr dominante Persönlichkeiten. Das macht mir den Umgang mit ihnen leichter, einfach weil ich mich darauf verlassen kann, dass wenn sie etwas mit mir machen sie das auch wirklich wollen und dass ich es deutlich zu spüren bekomme, wenn sie es nicht wollen. Für mich die perfekte Situation, denn dann kann ich frei agieren, ohne mir ständig Sorgen zu machen, ob das für den anderen gerade okay ist.

Mein Hauptziel im Umgang mit Pferden ist, dass sie sich stark fühlen, also eine gewisse Dominanz entwickeln. Und selbst wenn das bedeuten würde, dass sich mein Pferd mir überlegen fühlt... so what? Ich genieße das sogar, dass Summy der Chef unserer Herde ist und mich beschützt, oder dass Pia die Prinzessin ist, um die sich scheinbar ihrer Meinung nach das gesamte Universum dreht. Auf bestimmte Verhaltensregeln einigen können wir uns völlig unabhängig davon trotzdem. Aber keine Bravheit und Anschlussfreudigkeit dieser Welt könnte mir so viel bedeuten wie einfach beobachten zu können, wie ein Pferd diese starke, in sich selbst vertrauende Ausstrahlung von "Ich kann!" an den Tag legt. :-)

Mich würden eure Meinungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit Dominanz interessieren, sowie eure Ansichten darüber ob man so ein Konzept überhaupt braucht, ob es für euer Verhältnis mit euren Pferden eine Rolle spielt und wie ihr damit umgeht.
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Heupferdchen
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Heupferdchen »

Interessant - ich hatte ähnliche Gedanken beim Lesen des o.g. Threads.

Ich denke nicht, dass sich - wie häufig unterschwellig suggeriert wird - Dominanz und Kommunikation ausschließen. Ich kann ein Gespräch dominieren, und mein Gesprächspartner kann das trotzdem gut finden. Beispielsweise, weil ich etwas gefragt worden bin und er von mir eine ausführliche Antwort erhofft.

Diese fixe Idee, dass jeder der (Gesprächs-)partner 50 % einbringen sollte, passt schon auf viele Mensch-Mensch-Konstellationen und Situationen nicht. Und auf Mensch-Pferd-Konstellationen vielleicht noch weniger -

Und wer von uns dominiert nicht in der Beziehung zu seinem Pferd, tun wir doch dauernd Dinge mit ihnen, auf die sie nie und nimmer selbst kommen würden. Bringe ich mein Pferd in eine solche Situation, kann er von mir erwarten, dass ich ihn insofern dominiere, als dass ich ihn da durchführe.

Wie viel Dominanz braucht (m)ein Pferd?
In unsicherer Umgebung stellt mein Pferd ganz andere Ansprüche an mich als dann, wenn er sich sicher oder einer Situation gewachsen fühlt. Und mit Sicherheit spielen Pferdetyp und Pferdecharakter eine große Rolle. Mein eher unsicheres Pferdchen fühlt sich sicherer, wenn ich konstant 'da bin'. Ein selbstbewusster Brocken Pferd stellt da mit Sicherheit andere Ansprüche und will auch anders behandelt werden. Trotzdem schadet auch da ein bisschen Persönlichkeit nicht (und führt vielleicht erst dazu, dass uns dieses Pferd überhaupt für voll nimmt).
Romy hat geschrieben: Mein Hauptziel im Umgang mit Pferden ist, dass sie sich stark fühlen, also eine gewisse Dominanz entwickeln. Und selbst wenn das bedeuten würde, dass sich mein Pferd mir überlegen fühlt... so what? Aber keine Bravheit und Anschlussfreudigkeit dieser Welt könnte mir so viel bedeuten wie einfach beobachten zu können, wie ein Pferd diese starke, in sich selbst vertrauende Ausstrahlung von "Ich kann!" an den Tag legt. :-)
Ja, das ist etwas wirklich schönes! Und das wünsche ich mir auch!

