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Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 08:27
von Romy
Neulich hatte ich anderswo eine sehr spannende Diskussion darüber, inwiefern belohnungsbasiertes Training sich negativ auf die intrinsische Motivation des Pferdes auswirken kann. Kurz zum Hintergrund: Aus Studien mit Menschen ist es mittlerweile schon sehr lange bekannt, dass Personen Dinge, die ihnen eigentlich Spaß machen als weniger motivierend erleben können, wenn sie dafür mit materiellen Mitteln belohnt werden (für eine Metaanalyse siehe Deci et al., 1999). Wenn also zum Beispiel Kinder ein bestimmtes Spiel gerne spielen und man sie dann dafür "bezahlt", wurde gefunden, dass sie das Spiel danach nicht mehr oder weniger gern freiwillig spielen, wenn die Bezahlung wegfällt (und ich glaube auch mit bestehenbleibender Bezahlung hatten sie daran weniger Freude, müsste das aber nochmal nachlesen).

Daher meine Frage an euch: Denkt ihr, dass das beim belohnungsbasierten Training mit Pferden eine Rolle spielen kann? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, habt ihr damit Erfahrungen gemacht? Habt ihr Ideen, wie man dem gegensteuern kann? Stellt das für euch die Arbeit über Belohnung oder bestimmte Vorgehensweisen dabei in Frage und wenn ja oder nein, warum? Oder habt ihr vielleicht noch ganz andere Gedanken dazu?

Ich freue mich auf eure Meinungen, Fakten und alle sonstigen Denkanstöße! :-)

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 09:04
von ehem User
Ich finde das ein sehr interessantes Thema, da ich selbst auch von materiellen Belohnungen bei Kindern überhaupt nichts halte, bzw nur dann, wenn das Kind alt genug ist einen echten "Deal" zu verstehen und mit Vernunft darüber nachzudenken. Ich mag auch keine "Aufklebersysteme", wo Kinder Sticker/Sternchen sammeln um irgendwas zu bekommen. Aus genau dem Grund.

Ich glaube aber, dass gerade Clickerarbeit oder gut aufgebautes positives Belohnen nicht zum Ziel hat mit der Belohnung konkret zu locken, sondern das Futter bzw die Belohnung den Sinn hat gute Gefühle aufzubauen, die dann später mit der Gesamtsituation assoziiert werden.

Im Kontrast dazu sehe ich z.B. viele, die mit einem Leckerli versuchen ein Pferd über ein Hindernis zu locken. Das wäre konkretes Locken mit materiellen Mitteln und führt IMO am richtigen belohnungsbasiertem Lernen vorbei. In Notfällen würde ich das auch mal machen, es sollte aber nicht die Basis darstellen.

Richtig aufgebautes belohnungsbasiertes Lernen lockt nicht mit dem begehrenswerten Objekt an sich, sondern schafft es mit einem bestimmten Verhalten ein Wohlgefühl zu assoziieren. Dieses Wohlgefühl sogrt dann dafür, dass das Pferd (Kind, Hund, whatever) eine bestimmte Situation von sich aus immer wieder aufsucht und ein Verhalten von sich aus öfter zeigt.

Gutes und richtig verstandenes positives Training beeinflusst also durchaus die intrinsische Motivation.

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 09:13
von ehem User
die ituation ist ja eine andere.
also bei meinem pferd zumindest. gymnastik und langieren ist ganz eindeutig NICHT sein lieblingsspiel.

aber man findet zB in manchen erziehungsratgebern für pferde den tip, unerwünschtes verhalten unter signalkontrolle zu bringen , in der regel mit futterlob. idee dahinter: das pferd zeigt das verhalten, was es vorher spontan zeigte, nur noch auf kommando, weil es nur dann kekse gibt.
der mechanismus dahinter könnte schon der gleiche sein.
ob das wirklich funktioniert weiß ich allerdings nicht, hab ich nie ausprobiert

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 09:30
von Equester
Ich glaube nicht, dass man Kinder und Pferde in Bezug auf Belohnung miteinander vergleichen kann.

