Ignorieren von Verhalten

Moderator: Keshia

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Romy
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Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Romy »

Mal wieder ein Thema, zu dem ich an euren Meinungen interessiert bin. Es geht darum, unerwünschtes Verhalten des Pferdes zu ignorieren. Meine Frage dazu ist, ob und warum ihr das sinnvoll, zielführend oder dem Tier gegenüber in Ordnung findet - oder eben warum nicht.

Hintergrund ist der, dass ich das immer wieder höre und lese als eine pferdefreundliche Methode, um unerwünschtes Verhalten abzustellen. Die damit intendierten lernpsychologischen Grundlagen sind mir bekannt (Löschung durch Ausbleiben einer Konsequenz des Verhaltens), aber ich frage mich eben, ob Ignorieren im sozialen Kontext wirklich ein so neutrales Ausbleiben einer Konsequenz ist. Ich denke, dass Ignorieren mindestens zwei verschiedene Arten von Folgen hat, psychologische und solche, die sich direkt auf die Beziehung auswirken können.

Aber zunächst mal zur psychologischen Wirkung: Wenn wir über Menschen sprechen, brauche ich glaube ich gar nicht erst irgendwelche wissenschaftlichen Studien bemühen, um zu argumentieren, dass Ignoriertwerden problematische psychologische Auswirkungen haben kann. Nun kann man natürlich das Ignorieren einer bestimmten Verhaltensweise nur bedingtmit dem Ignorieren der Person an sich vergleichen. Dennoch bin ich persönlich froh darüber, dass die Personen die mich in meiner Entwicklung begleitet haben, scheinbar nichts über die Löschung von Verhalten gelesen haben. ;) Der Grund warum ich nicht denke, dass Ignorieren neutral ist, ist der, dass es in einer kooperativen Kommunikation der Normalzustand ist, eine zur eigenen Handlung passende Reaktion zu bekommen. Bleibt diese aus, so besteht die Möglichkeit, dass der Betreffende das Ignoriertwerden eher wie eine negative Bestrafung (Entziehen eines angenehmen Stimulus zur Verringerung eines Verhaltens) erlebt – mit allen bereits bekannten problematischen Folgen von Bestrafung.

Der zweite für mich wichtige Punkt ist die soziale Auswirkung des Ignorierens. Hier befürchte ich genau genommen zwei Dinge. Das erste hat mit der Wahrnehmung des Gegenübers zu tun. Was schließe ich daraus, wenn jemand ein deutliches und eigentlich nicht zu überhörendes Zeichen von mir ignoriert? Wahrscheinlich naiverweise erstmal, dass er irgendwie taub oder dumm ist. Natürlich kann ich als Mensch dann kompliziert um die Ecke denken und mir bewusst machen, dass der Andere mein Verhalten zwar durchaus bemerkt hat, aber so tut als ob er es nicht bemerkt habe, um mir damit etwas deutlich zu machen. Aber sind solche Schlüsse für Pferde genau so leicht? Falls nicht, dann wäre es mir persönlich nicht wirklich recht, wenn mein Pferd mich als derart abgestumpft erlebt. Ganz einfach weil das dann auch wieder sein Verhalten mir gegenüber beeinflussen wird. Ein vorsichtiges und aufmerksames Pferd erhalte ich wahrscheinlich eher nicht dadurch, dass ich mich selbst unaufmerksam und unvorsichtig gebe.

Mein zweites Bedenken hinsichtlich der Mensch-Pferd-Beziehung ist die Frage des Fokus, oder genauer genommen auf wen dieser gelenkt wird. Selbst wenn Ignorieren tatsächlich wie eine neutrale Löschung durch das Ausbleiben angenehmer Konsequenzen des Verhaltens wirken sollte, so sind dies doch wieder ausschließlich Konsequenzen für das Pferd selbst. Wenn zum Beispiel ein schnappendes Pferd lernt, dass sein Schnappen ignoriert wird und für es selbst keine Konsequenz hat, so weiß es dadurch noch lange nicht, wie der Mensch sich dabei fühlt. Eigentlich sollte es aus dessen Indifferenz sogar schließen können, dass der das Schnappen ab kann – oder seinen emotionalen Zustand eben gar nicht mehr beachten, weil keine informativen Signale darüber ausgesendet werden.