Mein Pony ging früher nicht gern mit mir raus. Nicht, dass er irgendwie widersetzlich oder gefährlich gewesen wäre. Aber man hat ihm angemerkt, dass er sich unsicher und unwohl fühlt. Die Spaziergänge waren ein ständiges Fragen und Vergewissern, ob denn alles in Ordnung ist. Dass wir trotzdem rausgehen, wurde ganz dominant von mir beschlossen.

Inzwischen fällt mir auf, dass ich ihn mehr und mehr draußen alleinlassen kann, mich mehr und mehr zurücknehmen kann. Denn jetzt kann er mit bestimmten Dingen schon selbst umgehen.

Der 'Spaß am Rausgehen' war aber schon früher da. Als der raus hatte 'Die regelt das für mich!', war rausgehen plötzlich der Hit. Und ich liebe dieses schnelle Wechseln zwischen Angst, Entspannung und Neugier.

Dominanz als 'besser als der andere': Hmm, ja, ich glaube schon, dass ich bestimmte Dinge besser kann als mein Pferd. Beispielsweise die Gefährlichkeit von Müllfahrzeugen, Joggern und Schneepflügen einschätzen.

Und es gibt bestimmte Dinge, die ich einfach von meinem Pferd will - vom Hufauskratzen über Kooperation beim Schmied bis hin zur Wurmkur. Aber ich habe bei meinem Pferd nie das Gefühl, dass der da irgendwas dagegen hat - wenn das ganze in 'seinem' Tempo passiert, ich ihn ständig 'lese', mein Verhalten ihm anpasse, scheint ihn das nicht zu stören. Im Gegenteil.
Mir gehts ähnlich wie dir, Romy: Ich kriege sehr häufig von meinem Pferd, was ich möchte. Ist das jetzt 'Dominanz'?
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Romy
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Romy »

Heupferdchen hat geschrieben:Ich denke nicht, dass sich - wie häufig unterschwellig suggeriert wird - Dominanz und Kommunikation ausschließen. Ich kann ein Gespräch dominieren, und mein Gesprächspartner kann das trotzdem gut finden. Beispielsweise, weil ich etwas gefragt worden bin und er von mir eine ausführliche Antwort erhofft.

Diese fixe Idee, dass jeder der (Gesprächs-)partner 50 % einbringen sollte, passt schon auf viele Mensch-Mensch-Konstellationen und Situationen nicht. Und auf Mensch-Pferd-Konstellationen vielleicht noch weniger
Ich denke das hat zu einem großen Teil damit zu tun, ob der "Dominierte" das Gefühl hat, dass er freiwillig in dieser Rolle ist. Ich habe zum Beispiel einen guten Freund, der sehr dominant ist - und ich genieße das sogar. Aber ich habe bei ihm auch nie das Gefühl, dass er mich unterdrückt oder dazu zwingt, irgendwelche Dinge zu tun, sondern eher, dass er einfach gute Ideen hat und ich da problemlos mitgehen kann.

Dennoch möchte ich in meinem Umgang mit meinen Pferden explizit nicht die dominante Rolle einnehmen, egal wie positiv, einfach weil mein Hauptziel ist, dass sie selbst starke Persönlichkeiten werden oder bleiben, die aktiv unser Training gestalten.

