Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Moderator: Keshia

ehem User

Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von ehem User »

In dieser Hinsicht geht es mir wie dir, Tanuschka, so offen und verletzbar durch die Gegend zu laufen, tut oft ganz schön weh. Aber ich finde, es passiert auch eine ganze Menge wunderbarer Dinge: mehr Klarheit, mehr Energie, ein allmählich wachsendes Bewusstsein für Grenzen, mehr emotionale Spannkraft - und vor allem eine unglaubliche Veränderung im Zusammenleben mit meinen Pferden. Dieser Zustand der Offenheit bringt auch eine ganz authentische Präsenz - ohne dass ich all das "sein muss", was man oft beigebracht bekommt, um mit Pferden umgehen zu können. Grenzen setzen passiert zwischen uns nicht mehr aus Prinzip, sondern spontan, der Respekt ist wechselseitig und ich nehme viel mehr wahr von dem, was die Pferde mitteilen, was sie brauchen und wünschen etc. Das schenkt mir eine solche Freude, dass ich gar nicht mehr in meine Komfortzone zurück möchte.

Dieser Ansatz eines "neuen" Miteinanders mit den Pferden berührt automatisch ganz persönliche Seiten von uns. Deshalb tue ich mich hier grad ziemlich schwer, Worte zu finden ... wenn du möchtest Tanuschka, können wir uns ja per PN weiter austauschen.

LG
Lizari
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Sheitana
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Sheitana »

Piebald hat geschrieben:Kolyma, das finde ich einen sehr schönen Beitrag in diesem tollen Thema hier. Ich denke auch oft, dass wir viel zu viel in unsere Pferde hineininterpretieren und sie im Grunde genommen alles viel einfacher sehen als wir. Und auch was die "Wildheit" betrifft denke ich, dass das Soziale Gruppen-und Herdengefüge der Pferde eigentlich eher eine sehr strukturierte und ruhige Angelegenheit ist, von wenigen Fight-and-Flight Situationen abgesehen.
Was Domestizierung, Zucht und Selektion betrifft, glaube ich, dass Pferde sich in ihren Instinkten und ihrem Verhalten sehr wenig verändert haben, die Zucht beschränkt sich doch sehr auf äußere Merkmale, finde ich. Den Hinweis auf die Sozialisation und den Umgang mit ihnen finde ich sehr viel wichtiger: Alle unsere Pferde, auch die wildesten und "unerzogensten" wachsen von der Geburt an in Zäunen udn Absperrungen auf, mit Tierarzt, Hufpflege, Hängerfahrten, menschlicher Fürsorge. Das ist eine Grenzsetzung einerseits und ein Eindringen in ihren Raum und ihre Persönlichkeit, eine Nichtrespektierung ihrer Grenzen, die sie vom Tag ihrer Geburt an alltäglich ungefragt erfahren und an die sich anzupassen sie vom ersten Tag lernen. Außerdem haben die meisten Menschen die Sprache der Pferde nicht erlernt, Menschen sind in den seltensten Fällen bereit, Pferden wirklich zuzuhören in der Lage, wirklich zu verstehen, was Pferde gerade signalisieren. Auch daran sind die meisten Pferde gewöhnt, dass sie von Menschen einfach nicht gehört und verstanden werden. Und zu guter Letzt ergänzen sich diese Erfahrungen mit den Instinkten eines Fluchttieres, welches Schutz und Sicherheit vor Gefahr eben in Rückzug und Flucht sucht und nur in höchster Angst in einer ausweglosen Situation den Kampf wählt.
Wir dürfen aber auch die andere Seite nicht vergessen. Dafür, dass wir sie einsperren, bieten wir ihnen auch für sie sehr wichtige Resourcen: Futter und Schutz.
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kolyma
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von kolyma »

Das ist ja bei vielen domestizierten Tieren so. Seit Januar hab ich hier eine halbwilde Hauskatze. Nach vier Wochen habe ich beschlossen, dass ich sie raus lassen möchte. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob sie wieder kommt. War ein großes Risiko. Aber sie kam sofort wieder. Eine Katze kann sich draußen eigentlich schon durchschlagen. Mit krassen Einschnitten in der Lebensqualität, Hunger, Parasiten, Krankheiten. Dennoch entscheiden die allermeisten Hauskatzen, dass sie die Bequemlichkeit beim Menschen der Freiheit vorziehen. Auch wenn sie sich in menschlicher Obhut auch Regeln unterwerfen müssen - je nach Besitzer sogar ihren Tagesablauf nach dessen Bedürfnissen umstellen, usw.
Aber das ist auch ein geben und nehmen.