Für mich führen diese Punkte dazu, dass Ignorieren in meinem Umgang mit Pferden nicht vorkommt – oder zumindest nicht als absichtlich eingesetztes Kommunikationsmittel. Anstatt dessen bemühe ich mich, dem Pferd IMMER eine Art Anerkennung für sein Verhalten zukommen zu lassen („ja, ich habe es bemerkt“) und ihm dann rückzumelden, wie ich das finde. Die Anerkennung kann denkbar subtil sein und für weniger relevante Verhaltensweisen auch gern mal nur in einem Blick oder einer kleinen körpersprachlichen Veränderung bestehen. Aber sie muss dem Pferd eben signalisieren, dass sein Signal angekommen ist. In der Rückmeldung über meine emotionale Reaktion auf sein Verhalten bin ich dann so authentisch wie möglich, was auch mal bedeuten kann, dass ich leicht genervt oder traurig reagiere. Aber ich denke die Wirkung unseres eigenen Emotionsausdruckes auf das Verhalten des Pferdes wäre schon wieder ein ganz neues Thema.

Nun bin ich vor allem gespannt auf eure Ansichten zum Thema Ignorieren. Sehr gerne würde ich auch komplett gegensätzliche Meinungen lesen, da mich gerade die zum Lernen und Nachdenken anregen und da ja einer der Gründe ist, warum ich hier in diesem Forum gelandet bin. :-)
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SCvet
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von SCvet »

Hi,

ich habe den Eindruck, daß du doch zumindest teilweise das Ignorieren eines Verhaltens mit dem Ignorieren einer Person gleichsetzt. Das Ignorieren des Pferdes in Form von Time Out fällt sehr wohl unter (negative) Strafe (bzw. wenn es das Pferd als Belohnung empfindet, wäre es wohl sinnvoll, das Training zu überdenken).

Das Ignorieren von unerwünschtem Verhalten funktioniert, allerdings n. m. E. nur, wenn man das Verhalten möglichst rasch umlenkt bzw. seinen Gesprächs(Pferde-)partner zu erwünschterem Verhalten motiviert, wenn das Tier/der Mensch nicht selbst sehr rasch angenehmeres Verhalten zeigt, das bestärkt werden kann (zumindest wenn man weiterhin gemeinsam trainieren/seine Zeit verbringen will).

Auch ist es eine Frage, wie Mensch unerwünschtes Verhalten definiert. Gerade Schmerz- bzw. Unlustäußerungen z. B. beim Satteln sollten m. E. nicht ignoriert werden, sondern das Ding gecheckt werden, wo es klemmt, und ich denke, es ist dabei gut, wenn Pferd merkt, daß Mensch gleich reagiert. Dadurch beschränkt sich unfreundliches Verhalten auch oft auf ein wesentlich geringeres Ausmaß, da Pferd ja nicht brüllen muß, um gehört zu werden.

Eine Herausforderung ist es, Verhalten wie z. B. Schnappen zu ignorieren, da es ja ins Leere laufen soll, ohne daß du blaue Flecken o. ä. abkriegst. Das heißt, du mußt das Training so gestalten, daß Pferd dich nicht erwischt, ohne daß du seine Schnappversuche >bemerkst<.

Bei Mitmenschen kann man bestimmte Bemerkungen überhören, sollte dann aber auf die nächste nette Bemerkung eingehen bzw. eine Frage einwerfen, mit der eine nette Bemerkung oder Erzählung herausgefordert wird. (Wenn man an einem Menschen nur Verhalten feststellt, daß man ignorieren will, macht es vielleicht tatsächlich Sinn, den Menschen zu ignorieren bzw. den Kontakt mit ihm abzubrechen.)

Viele Grüße

Carola
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Equester
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Equester »

So ganz kann ich Deinem Beitrag jetzt nicht folgen :-e weil ich nicht denke, dass man die psychologische Ansicht so ohne weiteres von der Interaktion zwischen Menschen und zwischen Mensch und Tier übertragen kann.