Allerdings ist das bei uns wie du schon sagst auch sehr situationsabhängig - meistens entscheidet derjenige, dem die Sache um die es geht am wichtigsten ist. Wenn ich beim Spaziergang zum Beispiel merke, dass Titum in eine bestimmte Richtung will, schließe ich mich ihm meistens an und folge ihm. Wenn mir dagegen eine Richtung wichtig ist, gehe ich da einfach ganz überzeugt hin und er folgt mir. In den meisten Fällen erfolgt diese Koordination ganz automatisch und es passiert fast nie, dass wir da eine explizite Entscheidung drüber treffen müssen.
Heupferdchen hat geschrieben:Mir gehts ähnlich wie dir, Romy: Ich kriege sehr häufig von meinem Pferd, was ich möchte. Ist das jetzt 'Dominanz'?
Weiß ich nicht, ich kenne ja dein Pferd nicht. :-) Wenn ich von Pia kriege was ich will, dann hat das rein gar nichts mit meiner Dominanz zu tun sondern dann tut sie das, weil sie es selbst gern will und es für eine gute Idee zu befinden scheint. Wenn ich von Summy etwas kriege, dann oft weil er einfach gern Dinge mit mir zusammen macht und es ihm dabei reichlich egal zu sein scheint, was das ist. In beiden Fällen tut das Pferd also oft was ich will, aber ich habe nie das Gefühl, sie zu dominieren. In Titums Fall ist das etwas anders, denn der tut oft auch was ich will, wenn er selbst vielleicht lieber etwas anderes getan hätte aber es einfach nicht klar zum Ausdruck bringt. Das sind dann die Situationen, in denen ich mir Mühe geben möchte, weniger dominant zu sein. Und damit meine ich wirklich nicht fordernd, denn er weiß, dass er jederzeit nein sagen kann, sondern einfach nur weniger präsent.
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Lottehüh
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Lottehüh »

Romy hat geschrieben:Mich würden eure Meinungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit Dominanz interessieren, sowie eure Ansichten darüber ob man so ein Konzept überhaupt braucht, ob es für euer Verhältnis mit euren Pferden eine Rolle spielt und wie ihr damit umgeht.
Es spielt meiner Meinung nach eine sehr große, aber "menschengemachte" Rolle - nämlich in den Fällen, in denen den Pferden Dominanz vorgeworfen wird. Ganz wesentlich in den Fällen, in denen die Pferde nur Unsicherheit zeigen. Die ja meist durch unsichere Menschen verursacht wird. Die denken, dass ihre Pferde ihnen auf der nase rumtanzen und absichtlich gegen sie arbeiten, dabei aber nicht verstehen, dass sie ihren Pferden einfach nicht klar zeigen oder nichtmal beigebracht haben, was sie von ihnen wollen.

Aber das ist ja eine andere Dominanz, als die von der Du sprichst und ich finde Deine Gedanken wirklich schön. Ich habe eine sehr undominante Stute, die allerdings Gott sei Dank mittlerweile trotzdem sehr deutlich sagt, was sie will und was nicht :herzi: (- also hat das Mitteilen der eigenen Vorlieben eigentlich ja weniger mit Dominanz zu tun, oder??) und einen Wallach, der eventuell auch mal sagen lernt, wie das bei ihm so ist. Er ist eher der Typ "stummer Ertrager" und man muss schon sehr genau hinschauen, um zu sehen, wie er in sich blickt und es einfach über sich ergehen lässt. Wir arbeiten daran :yess: Vom Typ her ist er aber viel eher der dominante (sehr sozial in der Herde und eher ranghoch, während sie immer in jeder Herde die rangniedrigste ist).
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Romy »

Lottehüh hat geschrieben:Ich habe eine sehr undominante Stute, die allerdings Gott sei Dank mittlerweile trotzdem sehr deutlich sagt, was sie will und was nicht :herzi: (- also hat das Mitteilen der eigenen Vorlieben eigentlich ja weniger mit Dominanz zu tun, oder??)
Ich bin mir da auch noch nicht ganz im Klaren, was vermutlich damit zu tun hat, dass ich mehrere Definitionen von Dominanz parallel verwende. :tuete: :mrgreen: Aber nein, gleichsetzen würde ich das Mitteilen von Vorlieben nicht mit Dominanz. Dann wahrscheinlich schon eher die Bestimmtheit, mit der eine solche Mitteilung geschieht, oder noch konkreter: die Variation dieser Bestimmtheit mit der subjektiven Wichtigkeit.

