Fenja hat geschrieben::
- Wenn es in einer Herde kein Leittier gibt, also keine 1., 2., 3.,... Hierarchie, sondern Pferd 1 dominant gegenüber Pferd 2 ist, Pferd 2 dominant gegenüber Pferd 3 ist und Pferd 3 dominant gegenüber Pferd 1 ist, wonach wird dann z.B. festgelegt, welches Pferd bei einer Flucht vorausläuft, welchem gefogt wird. Oder welches führt die Herde zu neuen Futterplätzen usw.?
Wir müssen hier zwischen einer freilebenden Herde die aus einer Familie besteht und einer willkürlich zusammengewürfelten Gruppe unter Menschenkontrolle unterscheiden.
In einer freilebenden Herde gibt es eine Leitstute die sagt, wann der Weidegrund gewechselt wird, wo das beste Gras wächst, wo es Wasser gibt. Dann gibt es dort noch einen Hengst, der über solche Dinge nicht zu bestimmen hat, sondern der muss die Sicherheit der Herde gewährleisten und Fressfeinde vertreiben. Dafür, dass er sich auf diesem Gebiet als der Beste erwiesen hat, darf er die Stuten decken, weil damit die Weitergabe der besten Kampfgene gewährleistet ist, die widerrum in der Zukunft die Sicherheit der Herde garantieren. Wenn wir das Wort dominant verwenden wollen, würde ich es in dieser Beziehung als verdiente Dominanz bezeichnen, die aber jederzeit durch einen Besseren überboten werden kann.
Der Hengst fällt deshalb auf, weil seine Aktivitäten (Signal zur Flucht wegen drohender Gefahr) sehr spektakulär sind, die der Leitstute hingeben sind eher unauffällig und laufen in Ruhe ab (die Natur verschwendet nichts, deshalb wäre ein schneller, aufregender Wechsel zum nächsten Futterplatz Endergieverschwendung). Das hinterläßt bei uns Menschen gerne den Eindruck, dass der Hengst das Sagen hat, weil den nehmen wir ja imposant war.
Innerhalb dieser Gruppe gibt es dann noch ganz viele kleine Aufgaben, die zu erfüllen sind und die immer an denjenigen vergeben werden, der das einfach mal am besten kann. Deshalb läßt sich eine Leitstute auch durchaus von einem anderen Herdenmitglied "schicken", wenn es etwas betrifft, wo das andere Pferd einfach mal besser ist.
In einer willkürlich vom Menschen zusammen gestellten Gruppe fallen diese elementaren Kämpfe einfach mal weg. Wir bestimmen welches Futter/Wasser in welcher Menge an welcher Stelle gereicht wird. Wir bestimmen, wer zu der Gruppe gehört und wer nicht (einen Hengst findet man da selten bis nie), wie groß die Gruppe ist und wir bestimmten die Weidegründe und wann sie gewechselt werden. Solange die Grundbedürfnisse der Gruppe erfüllt werden und von allem reichlich da ist, wird es wenig Bewegung geben da niemand einen Grund hat um das Überleben zu kämpfen. Hier ist Raum für Spiele und toben, man kann unbedenklich auch mal von der Futterquelle weggehen, es ist hinterher ja immer noch genug da.
Auch in einer solch harmonischen Gruppe werden Aufgaben verteilt, wer nimmt Außergewöhnliches war, wer findet den besten Heuhalm in welcher Raufe und welche Raufe wird jetzt besucht, welches Stückchen Wiese wird nun abgegrast.... (sehr einfach dargestellt

) . Hier kann es z.B. sein, dass Pferd A die Raufe aussucht, aber nicht bestimmen darf, ob es mit Pferd T Fellkraulen machen darf, weil für das Fellkraulen andere Prioritäten gelten (auch sehr einfach ausgedrückt

).
Problematisch wird es, wenn der Mensch massiv in die Grundbedürfnisse des Pferdes eingreift und z.B. zu wenig Futter zur Verfügung stellt. Dann kommt das Urverhalten des Pferdes hoch, welches sagt: nur die, die genug bekommen, werden überleben

und schon hat man Unruhe in der Gruppe und die schwächeren Tiere ziehen dabei den Kürzeren. Gespielt wird eher selten, weil die Gefahr viel zu groß ist, dass nach dem Spiel nichts mehr da ist.Hier wird dann gerne von einem dominanten Pferd gesprochen, was die anderen beherrschen will, weil es seinen Platz an der Futterquelle verteidigt, aber im Grunde ist das nur ein Pferd, welches im Ernstfall überleben würde und damit seine Gene weitergeben kann, damit der Fortbestand der Art gesichert ist (ok, das verhindern wir erfolgreich, durch Kastration und Wahl von Hengst und Stute, aber so sehen es die Pferde). Das heißt also, der Stärkste bekommt zu erst, dann der nächste, dann der nächste....... und irgendwann das schwächste Teil der Gruppe, also das Pferd, welches allen die stärker waren, weichen musste. Trotzdem kann das dominanteste Pferd zwar zuerst fressen, aber darf mit einem offensichtlich niedrigeren Pferd kein Fellkraulen machen.......
- Weshalb kann es keine Rangordnung zwischen Mensch und Pferd geben?
Wie passt jetzt der Mensch in diese "Rangordnung" rein? In dem Moment, wo wir das Pferd aus der sicheren Gruppe entfernen, übernehmen wir eine Menge Verantwortung (aus Sicht des Pferdes). Wir müssen die Sicherheit garantieren, Freßfeinde vertreiben und die besten Weidegründe finden.
Erledigt der Mensch diese Aufgaben aus Sicht des Pferdes gut, wird es in der Regel keine Probleme geben. Selbst wenn sich das Pferd mal erschreckt, wird es nicht panisch weglaufen, sondern kurz zucken oder auch mal hopsen (passiert uns bei einem Knall ja auch gerne mal) und dann weiter entspannt mit seinem Menschen mitlaufen. Hat der Mensch aber schon Bedenken, lebend den Putzplatz zu erreichen, ist nervös und hat Angst, läuten beim Pferd die Alarmglocken. Selbstbewußte Pferde werden den Menschen dann nett zur Seite schieben und sagen: laß mich mal, Du kannst es einfach nicht

