Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Moderator: Keshia

ehem User

Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von ehem User »

Liebe Leute,

ich weiß nicht, ob dieses Thema hier an der richtigen Stelle ist, aber es ist eben allgemein zu Pferden, allerdings auch nicht nur Plauderei, - hoffe ich :) . Es geht mir schon so lange immer wieder und gerade aus aktuellem Anlass wiedermal im Kopf herum. Weshalb wehren sich Pferde so wenig gegen die oft rüde Behandlung durch uns Menschen?
Es sind so starke Tiere, viel viel stärker als wir und was lassen die sich alles gefallen? Notwehr ist doch etwas, was instinktiv veranlagt ist. Ist das bei den meisten Pferden ausgeschaltet?

Ich sehe die Parallele zu uns Menschen. Was Menschen alles mit sich machen lassen und "brav" mitmachen! Wieviele können wirklich sagen, dass sie ihr Leben rundum lieben und eine tolle Arbeit haben, die sie jeden Tag gerne verrichten, einfach, weil es so schön und erfüllend ist? Die meisten von uns sind genau wie die Pferde in einem permanenten "Muss-Modus".
Ehrlich, das macht mich richtig traurig.

Ich erkläre es mir so, dass sowohl die Pferde als auch wir es "von klein" auf so lernen und eingeprägt bekommen von Menschen, die es auch nie anders kennen gelernt haben. Wir und die Pferde "müssen" etwas von klein auf immer tun, - sonst ist`s übel und wir bekommen nicht, was wir wollen und dringend brauchen oder man fügt uns Schmerz zu. Das können wir nur leisten, indem wir uns zunehmend verdichten, um nicht spüren zu müssen. Schließlich ist der Panzer so dicht, dass wir uns nicht mal mehr daran erinnern können, wie durchlässig und offen wir ursprünglich für das Leben und die Lebendigkeit waren und wir verschleißen und werde müde und alt und grau. Pferde sind doch eigentlich ein Symbol für Wildheit und Freiheit. Aber die Pferde, die ich sehe, sind höchstens noch eine Karikatur davon. Vielleicht ist uns Menschen ursprünglich ja eigentlich etwas ganz anderes bestimmt, als sich mühevoll und kämpfend durch`s Leben zu ackern? Und wir haben es genauso vergessen wie die Pferde? Und genau aus diesem Grund nur ist es möglich, diese wundervollen Wesen so grob zu behandeln. Wir sind auch völlig verdichtet.

Ich bin zur Zeit Zeugin einer solchen Behandlung eines Pferdes. Es soll jetzt "ausgebildet" werden ohne jedes Gefühl, ohne jede Beziehung zu dem Pferd. Und dieses Pferd hat sehr viel Feuer, ist aber schon 12 Jahre alt und hat in seinem Leben nix Gutes mit Menschen erlebt. Sein Körper und seine Muskulatur, die tiefen Kuhlen über seinen Augen sprechen Bände. Und dennoch ist das ein vitaler Kerl, der beim Zusammentreffen mit meiner Stute wieder zum Hengst wurde. Da wurde er richtig lebendig und fröhlich und stand nun bald 2 Monate mit ihr auf der Weide. Aber da er mit ihr zu vital und lebendig wurde und anfing sich gegen seine "Ausbildung" zu wehren, haben sie ihn von meinem Pferd getrennt :( . Könnt Ihr Euch das Gewieher und diese Traurigkeit quer über die Elektrozäune vorstellen? Ich war völlig fassungslos und habe jetzt gut eine Woche gebraucht, um mich wieder zu sammeln. Es war absolut unfassbar für mich, dass die Menschen so etwas machen, nur um ihr Pferd "kleinzukriegen". Aber ihre Rechnung scheint aufzugehen. Und er wehrt sich nicht!

Ich glaube, es braucht dringend so etwas wie eine Revolution der Pferde ;) . Und es braucht dringend immer mehr Menschen, die ihrem Pferd erlauben, sich zu einem freien, stolzen Wesen zu entwickeln, auch wenn das manchmal unbequem ist :) .
Das sind so meine Gedanken und ich würde mich freuen, wenn jemand was dazu sagen möchte.

