Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Moderator: Keshia

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Heupferdchen
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Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Heupferdchen »

Hallo ihr Lieben,

... mal wieder was neues gelernt über Pferde:
Meine RB ist ein schon recht betagter, aber sehr netter und kooperativer Warmblutwallach mit einigen gesundheitlichen Zipperlein und beachtlicher Krankengeschichte (Beugesehnenriß(?!) vorne beidseitig etc.). Seit einigen Wochen läuft er zwar gern und freudig, aber immer mal wieder nicht ganz klar. Und so hatten wir in letzter Zeit einige "Schontage", in denen die Arbeit mittendrin abgebrochen wurde, weil das Pony nicht klar lief.

Weil seine Besitzerin schwanger ist, wird er zur Zeit nur von mir und ab und an von einer Stallkollegin geritten. Letzten Montag war ich mit ihm auf dem Reitplatz, Pony ist traumhaft gelaufen. Um so erstaunter war ich, als mir seine Besitzerin per e-mail mitgeteilt hat, dass er am nächsten Tag stocklahm war:

Eine neue RB-Interessierte war da, und Pony hat wohl im Trab so stark gelahmt, dass sie das Probereiten abbrechen mussten. Die Besitzerin hat das Bein abgefühlt, nichts zu spüren.

Nach Erhalt dieser e-mail habe ich erschrocken angerufen: Hab ich ihn doch überanstrengt, lahm geritten? Und was erzählt mir die Besitzerin, nachdem sie ihn am nächsten Tag longiert hatte:

"Heute war nichts zu sehen beim Longieren, vermutlich hat er beim letzten Mal eine Lahmheit simuliert. Das hat er früher öfters gemacht, als er noch Turnierpferd war: Stand der Hänger auf dem Hof, war die Mähne eingeflochten etc., ging das Pferd Sonntag früh vor dem Verladen plötzlich lahm, so dass man das Turnier absagen musste. Oder auch, wenn ein besonders fordernder Reiter drauf saß. Vermutlich wollte er gestern damit deutlich machen, dass diese neue RB nichts für ihn ist."

Ich habe solche Geschichten früher immer nicht so recht geglaubt und bin mir auch jetzt nicht sicher. Bin aber heute früh auch geritten und Pony lief *achsooschön*

Können Pferde Lahmheiten etc. simulieren? Kennt ihr ähnliche Beispiele?

Ich neige ja dazu, die geistigen Fähigkeiten unserer Vierbeiner zu unterschätzen (wohl, weil ich bei meinem eigenen Pony die Eigenschaften 'nett' und 'doof' öfters verwechsle). Und ich kann mir schon vorstellen, dass gerade Pferde mit ausufernder Krankengeschichte da Zusammenhänge herstellen und Schlüsse ziehen können.

Was sagt ihr?
ehem User

Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von ehem User »

ich glaub schon.
nicht im sinne von bewusst vortaeuschen. aber wenn sie aus irgendeinem grund mal mitbekommen haben, dass ihnen komisch laufen pausen oder sonstwas positives bringt, dann lernen sie das eben.
wenn der mal mitbekommen hat, dass der icht in den hänger musste (oder gleich wieder rausdurfte) nachdem er lahmte, und bei ner anderen gelegenheit, dass lahmen beim reiten aufhören bringt - dann hat er das vielleicht wirklich verinnerlicht und nutzt das inzwischen bewusst.

wie gesagt, ich denke das ist ein lernprozess, bei dem das lahmen eben unbewusst durch das verhalten des besitzers postiv bestärkt wurde, vielleicht bei 2 oder 3 anlässen. oder gern im zuge einer krankengeschichte.
ich meine nicht, dass ein pferd denkt: oh, wenn ich lahme, dann denken alle, ich kann nicht, und dann lässt man mich in ruhe.

ich bin mir rel sicher, dass mosh das auch gemacht hat. nachdem ich die 5. physio dran hatte, die ihn ja aus seinen größten problemen rausgebracht hat, ist er bei mir noch monatelang scheiße gelaufen, obwohl ich andere pferde durchaus ordentlich longieren konnte. aber immer wenn er halt komisch lief, hab ich im grunde zu der zeit immer gedacht: er hat was, also lass ichs. ich hab ihm das im grunde beigebracht.
ähnlich hat er kultiviert, mir alle aufbauten aus bodenstangen gleich durcheinander zu bringen, weil, dann muss frauchen ja erstmal wieder richten und da hat man dann pause.
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Muriel
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Muriel »