Wenn ich mich mit einem Kind beschäftige und es fängt auf einmal an, meine Sachen zu durchzusuchen, ob ich irgendwo Bonbons versteckt habe, kann ich mich verbal dazu äußern. Ich kann erklären, warum mir das nicht gefällt und dass ich nicht möchte, dass sich so etwas wiederholt. Ich kann auch dem Kind gegenüber äußern, wie traurig es mich macht, wenn es sich so verhält. Ich kann auch mit ihm diskutieren, ob es richtig ist, wenn jemand einfach an fremde Sachen geht und sich daran bedienen will.In mir drin schwebt dann die Hoffnung auf Einsicht bei dem Kind. Oder ich kann das Verhalten einfach ignorieren und hoffen, dass es irgendwann aufhört, auf meine Sachen zu durchsuchen.
Übertragen wir die Situation mal auf eine Mensch - Pferd Situation. Ich stehe neben dem Pferd und es wühlt ohne Ende mit seiner Nase in meiner Tasche, um an Leckerlies zu kommen. Jetzt kann ich das Verhalten verbal kommentieren, indem ich erkläre, dass ich das nicht gut finde, es mich traurig macht und dass er es lassen soll. Ich kann es auch in Form von leichten Schlägen auf die Nase beantworten oder ich ignoriere das Verhalten und egal was das Pferd macht, es bekommt kein Leckerlie (ich kann mich zur Verstärkung auch noch leicht wegdrehen).

Bei einem Kind kann ich realistisch davon ausgehen (wir gehen mal davon aus, dass es in einem Alter ist, wo es schon mitdenken kann ;) ), dass es meine Argumente versteht und im besten Fall nicht mehr ungefragt an meine Sachen geht. Bei einem Pferd kann ich mir die Lippen fusselig argumentieren, da wird nichts ankommen, weil Pferde zur Kommunikation keine Wörter nutzen, sondern sich über Körpersprache "unterhalten" . Ok, ich kann meinen Tonfall verschärfen und je nach dem, wie gut mich das Pferd kennt, wird es den Tonfall vielleicht richtig einordnen können, aber es wird auf keinen Fall den Sinn der gesprochenen Wörter verstehen können. Pferde können auch keine emotionale Rückschlüsse ziehen, das ist ihnen schlicht unmöglich (ich bin ganz doll traurig, wenn Du weiter in meinen Taschen wühlst). Was bleibt mir also in der Interaktion mit dem Pferd, um meine Wünsche deutlich zu machen? Ich kann ihm jedesmal, wenn es mit der Nase an meine Tasche kommt, einen Klaps geben. Nicht schön, aber das Pferd lernt innerhalb kürzester Zeit: ok, wenn ich da hinlange, wird es unangenehm. Ich kann das nicht an die Tasche rüsseln positiv bestätigen, was aber auch nach hinten losgehen kann (Pferd denkt: ich muss immer erst was machen, damit ich nachher fürs nicht machen eine Belohnung bekomme) oder ich kann das Verhalten einfach ignorieren. Wenn ich es ignoriere, lernt das Pferd, dass sich der Aufwand nicht lohnt, es kommt einfach nichts rüber. Ich bin mir ziemlich sicher, dass - wenn man es wirklich konsequent durchhält - das Pferd ohne seelischen Schaden zu nehmen lernt, dass betteln nichts bringt.

Wenn ich unsere kleine Pferdeherde beobachte, sehe ich z.B. das Pony, welches meinen nervt. Manchmal reagiert er einfach nicht, manchmal dreht er sich weg, manchmal zuckt er leicht mit den Ohren, ab und an reagiert er auch sehr deutlich, damit das Pony versteht, dass er das gerade nicht will.dann reagiert mein Pferd deutlich, so dass auch ein Pony verstehen kann, dass das gerade nicht gewünscht ist. Die Sache ist damit geklärt und es kehrt Ruhe ein. Das bedeutet für mich, dass ich mich in der Kommunikation mit dem Pferd so äußern muss, dass es mich auch verstehen kann. Ein liebevoll geführter Monolog wird da nichts bewegen.

Um mal kurz auf das Clickern zu kommen: das ist eine Möglichkeit, mit dem Pferd zu kommunizieren. Es lernt innerhalb kürzester Zeit, dass richtiges Benehmen belohnt wird, falsches Benehmen hat jedoch keine Folgen, weder positiv noch negativ (leider ist es immer noch an der Tagesordnung, dass falsches Verhalten negativ "belohnt" wird). Da Pferde in der Regel keine Energien verschwenden, wird es sehr schnell lernen, dass bestimmtes Verhalten einfach nichts bringt und sich darauf konzentrieren, wo es etwas "abstauben" kann. Wenn ich allerdings mal fürs Rüsseln an der Tasche ein Leckerchen gebe, mal nicht, lohnt alles Verhalten - ob verbal, gar nicht, oder in Form einer Züchtigung - gar nichts, weil das Pferd einfach mal gelernt hat: dranbleiben Alter, irgendwann gibt es doch was ;) .
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Romy
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Romy »

