Unterschiedliche Auffassungsgabe

Moderator: Keshia

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marjul
Einhorn
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von marjul »

Och, ich kann dich soooo gut verstehen. :seufz:

Ich hab auch so ein eher langsames :langweilig: Clickerpferd.
Ich weiß nicht sonderlich viele Details von Sanchos Vergangenheit, aber er wurde wohl mit ganz viel Druck von absoluten Laien ausgebildet. Als er zu mir kam war er ganz, ganz extrem druckempfindlich.
Der kleinste Fehler oder etwas Druck meinerseits führte sofort zu drohen und lästig sein und prinzipiell war er mal :dagegen: . Sich selbstständig in die Arbeit einzubringen und seine eigenen Ideen vorzuschlagen kam für ihn gar nicht in Frage. :snooty:
Was es nicht leichter machte war, dass ich absoluter Clicker-Neuling war und im Endeffekt gar nicht wirklich wusste was ich da machte und wieso. :tuete:

Es hat eine ganze Weile gedauert, aber irgendwann wurde Sancho immer neugieriger und begeisterter und begann sich zu freuen wenn ich im Stall aufkreuzte. :freu2:

Er hat auch begriffen, dass Eigeninitiative sehrwohl erwünscht ist und er hat auch jetzt einfach die größte Freude daran, wenn er etwas vorschlägt und merkt, dass es mir gefällt. :herzi:

Trotzdem ist er noch lange kein Muster-Clickerpferd. Das mit der Eigeninitiative hat er zwar inzwischen schon recht gut begriffen, allerdings fehlt ihm oft einfach die Kreativität. Ich hab oft das Gefühl, dass er gar nichts damit anzufangen weiß. :-?
Er kommt mir vor wie ein Kind, dass jahrelang nur vor dem Fernseher gesessen ist und dann mitten in einem tollen Wald steht und gar nichts mit sich anzufangen weiß, während die anderen Kinder stundenlang dort spielen. Ich hab oft eifnach das Gefühl, er hat nie gelernt mitzudenken und er kommt auch einfach nicht auf neue Sachen, die er ausprobieren könnte. :nix:

Während er sowieso immer schon alles mögliche ins Maul genommen hat, war er mit den Beinen zum Beispiel nie sonderlich aktiv. Ich weiß noch wie ich vor ihm stand und immer und immer wieder ein auf den Boden treten vorgemacht hat, während er mich verwundert anstarrte und doch wieder nur in die Sachen reingebissen hat, die vor ihm lagen. :seufz:
Es hat lange gedauert, aber er hat gelernt, dass er auch mit den Beinen was machen darf und er hat sich meine Begeisterung gemerkt, die ich hatte, als er auch mal die Beine benutzte. Wenn wir jetzt neues Spielzeug haben wird automatisch mal dran rumgescharrt und geguck was Frauli dazu sagt. :frech:

Ähnlich mit den Targets: Das Nasentarget hat eine ganze Weile gedauert, aber irgendwann hatte ers raus. :idee: Das Wangentarget hat auch noch mal länger gedauert und ist auch noch in Übung. Das Kinntarget war dann plöztlich viel einfacher, weil er das Prinzip schon verstanden hat. :-d Dann funktionieren ähnliche Übungen plötzlich auch.

Beim Weichen wars auch recht ähnlich. Bis ich das erste weichen mit der Schulter bei ihm raus hatte, hab ich echt Wochen und ganz viel Geduld gebraucht und bin Ewigkeiten nur neben meinem Pferd gestanden und hatte meine Hand an seiner Schulter. :langweilig: Dabei war es egal, ob ich ihn nur berührte, oder mich mit aller Kraft dagegen stemmte, Sancho hat sich keinen Millimeter bewegt. :snooty: Inzwischen weicht er locker fluffig auf Fingerzeig und das ganze lässt sich seitdem auch auf die HH übertragen, ohne dass wir das explizit geübt haben.