. "Fähige" Trainer erkennen dann sofort: das ist ein respektloses Vieh und muss das jetzt lernen. Besser wäre, an dem Menschen zu arbeiten, dass er in die Lage versetzt wird, diesen Job zufrieden stellend auszuüben (und auch unter Pferde gibt es anspruchsvolle Untergebene und nicht so anspruchsvolle

. Das heißt, ein Pferd kann mit diesem Menschen durchaus zufrieden sein, ein anderes findet den schlicht unfähig und da klappt es dann nicht). Ein schüchternes und ängstliches Pferd wird dagegen versuchen, dieser Situation zu entkommen (was in der Regel nicht zur Beruhigung des Menschen beiträgt) und sucht sein Heil in der Flucht. Auch hier wird gerne von Respektlosigkeit gesprochen und nicht erkannt, dass die Angst der Ursprung ist und der Mensch seine Aufgabe nicht gut genug macht.
Oft ist es auch gar nicht, dass das Pferd den Menschen für unfähig hält, ganz oft verstehen sie uns einfach nicht

. Wir wollen dies und zeigen über Körpersprache aber genau das Gegenteil (gerne bei der Bodenarbeit zu beobachten). Z.B. wir sagen und wollen, dass das Pferd stehen bleibt, signalisieren aber, dass es sich schneller vorwärtsbewegen soll. Daraus ergeben sich unvereinbare Befehle (ja/nein kann man nicht zeitgleich ausführen) und verwirren das Pferd. Das selbstsichere Pferd wird hier wieder den Menschen zur Seite schieben und sagen, sortier dich erst mal und komm dann wieder, das ängstliche Pferd wird versuchen, wegzukommen......).
Es gibt auch bei perfekten Partnerschaften (Mensch entscheidet, Pferd folgt) durchaus Verschiebungen in der Führungsposition (immer noch aus Sicht des Pferdes

).Als Beispiel sei der Spaziergang genannt (es geht auch anders, ich weiß, es ist auch nur ein Beispiel

)
Der Mensch holt das Pferd von der Wiese, es läßt sich aufhalftern, folgt entspannt, bleibt stehen wo es stehen soll und sobald man einen Wiesenweg betritt, macht der Gaul, was er will

. Der Mensch sieht: manno, er kann so nett sein, aber bei Gras setzt sein Hirn aus

. Das Pferd denkt: sie ist echt gut in dem was sie macht, aber einen guten Weidegrund erkennt sie einfach nicht

und übernimmt kurzerhand die Führung (der Mensch sieht, es gehorcht nicht

).
Das bedeutet im Klartext: wir müssen uns den Respekt verdienen, in der Welt der Pferde kann sowas nicht angewiesen werden. Schlecht ausgeführter Job bleibt bei ihnen immer schlecht ausgeführter Job, wenn wir ruppig reagieren, gewinnen wir vielleicht den Kampf, aber nicht die Schlacht. Und auch hier spielt wieder das Wesen des Pferdes eine große Rolle. Es gibt Pferde, die geben einfach nicht auf und werden dann "bösartig" weil sie so gar nicht auf uns hören wollen. Die ängstlichen kapitulieren und ergeben sich ihrem Schicksal und brüten dafür ein paar Verhaltensstörungen aus. Wir Menschen akzeptieren dagegen oft genug unfähige Leute als Führer, weil sie ihren Job zwar Scheiße machen, aber trotzdem aus anderen Gründen Macht über uns haben (die weisen unser Gehalt an).
Also, wenn ich jetzt die Rangordnung mit Pflichterfüllung gleichsetze, dann behaupte ich, ja, es gibt eine Rangordnung zwischen Mensch und Pferd, ich muss ganz einfach nur unglaublich gut sein. Wenn ich Rangordnung im Sinne von Dominanz sehe, dann sage ich, das gibt es zwischen Mensch und Pferd nicht. Nur hat der Mensch viel mehr Möglichkeiten, das Pferd in die Knie zu zwingen und so einen scheinbaren Sieg davon zu tragen...... (Futterentzug, Schläge........)
Mein Roman (sorry

) erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, es gibt garantiert zigtausend Zwischenstufen oder Besonderheiten in der Beziehung Mensch und Pferd (bei meinem glaube ich fest daran, dass er manchmal Mitleid mit mir hat........

).