Das hat mich auch über das Thema Artgerecht nachdenken lassen. Ein domestiziertes Haustier ist von anderer Art als die wilden Artgenosssen. Und daher hat es ganz andere Bedürfnisse. Ein hochgezüchtetes Sportpferd hat andere Ansprüche an sein Leben als ein Dartmoorpony. Wir können nicht davon ausgehen, dass die absolute Freiheit für unsere heutigen Pferde tatsächlich erstrebenswert ist. Vermutlich sehen sie den Zaun als beruhigenden Schutz. Wir Menschen sehen den Zaun als Begrenzung - aber die Sicht des Pferdes kann eine ganz andere sein.

Bei uns am Stall kams schon ein paar Mal vor, dass die Pferde beim Misten oder aus Unachtsamkeit stiften gegangen sind... Und wo liefen sie alle hin? Direkt in die nächste Koppel hinein. Nicht auf die unumzäunten Felder neben den Stall - nein, direkt auf eine umzäunte Fläche. Dabei haben wir Offenställe mit angrenden 24h Koppeln. Aber auf der anderen Koppel ist das Gras immer grüner :-)
Bild Geduld ist die hohe Kunst sehr langsam wütend zu werden...:ohm2: :sofort:


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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Hina_DK »

kolyma hat geschrieben:Bei uns am Stall kams schon ein paar Mal vor, dass die Pferde beim Misten oder aus Unachtsamkeit stiften gegangen sind... Und wo liefen sie alle hin? Direkt in die nächste Koppel hinein.
Das hatten wir auch schon zwei mal, als die noch zu dritt waren. Beim ersten mal trieben sich die Kleinen in der dunklen Nacht auf dem Feld rum und zogen dann zum Schafbauern direkt in ein offenes Gehege und warteten, dass sie versorg werden. Tigull machte es noch einfacher, der lief direkt zur Nachbarin zu seinen Kumpels. Beim zweiten Mal parkten die gleich auf der nächsten uneingezäunten Weide und liessen sich vom Bauern ohne Halfter und alles mit einer einzigen Möhre einfangen. Ihre Intension ist ja nicht, bloß ganz weit weg hier, sondern schaun wir mal, wo es was leckeres zu fressen gibt und das kann schon ein paar Meter weiter zufriedenstellend sein.
Viele Grüße
Hina

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Heupferdchen
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Heupferdchen »

kolyma hat geschrieben: Wir können nicht davon ausgehen, dass die absolute Freiheit für unsere heutigen Pferde tatsächlich erstrebenswert ist. Vermutlich sehen sie den Zaun als beruhigenden Schutz. Wir Menschen sehen den Zaun als Begrenzung - aber die Sicht des Pferdes kann eine ganz andere sein.
Mir fällt dazu ein Erlebnis vom Frühjahr ein, als ich mein Pferd beim Bereiter besucht habe. Es war ein windiger Tag, ich war mit ihm ein Stück in unbekanntem Gelände spazieren, mit recht viel Geschnorchel und Gegucke, aber brav und noch relativ gelassen. Dann hab ich ihn in die (Zeltplanen-)Halle gebracht. Ob er vielleicht Lust hat, sich zu wälzen und etwas zu bewegen? Kaum war der Strick ab, war blanke Panik da, er ist in kleinen Kreisen Runde um Runde um mich rum galoppiert. Ich hab ihn dann zu mir geholt, den Strick wieder rangemacht - und schlagartig konnte er stehen, den Kopf runternehmen, tief durchatmen und anschließend mit mir zusammen die Halle erkunden.