Tanuschka :)
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anouk
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von anouk »

hej :wave:

ich weiß was du meinst antworte aber erstmal ganz nüchtern, ja

rein evolutionär ist das pferd nicht zur verteidigung gemacht, so als herden-, beute- u pflanzenfressertier. für seine art ist wegrennen immer das mittel der wahl gewesen. u genau wie in bösen momenten die angst vorm säbelzahn durchkommt u es wegrennt ist ein verteidigungsmodus nur ganz ganz schwach installiert.

wenn ich allerdings sehe was mit pferden so landauf landab veranstaltet wird wünsch ich mir mutation hin zum säbelzahntiger.

falls ich mit meinen rudimentären biokenntnissen ganz falsch liege lasse ich mcih gerne korrigieren :-n
grüßele anouk :schaf:
ehem User

Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von ehem User »

Hi anouk :) ,
anouk hat geschrieben: rein evolutionär ist das pferd nicht zur verteidigung gemacht, so als herden-, beute- u pflanzenfressertier. für seine art ist wegrennen immer das mittel der wahl gewesen. u genau wie in bösen momenten die angst vorm säbelzahn durchkommt u es wegrennt ist ein verteidigungsmodus nur ganz ganz schwach installiert.
D.h. sie erleben uns als Säbelzahntiger? Ob das vom Reiten kommt? Es gibt ja in der ursprünglichen Natur der Pferde nur zwei Varianten dieser engen Verbindung mit einem anderen Wesen. Einmal, wenn der Hengst die Stute bespringt oder wenn der Puma angreift. Sind wir also "Hengst" oder "Puma"?

Und dann ist ja die Krux, dass Pferde vor uns schlecht flüchten können. D.h. wir hindern sie ja gerade daran, ihrem angeborenen Fluchtreflex nachzugeben und trotzdem greifen sie nicht an oder sagen wir, die allerwenigstens tun es. Heute habe ich beobachtet, wie besagter hengstiger Wallach in der Stallgasse angebunden wurde und ihm das extrem unbehaglich war. Offenbar kennt er das aus Ungarn nicht, denn dort kommt er her. Das ganze Pferd war komplett verkrampft, hampelte hin und her, scharrte wie ein Irrer und musste in diesem Zustand eine Sattelanprobe über sich ergehen lassen. An ihm wurde herumgezerrt, er wurde angebrüllt, aber er hat es alles über sich ergehen lassen.
Pferde müssen sich ja oftmals in einem permanenten Ohnmachts-Modus empfinden. Die einen legen sich ein dickes Fell zu und stumpfen ab, die anderen hampeln und springen herum, aber ich habe noch nie ein Pferd erlebt, das seinen menschlichen Peiniger angreift. Auf der Weide allerdings konnte ich mal beobachten, wie zwei Pferde bei einem großen Hund, der in Jagdlaune war, den Spieß umdrehten und den Hund angriffen. Der konnte plötzlich ganz schnell in die andere Richtung rennen :mrgreen: .

Ich finde es ziemlich offensichtlich, dass die meisten Menschen ihre Pferde "klein" halten wollen. Entweder in der groben Unterdrückervariante oder in der Tüddelvariante "Ich bin so lieb zu Dir, damit Du lieb zu mir bist". Und da nehme ich mich nicht von aus. Ich hatte lange Zeit eine starke, erst unbewußte, dann bewußte, aber dennoch anhaftend klebrige Neigung zur letztere Variante bis ich das irgendwann als richtig unwürdig empfand, sowohl für meine Stute wie auch für mich. Ich will sie frei und auf Augenhöhe. Etwas anderes interessiert mich überhaupt nicht mehr. Und ich bin mir ziemlich sicher, meine Stute würde irgendwann angreifen, wenn sie grob behandelt werden würde. Schon bei der Betüddelvariante hat sie deutlich gezeigt, dass sie mich so als überhaupt nicht respektabel empfindet.

Ist es nicht so, dass Hengste in freier Wildbahn durchaus den Kampf mit einem Raubtier aufnehmen, um ihre Herde zu verteidigen? Sollten wir also alles "Hengstige" in unseren Pferden, auch in unseren Stuten fördern? Geht doch gar nicht, dann bricht ja die komplette neuzeitliche Pferdehaltung zusammen.