Ich denke, dass sich Rückenverspannungen so auswirken können, dass eine Lahmheit augenscheinlich wird. dh durch Stress, Aufregung, aber auch einen sehr fest sitzenden oder stramm einwirkenden Reiter könnte so eine Lahmheit verursacht werden.
Stichwort wäre "Zügellahmheit".
Wenn das Pferd bei Dir also grundlegend entspannt ist, kann es sein dass Du Dich unterhalb dieser Verspannungsgrenze bewegst.
Dennoch würde ich sagen "da ist was", nämlich eine Verspannung, die auch durch Sattel etc verursacht werden könnte, und würde empfehlen, einmal einen Therapeuten schauen zu lassen.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
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brexi
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von brexi »

Ich weiß nicht ob sie es können oder nicht aber folgende Story dazu:

Wir hatten einen 17 jährigen Haflinger damals im Stall. Glenny hieß er, ist sicher schon 8 Jahre her.

Der jedenfalls hatte es abslout drauf den sterbenden auf einem Ausritt zu mimen um dann vom SB mit dem Hänger abgeholt zu werden um fröhlich auf seinen Paddock zu trabseln.

:nix:
Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein....
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Heupferdchen
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Heupferdchen »

Ich denke auch, dass man durch sein Verhalten bestimmte Dinge - auch schlechtes Laufen, Lahmheit etc. - verstärken kann. Und gerade bei einem 'Montagspferd' neigt man dazu, sehr vorsichtig an die Dinge ranzugehen und Lahmheit, unklare Gänge etc. zu belohnen. Die Besitzerin hat mir bewusst nicht viel von seinem Unfall erzählt, weil sie an sich selbst merkt, wie schwierig es ist, nach so einem Ereignis wieder 'normal' mit seinem Pferd umzugehen.

Interessant war schon, dass er um so stärker lahm ging (auch bei Bodenarbeit, Langzügelarbeit und Longieren), je weniger er das Menschlein kannte, das mit ihm umging. Bei fremden Pferden neigt man wohl eher zur Unsicherheit, und die hat er vielleicht - oder auch nicht - in Lahmheit übersetzt.

@Muriel: der HAT definitiv was gesundheitlich. Derart vorbiegige Karpalgelenke habe ich noch bei keinem Pferd gesehen (wohl unfallbedingt). Er hat eine schwierige Sattellage mit sehr hohem Widerrist und der Trapezmuskel ist stark atrophiert, laut der Besitzerin durch jahrelange unpassende Sättel (die hat eine Sattel-Odyssee durch). Schwierig, was zu finden, was nicht am Widerrist klemmt! Seit ich ihn kenne, hat er einen saddlef*t4life-Sattel, der wohl für ihn das Optimum an Passform darstellt. Ich finde, da hat Herr Schl**se gute Arbeit geleistet. Im Frühjahr wurde der das letzte Mal angepasst. Die Hufstellung ist recht ungünstig (wird jetzt durch Bearbeiterwechsel besser). Trotz all dieser Geschichten war er turniermäßig bis M-Dressur erfolgreich (ich weiß nur nicht, wie lange das her ist).

Der Rücken ist i.d. R. sehr empfindlich, wobei der zur Zeit außergewöhnlich locker und schmerzfrei ist. Er lässt zur Zeit auch außergewöhnlich gut sitzen (typische Sportpferdegänge, auch auf der Weide meist mit festem Rücken unterwegs, wenns schneller wird). Bei mir tickt er ca. eine halbe Runde nach dem Übergang von Rechtsbiegung zu Linksbiegung (ca. eine halbe Zirkelrunde), ich finde, es kommt eher von hi li, wird dann wieder klar.

Warum der noch geritten wird? Weil wir den Eindruck haben, dass er gern geritten wird und sich unter dem Sattel einfach am schönsten und lockersten bewegt (für mich ist unglaublich, wie schön er trotz seiner Defizite laufen kann!), weil er ansonsten sehr schnell abbaut (mit reiner Bodenarbeit könnten wir seine derzeitige Form nicht halten). Bewegt wird er auf dem Platz und im Gelände.
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Hina_DK
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Hina_DK »