Soll jetzt im Gesamten heißen:
Wenn man etwas völlig neues aus Sancho rausholen will ist es immer noch schwierig. :seufz: Manchmal schaltet er einfach auf stur, manchmal hat er einfach keine Idee davon was ich jetzt eigentlich will. :-e
Ich versuche trotzdem ihn selbst drauf kommen zu lassen (also beim Nasentarget hab ich nicht die Hand auf seine Nase gelegt, sondern sie immer einige mm davon entfernt gehalten und so dafür echt ewig gewartet, bis er sie selbstständig berührt). Dass kann zwar echt Geduld kosten (und immer schaff ichs auch nicht :shy: ), dafür ist der Erfolg dafür umso größer. Sancho freut sich immer riesig, wenn er selbst auf etwas richtiges drauf gekommen ist :500: und ich sehe jeden Erfolg in die Richtung als kleinen Schritt in Richtung mehr Eigeninitiative und Kreativität. :-d
Wenn Sancho allerdings etwas lernen soll, das er in ähnlicher Form schon mal gelernt hat (also Nasentarget - Kinntarget, Schulter weichen - HH weichen, auf Luftballons treten - auf der Plane rumtreten etc.) kann es auch ganz schnell gehen.

Ich versuche einfach Sancho für jede gezeigt Eigeninitiative zu loben (außer natürlich er zeigt etwas, dass ich so gar nicht bestärken will) und vor allem immer mehr seinen Horizont zu erweitern. :traeum:
Ich zeig ihm ein Spielzeug und zeig ihm was ich damit mache, ich mache ihm viel vor und ich versuche Übungen, Spiele... einzubauen, die in die verschiedensten Richtungen gehen und die verschiedensten Sachen von Sancho verlangen. Und jedes Mal, wenn ich mit einem neuen Spielzeug aufkreuze, macht er mehr, neue Sachen damit und weiß sich besser zu beschäftigen. :-d

Wir clickern jetzt seit etwas mehr als einem Jahr und wenn ich ehrlich bin stehen wir eigentlich immer noch ganz am Anfang.
Wir haben zwar schon so manche Sachen eintrainier und der Clicker hat uns bei vielen Sachen geholfen :-d aber von einem richtigen Clickerpferd ist Sancho noch weit, weit entfernt.
Unsere wichtigste Errungenschaft mit dem Clicker ist einfach die Motivation und der Spaß an der Arbeit. Sanchos Frustgrenze steckt sich immer weiter aus.
Er wird immer neugieriger (was er ja auch schon war, als er zu mir kam) aber vor allem immer offener und freundlicher Neuem gegenüber. Er ist nicht mehr prinzipiell :dagegen: , sondern lässt sich inzwischen immer mehr auf Neues ein und versucht immer wieder sich einzuringen und mich zu beigeistern. :herzi:

Wir sind noch lange nicht da wo wir hinwollen und Neues lernen dauert immer noch oft sehr lange :zeit: aber es wird und wird schön langsam immer besser und ich hatte noch nie so ein gutes Geduldstraining. ;-)

Ich würd also versuchen wirklich geduldig zu sein :ohm: dir wirklich Zeit zu nehmen. Zeige extreme Begeisterung, wenn dein Pferd auch nur das leiseste Anzeichen von Eigeninitiative zeigt und feiere ihn wie einen Held :hoch: . Versuche selbst mit ganz viel Freude dabei zu sein, lächle und vermittle deinem Pferd, dass ihr nur Spaß habt und dass das gar nicht in Arbeit ausarten wird. Clickere vlt. anfangs vor allem Sachen, die dein Pferd gerne und mit Begeisterung macht und vor allem:
Wecke die Begeisterung und den Spaß am Clickern in euch Beiden. :-n Man lernt besser und leichter wenn es einem Spaß macht und eine positive Grundstimmung lässt dein Pferd die Angst vor Fehlern vlt. vergessen.

