Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked questions)..

Moderator: Sheitana

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Katja1
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Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked questions)..

Beitrag von Katja1 »

So, jetzt eine Frage bei der sich vielleicht jemand ans Hirn fassen wird :whistle:
Aber ich bin mutig und stelle sie trotzdem :mrgreen:

Und zwar:
Beim anweiden wird immer ein riieeesen TamTam gemacht. Angefangen bei 10 Minuten über Wochen hin, bis das Pferd auf einem abgetrennten Bereich für 2 Stunden grasen darf.
Bei meinem Jungtier passierte letztes Jahr folgendes: Er bekam eine Woche lang ca 2-3kg Gras und kam danach 8 Stunden auf die Weide. Es ging ihm: blendend. War das nur Zufall?

Denn seit diesem Geschehniss habe ich begonnen mich zu fragen, was denn eigentlich Wildpferde in der Natur machen?
Da ist Winter, sie fressen kein Gras. Dann beginnt der Schnee zu schmelzen, es wird Frühling.. Und sie beginnen dann doch einfach wieder mit Gras fressen oder? Die stört doch dann kein zu hoher Fruktangehalt, keine Junggräser und am allerwenigsten beginnen sie mit 10 Minuten und steigern sich dann kontinuierlich bis sie nach wochenlanger Vorbereitung endlich für 3 Stunden auf 10m2 fressen können, oder? :mrgreen:

Oder bin ich da mal wieder komplett falsch gewickelt?
Klärt mich bitte auf!
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larla
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von larla »

Aber ich bin mutig und stelle sie trotzdem :mrgreen:
:mrgreen: *Heldenanstecknadel direkt auf nackte Haut pin* :mrgreen:

Ich denke, das was in der Wildbahn passiert ist ein "selbständiges Anweiden". Da ist ja nicht von heute auf morgen unendlich viel Grün da. Meine machen das im Moment übrigens auch: Sich selbst anweiden, der permanente Auslauf ist so gross, dass sie jeden Tag ein paar Halme mehr finden.

In freier Wildbahn passt ja auch das frische Grün zum Energiebedarf: Man wandert wieder mehr, den Speck, den man im Winter verloren hat und der Fellwechsel, der anstrengend war, die Fohlen, die jetzt auf die Welt kommen und trinken wollen und die Kämpferei bzw. Deckerei, die danach ansteht: Das ist ja alles anstrengend und da brauchen die Pferdchen sicher die schnell verfügbare Energie.

Unsere Pferdchen kommen dagegen aus einem in Wohlstand verbrachten Winter, da ist das junge Grün eher Überschuss.

Also so erkläre ich mir das zumindest. :shifty:
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lunimaus
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von lunimaus »

Ich kenne beides:
1) Eine Haltung, wo die Pferde im Winter auf dem Paddock stehen oder auf einer sehr mitgenommenen Winterwiese. Dann wird es Frühling. Es gibt keinen Bewuchs oder nur sehr spärlichen. Und nebenan die fette Weide, die gedüngt ist (ich weiß, bei Weidelgras ist das gar nicht soo schlecht, weil dann auch wirklich die für das Wachstum notwendigen Mineralsalze etc. zur Verfügung stehen und weniger Fruktan eingelagert wird). Da find ich anweiden seeehr sinnvoll.

2) Eine Haltung, bei der die Pferde im Winter auf Koppel stehen und dann wird es Frühling, das Gras fängt langsam an zu wachsen und die Pferde naschen schon hier und dort die ersten grünen Spitzen und mit dem Fortschreiten der Vegetationsperiode gibt's immer mehr Gras, was die Pferde "vernichten" können. Da find ich anweiden nicht sonderlich sinnvoll - machen die Pferde ja von alleine.

Die Wildpferde würden bei mir in Muster 2 fallen.
"Lebenskunst ist nicht zuletzt, auf etwas notwendiges zu verzichten, um sich etwas überflüssiges zu leisten." (Vittorio de Sica)
ehem User

Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von ehem User »

Ich denke auch, man kann es "selbstständiges Anweiden" nennen kann, wie von Larla beschrieben.