Danke dir, Carola! :-)
SCvet hat geschrieben:ich habe den Eindruck, daß du doch zumindest teilweise das Ignorieren eines Verhaltens mit dem Ignorieren einer Person gleichsetzt. Das Ignorieren des Pferdes in Form von Time Out fällt sehr wohl unter (negative) Strafe
Ich meinte hier schon das Ignorieren ganz konkreter Verhaltensweisen. Wenn ich eine kommunikativ intendierte Äußerung mache und mein Gegenüber das ignoriert, fühlt sich das zumindest für mich schon auch wie negative Strafe an, auch wenn er nicht gleich weggeht. Aber vielleicht bin ich da auch einfach zu empfindlich. ;)

Weiterhin denke ich wir sind uns einig darüber, dass das Anbieten positiven Alternativverhaltens entscheidend ist und auch bezüglich des (Nicht-)Ignorierens von Schmerzäußerungen oder sonstigem Protest des Pferdes. Der Punkt wo sich meine Meinung wohl aber tatsächlich von der einiger Menschen unterscheidet ist das Ignorieren solcher Dinge wie Schnappen oder Drängeln.
SCvet hat geschrieben:Eine Herausforderung ist es, Verhalten wie z. B. Schnappen zu ignorieren, da es ja ins Leere laufen soll, ohne daß du blaue Flecken o. ä. abkriegst. Das heißt, du mußt das Training so gestalten, daß Pferd dich nicht erwischt, ohne daß du seine Schnappversuche >bemerkst<.
Ich persönlich möchte eben gerade nicht, dass solches Verhalten ins Leere läuft. Ich möchte, dass das Pferd darüber ein unmittelbares Feedback bekommt. Damit meine ich explizit nicht ein auf das Pferd gerichtetes Feedback wie Schimpfen oder Korrigieren, das eine Reaktion des Pferdes einfordert. Ich meine eher ein Feedback, das etwas über mich mitteilt, nämlich dass ich das Verhalten registriert habe und wie es MIR damit geht. Aber danke, dass du das nochmal angesprochen hast. Ich glaube nämlich, dass das für mich ein wichtiger Punkt ist, meine Reaktionen auf das Verhalten eines Pferdes so zu gestalten, dass sie eher etwas über mich aussagt als dass sie direkt auf das Pferd gerichtet ist (sowas wie Ich- versus Du-Botschaften in der Gesprächsführung).
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Romy
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Romy »

Danke dir auch, Equester! :)

Natürlich hast du Recht, dass es wenig sinnvoll sein wird, einem Pferd mit Vernunftargumenten zu kommen und auf Einsicht zu hoffen. Aber ich denke auch nicht, dass es nur zwei Alternativen gibt: Einsicht und hochgradig saliente Verhaltensverstärker (z.B. Futter) beziehungsweise deren Ausbleiben.
Equester hat geschrieben:Pferde können auch keine emotionale Rückschlüsse ziehen, das ist ihnen schlicht unmöglich (ich bin ganz doll traurig, wenn Du weiter in meinen Taschen wühlst).


Meiner Erfahrung nach scheint es durchaus so zu sein, dass Pferde unsere emotionale Reaktion lesen können und daher wüsste ich nicht, warum sie diese nicht auch mit ihrem Verhalten assoziieren können sollten - so wie jede andere Verhaltenskonsequenz auch. Sicher geht in ihrem Kopf kein hochgradig bewusster Denkvorgang vor so wie du ihn beschrieben hast, aber eine Antizipation unserer emotionalen Reaktion traue ich Pferden durchaus zu. Und wenn nicht unserer Emotion an sich, dann doch auf jeden Fall unseres Emotionsausdruckes (z.B. angespannt sein).
Equester hat geschrieben:Was bleibt mir also in der Interaktion mit dem Pferd, um meine Wünsche deutlich zu machen? Ich kann ihm jedesmal, wenn es mit der Nase an meine Tasche kommt, einen Klaps geben. Nicht schön, aber das Pferd lernt innerhalb kürzester Zeit: ok, wenn ich da hinlange, wird es unangenehm. Ich kann das nicht an die Tasche rüsseln positiv bestätigen, was aber auch nach hinten losgehen kann (Pferd denkt: ich muss immer erst was machen, damit ich nachher fürs nicht machen eine Belohnung bekomme) oder ich kann das Verhalten einfach ignorieren. Wenn ich es ignoriere, lernt das Pferd, dass sich der Aufwand nicht lohnt, es kommt einfach nichts rüber.
Wenn meine Pferde in meiner Tasche wühlen wollen, erhöht sich meine Körperspannung (Miniversion von Einfrieren) und ich sage dem Pferd, dass ich das nicht will (was genau ich verbal sage ist dem Pferd natürlich egal, aber hilft mir, meine Intention klar zu kriegen). Ich belohne sofort, wenn das Pferd aufhört. Wenn das noch nicht hilft, halte ich die Tasche zu oder schiebe die Nase vorsichtig weg und belohne auch hier, wenn das Pferd aufhört.