Nachdenkliche Grüße

Tanuschka
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anouk
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von anouk »

guten morgen :-)

ich meinte nicht das uns pferde primär als säbelzahn wahrnehmen, nein, höchstens beim unvorbereiteten anreiten, wenn der mensch plötzlich auf den rücken springt. dann verhält er sich wie ein raubtier u das macht selbst den über jahrtausende domestizierten pferden angst. was meinst du woher dabei solche buckel-wehr-attacken kommen?! :-)

ich meinte das allgemein, das der pflanzenfresser pferd an sich nicht auf verteidigung ausgelegt ist. obwohl du schon recht hast, zuerstmal wirken wir auf jedes pferd wie ein potentielles raubtier. instinktiv haben glaub ich auch sag ich mal 90% der fohlen erstmal vor uns "angst". sie müssen erst begreifen das wir ihnen eigentlich nix böses wollen.

ob ein hengst seine herde bei einem raubtierangriff verteidigen würde weiß ich nicht genau, ev als letztes mittel. hat die herde die möglichkeit, flieht sie.

das was du von dem wallach schreibst ist so traurig, aber vielfach bittere realität u steht man machtlos daneben wünscht man sich plötzlich inständig das das pferd zum angriff übergeht. nur was würde dann passieren? ein angriff eines so starken tieres setzt dann wieder eine maschinerie im gange. selten kommen solche pferde dann in wirklich gute & vernünftige hände.

ich möchte dir eigentlich noch viel mehr schreiben, aber ich muss dann auf arbeit :-) würde heute nachmittag an der stelle weitermachen, ja ;)

lieben nachdenklichen gruß
grüßele anouk :schaf:
Stjern
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Stjern »

Hallo,

das ist ein interessantes Thema und ehrlich gesagt, habe ich mich das auch schon gefragt. Ich bin supergespannt auf die weiteren Überlegungen.

Ich finde, dass das Thema gut in die Box Umgang und Verhalten passen würde, da es genau die Aspekte beleuchtet. Ich verschiebe es dann mal dahin.
ehem User

Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von ehem User »

Tanuschka, vielen Dank für deine Gedanken - es tut gut, hier ins Forum zu kommen und dann so ein Thema zu finden!!! Ich empfinde und sehe das wie du. Wenn mehr Pferdeleute bereit wären, sich auf solche Fragen einzulassen, würde sich vieles ändern ...

Ein Bild ist spontan in mir aufgestiegen. Linda Kohanov schreibt in ihrem Tao des Equus über die Reiternomadenvölker und ihr Leben in der Steppe. Vor ein paar tausend Jahren waren sie für andere so gut wie unbezwingbar, da sie Flucht und Rückzug klug zu ihrem Nutzen einzusetzen wussten. Sie wussten, wann sie kämpfen mussten und wann es klüger war, das Weite zu suchen. Das waren auch die Zeiten der Amazonen und der matriarchalischen Lebensweise.
Unsere Pferde wissen das alles noch, können es aber nicht mehr leben. Ich spüre, wenn ich mit ihnen zusammen bin, ihre Bereitschaft, (immer wieder) zu vertrauen, dass wir und sie gemeinsam etwas Neues entwickeln können. Die Suche nach diesem Neuen drückt sich auch in den Trainingsmethoden aus ... die oft viel weiter entwickelt sind als die Menschen, die Pferde haben. Wenn man sich neuere Ansätze der Bodenarbeit oder des Reitens anguckt, war Dominanz gestern, und heute geht es um gemeinsames Lernen auf Augenhöhe und um das, was wir Menschen von den Pferden lernen können, um alte Verhaltensmuster aufzugeben und uns selbst besser fühlen zu können.

Das beantwortet deine Frage noch nicht ... aber ich lasse meine Gedanken mal weiterwandern und schreibe dann später nochmal ...
jella
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von jella »

Wir haben bei uns im Stall ein Pferd, mittlerweile 8 oder 9 Jahre alt. Als er kam, dachte ich, er sei 15 - 18. Aber nein, er war gerade eingeritten. DAs Mädchen, dem das Pferd gehört, hat die falschen Fürsprecher an ihrer Seite. Ich habe mich oft gefragt, wann dieses Pferd anfängt sich zu wehren, wann er anfängt, sie gezielt abzusetzen.
Es hat so ca. 3 Jahre gedauert und nun gibt es eigentlich keine Reiteinheit mehr, wo man zuschauen darf/kann. Pferd wehrt sich heftig, bockt u. steigt ...Aber das Mädchen ist wirklich ziemlich sattelfest.

Er ist ein kluges Pferd, er hat jetzt eine Sehnenverletzung und sich damit eine Auszeit geholt. Sehr anschaulich fand ich immer wieder, dass die RB dieses Pferd ohne Probleme reiten konnte. Jetzt guckt er mich jeden Morgen mit seinen großen traurigen Augen an, weil er aufgrund der Verletzung nicht raus darf.

