Dominanz(-Training?)

Moderator: Stjern

Axel
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Dominanz(-Training?)

Beitrag von Axel »

Hi zusammen,

hier und da taucht der Begriff "Dominanz" auf. Aus dem Kontext geht nicht heraus hervor, was damit gemeint ist. Was meint ihr nun damit? Ich hoffe, ich stochere damit nicht ein ein Wespennest :ritter:

Eine Begriffsdefinition aus dem Internet:

1.(jemanden/etwas) dominieren jemandes Handeln/den Ablauf von etwas bestimmen

2. jmd dominiert jmdn/etwas jmdn oder etwas so beherrschen, dass man die eigenen Eigenschaften und Vorlieben aufprägt und diejenigen anderer nicht gelten lässt.

Tschüs
Axel
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Cate
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von Cate »

Das Wort "Dominanz" ist immer ein Wespennest ;) , es wird oft so unterschiedlich aufgefaßt :mrgreen:

"Dominanz" im Sinne von Join-up und NHS ist überhaupt nicht meins :nix:, ich persönlich habe schon zuviele schlechte Beispiele gesehen und versuche selber, hauptsächlich mit positiver Verstärkung zu arbeiten.

"Dominanz" im Sinne von (gegenseitigem) Respekt finde ich sehr wichtig, ich erwarte durchaus, dass meine Pferde mich und meinen "Tanzbereich" respektieren, egal ob bei der Arbeit oder beim alltäglichen Umgang im Offenstall, nur so gibt es ein sicheres Miteinander von Mensch und Pferd.
Ich muß das bei meinen Pferden aber nicht bewußt klären, das kommt einfach so (ich bin ja auch überzeugt, der Chef zu sein :kicher:). Mißachtet ein Pferd mich sehr deutlich, gibt es mal einen kurzen Schrei und der Käs' ist wieder gegessen.
Und nein, weder meine eigenen noch die Pensionspferde haben Angst vor mir, sie wissen einfach um ihre Grenzen :nix:
Es ist sinnvoll, sich mit dem Üben anzufreunden, denn man wird weit mehr Zeit mit Üben verbringen als damit, perfekt zu sein - Maren Diehl

Was wir sehen, hängt hauptsächlich davon ab, wonach wir suchen - Sir John Lubbock :puppy: :puppy:
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wiassi
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von wiassi »

Dominanz an sich ist nichts schlechtes, wenn man an die erste von dir genannte Definition denkt.
Dominanz ist aber leider in der Reiterwelt meist ein negativ belegter Begriff im Sinne deiner zweiten Definition, im Sinne von "mein Pferd darf sich nicht mucken, muss immer 100% gehorchen und reagieren". Dieses "Dominieren" ist gleichzusetzen mit unterdrücken und brechen und das hat m.E. nichts in der Pferdeerziehung zu suchen. Auch wenn es zwischen Pferden durchaus vorkommt.

Jede Gewalt hat in der Erziehung nichts zu suchen und Härte nur bedingt in Form von Unnachgiebigkeit bei der Erwiederung von Renitenz. Bei falsch verstandener Dominanz, wird aber oft Härte und Gewalt eingesetzt , um mangelndes Wissen zu übertünchen und eigene Unsicherheiten zu kompensieren. Wenn ich echte Renitenz beim Pferd, die selten, aber durch aus mal vorkommen kann nicht von der sehr viel häufigeren schlichten Unsicherheit, vom Nicht-Verstehen und von in-Angst-erstarren unterscheiden kann, wird Gewalt zum Mittel der Wahl um "es dem Gaul zu zeigen". Ungern und zu oft gesehen bei Verladeaktionen...

Positiv verstehe ich Dominanz, wenn ich in der Beziehung zum Pferd mind. 51% der Karten halte. Wenn ich entscheide, wo es langgeht, wie schnell und wie lange, aber mein Pferd trotzdem eine eigene Meinung, einen Willen haben kann.
Wenn der Grundgehorsam da ist, aber im Mittelpunkt Vertrauen ist. Das erreiche ich bei der Erziehung durch freundlichen, liebevollen Umgang, artgerechte Haltung, klare Angaben, konsequentes Handeln, klare Grenzen und schlicht auch Wissen. Wenn ich nicht weiß, wie ich funktioniere, wie mein Pferd funktioniert und dann beides zusammen bringen soll, kann es nicht zusammen funktionieren. Ebenso, wenn wenn aus Fordern statt fördern überfordern wird.