Dass Herdenverhalten oft anders aussieht ist mir klar, aber ich denke, dass meine Pferde durchaus erkennen können, dass ich kein Pferd bin. Da sich die Ziele, die ich mit meinen Pferden habe, von denen unterscheiden, die meine Pferde untereinander haben (wir konkurrieren zum Beispiel nicht um Futter oder verbringen meist keine Zeit zusammen, in der einer von uns in Ruhe gelassen werden will), ist das Herdenverhalten für mich nur ganz bedingt ein hilfreiches Rollenmodell.

Und nein, von irgendwelchem schweren emotionalen Schaden gehe ich auch nicht aus, wenn jemand das Verhalten seines Pferdes ignoriert. Aber ich vermute trotzdem, dass das Gefühl, das beim Pferd entsteht, über ein neutrales "Es bringt nichts" hinausgehen kann. Und wenn ich das vermeiden kann, dann möchte ich das gern tun. :-)
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Fionnlagh
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Fionnlagh »

:winken:

Ich kann nur von meiner Erfahrung mit meinem Pferd berichten und da muss ich sagen, dass uns das Ignorieren alleine nicht weit gebracht hat. Kann natürlich daran liegen, dass ich irgendwas falsch mache, das will ich nicht ausschließen :nix:

Mein temperamentvolles Jungpferd hapst zum Beispiel, interessanterweise ausschließlich im Winter. Als er damit begann, hab ich es mit Ignorieren versucht, aber das hat gar nix gebracht. Wurde immer schlimmer. Er war voller Energie, ihm war langweilig, er wollte spielen... Teilweise hab ich dann im Reflex zurück gehauen. Das hat allerdings noch weniger gebracht, sondern ihn eher aufgestachelt.
Irgendwann hab ich dann die Lösung dafür gefunden. Ich konnte ihm recht schnell ansehen, wann er im Begriff war zu hapsen und hab das unterbunden, noch BEVOR er gehapst hat. Ein scharfes, lautes "hey, nein, untersteh dich" und wenn er dann nicht gehapst hat, gab´s Click und Belohnung. Wenn das nicht gereicht hat, hab ich ihn auch durchaus gegen meine geschlossene Faust anrennen lassen. Da muss man schnell sein und das gelingt mir nicht immer 100pro, trotzdem haben wir das Hapsen heuer fast weg.
Ich versuche ja, mein Jungpferd hauptsächlich über positive Verstärkung zu erziehen und hab anfänglich auch hauptsächlich auf Ignorieren gesetzt. Mittlerweile find ich es aber gut, wenn er auch ein Abbruch-Signal kennt, wenn ich was absolut nicht mag.
Zum Beispiel jagt er gerne andere Pferde weg von mir. Auch was, was ich absolut nicht leiden kann. Und was, was durch Ignorieren auch nicht weg geht. Auch da kann ich ihn mittlerweile mit einem "hey, nein" in der Bewegung stoppen und zurück rufen.

Dafür gibt es wieder andere Dinge, die ignorier ich einfach, zum Beispiel ungeduldiges Gescharre und gegen die Wände treten, wenn ich nicht schnell genug mit Futter komme. Da warte ich solange bis er aufhört und komm erst dann, oder ich dreh ihm den Rücken zu, geh weg... je nachdem.
Wenn ich aber z.B. daneben stehe und er beginnt zu scharren, weil ich mich z.B. grad mit wem unterhalte (etwas, was sehr selten vorkommt. wenn ich beim pferd bin, bin ich beim pferd - punkt. ), dann biete ich ihm durchaus Alternativen an. Ich lass ihn rückwärts gehen, weichen, Kopf tief machen oder er bekommt seinen "Schnuller" (er ist total oral-fixiert und irgendwann hab ich eben den Schnuller eingeführt. das hilft ihm, um runter zu kommen...).