So, das ist jetzt ein ziemlicher Roman geworden. :shy: Ich hoffe du kannst dir etwas nützliches heraus ziehen.
Es kann zwar oft echt Geduld und Nerven kosten, aber versuche trotzdem durchzuhalten und weiter :ohm: und freundlich zu bleiben. Dein Pferd wird es dir 1000-fach zurückgeben. :-n
LG Julia

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Muriel
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von Muriel »

wow :cookie: für dein Durchhaltevermögen und diesen Beitrag! :-d

Hier sieht man ein paar Körper- und Kopftargets.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
ehem User

Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von ehem User »

Lewitzer Flummi hat geschrieben:Das mit der evtl. nicht gaaaanz so gewünschten Eigeninitiative geht auf den Blödsinn zurück, den der Jungspund gern mal macht. Der geht eben auch ziemlich schnell mal durch den Zaun, rennt der über die Weide schleichenden Katze hinterher um sie zu jagen und so Sachen eben. Unfug.... aber lustig ist es meistens schon. :lol:

Und ja, ich habe das Gefühl Jack mit dem Clickern teils unter Druck zu setzen :tuete: und deswegen frage ich hier um Rat.
Einen Karton kann ich ihm ja mal hinstellen und einfach abwarten was passiert. Morgen soll es halbwegs schön werden.
Oft ist es auch problematisch, dass der Lütte sich gern mit :ichichich: wie ein Bulldozer dazwischen schiebt, wenn ich ihn nicht explizit aussperre.
wenn du die eigeninitiative von jack weckst, wird er nicht automatisch zäune durchbrechen.
mosh hat, als ich ihn bekam, auch (nach den umbringversuchen) mit stoischem aussitzen auf alles reagiert, null initiative.
ich hab anfangs alles bestärkt (bin kein clickerer im engeren sinn) was irgendwie in die richtung: ich probiere was aus (ausser umbringen...) ging. der ist recht schnell deutlich probierfreudiger geworden, allerdings von der auffassungsgabe her dennoch eher wie diu jack beschreibst.
sofern es nicht körpersprackliche kommandos sind, lernt er unwahrscheinlich langsam, weil er fast alles andere ausblendet. sprich: statt zu lernen, dass er auf zupfen am kappzaum nachgeben soll, stellte er sich, weil meine hand neben seiner nase war. statt auf tippen der gerte zu reagieren, reagiert er auf meine hand und körperhaltung usw.

aber um zum thema zurückzukommen: er geht dennoch weiterhin nicht durch zäune. im gegensatz zu dem ponymix sehen die beiden großen einen 40 cm hoch gespannten bindfaden und sagen: oh ein zaun, bleiben wir drinnen ...
du kannst dein pferd fördern, ihm das lernen erleichtern - aber du wirst durch clickern keinen zaunbrecher machen (es sei denn, du clickerst durch zäune gehen ;-) )
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november
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von november »

Super Beitrag, marjul!
Dein Sancho und mein Oldie scheinen sich ziemlich ähnlich zu sein, trotz der ganzen jahre, die sie altersmäßig auseinander sind. ;) Ich finde aber gerade bei so etwas verhalteneren Pferden umso schöner, wenn sie dann anfangen aus sich heraus zu gehen. :dance1:
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Firlefee
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von Firlefee »

Huhu :bounce:
Mein Stütchen ist auch eher von der etwas langsameren Sorte... ich vermute bei ihr aber auch, dass sie einfach als "vernünftig ausgebildetes" Westernhüh gelernt hat, nichts von sich aus zu machen. Naja, und ein Jungspund ist sie auch nicht mehr...

Es hat zum Beispiel ewig gedauert, bis meine Lütte auch nur ansatzweise etwas mit der Nase angestubst hat - jetzt inzwischen versucht sie aber herauszufinden, ob ich es auch toll finde ,wenn sie mich, während ich vor ihr hocke, umschubst :-D (Ist schon witzig, jedes andere Pferd im Stall würde einen Rüffel bekommen bei so einer "Respektlosigkeit" und ich kuller lachend auf dem Boden - Kekse gibt es dafür allerdings nicht, sie soll lieber ihr Spielzeug schubsen, ich brech mir sonst noch sämtliche Gräten. :lol: )