Deshalb bin ich trotzdem extrem vorsichtig. Mein damals noch Jungpferd hatte nämlich mal eine sehr schwere Kolik hatte, die er fast nicht überlebt hätte, als es jemand gut meinte und ihn ohne Anweiden einfach rausstellte...
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Hina_DK
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von Hina_DK »

Ich glaube auch, es ist ein Unterschied, ob es sich um Pferde handelt, die den Winter über in einer Paddock-Box verbringen und dann auf eine schon einigermaßen hochgewachsene Weide geschmissen werden oder ob die Pferde auch über Winter Zugang zu einer Weide haben und wenn das Gras dann anfängt zu sprießen, sich selbst anweiden. Problematisch ist ja vor allem das Fruktan und solange das Gras auch wirklich brav wächst, ist der Fruktangehalt gar nicht so hoch, denn es wird ja von der Pflanze verwertet. Problematisch sind vor allem z.B. kalte Nächte, in denen das Gras das Wachstum einstellt und Fruktan speichert. Selbiges passiert auch bei Trockenheit und Nährstoffmangel. Es kommt also ganz drauf an, um welche Haltung und was für Weiden es sich insgesamt handelt. Es kommt auch dazu, dass junge Pferde, Fruktanbomben in der Regel besser tolerieren, als ältere Pferde. Ausnahmen bestätigen die Regel.

In der Wildnis können wir allerdings kaum beurteilen, ob es nicht auch dort Pferde gibt, die z.B. an Rehe erkranken. Aber anders als bei uns, werden die nicht aufwändig behandelt, sondern bleiben schlicht und einfach auf der Strecke. Solche Bilder sehen wir dann eher selten im Fernsehen ;). Man muss aber natürlich noch dazu sagen, dass es für eine Rehe oft mehrere Faktoren geben muss. Zum einen oft eine gewisse Üppigkeit des Futters, zum anderen auch eine gewisse Wohlstandsveranlagung des Pferdes. Beides ist nicht unbedingt typisch in der Wildnis und wo das typisch ist, sind die Pferde auch darauf eher angepasst.
Viele Grüße
Hina

Probiers mal mit Gemütlichkeit
ehem User

Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von ehem User »

Ich denke auch, "natürliches" Anweiden ist sicher was tolles und ich gehe mal davon aus, dass es funktioniert hat in der Natur, sonst hätten die Herden ja nicht überlebt.

Aber zum einen denke ich, dass die Pferde auch ein bisschen mehr "um die Ohren" hatten als unser meist unterbeschäftigten Freizeitpferde. Einige Stuten tragend oder mit Fohlen bei Fuss, die Herde, die sich viele Kilometer täglich bewegt, die Leittiere eh viel beschäftigt, Rangordnungskämpfe. Vielleicht hatten die Wildpferde einen ganz anderen Sinn dafür, wieviel frisches Gras ihnen guttut und wann man besser wieder an Altgras, was da ja sicher auch zu finden war, rumkaut.

Und wenn ich für unsere Pferde so nette 10 hektar oder mehr magere Weiden zur Verfügung hätte, das ganze möglichst noch nicht in Norddeutschland mit wochenlangem Dauerregen, würde ich sie auch ganzjährig bei trockenem Wetter auf die Weiden lassen, so dass sie sich im Frühjahr so halbwegs selber anweiden ....

... aber unsere stehen auf ihren 1000 qm Paddock mit Offenstall und schauen nach einem langen Winter im Frühjahr sehnsüchtig auf die Weiden, auf die sie den ganzen Winter nicht durften, auf denen wir das Gras hegen und pflegen, die WEide muss trocken genug sein und das Gras hoch genug wachsen, damit es für den Sommer einigermassen reicht. Und irgendwann dürfen sie dann endlich mal raus. Ich stelle mir das ein bisschen vor, wie wenn ich Suppendiät mache und mein Männe neben mir Chips futtert... sollte ich mit der Tüte anfangen, höre ich auch NICHT nach 3 Chips wieder auf...

Also unseren Ponies fehlt dadurch definitiv die Vernunft, der Instinkt, was auch immer - sie würden auf jeden Fall mehr fressen als ihnen guttut, und deswegen bin in den meisten Haltungsituationen für langsames Anweiden. Es gibt sicher leichtfuttrige, weniger verfressene Pferde, bei denen das schneller geht - und es gibt halt auch Ponies, die dauerhaft nur einige Stunden Weidegang vertragen.