Ich versuche mal, dass bissel zu entfitzen. Personen und Pferde, die ich als dominant erlebe, wissen ganz genau wenn sie etwas unbedingt wollen oder nicht wollen und zeigen das auch sehr deutlich. Dahingegen erfolgt diese Meinungsäußerung bei weniger wichtigen Dingen deutlich schwächer, wahrscheinlich weil sie da einfach drüber stehen. Es gibt also einen engen Zusammenhang zwischen der Reaktion und dem Grad, zu dem die Situation als wichtig empfunden wird. Das beobachte ich vor allem bei Summy, der das dominanteste meiner Pferde ist: Die meisten irrelevanten Alltagsdinge, die ich vorschlage, macht er einfach ganz bereitwillig mit und es scheint ihm oft relativ egal zu sein, ob wir das eine oder das andere tun. Wenn er dagegen etwas wirklich nicht will (oder eben ganz sehr will), dann zeigt er das mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel lässt. Wobei "zeigen" hier nicht wirklich passt - er macht es einfach.

Bei Titum dagegen (sehr undominant) variiert die Stärke der Meinungsbekundung kaum mit der Bedeutsamkeit der Situation. Er kann sich manchmal verweigern bei etwas, das eigentlich Peanuts ist und macht in anderen Situationen trotzdem mit, obwohl er eigentlich lieber nicht will. Die Intensität seiner Reaktion ist eigentlich fast immer gleich - gleich deutlich und gleich einfach von mir zu übergehen. Insgesamt würde ich sagen, dass Titum sogar öfter Nein sagt oder eine Vorliebe äußert als Pia und Summy. Aber sein Nein und seine Vorliebens-Äußerungen sind viel weniger informativ als die der anderen, sagen mir also nur bedingt was über sein tatsächliches Empfinden.

Ich glaube also, für mich ist Dominanz sowas wie die Fähigkeit, zu wissen was man will und welche Dinge es sind, die einem wichtig sind - und die dann eben einfach zu machen. :-)
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Sheitana »

Romy hat geschrieben: Ich glaube also, für mich ist Dominanz sowas wie die Fähigkeit, zu wissen was man will und welche Dinge es sind, die einem wichtig sind - und die dann eben einfach zu machen. :-)
Ich finde damit hast du das sehr gut auf den Punkt gebracht. Das sind die Worte, nach denen ich die ganze Zeit gesucht habe...

Dominanz ist nicht das, was die Meisten als solche sehen. Dominanz hat etwas mit Ausstrahlung zu tun, mit Selbstbewusstsein und mentaler Stärke, mit dem Wissen um die eigene Persönlichkeit.
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Lottehüh
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Lottehüh »

Nee, also so möchte ich das Thema jetzt bitte noch nicht beenden :snooty: :lol:

Dominant sind ja auch die Pferde, die ranghoch sind, die die Herde leiten. Eben weil sie selbstbewusst sind, weil sie Erfahrung haben und wissen, was wichtig ist und weil sie diese mentale Stärke haben. Diese Ausstrahlung, durch die die anderen ihnen (ihr Leben an-) vertrauen.

Würde ich Deine Definition von Dominanz so stehenlassen, wäre Lotti damit ein sehr dominantes Pferd. Was aber mit ihrer Herdenposition nicht überein stimmt. In keiner der Herden, in der sie bisher gelebt hat. Und sie hat auch absolut überhaupt gar kein Interesse daran, das zu ändern.

Würdet ihr dann unterscheiden - es gibt eine Dominanz dem Menschen gegenüber und eine Dominanz den Pferden gegeüber? Das würde für mich eigentlich keinen Sinn machen - entweder ich bin der Typ "dominant" oder eben nicht.

Vielleicht ist es bei Lotti auch ein spezieller Fall, weil sie es bei mir auch erst lernen musste - und sie hat sich definitiv auch im Umgang mit Pferden verändert. Trotzdem hat sie keine Lust, einen höheren Rang in der Herde einzunehmen.
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von A.Z. »

Welches vernünftige Pferd hat das schon?

Ich komme immer häufiger zu dem Schluss, dass das, was Menschen an Pferden als dominant oder Dominanz empfinden aus pferdischer Sicht aus einer ziemlichen Unsicherheit geboren wird.

Ein wirklich führendes selbstsicheres Pferd wirkt nach menschlichen Begriffen überhaupt nicht dominant. Es scheucht niemanden umher, grantelt nicht ständig ... Es ist einfach da und alle ringsum fühlen sich sicher und wohl.