Ich glaube, ob man ignoriert oder nicht ignoriert, schimpft oder nicht schimpft, Alternativverhalten anbietet oder was auch immer, das kommt auf´s Pferd und auf die Situation an. Ich versuche da nicht mit so viel Kopf, sondern mehr mit Gefühl dran zu gehen.
So, war ich jetzt total am Thema vorbei :-e
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Romy
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Romy »

Fionnlagh hat geschrieben:So, war ich jetzt total am Thema vorbei :-e
Nein, überhaupt nicht. Meine Ursprungsfrage war zwar nicht direkt ob ignorieren funktioniert, sondern - gegeben dass es in einer Situation funktioniert - ob und warum ihr es verwendet oder nicht. Aber mich interessieren alle Standpunkte zu dem Thema, also vielen Dank für deine lange Antwort! :-)
Fionnlagh hat geschrieben:Ich versuche da nicht mit so viel Kopf, sondern mehr mit Gefühl dran zu gehen.
Ich auch. Hier im Forum klinge ich bestimmt immer total verkopft, aber wenn ich bei den Pferden bin, denke ich fast nie bewusst nach über das was ich tue. Aber im Nachhinein mache ich mir eben gern Gedanken darüber und versuche zu analysieren was ich tue und warum und warum es funktioniert oder nicht oder was es für Alternativen gäbe. Nicht aus einem konkreten Anlass heraus - ich bin mit meinem Verhältnis zu meinen Pferden ringsrum glücklich - sondern einfach aus Interesse.
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Fionnlagh
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Fionnlagh »

Ja, es klingt wirklich immer ein bisschen verkopft ;)
Ich mache mir schon auch Gedanken, warum und wieso und wie ich was besser machen könnte. Aber ich glaub, ich geh dabei nicht ganz so in´s Detail wie du. Ich würd mich da dann komplett in den Details verlieren, glaub ich :-e
Romy hat geschrieben:gegeben dass es in einer Situation funktioniert - ob und warum ihr es verwendet oder nicht.
naja, das ist leicht zu beantworten :frech: . wenn es funktioniert, verwend ich es durchaus, aber meistens funktionierts bei mir nicht, deshalb such ich mir was anderes, unkomplizierteres. etwas, bei dem ich das gefühl hab, pferd versteht das besser.
zum beispiel auch das mit dem an der tasche rum rüsseln. ich könnte das ignorieren, aber mein pferd ist viel größer und stärker als ich. der wurde dann schon mal "nachdrücklich", wenn ich nihct reagiere, indem er mit dem kopf fester schubst oder den reißverschluß der leckerlitasche in den mund nahm und daran zog :augenroll: . ehrlich - da ist ignorieren fast unmöglich. also mach ich das eher wie du. ich drück ihm den kopf weg, wenn er damit anfängt und wenn er dann ruhe gibt, gibt es C+B. so lässt sich das innerhalb von sekunden abstellen. wenn ich das einfach nur ignoriert hätte, würde das minutenlang dauern und wär unter umständen auch nicht so angenehm für mich :nix:
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TakeItEasy
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von TakeItEasy »

Hi,

@Romy/Laura: Wobei man aber aufpassen muss, dass sich beim Belohnen keine negative Verhaltenskette aufbaut. Das kann ganz schnell passieren, wenn bspw. das Pferd bettelt oder schnappt und man unmittelbar, nachdem es damit aufgehört hat, belohnt. Dann bestärkt man im Prinzip sein Fehlverhalten, weil es nämlich "denkt", es muss nur aufdringlich werden (betteln oder schnappen), aufhören und die Belohnung folgt auf dem Fuße. Das hat Babette in ihrem Blog schön beschrieben.

Ich würde also entweder das Fehlverhalten ignorieren und wenn das Pferd es abgestellt hat warten und es dann erst für das nun richtige Verhalten belohnen. Oder, wie Laura schreibt, das Pferd genau beobachten und möglichst den Moment abpassen, bevor es bettelt, scharrt oder sonstwas. Wir kennen unsere Pferde ja sehr genau und wissen meist, in welcher Situation sie Fehlverhalten zeigen. :-)
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Re: Ignorieren von Verhalten

Beitrag von Fionnlagh »

Jup, da stimm ich dir zu :-n . Bei negativer Verhaltenskette muss man echt höllisch aufpassen. Ist alles eine Frage des Timings und das ist gar nicht so leicht :puh:
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