Pferde sind absolute Situationsoptimierer, sprich sie versuchen immer und jederzeit die eigene Situation zu verbessern (intrinsische Motivation). Das Hauptziel des Pferdes ist es genügend Futter und Wasser zu bekommen, einen Sozialpartner zu haben und sich zu vermehren. Ok, das mit dem Vermehren haben wir Menschen ihnen aus der Hand (den Hufen) genommen, aber der Rest der Grundbedürfnisse bleiben erhalten.

Die Situationsoptimierung kann sich in einer Verhaltensänderung äußern, um z.B. schlechte Bedingungen zu ertragen (daraus entstehen dann die Verhaltensstörungen wie z.B. Koppen oder Weben), die gleiche Motivation gilt aber auch für eine Leistung um an ein Leckerchen zu kommen. Leckerchen = Futter = Situation verbessert.

Das Clickern ist eine Methode, um dieses Verhalten zu unterstützen und zu fördern und ist ganz nebenbei noch mit ausschließlich positivem Umfeld für Pferd und Mensch ausgestattet :breitgrins: . Hier treffen zwei Motivationsebenen aufeinander: die intrinsische Motivation, den eigenen Zustand unbedingt und immer zu verbessern (mehr Futter) und die extrinsische Motivation, indem von außen etwas angeboten wird, was das Pferd unbedingt haben will. Allerdings hat die extrinsische Motivation bei Pferden deutliche Grenzen. Ein Versprechen, nachher im Stall mehr Heu zu bekommen, verpufft wirkungslos, weil sie nur für die jeweilige Situation entscheiden können. Dinge, die das Pferd für sein Überleben nicht braucht (z.B. wenn Du das jetzt machst, reiten wir aus), sind als Motivator ungeeignet, eben weil es durch das Versprechen die aktuelle Situation des Pferdes nicht verbessert (es weiß ja nicht, dass dann später der schöne Ausritt als Belohnung winkt). Wenn Pferde z.B. rabiat betteln, um noch mehr Leckerchen zu bekommen, wirkt das auf uns Menschen negativ, weil dies kein Verhalten ist, welches wir gut finden. Aus Sicht des Pferdes macht es aber durchaus Sinn, um auf diese Art und Weise an mehr zu kommen.

Auf die gleiche Art und Weise funktioniert auch die Arbeit mit Druck. Die Pferde machen etwas, um dem Druck zu entkommen. Es wird solange Druck aufgebaut (so nett er auch sein mag), bis das Pferd das macht, was man will. Aus Sicht des Pferdes hat es mit dem Nachgeben seine momentane Situation verbessert. Im Laufe der Zeit lernt es immer schneller, dass das nachgeben sofort zu einer Verbesserung (Optimierung) der Situation führt. Auch das geht im Verhaltensmuster des Pferdes als Belohnung durch. Allerdings ist dies eine negative Belohnung:(etwas Unangenehmes wird entfernt).

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 09:35
von november
die ituation ist ja eine andere.
also bei meinem pferd zumindest. gymnastik und langieren ist ganz eindeutig NICHT sein lieblingsspiel.
Das sehe ich auch so. beim Clickern geht es in meinen Augen darum, das Pferd dazu zu bringen, etwas zu tun, das es normalerweise nicht tun würde (bzw. nicht auf Abruf) und zwar so, dass es einen Grund hat, dies zu tun. Daraus ergibt sich dann eine Freiwilligkeit. Die meisten pferde haben zwar auch Spaß am Clickern und die meisten haben auch eine erklärte Lieblingsübung, aber ich denke, es ist trotzdem noch etwas anderes, als ein Verhalten, was aus "Spaß an der freude" gezeigt wird. Beim training haben wir auch immer eine andere Situation als beim freien Spiel (daher hinkt der vergleich mit den Kindern auch in meinen Augen).
Mein Oldie z.B. liebt den Spanischen Gruß. Ich habe ihn den aber niemals für sich alleine auf der koppel oder im Paddock machen sehen. D.h. es ist eine Aktion, die er mag, aber die er klar auf Trainingssituationen bezieht.