Ich hab aber gemerkt, dass es, wie hier schon erwähnt, leichter fällt, wenn man schaut, was dem Pferd eher liegt - ich bin seit Monaten dabei, meiner Lütten zu versuchen klarzumachen, dass sie das Spielzeug mit den Zähnen packen und aufheben soll. Inzwischen kann sie es superschön mit Alfnase hochheben :klatschen: manchmal muss man nehmen was man kriegen kann ;)
Liebe Grüße
Firlefee
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Lewitzer Flummi
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Vorhin gabs in der leicht wärmenden Novembersonne einen Karton kredenzt. Den Lütten hatte ich weg gesperrt.
"Huch, was ist das" *grusel*
Er hat ihn immer mal vorsichtig mit der Nase angetippt, was Clicks und Leckerchen nach sich zog, aber er wurde nicht wirklich kreativer dabei. Also hab ich ihn ein, zwei Leckerchen AUF den Karton gelegt. Die hat er genommen und dann etwas doller in der Mitte des geschlossenen Kartons gerüsselt. Ich habe sehr viele dieser (sich oftmals wiederholenden) Aktionen geclickt und gekekst, aber bis auf ein verlegenes Scharren der Vorderbeine, welches ich nicht bestärken möchte, kam nicht mehr. :?
Okay, immerhin hat er den Karton wahrgenommen und angestubst. Werde es morgen wieder probieren.

Der Lütte hat heute mal eben angeboten das Hüfttarget von Hand kurzerhand auf seitlich gehobene Gerte umzulagern. :shock:
Hab ich gern angenommen, klappt aber natürlich noch nicht zu 100%.

Nachtrag:
Gerade eben habe ich mit Jack noch das Nasentarget probiert. Da scheint es schneller Klick zu machen...
Aber von sich aus, ohne dass Mensch eine Bewegung macht oder etwas sagt (und sei es nur "mach weiter"), passiert seeeehr wenig um nicht zu sagen fast nichts. Introvertiertes Pferd?
Liebe Grüße
Die Flummis

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Und Teil 2: Auf dem Weg zum Reitpferd
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november
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Re: Unterschiedliche Auffassungsgabe

Beitrag von november »

Kann gut sein, dass dein großer ein introvertiertes Pferd ist. Aber auch die kann man aus ihrem Schneckenhaus heraus holen. Meine Pferde bieten von sich aus auch nicht immer etwas an (zumindest nichts Neues). In so einem Fall überlege dir, was du möchtest und wie du es erreichen klannst, möglichst ohne das pferd dahin zu modellieren. Versuche, beim Kinntarget nicht aktiv sein Kinn zu berühren, sondern achte darauf, wie er sich bewegt. Halte deine Hand dahin, wo er bei einer zufälligen Bewegung seinerseits diese berührt. Wenn du ihn berührst geht das zwar auch, aber es ist nicht das selbe. Im ersten fall macht er eine Aktion (wenn auch unbewußt) und darauf folgt eine für ihn angenehme Konsequenz. Im zweiten Fall "erduldet" er etwas. Es ist angenehm, wenn du ihn am Kinn anfasst. Aber das muss noch nicht notwendigerweise dazu führen, dass er die Verknüpfung zu "ich könnte ja mal selber aktiv werden und die Hand mit meinem Kinn berühren" herstellt.
Bei einem Pferd, das so wenig Initiative zeigt, würde ich wirklich darauf achten, dass er etwas tut und dafür den Click bekommt.

Bei meiner Stute habe ich ein ähnliches Problem, allerdings ist die nicht introvertiert, sondern sie pokert. Sie schätzt genau ab, wie wenig sie tun muss, um noch einen Click zu bekommen. Bekommt sie zu wenige Clicks (in ihren Augen), macht sie gar nichts mehr. bei ihr habe ich gemerkt, dass sie bestimmte sachen sehr gerne macht. Mit diesen Vorlieben kann ich sie immer wieder bei Laune halten und Frustration vermeiden. Probiere ruhig ein bißchen rum, was jack Spaß macht und baue das dann immer wieder ein, damit er dahinter kommt, dass CT total Klasse ist. ;)
Little by little, one travels far.
Love, Trust and a little Pixiedust
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