Simulieren würde bewusstes komplexes denken und handeln voraussezten. Das können unsere Pferde nicht, sie haben kein menschliches Gehirn. Aber sie können lernen, auf bestimmte Signale auf eine gewissen Art zu reagieren, die nicht unbedingt mit den Vorstellungen des Besis übereinstimmen. Trotzdem ist es ein Unterschied, ob ein Pferd dann die ganze Zeit lahmt oder eben eine kurze Reaktion abgerufen wird. Wenn das Pferd die ganze Zeit in einer bestimmten Gangart lahmt, sich aber ansonsten normal verhält, dann ruft es da auch keine "Übung" ab oder simuliert. So komplex kann ein Pferd das gar nicht durchziehen. Ich denke auch, es ist eher eine deutliche Reaktion auf Stress, Druck o.ä., das das Pferd tatsächlich direkt blockiert. Mein Reddi ist ja auch so ein Typ. Wenn da ein Reiter draufsitzt, der ihm nicht genehm ist, dann geht überhaupt gar nichts. Auch Profireiter oder sogar ganz besonders diese, bekommen eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, wenn man nach kurzer Zeit nur noch den Wunsch auf Salami hat ;). Kommt ein ahnungsloser Reitanfänger, der noch nie auf einem Pferd gesessen hat, wird er sanft wie ein Lamm und passt höllisch auf, seine kostbare Fracht nicht zu verlieren. Nein, mein Pferd hat keine Ahnung von diesen Menschen aber er macht auf der Stelle dicht, wenn jemand anfängt Druck aufzubauen und da hat er sogar ein Elefantengedächtnis. Diese Menschen erkennt er schon von weitem wieder. Die brauchen gar nicht aufsteigen, der lässt sie gar nicht erst oder macht dann so lange Theater, bis dieser Mensch absteigt, dann ist er wieder lammfromm.
Viele Grüße
Hina

Probiers mal mit Gemütlichkeit
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Sheitana
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Sheitana »

mosheline hat geschrieben: ich bin mir rel sicher, dass mosh das auch gemacht hat. nachdem ich die 5. physio dran hatte, die ihn ja aus seinen größten problemen rausgebracht hat, ist er bei mir noch monatelang scheiße gelaufen, obwohl ich andere pferde durchaus ordentlich longieren konnte. aber immer wenn er halt komisch lief, hab ich im grunde zu der zeit immer gedacht: er hat was, also lass ichs. ich hab ihm das im grunde beigebracht.
ähnlich hat er kultiviert, mir alle aufbauten aus bodenstangen gleich durcheinander zu bringen, weil, dann muss frauchen ja erstmal wieder richten und da hat man dann pause.
Das nennt sich Schmerzgedächtnis.

Würde ich aber nochmal anders ansetzen als "erlerntes" Lahmen.
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Muriel
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Muriel »

Simulieren würde bewusstes komplexes denken und handeln voraussezten. Das können unsere Pferde nicht
Einspruch :-D in gewisser Weise können Pferde durchaus "um die Ecke" denken und auch komplexe Handlungen vollziehen.
Aber ich glaub das wird OT. ;)

Schmerzgedächtnis: Das hab ich selbst erlebt, wie nachhaltig das gehen kann. Ich hatte monatelange Rückenprobleme durch eine Entzündung, bin ewig nicht geritten und schon gar nicht getrabt. Nach ca 1 Jahr (letzter Schmerz und Behandlung ca 1/2 Jahr her) bin ich wieder getrabt und musste meinem Rücken/Becken bewusst befehlen, sich locker zu lassen und zu bewegen - dann ging es irgendwann. Aber der Körper selbst signalisierte ein deultiches "Stop, hier nicht weiter" an dieser Stelle.
War eine interessante Erfahrung. :sigh:
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von ehem User »

nein, sheitana, ich meinte nicht das schmerzgedächtnis.

ich meinte wirklich das verknüpfen von: wenn ich anders laufe, verhalten sich die leute so und so.
schmerzgedächtnis ist der lernprozess: immer wenn ich mich richtig beweg, tut es weh.


bei mosh war das eine macke, die wir beide zusammen kultiviert haben, weil ich immer, wenn er irgendwie unrund lief, quasi pause gemacht hab. bei birgit lief er normal.
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Jochen
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Re: Können Pferde Lahmheit vortäuschen?

Beitrag von Jochen »

Hm...

Können Blindenhunde "rechnen"?
Halt mich fern von der Weisheit, die nicht weint, der Philosophie, die nicht lacht,
und der Größe, die sich nicht vor Kindern verbeugt.


Gibran Khalil Gibran, "Handful of Beach Sand"
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