Tut mir leid Angela, aber ich teile deine Meinung zu Katniss' Beitrag nicht. Ich finde es durchaus passend und angebracht in diesem Forum auch kritische Fragen zu diskutieren und sich konstruktiv darüber auzutauschen. Auch wurde ja kein explizites Beispiel oder Person angeprangert. Im Gegenteil ein vorbildliches Beispiel (und hier großen Dank
an dich Katniss für das schöne Video) aufgeführt. Sicherlich ist Muriels Antwort (nicht böse sein) etwas zu emotional und vielleicht auch etwas zu einseitig und einfach ausgefallen. Nichtsdestotrotz sollte jeder, sofern er niemand angreift oder verletzt, hier frei seine Meinung äußern können. Auch finde ich es nicht ok, Katniss' ihr Anliegen in eine andere Richtung lenken zu wollen, als sie es sich damit gedacht hat. Solange sie damit keine Forumsregeln verletzt, sollte ihr Wunsch nach einem konstruktiven Meinungsaustausch zu ihrem Thema respektiert werden.
Nun zu deinem Posting Katniss. Die von dir angesprochenen Problematik ist sehr vielschichtig und nicht so einfach zu beantworten und sicher nicht von einer Person in allen Bereichen und Facetten erklär- und darstellbar. Jeder kann hier nur seine Sicht auf die Dinge, sprich die Entwicklung der Dressurreiterei in den letzten Jahrzehnten, wiedergeben. Aber ein freier Meinungsautasuch ist hier ja von dir erwünscht und erbeten
Zum Thema Zucht. Wenn ich mir die Pferde auf dem Video so anschaue (leider ist die Qualität wirklich schlecht und auch der Schnitt häufig sehr schnell und hektisch) so denke ich, dass manche von denen heute nicht mehr zwingend auf dem Niveau auch ganz vorn plaziert werden. Und damit spiele ich nicht auf die Ausführung der Lektionen und die Durchlässigkeit an. Neben der korrekten Ausführung der Lektionen spielt eben auch die Gangmechanik/die Fähigkeit sich ausdrucksstark zu bewegen mit in die Benotung ein. Und dass ist etwas wo sich die Zucht in kurzer Zeit enorm "verbessert" hat. Ich schreibe es deswegen mit Anführungszeichen, da gut und schlecht auch immer eien Frage des Blickwinkels und der Intention, sprich des Ziels, dass man hat, ist. Züchterisch wurde viel Wert auf größere, raumgreifendere, spektakulärere, kadenziertere, ja teilweise auch "elektrischere" Bewegungen gelegt. Irgendwo musste ja auch ein Zuchtfortschritt erkenn- und messbar sein. Bei der Dressur wird nunmal Bewegung bewertet nicht Geschwindigkeit oder Höhe etc. Ob das alles aber noch von normalen Menschen anatomisch sitzbar ist, diese Frage stand, glaube ich, nie wirklich im Raum. Getreu dem überall in der Gesellschaft mittlerweile fest verankerten Hungers nach Steigerung und Wachstum, konnte doch auch hier ein scheinbarer "Stillstand" nicht das Ziel sein. Nur funktioniert Zucht auch nie nach dem Schema ein Merkmal fördern ein ungewünschtes unterdrücken. Ich beeinflusse mit Selektion und Anpaarungsentscheidung immer alle Merkmale - positiv und/oder negativ. Will ich das eine haben, muss ich andere mit in Kauf nehmen. Sensibilität, Schnelligkeit im abfußen, scheinbare tänzerische Leichtigkeit gehen meist mit einem entsprechend sensiblen Charakter einher. "Bedienfreundlichkeit" ist aber zumeist was anderes, Nervenstärke häufig leider auch.
Leider entwickelte sich parallel dazu unsere Gesellschaft weiter zu der sogenannten "Spaßgesellschaft". Es soll Spaß machen, nicht anstrenegn, schnelle Erfolge sind wichtig, genauso Prestige, unsere Wirkung nach außen und (hier wird es ganz irre) ist es einerseits total wichtig was andere von uns halten (Schein) und gleichzeitig war der Egoismus und das Ellbogendenken und das nicht annehmen der Erfahrung der Gesellschaft kaum so stark ausgeprägt und propagiert wie in den letzten 2 Jahrzehnten. Die Erfahrung/Weisheit anderer wird nicht geschätzt, können diese nicht auf spektakuläre (oder als solche dargestellte) Erfolge verweisen. Kaum einer will mehr den harten steinigen Weg gehen (Ja, ich weiß ich verallgemeinere, aber grob gesehen ist es so). Egal in welcher Sparte, der Kunde ist König und wer im Wettkampf Kunden behalten will, muss was bieten und auch selbstgefällig sein.
Und damit sind wir beim zweiten Teil deiner Frage, die Ausbildung der Reiter. Auch hier gibts kein schwarz/weiß - ja und nein. Einerseits gibt es heute auch für "Lieschen Müller" rein theoretisch die Möglichkeit eine gute, pferdeschonende und nachhaltige Reitausbildung zu erfahren, andererseits ist das Niveau in der Breite gesunken. Aber eben auch eine Breite, die es früher (zumindest hier im Osten) so nicht gab. Eben weil hartes Training und an sich selber arbeiten kaum noch erwünscht bzw. aus Mangel an Kundschaft nachgefragt wird. Sicher verhilft auch Konkurrenz und Masseninformation via der nicht mehr ganz so neuen Medien zu Verbesserungen und zwingt alte/schlechte Ausbilder zur Aufgabe oder zum Umdenken. Aber es gebiert eben auch die andere negative Seite des schnell-schnell und billig-billig.
