Angst und Vertrauen

Moderator: Stjern

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Equester
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von Equester »

Wie sieht der Reitplatz denn aus und was ist da so gruselig dran? Können die Pferde nicht rausgucken oder sind seltsame Dinge neben dem Reitplatz?
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
puscheltier
Schulpferd
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von puscheltier »

Hallo!

Folgende Ideen für deine innere Einstellung:

1. Auf dem Reitplatz ist nichts wovor DU Angst haben müsstest (ich spreche nicht von deinem Pferd, ihre Angst ist nicht deine Angst, was soll für einen Menschen auf einem Reitplatz schon gruselig sein?). Ich habe an mir gemerkt, dass sich meine Gedanken in die meines Pferdes verwandeln, im Sinne von: Ojeh, jetzt bewegt sich da hinten wieder was, was ist das bloß, muss man sich davor erschrecken, etc...Wir haben letztens das erste Mal einen RIESEN Trecker im Gelände getrofffen, Pferd von den ganz schlimm, ich habe versucht die andere Perspektive einzunehmen: was bitte soll ein Trecker uns schon tun? Das ist schwierig und ich schaffe das auch nicht immer, manchmal kringeln wir auch nur auf der einen Seite des Platzes, weil ich für die Konfrontation dann mental keine Kraft habe.

2. Ändere deine innere Sprache: Es gibt keine "Gruselseite," es gitb nur die Seite mit der Hecke, die Seite mit der Tür, etc. Oder benutze noch positivere Assoziationen: Die Stelle an der die Sonner immer zuerst scheint.

Ist klar was ich meine? Ich schaffe das auch nicht immer, siehe die Begriffe für die "Seite mit der Hecke", die ich oben verwendet habe, aber es hilft immer öfter sich der Situation zu stellen.

Das war jetzt mal nur so in den Raum geschrieben, ohne dich und dein Pferd wirklich zu kennen, vielleicht hilft es ja trotzdem ein bißchen.

Und noch eins: Deine Stute versucht immer wieder dir zu liebe sich der Gefahr zu stellen, das ist wirklich ganz viel Wert! Und man sollte nicht vergessen, dass das auch für sie enorm anstrengend ist.
ehem User

Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von ehem User »

Huhu :) ,

hatte vorhin ein tolles Erlebnis mit meiner Stute :) . Aber zunächst mal Eure Fragen: der Reitplatz hat auf einer Längsseite außen entlang einen Graben mit dahinter liegender hoher Hecke und auf einer Kurzseite eine hohe Hecke, hinter der die Nachbarschaft wurschtelt. Für die Pferde total blöde, da da immer irgendetwas ist, was für sie subjektiv gefährlich sein könnte und sie das natürlich im Blick behalten müssen, was schwierig ist, weil die Hecke so dicht ist. Es ist also da nicht eine gruselige Ecke, sondern mindestens die Hälfte des Platzes ist verdächtig.

Und doch Puscheltier, da ist eine Sache auf dem Reitplatz, die MIR Angst macht: und das ist meine Stute, wenn sie Angst hat, weil sie dann nämlich nicht mehr richtig auf mich acht gibt. Aber auch das ist jetzt mit dem frei lassen besser geworden, weil ich nur noch darauf achten muss, dass ich nicht mehr in ihrer Fluchtrichtung stehe. Und da ich ja die gesamte Hälfte des Platzes für mich habe, kein Problem ;) .

Nun mein tolles Erlebnis: ich habe Puscheltier`s Idee aufgegriffen und habe mangels Pferdefreund mich auf dem Reitplatz in einem Stuhl und einen Heukorb in meiner Nähe platziert und es mir gemütlich gemacht. Ziel war: ich will gar nichts und lasse sie völlig frei das tun, was sie will. Ich locke und belohne sie auch nicht. Ich tue schlicht nichts und sehe, was, bzw. ob was passiert. Das Belohnen war zwar auch nicht schlecht, aber dann hat sie eben die Belohnung im Focus und geht sozusagen über sich selbst hinweg, um dann nach der Belohnung stante pede wie eine Irre wieder abzudüsen, - weil`s eben doch zu schnell ging.
Tja, was soll ich sagen? Ich habe sie noch nie so auf dem Platz erlebt. Das Eine war, dass ganz deutlich war, dass sie bei mir sein wollte. Der Heukorb war nur eine nette Beigabe. 3-mal sprang sie weg mit zunehmend erlahmendem Enthusiasmus. Das Beste aber war, wie sie in sich zur Ruhe kam und zwar alles sehr aufmerksam beobachtete, dabei aber ganz ruhig war, mit leicht gesenktem Kopf und ganz sanftem, weichen Blick. Und als ich sie später runterbrachte, machte sie eine hochzufriedenen Eindruck. Als Mensch hätte sie wohl so etwas gesagt wie "Hey, das war cool, gar nicht soooo schlimm wie ich immer dachte."

Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich das so intensiv erlebt habe, dass tatsächlich ich, bzw. meine Präsenz ihr Sicherheit gibt. Denn als ich mal kurz vom Platz runterging, um mir einen Mantel zu holen, fand sie das total blöde und rannte sofort wieder in die sichere Ecke bei den anderen Pferden. Und als ich wieder auf meinem Stuhl saß, kam sie sofort und blieb bei mir. Ist das nicht spitzenklasse? Ich könnte heulen vor Freude. Und dazu kommt noch, es war wirklich sehr windig, also echt nicht der Tag, wo man so etwas übt. Aber da ich ja nichts geübt, sondern nur gechillt habe, war`s okay.

Diese "Übung" werde ich nun weiter ausbauen und mich immer näher in die Gefahr hineinwagen. Sie bestimmt das Tempo und für mich ist das wirklich entspannend, - einfach nichts tun ;) .

Fröhliche Grüße

Tanuschka
puscheltier
Schulpferd
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von puscheltier »

Klingt so als wäre das eine Idee in die richtige Richtung gewesen. Schön, dass ihr so eine postive Erfahrung machen konntet, dass freut mich wirklich. Und dieses "Nichtswollen" hat dich ja selbst auch entspannt, dadurch wirkst du für sie gleich viel souveräner ;-)
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Sheitana
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von Sheitana »

Ich habe ein Pferd, das - vermutlich seit Fohlen an - ein Hängertrauma hat.

Ich habe wirklich ALLES versucht mit ihr. Alle möglichen Methoden, über die man so liest. Anfang, das muss ich zu meiner Schande gestehen war ich noch der Meinung, man müsse "sich durchsetzen". Es war eine Katastrophe.
Aber auch später war es das. Anfangs hat sie sich mit aller Kraft gewehrt. Später hat sie es stoisch ausgesessen. Im Affenzahn rückwärts schießen hat sie perfektioniert.
Manchmal hatte man Glück und eine Methode funktionierte ein oder zweimal.
Bei ihr besteht das Problem ausschließlich beim Fahren. Sie hat Angst, in die Fremde zu kommen. "Nicht mehr nach Hause" zu kommen.
Steht der Hänger frei auf dem Reitplatz und es ist womöglich noch Futter drin, alles kein Problem. Aber nie blieb sie mehr als ein paar Sekunden drin.
Meine letzten Versuche bestanden darin, dass es nur auf Freiwilligkeit gehen soll, wir haben auch geclickert etc. Aber jedesmal im Ernstfall "enttäuschte" sie mich wieder. Egal wie viel und wie gut und intensiv ich vorher geübt hatte und wie gut es zuhause klappte. Ich erwartete es auch irgendwann so :nix:

Ich erinnerte mich dann wieder an ein TK-Gespräch wo die TK mir gesagt hat, dass ich Georgia mehr führen soll. Mehr die Entscheidungen übernehmen. Weil sie eben nicht damit klar kommt Entscheidungen zu treffen (treffen zu müssen) in manchen Situationen.

Letzte Woche hatte ich dann plötzlich das Gefühl "heute gehst du es an". Und ich war fest entschlossen, dass mein Pferd an diesem Tag in den Hänger geht. Ich hätte stundenlang Zeit gehabt.