Herden in denen es ein wirkliches führendes Pferd gibt, sind auch in sich sehr ruhig.

Das was wir häufig in Gefangenschaft - gar Pensionställen mit wechselnder Belegung - vorfinden, wäre meiner Meinung nach in der Natur zum Scheitern verurteilt. Das scheinbar dominante Ordnen der Herde durch einzelne oder mehrere Pferde halte ich für einen Ausdruck von Unsicherheit angesichts des Fehlens eines wirklich selbstsicheren Führungspferdes.

In der Natur würde sich eine solche Herde vermutlich trennen und / oder anderen funktionierenden Herden anschließen. Mit dem ganzen Aufruhr sind sie ansonsten der vollen Aufmerksamkeit von Fressfeinden gewiss.

Seit ich von dem Gedanken abgekommen bin, dass mein Pferd mich dominieren (im Sinne von beherrschen) möchte, kommen wir ganz anders miteinander zurecht. Und doch muss ich mich immer wieder aufs neue von der ursprünglichen Denke bewusst lösen.

In unserer Beziehung seh ich mich allerdings nicht als Familienmitglied - das ist mir neulich bewusst geworden - seine Famile, dass sind die Pferde. Ich bin für ihn eher ein Kumpel, der ihn zu Abenteuern abholt. Und da wir uns beim Verlassen der Weide in meine Welt - in die Menschwelt - begeben, nehme ich mir heraus mit Sicherheit zu wissen, was dort gefährlich und ungefährlich ist, was geht und was nicht. Und dieser Sicherheit vertraut er.
Was jedoch nicht ausschließt, dass ich draußen im Wald und im Feld auch seinen Instinkten vertrau und seinen Ideen bisweilen folge.
Viele Grüße Angela

Oh Großer Geist, hilf mir, nie über einen anderen Menschen zu urteilen, bevor ich nicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin. (Lachender Fuchs, Sioux-Häuptling)

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Lottehüh
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von Lottehüh »

Angela, ich stimme Dir 100%ig zu allem zu - aber nach Deiner Argumentationskette müsste ja Lotti überall die ranghöchste/führende sein?

In der Tat sehe ich es auch so dass viele "ranghohe" Pferde einfach nur egoistisch IHR Heu verteidigen und nicht wirklich an der Führung einer Herde interessiert sind bzw. für diese den Kopf hinhalten würde.

Das mit der Pferdefamilie finde ich gut - sonst würde Dein Pferd ja seinen ganzen Tag nur damit verbringen, auf Dich zu warten ;-)
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Re: Dominanz - und Relevanz dieses Konzeptes

Beitrag von A.Z. »

Lottehüh hat geschrieben:Angela, ich stimme Dir 100%ig zu allem zu - aber nach Deiner Argumentationskette müsste ja Lotti überall die ranghöchste/führende sein?
Nicht zwingend, solange es immernoch Pferde in der Gruppe gibt, die das ihrer und der Meinung der andern nach, besser hinbringen.


Mein Wallach schaut immer sehr rangniedrig aus. Er geht beiseit, wenn die Stiesel ihn anzicken, geht meistens hinterher, wenn es z.B. in den Stall geht, um nicht ins Gedränge zu kommen (scheinbar?) ...

Er ist eines der ältesten Pferde der Herde und mittlerweile denke ich eher, er so etwas wie die graue Eminenz der Truppe. An unruhigen Tagen mag er z.B. manchmal nicht weg gehen und scheint besorgt über den Fortgang der Dinge in seiner Abwesenheit. An solchen Tagen wird er z.B. von den Herdenmitgliedern auch begrüßt, wenn er zurück kommt.
Und vielleicht geht er ja auch nur hinterher, um sicher zu sein, dass auch alle drin sind?

Wir haben eine ähnlich alte Stute, die deutlich die Mutter der Herde ist. Und eine großen mittelalten Wallach, der zwischen Vater und großem Bruder wechselt. Die beiden regeln das meiste offensiv oft einfach nur, indem sie sich dazwischen stellen. Der Rest macht eher so Geschwistereindruck.
Viele Grüße Angela

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