Es ist so schade und ich würde gerne was tun, weiß aber nicht was!!! Es gibt soviele Ignoranten. Das Mädchen ist jung u. sie weiß es wohl nicht besser. Aber bei 100 Pferden, die bei uns im Stall stehen, muss ich bei jedem 5. die Augen zumachen, ansonsten würd ich nicht mehr gut schlafen! Einige spreche ich darauf an, aber es ist sinnlos. Warum z. B,. darf ein Pferd nur 4 Std. draußen stehen? Es könnte zu dick werden! Warum darf es überhaupt nicht raus u. wenn nur allein? Weil es sich verletzen könnte! Warum hast du ein Pferd, wenn du nie kommst? Weil ich keine Zeit habe! Warum verkaufst du ihn dann nicht??? Weil ich ihn gern hab!

Ich könnte so weiter machen und das sind ehrlich gesagt noch die harmlosen Dinge ... Ich hab ja keine Ahnung, bin ja "nur" Freizeitreiter ...
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Sheitana
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Sheitana »

Tanuschka hat geschrieben:Die einen legen sich ein dickes Fell zu und stumpfen ab, die anderen hampeln und springen herum, aber ich habe noch nie ein Pferd erlebt, das seinen menschlichen Peiniger angreift.
Ich habe das schon erlebt. Als ich meine Stute gekauft habe. Ich weiß nicht genau, was mit ihr in ihrer Jugend passiert ist, aber was ich so rausfinden konnte wurde sie gedrillt und das nicht zimperlich.
Als ich sie kaufte und mit meiner typischen Reitstall Mentalität "ich Chef, du musst" ankam ging sie mit gebleckten Zähnen auf mich los. Man erzählte mir dann halt, dass die Pferde aus dieser Linie alle einen "an der Klatsche hätten".. :roll: Nein, eigentlich sind sie nur fürchterlich charakterstark und stur. "Eher gehe ich zugrunde, als mich zwingen zu lassen".
Ich lies mich auf sie ein, entschied, ihr zuzuhören und heraus kam das wohl beste Pferd, was mir je hätte passieren können.
Ihre Tochter ist übrigens genauso. Sie hat nie den Drill kennen gelernt und konnte sich so frei entwickeln. Sie hat einen wundervollen Charakter und ein ganz tolles Wesen, immer bereit zu kooperieren und zuzuhören. Ich bin mir aber sicher, in falschen Händen würde sie das werden, was man landläufig als "Sautier" bezeichnet. Denn grob behandelt würde sie mit ziemlicher Sicherheit angreifen.
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Keshia
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von Keshia »

Ach, das ist ja ein interessantes Thema hier, da mag ich auch ein bißchen was zu loswerden. Jella, die kurzen Dialoge, die du beschreibst, sollte man aufschreiben und denjenigen an die Boxentür pinnen! Das muß doch ins Auge springen, daß das völlig paradox ist!

Aber zu den Pferden und Menschen, die sich nicht wehren. Ich war ganz angetan von dem Vergleich und mag einfach mal meine Gedanken zu Gemeinsamkeiten oder Unterschieden hier loswerden. Einen riesen großen Unterschied zwischen Menschen und Pferden sehe ich darin, daß Pferde schon immer sich an das anpassen, was da ist und ihre Umwelt nicht aktiv gestalten. Pferde wandern den Grashalmen und Wasserstellen nach, sie weichen Gefahren. Sie sagen sich gegenseitig nicht, was sie tun sollen, höchstens mal, was sie NICHT tun sollen. Ich habe schon von Pferden gehört, die selbst auch mal aktiv wurden, um etwas zu erreichen, aber das waren immer domestizierte Pferde, die nicht weiter ziehen konnten sondern irgendwie mit dem klar kommen mußten, was auf begrenztem Raum vorhanden war. Aber grundsätzlich verändern Pferde ihre Umwelt nicht. Sie graben keine Gruben, um sich hinein zu legen, sie fällen keine Bäume, um Dämme zu bauen und bauen sich auch keine Nester.
Für mich ist das eine der Erklärungen, warum Pferde sich selten wehren. Das aktive Tun, um etwas bestimmtes zu erreichen, ist nicht stark ausgeprägt. Ein Pferd kann sehr schnell Muster erkennen. Ah, wenn ich xy tue, ist Mensch zufrieden, das wird komfortabel für mich. Aber wenn ich yz tue, wird es unbequem. Das haben Pferde ganz schnell raus. Aber ein Pferd denkt nicht grundsätzlich in dem Schema: "Was passiert wohl, wenn ich zy probiere?" , solange es da nicht auf Erfahrungen zurückgreifen kann.