Lg, Trixi .. die dringend aufs Frühjahr und Gras wartet :)
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nero311
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von nero311 »

naja, aus früheren jahren und alten bauern kenne ich nur: gras gewachsen, pferde komplett raus- es ist nie was passiert, aber gut ist es sicher nicht.
vor konsequenzen hätte ich zuviel angst, allerdings mache ich aus dem anweiden keine wissenschaft: ich lasse meinen ein paar mal an der hand grasen, dann kommen sie ein paar mal für 20min auf die weide, ein paar mal ne stunde oder zwei und dann halt mehrere stunden und dann ganz. das dauert 2-4wochen.
durchfall von neuen wiesen hat er trotzdem sogar im hochsommer, selbst wenn er auf wirklich trockene, überständige wiesen kommt.
seit letztem jahr bekommt er bei jeder neuen weide die ersten 1-3tage einen maulkorb, vielleicht mache ich das dies jahr beim anweiden auch.
es gibt halt immer empfindlichere und unempfindlichere pferde- man muß selbst wissen, wie man es macht und halt auch die konsequenzen tragen (lassen- in dem fall nicht schön fürs pferd).
unsere haben allerdings eine winterweide zur verfügung und schnappen sich im frühjahr jeden grashalm, deswegen weiden sie sich auch ein bißchen selbst an.
hätten sie mehrere hecktar, bräuchte man es wahrscheinlich wirklich nur ihnen selbst überlassen (es sei denn, sie sind sehr empfindlich und rehegefährdet).

du darfst halt nicht vergessen: wenn es bei einem wildpferd nicht funktioniert, stirbt es eben- so einfach ist das und so uneinfach ist das bei unseren heißgeliebten familienmitgliedern.
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Katja1
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von Katja1 »

So viele interessante Antworten!
Danke euch allen für die Denkanstöße :hutab:
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wiassi
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von wiassi »

Es gibt immer unterschiedlich empfindliche Pferde -und es gibt ja auch unterschiedliches Gras. Wildpferde haben es selten mit überdüngtem überweidetem Hochleistungsgras zu tun. Das ist aber leider Standart in den meisten Ställen. Wo stehen schon max. 2 Pferde auf 1 ha? Dann noch mit pferdegerechter Grasmischung? Bei solchen bedingungen und robusten pferden kann es klappen. Im alten Stall hat eine Besitzergruppe ihre Pferde immer ohne jedes Anweiden am 1. Mai 24h auf die Weide gestellt. Alle Pferde wurden in den ersten Wochen dann zusätzlich sehr stark bewegt und hatten auch alle Durchfall, aber Koliken gab es kaum. Meine Methode wurde das trotzdem nicht.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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Re: Anweiden, Wildpferde NFAQ (Not frequently asked question

Beitrag von ehem User »

Auch wenn ich bisher selber immer ein Anhänger der Theorie war, dass es viele der Probleme, die wir mit unseren Hauspferden haben, bei Wildpferden nicht gibt, habe ich mich eines besseren belehren lassen - es hängt eben doch immer von den Bedingungen ab unter denen auch die Wildpferde leben. Hier ein Zitat:
Die Kaimanawa Pferde aus Neuseeland leben auf weichem fruchtbaren Grasland (Vulkanasche) mit ausreichend Wasserangebot (nasser Sumpfboden) auf einem Truppenübungsgeländ im Südwesten der Nordinsel. Ihre Population wird nach Vereinbarung bei ca. 500 Tieren gehalten. Auch hier sind zahlreiche schlimme Hufdeformationen,  White Line Disease mit heftigen Infektionen, Wandverbiegungen mit Hornwanddefekten, Rissen und Spalten so wie ernährungsbedingter Hufrehe, etc. und knöcherner Anomalien zu finden, da diese Pferde immer in einem üppigen Ernährungszustand sind und nur wenige km auf weichem, feuchten Untergrund zurücklegen müssen. Die Lebensbedingungen sind jedoch nicht hart genug, um hier die Pferde mit Hufpathologien durch Selektion zu dezimieren.
Hier der Link zu der Seite, die Forschungsergebnisse des australischen "Hufforschers" Brian Hampson zeigt:

http://www.gesundehufe.com/wildpferd-huf-hampson.html
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