Erinnert irgendwie an diese kleinen Hunde, die so wahnsinnig mutig sind - solange die Leine noch dran ist ...

Ich bin da immer zwiegespalten, wenns um 'Freiheit' geht - ja, Pferde wollen respektvoll behandelt werden, die wollen das Zwiegespräch und bieten es auch immer wieder (hartnäckig) an. Aber auf der anderen Seite wollen die unbestreitbar auch Begrenzungen, die ihnen Sicherheit geben. Gerade bei Angstproblematik.

Ich habe ein ängstliches Pferd. Das wird sich nie ändern. Da hat das Begrenzen einen ganz anderen Stellenwert als bei einem Pferd, das von sich aus mutiger ist. Der gibt in Situationen, die ihn ängstigen, inzwischen die Verantwortung ganz an mich ab. Das ist soo schön zu fühlen, dieses 'na, wenn du das sagst - dann guck ichs mir mal an'.
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Sheitana
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Sheitana »

So habe ich mal erlebt, wie eine Stute aus einer Weide ausbrach, der Hengst hinterher rannte, sie einfing und so schnell es ging wieder zurück auf die Koppel trieb.

Ich glaube, wir machen uns dahingehend manchesmal viel zuviele Gedanken und der Gedanke der "unbegrenzten Freiheit" ist doch auch wieder sehr menschlich gedacht.
Pferde brauchen Futter, soziale Kontakte, Bewegung (evtl. die Möglichkeit zur Fortpflanzung).
Dafür müssen sie in der Wildnis eben viele km zurück legen. Sie wandern nicht, weil es ihnen ach soviel Spaß macht, sondern weil sie es müssen um Futter und Wasser zu finden...

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Boxenhaft nicht pferdegerecht ist. Doch in artgerechter Haltung bekommen sie doch, was sie brauchen?

Ich kann ja letztlich nur für unsere eigenen Pferde sprechen: Sie haben genügend Futter, Sozialkontakt in der Herde und Bewegung, da sie den ganzen Tag die Weide auf und ab wandern. Teilweise sogar die Möglichkeit zur Fortpflanzung, wenn auch nicht im natürlichen Sinne.
Ich glaube ehrlich, so unzufrieden sind sie damit gar nicht, trotz Zäunen drumherum.

Was ich merke ist, ihn fehlt manchmal die "Weite" zum Laufen. Das versuchen wir durch Ausritte auszugleichen.
Vermutlich hätten sie ihn freier Wildbahn wesentlich schlimmere Einschränkungen.
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Hina_DK
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Hina_DK »

Pferde denken auch nicht in die Zukunft. Die stehen nicht da und träumen, wie schön das Leben in grenzenloser Freiheit wäre, die träumen von der nächsten Ladung leckeres Heu ;).

Die Sache mit der grenzenlosen Freiheit ist wahrscheinlich wirklich viel zu vermenschlicht und selbst wir Menschen betrügen uns damit ja auch. Wer hat noch nie davon geträumt ? Die meisten Menschen machen es und dann finden sie im gleichen Atemzug tausend Gründe, warum das gar nicht geht. Sie suchen nicht nach Möglichkeiten, wie es vielleicht doch ginge. Das macht den meisten eher Angst, vor allem Angst, damit gar nicht klar zu kommen.
Viele Grüße
Hina

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ehem User

Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von ehem User »

Ich denke, es geht hier weniger um die Haltungsform, da sind wir in diesem Forum uns sicher weitestgehend einig.

Meinem Gefühl nach geht es eher um die Art und Weise, wie wir unsere Pferde betrachten, wie wir ihnen begegnen, mit ihnen umgehen. Was wir von ihnen erwarten, fordern und verlangen und auf welche Art und Weise wir es tun. Wie wir sie "ausbilden" "erziehen" und arbeiten lassen, welche Verhaltensweisen wir von ihnen wünschen und welche nicht. Die Haltungsform ist da nur ein Rahmen, der zwar schon gewisse Grundlagen legt, der gewisse Grenzen setzt und bei den Pferden mit Sicherheit schon einiges bewirkt, auch in dem Sinne, Sheitana, da stimme ich Dir zu, dass wir ihnen Sicherheit, Gesundheit und Nahrung bieten.