Ich persönlich finde es auch schwer, Dinge zu clickern, die ein Tier aus reinem Spaß tut, da die Aufmerksamkeit in diesen Fällen unbedingt nicht beim Trainer liegt und der Click und das Leckerli keine Bedeutung haben, da das Verhalten selbstbelohnend ist. Z.B. wollte ich Hinlegen bei meinem oldie einfangen, wenn er sich wälzt. Nur, sobald er unten ist, geht er so wonniglich im Wälzen auf, dass ihm alles andere egal ist. Ich glaube andersherum nicht, dass ich ihm das Wälzen vermiesen würde, wenn ich ihn dafür belohnen würde. Eher scheint es mir möglich, dass er sich nicht mehr in meiner gegenwart wälzen würde, um seine ruhe dabei zu ahben. das käme dann wieder darauf an, wie nervig er mich findet. ;)
aber man findet zB in manchen erziehungsratgebern für pferde den tip, unerwünschtes verhalten unter signalkontrolle zu bringen , in der regel mit futterlob. idee dahinter: das pferd zeigt das verhalten, was es vorher spontan zeigte, nur noch auf kommando, weil es nur dann kekse gibt.
der mechanismus dahinter könnte schon der gleiche sein.
ob das wirklich funktioniert weiß ich allerdings nicht, hab ich nie ausprobiert
Ja, dass geht. Habe es zwar selber nicht gemacht, aber eine bekannte hat eine Katze, deren liebstes Spiel es war, ihren menschen unangekünduigt vom Kratzbaum auf die Schulter zu springen. Als sie noch ein Kätzchen war, war das okay, aber mit über 4 kg wurde es schmerzhaft und der Schreck jedesmal war auch nicht so toll. Sie hat den Schultersprung unter Signalkontrolle gebacht und ruft ihn gelegentlich ab. Ungefragt zeigt ihn die Katze nicht mehr.
Ich denke aber nicht, dass das damit zusammen hängt, dass das tier die Freude an der sache verliert. Es ist in meinen Augen vielmehr das Wesen einer gut funktionierenden Signalkontrolle, dass das Verhalten ohne das Signal nicht mehr gezeigt wird (das tier weiß, es lohnt sich nicht - gibt ja keinen Click und kein Guts dafür).

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 10:14
von ehem User
noch was dazu.

für mich ist futterlob zeitlich präzises bestärken von erwünschtem verhalten, wie es die konditionierung verlangt. das muss zeitlich wirklich zusammentreffen und löst eine veränderung in der effizienz von nervenverbindungen aus.
wenn ich einem kind sage: wenn du monopoly spielst geb ich dir 5 euro, ist das neurophsiologisch was anderes.

und wie gesagt - zT geht es ja aauch drum, einem pferd dinge 'schmackhaft' zu machen, zu denen sie überhaupt keine intrinsische motivation haben.

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Mi 28. Nov 2012, 21:54
von Romy
Vielen Dank erstmal an euch alle für eure Beiträge! :-)
mosheline hat geschrieben:für mich ist futterlob zeitlich präzises bestärken von erwünschtem verhalten, wie es die konditionierung verlangt. das muss zeitlich wirklich zusammentreffen und löst eine veränderung in der effizienz von nervenverbindungen aus.
wenn ich einem kind sage: wenn du monopoly spielst geb ich dir 5 euro, ist das neurophsiologisch was anderes.
Grundsätzlich stimmt das natürlich und trifft auch auf viele Motivationsstudien mit Menschen zu. Allerdings scheint es der zeitliche Aspekt allein nicht erklären zu können, weil auch solche Studien die Reduktion finden, in denen die Belohnungen zeitlich präzise für jede Einzelhandlung gegeben werden (zum Beispiel hier).