Ich bin mir sicher, dass es auch heute noch möglich ist 12 Reiter auf Grand Prix Niveau zusammen zu bekommen, welche durchlässige Pferd unter diesen Bedingungen vorstellen können. Ob so homogen vom Pferdematerial her, ist ein anderes Thema. Es kann nur durchaus sein, dass sich unter den Zwölf nicht unbedingt die Spitze des Worldrankings befindet. Es gibt zum Glück immer noch "alte" (vom Gedanken, nicht vom biologischen Alter) Trainer, welche die Tugenden der deutschen Reitausbildung hochhalten und sich trotzdem dem neuen Denken nicht verschließne. Doch a) diese zu findne ist nicht einfach und b) sind sie auch nur Menschen und können auch nur eine begrenzet Anzahl an Schülern betreuen.
Solange aber auf den Turnieren spektakuläre Tritte hochbenotet und verspannte, unzufriedene Pferde und unbequm sitzende Reiter nicht abgestraft werden, wird sich da nichts verändern. Man brauch nunmal mit einem durchlässigen korrekt geritten Pferd nicht mit vorderen Platzierungen rechnen, wenn die Bewegung "nur" Durchschnitt entspricht. Wie oft habe ich schon auf Auktionen in den Vorbereitungshallen die potentiellen Käufer ihre auserwählten Auktionspferde probereiten sehen. Keiner konnte eines der Pferde sitzen, aber anstatt leichtzutraben wurde sich im Zügel festgehalten und der Wurf des Pferderückens ignoriert. Mein Rücken würde mir das keine drei Schritte erlauben. Eigentlich ist es traurig, für einen selbstfabrizierten Schein quälen sich die Reiter und ihre Pferde.
Das umdenken muss weiter oben ansetzen. Den Züchtern allein den schwarzen Peter zuzuschieben ist zu kurz gedacht. Sie müssen davon leben. Von der Zucht für den Freizeitsektor kann kaum ein Züchter leben. Wer will den heut noch 6000 € für einen angerittenen 4jährigen ausgeben? Und da ist noch kein Gewinn für den Züchter dabei. Auch die so viel gescholtenen Richter sind nicht allein am Dilemma schuld. Unliebsame (streng wertende) Richter werden schon mal von den Veranstaltern nicht mehr für Prüfungen benannt. Zu groß ist der Druck den die Veranstalter von den Reitern erfahren, wenn dieser oder jener Richter auf der Nennung benannt wird( ja, da gibt es jetzt ein paar Regeländerungen, aber auch nicht in allen Kategorien). Und ohne Starter keine Veranstaltung. Oder was ist denn nur wenn solche Kommentare kommen: "Das Pferd hat 12.000€ gekostet, wieso ist meine Tochter nicht vorn platziert?" Und selbst diesen Eltern / Reitern kann man nicht die alleinige Schuld geben, wenn ihnen die Verkäufer und/oder Trainer (die "Fachwelt" an sich) suggeriert, das mit dem "richtigen" Pferd alles wie von selbst geht. Komisch nur, das immer nur einer gewinnen kann! Aber auch die Trainer stecken in dem Teufelskreis drin, müssen sie sich doch den Wünschen (nach schneller, besser) der Kunden beugen, wollen sie überleben. Nur wenige Trainer sind in der glücklichen Lage sich ihr Kundschaft aussuchen zu können. Ach ja, die Medien hätte ich fast vergessen. Bei Großveranstaltungen geht es um viel Geld. Gerade die Dressur hat immer mit dem Image - langweilig und nicht durchschaubar für den Laien - zu kämpfen - Spektakel, Spaktakel, das ist das was nachgefragt und bezahlt wird, also wird es auch gefordert. Auch sind das Wissen und die Möglichkeiten was man alles mit seiner (immer noch ganauso wenigen) Zeit anstellen kannn so enorm gewachsen, dass sich ein beschränken/ein vertiefen in nur wenige Dinge kaum noch jemand leistet. Nur gehört zum Sport mit dem Partner Pferd eben mehr als Technik. Das Wissen um die Biologie um die Bedürfnisse des Lebewesens Pferd, dafür ist kaum noch Zeit.
Tja, es ist ein Teufelskreis, der sich noch um weiter Beteiligte fortsetzen lässt. Nur einen Schuldigen gibt es nicht. Und das Problem ist auch nicht nur an einer Stelle auftröselbar. Im Kleinen kann jeder für sich entscheiden was er sich und seinem Pferd gegenüber verantworten kann. Im Großen hilft nur die Unterstützung anderer Konzepte und konstruktiv, nicht reißerisch, das Gespräch zu suchen. Doch solange die Gesellschaft an sich nicht nachhaltiger (Abmilderung des ewigen Hypes nach Wachstum) wird, ist es schwer schnelle Änderungen herbeizuführen.
@ Katniss, ich merke gerade, es ist unheimlich schwer, dass hier in dem kleinen rahmen das Thema genügend ausführlich und klar zu diskutieren. Aber vielleicht taugen meine Gedanken trotzdem als kleiner Ansatz zu deiner Fragestellung.