Es gibt den schönen Spruch "Pferde verzeihen alles, aber sie vergessen nichts". Ich weiß nicht, ob der so uneingeschränkt stimmt, er ist sehr plakativ, aber das deckt sich weitgehend mit meiner Wahrnehmung.
Dabei legen die Pferde immer wieder diese Verletzbarkeit an den Tag, die Tanouschka und Lizari in ihren Beiträgen beschreiben und daher kommt auch ihre unglaubliche authentische Präsenz, die wir so sehr an ihnen schätzen und die sie zu so guten Spiegeln für uns selbst macht. Vielleicht müssen Pferde so sein, weil sie als Fluchttiere auf diese grösstmögliche Offenheit und Sensibilität für ihre Umgebung angewiesen sind, weil sie darauf angewiesen sind, feinste Regungen jeder Art in ihrer Umgebung wahrzunehmen und an ihre Herdenmitglieder weiterzugeben. Sie können es sich eigentlich nicht leisten, „zuzumachen“

Für den Umgang mit Pferden ergibt sich für uns Menschen daraus ein „heiliger Raum von Möglichkeiten.“ (dieser Begriff ist nicht von mir, aber ich finde ihn so wunderbar und treffend, dass ich ihn mal „klaue“) den wir auf verschiedene Arten betreten können: Wir können respektvoll und vorsichtig anklopfen und ihn auf Einladung hin betreten, so wie wir das eigentlich für unsere inneren und äußeren Räume auch wünschen. Wir können uns respektvoll in diesem Raum bewegen, so wie wir es uns auch selbst von einem eingeladenen Gast wünschen, und auch beim Verlassen dieses Raumes unseren Respekt bezeugen, indem wir nicht einfach gehen und die Tür zuschlagen, sondern uns respektvoll und der Situation würdig verabschieden. Wenn es die äußeren Umstände gebieten, können wir mit unseren Pferden ihren und unseren „Raum verhandeln“ (auch „geklaut“) und unsere gegenseitigen Grenzen ziehen und verschieben. Meistens aber brechen wir einfach ein, oft ohne es selbst zu merken, die einen mehr, die anderen weniger und manche eben sehr brutal.

Und dann fängt meiner Meinung nach das an, was Lizari als Dissoziiren beschreibt, der Raum der Möglichkeiten verkleinert sich und beginnt, sich zu schließen, in dem Maß, wie wir Grenzen verletzen und den Raum der Pferde nicht respektieren. Die Pferde ziehen sich in ihren Reaktionen zurück, (sie „stumpfen ab“ ohne ihre Wahrnehmung zu verringern. Das ist ihre artgerechte Weise, sich zu „wehren“.
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Heupferdchen
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Heupferdchen »

Piebald hat geschrieben: Dabei legen die Pferde immer wieder diese Verletzbarkeit an den Tag, die Tanouschka und Lizari in ihren Beiträgen beschreiben und daher kommt auch ihre unglaubliche authentische Präsenz, die wir so sehr an ihnen schätzen und die sie zu so guten Spiegeln für uns selbst macht. Vielleicht müssen Pferde so sein, weil sie als Fluchttiere auf diese grösstmögliche Offenheit und Sensibilität für ihre Umgebung angewiesen sind, weil sie darauf angewiesen sind, feinste Regungen jeder Art in ihrer Umgebung wahrzunehmen und an ihre Herdenmitglieder weiterzugeben.

Für den Umgang mit Pferden ergibt sich für uns Menschen daraus ein „heiliger Raum von Möglichkeiten.“ Meistens aber brechen wir einfach ein, oft ohne es selbst zu merken, die einen mehr, die anderen weniger und manche eben sehr brutal.