Allerdings muss man natürlich auch beachten, dass die Motivationsreduktion genau dann auftritt, wenn die materielle Belohnung wegfällt. Während sie noch vorhanden ist, sind die Leute zum Beispiel in der oben verlinkten Studie trotzdem höher motiviert als diejenigen, die nicht belohnt werden. Und das Weglassen von Belohnungen ist ja wahrscheinlich nicht gerade das Ziel der meisten Leute, die mit Pferden über Belohnungen arbeiten (auch wenn sich die Kriterien natürlich ändern).
mosheline hat geschrieben:und wie gesagt - zT geht es ja aauch drum, einem pferd dinge 'schmackhaft' zu machen, zu denen sie überhaupt keine intrinsische motivation haben.
Ich denke das ist ein wichtiger Punkt. Zwar mache ich mit meinen Pferden nur solche Übungen die sie auch freiwillig mitmachen (und sie können jederzeit gehen), aber selbst wenn sie eine bestimmte Übung noch so nett finden, dann würden sie es von allein trotzdem nicht in der Häufigkeit tun in der wir es trainieren. Dennoch denke ich nicht, dass intrinsische Motivation eine Frage von an/aus ist, sondern eine kontinuierliche Größe. Auch bei denjenigen Verhaltensweisen die meine Pferde ohne Belohnung sicher nicht anbieten würden gibt es Unterschiede in dem Grad zu dem ihnen das Spaß macht. Selbst wenn also das Auftreten des Verhaltens an sich stark an die essbare Belohnung gekoppelt ist, spielt intrinsische Motivation für mich also eine Rolle und deshalb finde ich es trotzdem wichtig, sie zu erhalten und zu fördern.

Mein aktueller Standpunkt zu dem Thema ist der, dass ich gezielt diejenigen durch das Pferd wahrgenommenen Effekte seines Verhaltens betonen möchte, die mir wichtig sind. Lebewesen kodieren ihre Handlungen anhand der sensorischen Effekte, die das Verhalten hervorruft (Ideomotorische Theorie), sind aber sehr flexibel darin, welche(n) dieser Effekte sie dabei besonders beachten bzw. über welchen sie die Handlung mental repräsentieren. Für meine Pferde ist das insofern relevant, dass auch die Übungen die sie mir anbieten verschiedene Effekte haben - neben dem Effekt, dass sie ein Leckerli bekommen haben sie auch noch weitere Effekte wie zum Beispiel ein bestimmtes Körpergefühl oder eine Emotion die dadurch hervorgerufen wird (so führen zum Beispiel Ramener oder Jambette oder versammelte Bewegungen oft zu etwas, das man vielleicht mit Stolz vergleichen könnte, sofern das auf Tiere übertragbar ist). Deswegen vermute ich, dass ich den Fokus vielleicht ein Stückchen mehr auf diese Handlungseffekte lenken und damit die intrinsische Motivation fördern kann, indem ich eben genau sie hervorhebe - zum Beispiel indem ich nicht einfach mechanisch ein Leckerli reinschiebe, sondern das Pferd lobe und bewundere (das könnte zum Beispiel auch dazu passen, dass die Reduktion nicht auftritt, wenn die Belohnung nicht als Kontrolle sondern als Information über die eigene Leistung wahrgenommen wird). Aber das ist fern von wissenschaftlich belegt, sondern einfach nur meine aktuelle Meinung dazu. :-)

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Sa 8. Dez 2012, 08:25
von Candyline
november hat geschrieben: Mein Oldie z.B. liebt den Spanischen Gruß. Ich habe ihn den aber niemals für sich alleine auf der koppel oder im Paddock machen sehen. D.h. es ist eine Aktion, die er mag, aber die er klar auf Trainingssituationen bezieht.
da würde ich gern kurz einhaken, weil ich es unglaublich spannend finde. ich hab meinem z.b. den spanischen gruß beigebracht und erst seitdem kann ich ihn auch beobachten, wie er den spanischen gruß in seiner "freizeit" auch mit einbindet - davor hab ich das nie(!) gesehen.
beispielsweise kanalisiert er damit seine wut, wenn er sich über etwas/jemanden geärgert hat oder benutzt es als spielaufforderung-je nach situation.
ist vielleicht schon ein bisschen offtopic :shy:

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Sa 8. Dez 2012, 14:48
von ehem User
Mein aktueller Standpunkt zu dem Thema ist der, dass ich gezielt diejenigen durch das Pferd wahrgenommenen Effekte seines Verhaltens betonen möchte, die mir wichtig sind. Lebewesen kodieren ihre Handlungen anhand der sensorischen Effekte, die das Verhalten hervorruft (Ideomotorische Theorie), sind aber sehr flexibel darin, welche(n) dieser Effekte sie dabei besonders beachten bzw. über welchen sie die Handlung mental repräsentieren.
ich versteh davon keinen einzigen satz :shy:

was sind denn effekte seines verhaltens? also die folgen? was willst du da betonen? *verwirrtbin*
ist idiomotorische theorie ein psychologisches oder philosiophisches konzept?
sie kodieren ihre handlungen anhand der sensorischen effekte, die das verhalten hervorruft?
was ist hier der effekt? und was bedeutet kodieren?