Ich nahm keine Leckerlies mit. Nur einen Eimer mit Futter stellte ich in den Hänger. So ein bisschen muss man sie ja doch verwöhnen :shy:
Ansonsten bekam sie ein Knotenhalfter auf, ich machte einen langen Strick dran und nahm die Longierpeitsche mit.
Ich stellte sie also vor den Hänger. Im Grunde war es ganz einfach. Vor dem Hänger stehen und schauen ist ok. Rückwärts (was sie aber nur vier, fünfmal versuchte) wurde mit deutlichem! vorwärts schicken auf eine Volte (nicht schlagen natürlich) quittiert. Sich wieder mit dem Hänger beschäftigen gab erstmal Ruhe.
Als sie dann vor dem Hänger stand habe ich langsam angefangen, sie mit der Pitsch kontinuierlich leicht zu touchieren. Zu "nerven". Vorwärts wurde mit Ruhe belohnt.
Die erste halbe Stunde tat sich gar nichts. Gelegentlich versuchte sie es mit rückwärts, sie trat nach der Pitsch, versuchte mal links und rechts vorbei zu kommen. Sie suchte nach Lösungswegen.
Ich war dabei die ganze Zeit ruhig und gelassen, stoisch. Ohne das ist es aussichtslos.
Nach einer halben Stunde dann der erste Schritt vorwärts. Und dann ging alles ganz schnell. Innerhalb von weniger als 5 min. war sie ganz im Hänger, nach weiteren 5 min. blieb sie oben stehen.
Die Anspannung, die sie die erste halbe Stunde begleitet hatte viel von ihr ab.
Es gab natürlich riesig viel Lob.
2 Tage später stand sie innerhalb von 2 min. wieder im Hänger.

Ich bin normalerweise ein Mensch, der versucht viel positiv mit den Pferden umzugehen, viel auf Freiwilligkeit basieren zu lassen, gerne Kekse verteilt.
Was ich dabei aber gerne aus den Augen verliere ist, dabei die Souveränität zu behalten. Bei aller Freiwilligkeit die Dinge im Auge zu behalten, die sein müssen.
Es geht nicht um "der Gaul hat das zu tun" oder "sich durchzusetzen".
Es geht darum, Souveränität und Führung zu zeigen in Situationen, in denen die Pferde das von uns brauchen. Auch das steigert Vertrauen und intensiviert die Partnerschaft!
Manchmal muss man die Pferde einfach dazu zwingen, sich mit ihren Ängsten auseinander zu setzen. Um ihnen dann zu sagen "Hey, schau, es ist immer noch alles ok. Es geht dir gut".
Es gibt nun mal Dinge, die sind lebensnotwendig. So möchte ich mit meinen Pferden sollten sie mal dringend in die Klinik müssen nicht erst noch einen "Kampf" haben, ob sie in den Hänger gehen.
Es ist wichtig, ihre Ängste zu verstehen, aber genauso wichtig ist es, sie dadurch zu leiten.
Und manchmal kann es eben der Weg sein, sie zu etwas zu zwingen, damit sie es danach leichter haben-
Bei Georgia jedenfalls war das DER Schlüssel.
Und unser Verhältnis ist nicht anders als zuvor, ja es ist sogar besser. Denn nun haben wir auch das letzte winzige Puzzleteil, was uns zu vollkommenem Vertrauen noch fehlte endlich finden können.
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Lottehüh
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von Lottehüh »

Tanuschka, was Du auf dem Platz machst, halte ich für sehr sinnvoll, und ich denke, das tut Euch beiden gut.

Aber auch Sheitana muss ich recht geben - manchmal muss man die Pferde auch zu ihrem Glück zwingen ;-) Lotti zum Beispiel hatte furchtbare Angst, berührt zu werden. Ich musste sie dazu zwingen - klar, war in dem Fall "nur" passiv ihrerseits, es zu erdulden. Hab sie einfach angebunden und immer wieder geputzt und kurz gestreichelt. Was macht sie heute? Mir den Hintern zudrehen und mehr als deutlich sagen "HIER KRAULEN!" :lol: Ich würde sagen, es hat einige Monate gedauert, bis sie es ertragen hat, aber bestimmt zwei Jahre, bis sie es an bestimmten Stellen genießen konnte. Dass sie es von sich aus einfordert, das kam dann wieder etwas später.

Der "Kleine", den ich vor 3 Wochen gekauft habe, hat Angst vor allem. Ja, er geht in den Hänger, und ja, er läuft durch die Gegend und ja, er geht ins Wasser. Aber er schei*t sich dabei in die Hose. Ihm wurde einfach verboten, Angst zu haben. Und so ist er jetzt - rennt durch die Gegend, ohne sich irgendetwas anzuschauen - Augen zu und durch. Wir bleiben alle 10 Meter stehen und gehen erst weiter, wenn er sich die Gegend angeschaut hat. Dann geht's 10 oder 20 - manchmal auch 30 Meter gut, dann fängt er wieder an zu rennen und diesen Tunnelblick zu haben - also wieder stehenbleiben, anschauen etc. Hier kann ich noch nicht viel sagen - 3 Wochen ist ja keine Zeit - aber ich bin gespannt, wie das weitergeht und werde berichten ;-)

