Das Reitwaisen Forum

Wir haben heute mal wieder über Takt und Losgelassenheit und die ersten Punkte der Ausbildungsskala philosophiert. Dabei ist mir bewusst geworden, dass ich eigentlich gar nicht weiß, was "Losgelassenheit" eigentlich ist.

Unter Takt kann ich mir schon noch was vorstellen, aber was ist Losgelassenheit? Wie sieht sie aus? Wie muss ich mir das vorstellen? Wie fühlt es sich an? Wie erkenne ich sie? Fragen über Fragen ...

Kann mir das jemand schlüssig darlegen?

Ich verstehe unter Losgelassenheit Lockerheit und Entspannung von Körper und Geist. Wenn irgendwo Muskeln (dauerhaft) angespannt, verkrampft oder überfordert sind, oder der Geist angespannt, dann ist losgelassenes / lockeres Laufen nicht möglich.

Damit hängen Losgelassenheit und Takt eng zusammen, denn Verkrampfungen blockieren den Bewegungsfluss und lösen somit Taktungenauigkeiten bis hin zum Lahmen aus.

Hast Du bei einem laufenden Pferd schonmal die Muskeln so richtig "schwabbeln" sehen? Das wäre für mich ein Merkmal für ein losgelassen laufendes Pferd. Die Bewegungen sollten fließend und leicht erscheinen, und sich ganz weich anfühlen.

Viele Grüße,
Jaz

jaz hat geschrieben:Hast Du bei einem laufenden Pferd schonmal die Muskeln so richtig "schwabbeln" sehen? Das wäre für mich ein Merkmal für ein losgelassen laufendes Pferd.

Das ist doch schon mal eine bildliche Beschreibung, mit der ich was anfangen kann. Und überhaupt ist das alles schon mal eine gute Beschreibung.

Ich durchsuche schon gerade youtube Videos, aber bisher habe ich nichts hilfreiches gefunden. Da wird zwar immer wieder von Losgelassenheit gesprochen, aber a) sieht es meistens unentspannt aus und b) wird auch nicht erklärt, warum jetzt gerade das, was man da sieht, losgelassen sein soll. Also woran man das halt festmachen kann.

Von daher ist dein Beitrag schon mal sehr hilfreich.

Probiers mal mit dem Video hier:
http://www.wege-zum-pferd.de/img/videos/lkfrei2.php

http://de.wikipedia.org/wiki/Losgelassenheit

Wie es scheint, weichen Theorie und Praxis mal wieder deutlich voneinander ab ... Oder ich bin einfach (noch?) nicht in der Lage, Losgelassenheit zu erkennen / zu beurteilen. Ich werde wohl weiter Videos studieren müssen

Dr. Heuschmann hat das mal mit einem Satz erklärt. Losgelassenheit ist ein schwingender Rücken.
Eigentlich hat das nichts mit schwabbelnden Muskeln zu tun. Schwabbelnde Muskeln würden eher nur auf untrainierte Muskeln hindeuten. Die kann es aber auch geben, wenn ein Pferd nicht losgelassen läuft. Eigentlich sollten die Muskeln auch bei Losgelassenheit arbeiten.

Bei youtube gibt es einen tollen, sehr ausführlichen Vortrag von Heuschmann über die Biomechanik des Pferdes. Da ist dann auch ein losgelassenes bemaltes Pferd zu sehen.

http://www.youtube.com/watch?v=BcVOkWb3fgA

Wunderbar. Der ist mir jetzt vor der Arbeit zu lang, aber den werde ich mir mal in Ruhe anschauen. Danke schön auch noch mal hierfür.

Der gute Waldemar Seunig hat das mal schön definiert. Da ich den natürlich immer unter dem Kopfkissen habe also nicht hier im Büro kopier ich mal aus wikipedia:

Mit dem Begriff „tätige Losgelassenheit" weist Seunig auf den Unterschied zwischen „Zwanglosigkeit“ und Losgelassenheit und definiert letztere als „ein Produkt vertrauensvoller Zwanglosigkeit und durch Treiben erweckter Energie des Ganges mit ihren Folgen, den vollen Muskelschwingungen.
Merkmale der Losgelassenheit :
Zufriedener Gesichtsausdruck (Auge, Ohren)
Gleichmäßig schwingender Rücken
Geschlossenes, tätig kauendes Maul
Getragener, mit der Bewegung pendelnder Schweif
Abschnauben (innere Zufriedenheit)
Vorwärts-Abwärtsdehnen
Herantreten ans Gebiss und sich davon Abstoßen (relative Aufrichtung)

Letzteres kann ob der Formulierung leicht zu Missverständnissen führen, gemeint ist die weiche Verbindung Hand- Pferdemaul, bei der das Pferd die Verbindung sucht, ganz fein ohne sich darauf zu legen und immer bereit sich v/a-dehnend in die Tiefe zu folgen. Das geht im übrigen auch gebißlos, war zu Seunigs Zeiten aber nicht verbreitet.
Mit Treiben ist auch nicht bekanntes "rechts-links- rein die Beine/Sporen" gemeint sondern das sanfte Mitschwingen des Reiterbeines, das sanft bei Bedarf die Hinterhand zum Untertreten auffordert, damit der Rücken sich wölben und schwingen kann. Dieses Treiben kann so minimal erfolgen wie beim gut longierten Pferd das Zeigen mit der Longenpitsch auf das Hinterbein ein vermehrtes Untertreten zur Folge hat.

Losgelassenheit ist also ein aktiver Zustand.

Bei dem Heuschmann-Vortrag finde ich übrigens interessant, dass er tatsächlich den Takt als Punkt vor die Losgelassenheit stellt. Das wird ja immer recht kontrovers diskutiert, einmal als Reihenfolge, das andere mal als direkte Einheit. Er meint aber, dass ohne einen gleichmäßigen Takt die Losgelassenheit nicht entstehen kann und dann demonstriert er an einer Zuschauerin, wie ein dauergetriebenes Pferd, überhaupt nicht in der Lage sein kann, losgelassen zu laufen. Ich glaube, das ist sogar ein Schlüssel dafür, warum so viele Pferde, die eigentlich beste Voraussetzungen haben, trotzdem mit einem festgemachten Rücken laufen.