ich kenne kodieren in zusammenhang mit der kodierung eines reizes in ein muster von neuronalen antworten.
umgekehrt liegt einer muskelaktivierung und damit jedem verhalten ein solches muster von aktivitäten von motorneuronen zugrunde.

ich versteh jedes wort ein dem absatz, aber keinen einzigen satz :tuete:

ich zweifle die studien gar nicht an, ich finde das phänomen auch gar icht überraschend.

mir fehlt nach wie vor ein beispiel von praktischer relevanz im umgang mit dem pferd.
wo ist die situation, in der ein pferd ein verhalten aus reiner intrinsischer motivation zeigt, was ich genau so erhalten will. sprich: nicht abrufbar machen, nicht unter signalkontrolle stellen.
wenn ich das pferd belohne, weil es von sich aus mit einem ball spielt und ich das niedlich finde, wird der keks noch ein kleines extra auf seiner vorher schon vorhandenen intrinsischen motivation sein.
irgendwann lässt die intrinsische motivation nach (was sie es auch ohne keks gemacht hätte).
nehmen wir an, die motivation durch den keks bleibt konstant, die intrinsische motivation nimmt langsam ab, weil es eben einfach langweilig wird (wird den kindern mensch ärger dich nicht ja auch nach ner weile)
irgendwann erreichen wir den punkt, wo die gesamt motivation aus keks und intrinischer dominiert wird von dem keks.
wenn wir den keks dann weglassen, wird eben auch nicht mehr ball gespielt.
3 tage später ist vielleicht wieder intrinsische motivation fürs ballspeieln vorhanden. und ja, vielleicht erwartet das pferd dann immer noch den keks und ist nicht ganz so motiviert, wie wenn es nie den keks gegeben hätte.
aber ich sehe den praktischen bezug nicht.

intrinsische motivation ist mMn eine größe, die man nicht als zeitlich konstant annehmen kann und die unabhängig von der extrinsischen motivation irgendwann nachlässt.

in der regel nutzte ich die belohnung, um ein verhalten auf ein signal abrufbar zu machen
das ist nicht die situation in den studien
oder ich gebe den keks, wenn mein pferd eine bewegung besonders gut ausgefüht hat, um es überhaupt erst zu motivieren, sich so anzustrengen.
und in der regel gebe ich den keks nicht heute und ab dann nicht mehr.

und die andere frage: was wäre denn die alternative?


resi, der spanische gruß hat glaub ich auch wirklich selbstbelohnungspotential :-n

Re: Intrinsische versus extrinsische Motivation

Verfasst: Sa 8. Dez 2012, 20:53
von Romy
mosheline hat geschrieben:ist idiomotorische theorie ein psychologisches oder philosiophisches konzept?
Sie hatte philosophische Begründer im 19. Jahrhundert, wurde aber von Psychologen aufgegriffen und ausgebaut, zum Beispiel im Rahmen der Theory of Event Coding. Eine ganz ausführliche Formulierung findet man in einem Artikel von Bernhard Hommel und Kollegen, oder eine kürzere und neuere Übersicht hier: Ideomotor action control.
mosheline hat geschrieben:was sind denn effekte seines verhaltens? also die folgen? was willst du da betonen? *verwirrtbin*
Genau, sensorische Effekte sind einfach nur die Folgen, und das können alle möglichen sein. Um diesmal ganz konkret am Pferd zu bleiben: Wenn das Pferd bei der Freiarbeit versammelt trabt, dann können Effekte davon zum Beispiel sein, dass sich der visuelle Input verändert, einfach nur weil der Kopf anders gehalten wird, dass es die Last auf seinen Hinterbeinen spürt, dass es sich vielleicht danach erregter/dominanter/stolzer fühlt als vorher, dass der Mensch lacht, dass es eine Belohnung bekommt usw. Jede Handlung hat viele solcher Effekte, aber nicht alle dieser Effekte spielen gleichermaßen eine Rolle bei der Planung der Handlung. So wird zum Beispiel die Vorstellung des Leckerlis beim Pferd stärker dazu führen, dass eine entsprechende Handlung ausgeführt wird als die Vorstellung der Last auf den Hinterbeinen. ;)