Wir müssen unseren Pferden einfach zuhören. Es gibt nicht den einen Weg, denn jedes Pferd ist anders. Unsere aufgabe ist es, den richtigen Weg für die Kombination Charakter Pferd und Charakter Mensch zu finden. Und wenn Du auf dem Platz schon ANgst vor Dienem Pferd hast, weil Du Angst vor ihrer Angst hast, dann wird das nix. Da ist hinsetzen und Tee trinken der bessere Ansatz :-)
Zuletzt geändert von Lottehüh am Do 18. Apr 2013, 17:59, insgesamt 1-mal geändert.
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
ehem User

Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von ehem User »

Der "Kleine", den ich vor 4 Wochen gekauft habe, hat Angst vor allem. Ja, er geht in den Hänger, und ja, er läuft durch die Gegend und ja, er geht ins Wasser. Aber er schei*t sich dabei in die Hose. Ihm wurde einfach verboten, Angst zu haben. Und so ist er jetzt - rennt durch die Gegend, ohne sich irgendetwas anzuschauen - Augen zu und durch. Wir bleiben alle 10 Meter stehen und gehen erst weiter, wenn er sich die Gegend angeschaut hat. Dann geht's 10 oder 20 - manchmal auch 30 Meter gut, dann fängt er wieder an zu rennen und diesen Tunnelblick zu haben - also wieder stehenbleiben, anschauen etc. Hier kann ich noch nicht viel sagen - 4 Wochen ist ja keine Zeit - aber ich bin gespannt, wie das weitergeht und werde berichten ;-)
Das ist ja spannend und ja, mich würde das sehr interessieren, wenn Du mit der Zeit berichtest, wie das mit dem "Kleinen" weitergeht. Bei einem Menschen würde man ja sagen, dass der sich nicht richtig spüren kann, bzw. vor sich selbst wegläuft Das ist bei Pferden offenbar gar nicht anders. Wirklich interessant!
D.h., die, die sich alles "trauen", trauen sich gar nicht unbedingt wirklich, sondern tun es einfach nach dem Motto "Zähne zusammenbeißen" oder "Augen zu und durch". Da muss man als Mensch wirklich ganz genau hinsehen und hinspüren, - auch immer wieder bei sich selbst :) . Denn diese Art von Traute ist ja nie wirklich verlässlich. Plötzlich brennt dann irgendwo eine Sicherung durch oder aber das Pferd wie auch der Mensch verlieren an Lebendigkeit.
Wir müssen unseren Pferden einfach zuhören. Es gibt nicht den einen Weg, denn jedes Pferd ist anders. Unsere aufgabe ist es, den richtigen Weg für die Kombination Charakter Pferd und Charakter Mensch zu finden. Und wenn Du auf dem Platz schon ANgst vor Dienem Pferd hast, weil Du Angst vor ihrer Angst hast, dann wird das nix. Da ist hinsetzen und Tee trinken der bessere Ansatz :-)
Tja, es gibt wirklich nicht die EINE Gebrauchsanweisung. Nicht nur jede Pferd/Mensch-Kombi ist unterschiedlich und hat ihre eigene Geschichte. Jede Situation ist auch anders, wobei "zum Glück zwingen" ist vielleicht nicht so die glückliche Formulierung. Zwang schließt Glück für mich aus. Deutliche Aufforderung/Aufmunterung ist vielleicht besser. Habe ich heute auch gemacht als meine Stute beim Anblick des Platzes wieder Stop einlegte. Habe mich gar nicht irritieren lassen und bin meinen Weg gegangen. Da konnte sie offenbar gar nicht anders als mir zu folgen.

Viele Grüße

Tanuschka
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Lottehüh
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Re: Angst und Vertrauen

Beitrag von Lottehüh »

Hab grade nochmal den Kalender befragt - der Kleine ist erst seit 3 Wochen da.

Es ist deutlich merkbar, dass er Angst hat, aber man hat versäumt, ihm zuzuhören und einige Schritte zurück zu gehen (in seinem Fall einige viele - also sprich auf Null). Man meinte, man kann ihn einfach weiterreiten und es würde durch die Übung besser werden. Wahrscheinlich ist es oftmals einfach schwierig, die richtige Balance zwischen fordern und überfordern zu finden.

Zum Glück zwingen war so lapidar dahergesagt, aber deutliche Aufforderung passt jetzt beim Beschmust werden auch nicht unbedingt...
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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