Bei den Menschen sehe ich das etwas anders, finde es aber genauso schade. Ich glaube wie du, daß es da oft erlernt ist. Dem Menschen ist doch eigentlich mitgegeben, daß er seine Umwelt verändert (widewidewitt, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt). :-)
Oft ärgert es mich, wenn ich sehe, unter welchen Arbeitsbedingungen manche ihren Job ausüben oder auch wie manche in Abhängigkeitsbeziehungen feststecken und dort offensichtlich unglücklich sind. Aber wie oft wird einem gesagt, man müsse sich finanziell absichern und an die Rente denken und so weiter? Da könnten wir uns das Leben im Hier und Jetzt ein wenig von den Pferden abgucken, damit ginge es uns sicher besser.
Der späte Wurm entgeht dem Vogel.

"Wenn Du meinst, daß das Abenteuer gefährlich ist, probier's mal mit Routine. Die ist tödlich."
(Paolo Coelho)

Leni Müller sucht das Glück
:animals-cow:


www.pferde-lehren.de

Praktikum CR und TTEAM in der Schweiz
calista
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Re: Warum wehren sie sich so selten wirklich?

Beitrag von calista »

ich denke schon, dass Pferde sich wehren. Aber sie tun es so, wie es sich seit Jahrtausenden für ihr Überleben bewährt hat: mit einem Körpersignal oder und Gesichtsausdruck. Und wir versuchen sie zu verstehen: wir hören nichts, keinen Unmut, keine Schmerzlaute, keine Beschwerde. In keiner Reitschule die ich kenne, lernen Reitschüler als erstes, dass Pferde keinen Laut der Schmerzäusserung haben und sie daher extrem auf Ausdruck und Körpersprache ihrews Pfedepartners achten müssen. Bis Pferde dann von Unwohlsein über Abwehr signalisieren zum Angriff übergehen, muss echte Not vorliegen (und auch dann ist es nicht jedem Pferd gegeben, es sendet weiter seine Signale...).

Ich hatte mal ein Pferd. Ich hatte mal ein wundervolles Pferd, dass, als ich es bekam, sofort und immer bereit war, anzugreifen. Eine Wunde, die genäht werden musste? Der TA liess es nach mehren 8etäubungsspritzen sein und murmelte "lebensgefährlich". Ein Mensch, der versuchte, ihn zu putzen (dem wurden an der Wand ein paar mal die Rippen gebrochen). Verladen? Dann, nach einiger Zeit und einem immer rabiater werdenden Pferd (und ich in meiner Angst wurde immer "lauter"), hat mich mein Pferd, als ich es von der Koppel holen wollte, zähneflätschend und steigend angegriffen. Ich bin über den Zaun geflohen und dachte aber, dass ich mich irgendwie der Situation stellen musste, damit ich überhaupt noch genug Mut für dieses Pferd finden würde. Ich habe dann ohne "Waffen" mehrere Stunden damit verbracht, mein Pferd nicht fressen zu lassen (durch vor mir hertreiben), damit er weiß, dass ich ranghöher bin (ist fast 30 Jahre her, das war damals schon sehr extravagantes Denken...). Und dann, als das gut ging und ich meine Angst vor ihm durch Ausweichen seinerseits an diesem Tag wieder in den Griff bekam, habe ich ihm und mir geschworen, dass wir eine Chance haben. Ich habe uns ein Jahr Zeit zur Veränderung gegeben (ich war Reitanfänger..). Ich habe ihm geschworen mich zu verändern, damit er eine Chance hat, wieder auf Menschen zugehen zu können und pferdisches Verhalten zu leben. ich habe als Alternative nur gesehen, dass ich ihn hätte einschläfern lassen müssen, weil ich ihn nicht verkauft hätte. Er sollte kein Wanderpokal werden und kein Mensch sollte durch ihn zu Schaden kommen. Es hat lange gedauert aber daraus ist eine wundervolle Beziehung zu einem Charakterpferd geworden. Heute denke ich manchmal, dass ich es bedauere, nicht mit meinem Wissen von heute diesem Pferd gegenüber zu stehen. Aber seine Aufgabe war wohl, mich den anderen Weg suchen zu lassen.
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