Beim Menschen kann man die Wirksamkeit verschiedener Handlungseffekte zum Triggern der jeweiligen Handlung experimentell variieren, zum Beispiel indem man sie instruiert, auf einen bestimmten dieser Effekte zu achten. In der Folge davon haben diese Effekte einen größeren Einfluss: Wenn im Menschen während der Planung einer Handlung eine Vorstellung genau dieser Effekte hervorgerufen wird, dann bahnt das die entsprechend Handlung in stärkerem Maße als die Vorstellung eines weniger betonten Effektes.

Übertragen aufs Pferd: Vielleicht kann ich auch hier variieren, wie wirksam die Vorstellung eines bestimmten Handlungseffektes ist, um die Handlung zu aktivieren. Bleiben wir mal beim Beispiel mit dem versammelten Trab und dem Effekt, dass das Pferd sich infolge dieser Bewegung stolz fühlt. Vielleicht kann ich eben genau diesen Stolz betonen, indem ich eben nicht einfach nur passiv daneben stehe und das Leckerli reinschiebe, sondern das Pferd überschwänglich lobe und ihm klar mache wie toll und besonders ich es finde. Vielleicht spielt dann einfach das Gefühl, das das Pferd durch die Handlung bekommt, eine größere Rolle. Tatsächlich scheint ein Ansatz zur Erklärung dieser im Eingangsposting thematisierten Motivationsreduktion durch Belohnung darin zu liegen, dass alle möglichen anderen Folgen der Handlung durch die sehr saliente Belohnung sozusagen überdeckt werden, um es mal ganz einfach auszudrücken. Vielleicht kann ich eine solche Überdeckung ein kleines bisschen verhindern oder zumindest abschwächen, wenn ich versuche dafür zu sorgen, dass auch die anderen Konsequenzen (z.B. das positive Gefühl infolge der Übung) deutlich werden oder bleiben. Das ist wie gesagt rein spekulativ, aber mir hilft es momentan, meinen eigenen Fokus in meiner Arbeit mit meinen Pferden zu setzen.
mosheline hat geschrieben:wo ist die situation, in der ein pferd ein verhalten aus reiner intrinsischer motivation zeigt, was ich genau so erhalten will. sprich: nicht abrufbar machen, nicht unter signalkontrolle stellen.
Das mit dem nicht abrufbar machen wollen habe ich nirgends geschrieben und gehe darauf auch nicht weiter ein und die Frage nach der "rein" intrinsischen Motivation stellt sich für mich nicht, weil Motivation für mich kein an/aus entweder/oder ist. Aber die Situation, in der ich die intrinsische Motivation erhalten möchte ist zum Beispiel da wo mein Titum die ersten paar Male Passage angeboten hat und sich dabei unheimlich cool zu finden schien. Das möchte ich gerne erhalten. Und ja, ich möchte eine Passage auch gern abfragen können, aber trotzdem möchte ich, dass er sich dabei toll findet und nicht einfach nur gelangweilt die Übung abspielt, damit es endlich dieses blöde Leckerli gibt.

Um es nochmal ganz klar zu sagen, nicht dass Missverständnisse entstehen: Nein, ich denke NICHT, dass belohnungsbasiertes Training zwangsläufig zu gelangweilten Pferden führt. Ich suche auch keine Alternative und will absolut nichts daran verändern, dass ich meine Pferde für gute Verhaltensweisen belohne. Aber wenn ich die Art und Weise in der ich das tue optimieren kann, dann möchte ich mir darüber gerne Gedanken machen. Und wenn mir diese Gedanken dadurch erleichtert werden, dass sich Leute seit Jahrzehnten wissenschaftlich damit auseinandersetzen unter welchen Bedingungen es zu dieser Motivationsreduktion kommt und wann sie weniger oder überhaupt nicht auftritt, dann bin ich dankbar dafür und beschäftige mich gerne damit, um vielleicht Anregungen für mein eigenes Training zu finden. Wenn du das dagegen nicht spannend findest oder nicht relevant, dann ist das doch vollkommen in Ordnung. Verschiedene Menschen interessieren ich eben für unterschiedliche Dinge.