Und dann fängt meiner Meinung nach das an, was Lizari als Dissoziiren beschreibt, der Raum der Möglichkeiten verkleinert sich und beginnt, sich zu schließen, in dem Maß, wie wir Grenzen verletzen und den Raum der Pferde nicht respektieren. Die Pferde ziehen sich in ihren Reaktionen zurück, (sie „stumpfen ab“ ohne ihre Wahrnehmung zu verringern. Das ist ihre artgerechte Weise, sich zu „wehren“.
Hmm, spannender Beitrag. Allerdings erlebe ich Pferde ein wenig anders. Die hier vielbeschworene Authentizität von Pferden ergibt sich ja daraus, dass die sich schlicht nicht verstellen KÖNNEN. Unsere Fähigkeit, zu schauspielern und uns und andern in die Tasche zu lügen, ist ja eine zusätzliche Option, zu der ein Pferd nicht in der Lage ist. Und an dieser unserer Fähigkeit ist ja per se nichts schlimmes. Bei Pferden, das gebe ich zu, ist diese menschliche Eigenschaft eher hinderlich. Hier gilt es, mehr zu beobachten und zu spüren.

Wenn ich komisch und 'menschlich' agiere, bekomme ich von meinem Pferd eine Rückmeldung, die von Verwunderung bis hin zu völligem Unverständnis reicht. Er versteht mich dann einfach nicht, kann das, was ich signalisiere, nicht einordnen. Dieses Unverständnis glaube ich häufig in Pferdegesichtern zu sehen. Es ist schade, dass dies eher die Regel als die Ausnahme ist - aber dass dadurch haufenweise gestörte Pferdepersönlichkeiten entstehen, sehe ich eher nicht. Die meisten Pferde, die ich kenne, haben sich ganz gut mit ihrem Leben arrangiert (so auch meiner, der mich meist mit bewundernswerter Gelassenheit händelt).

Ich möchte gar nicht abstreiten, dass Menschen Pferde brechen und ihnen gewaltige Schmerzen zufügen können. Aber ein Pferd, mit dem sein Mensch nicht auf 'Pferdisch' kommunizieren kann, mit einer emotional schwer gestörten menschlichen Person zu vergleichen, finde ich sehr hoch gegriffen - und nebenbei auch sehr anthropozentrisch.

Vielleicht gibt es noch einen weiteren Grund, warum ich hier doch noch einen weiteren Kommentar posten möchte: Oft ergibt sich aus dem Grundsatz, bei seinem Pferd ja nicht irgend eine Grenze zu überschreiten, eine Art 'Huschihuschi-Wischiwaschi'-Umgangsstil (nein, ich finde keine so schönen Worte wie die Kohanov :tuete:). Den halte ich für nicht pferdegerecht. Denn ich finde, Pferde wollen Persönlichkeit! Und vertragen eine ganze Menge davon.
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Cashew
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Cashew »

Na ja, der Begriff dissoziieren deckt ja ein recht breites Spektrum ab... Das muss nicht gleich eine schwere emotionale Störung sein. Eigentlich dissoziieren (wir Menschen) ja bereits, wenn wir tagträumen. Wir sind einfach ein Gedanken wo anders. Das "Dissoziieren" sitzt so tief drinnen, dass heutzutage eine neue Rage des "bewussten" Umgangs herrscht (Stichwort Mindfullness) Ich kann mich jedenfalls an sagenhaft viele Unterrichte an der Uni erinnern, in der meine einzige Rettung um nicht ein zu schlafen tagträumen war ;)

Ich bin ziemlich sicher, dass viele Pferde ebenfalls "dissoziieren" und uns eben nur deshalb aushalten können. Würden sie tatsächlich jede Sekunde unseres Zusammenseins mit ihrem ganzen Wesen versuchen zu zu hören und uns zu verstehen, würden sie vermutlich ziemlich kirre werden. Ich finde das jetzt auch nicht sooo schlimm, so lange das nur ab und an auftritt. Pferde, die wirklich "dicht" machen, sind da was anderes. Und ich glaube wie Piebald, dass dissoziieren (oder wie man es auch immer nennen mag) bei Pferden die meist vorkommende Form des (ab)wehrens ist. Kann das nur nicht so schön schreiben :whistle:
Viele Grüße,
Sarah und Co


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