Mein Pferd "fragt an", ob wir nicht zb eine Gangart schneller können, aber wenn ich verneine soll er das akzeptieren.
Wenn sein Blick sehnsuchtvoll Richtung Gelände geht, dann lasse ich die geplante Platzarbeit schon mal sausen. Wenn er beim absammeln ankommt und sich geradezu aufdrängt, dann schiebe ich schon mal eine Spieleeinheit ein und er geht begeistert brummeln darauf ein. Auf der anderen Seite nutzt er es nicht aus, wenn ich mal eine schwachen Tag habe, wie jetzt am Wochenende mit Migräne. Da kann ich mich trotzdem aufs Pferd setzen und genießen, dass mir der Schritt am langen Zügel den verspannten Rücken lockert und mein Pferd "passt auf mich auf". Da kommt dann kein Mucks von ihm, er ist ultrabrav. Wenn ich keine Zeit zum spielen habe beim absammeln, dann knuddel ich ihn dafür, dass er zu mir gekommen ist, er bekommt auch schon mal ein Leckerlie und dann schicke ich ihn wieder weg.
Mit diesem Pferd verbindet mich eine echte Freundschaft. Die postitive Dominanz ist Teil diese Beziehung.

Ein anderes Beispiel:
Mein Pferd hatte mit der Zeit unterschiedliche Chefs auf der Weide. Einer ein war sehr dominant im ersteren Sinne. Er hat ihn zu Anfang schwer verprügelt und mein Pferd fing in seiner Box an zu zittern, wenn dieses Pferd nur in der Stall geführt wurde. Wenn dieser Chef zur Tränke ging, war meiner weg. Wenn er mit dem Ohr zuckte, war meiner weg...100% Aufmerksamkeit und Gehorsam. Und Angst. Später entspannte es sich etwas, sie galoppierten mal zusammen über die Weide, Aufmerksamkeit und Gehorsam blieben, die Angst wurde weniger, weil der Chef im Grunde berechenbar war.

Später hatte meiner einen Chef, mit dem er befreundet war. Das der andere Chef war, sah man nur in bestimmten situationen, etwa wenn eine Stute dazukam, meiner sich für sie interessierte und der andere kurz feststellte, das wäre seine Stute. Stute?? War da eine Stute????? schlagartig verlor meine jedes Interesse, die Stute existierte nicht mehr für ihn. Rangmäßig war alles geklärt zwischen den Freunden, aber meiner hat den anderen zum Spielen aufgefordert, ihm beim Füttern Heu geklaut, auch wenn er mal angegiftet wurde und sie haben auch hingebungsvoll gerauft.
Wenn ich die Wahl habe, strebe ich das befreundete Chefverhältnis an mit meinem Pferd.

Ich möchte im Falle das Sagen haben, aber ich möchte respektiert und gemocht werden -nicht gefürchtet. Ich möchte eine vertrauensvolle Grundbeziehung, nicht eine, die auf Angst und Furcht begründet ist.


Dieser Herdenchef war sehr sozial, hat auch neue Pferde eher vor der Herde und dem zweiten Chef beschützt und nicht gejagt. Mit diesem zweiten Chef gab es nie eine Auseinandersetzung, sie waren in etwa gleich stark und sind sich aus dem Weg gegangen.

Ich kenne auch Pferde-Reiterbeziehungen, die auf diesem Prinzip des leben-und-leben-lassen funktionieren. Da ist die Dominanz, die Frage wer das Sagen hat nicht geklärt. Aber solange das Pferd das nicht in Frage stellt und der Reiter damit leben kann funktioniert es irgendwie.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

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ehem User

Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von ehem User »

Ich persönlich mag das Wort nicht, weil es in jeder mir bekannten wissenschaftlichen Definition ausschließt, die Meinung des Gegenübers zu hören. Das Gegenteil von Dominanz ist Unterwürfigkeit. Ich möchte genausowenig einen dominanten Chef haben, wie ich mein Pferd dominieren möchte. Auch in der ersten von Axel genannten Definition kommt mir die Gegenseite zu kurz. Deshalb bevorzuge ich Worte wie gegenseitiger Respekt, Vertrauen, kulante Konsequenz (letztere von Herrn Geitner übernommen).
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foxy48
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von foxy48 »

@ wiassi :-d
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Equester
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von Equester »

wiassi hat geschrieben: Positiv verstehe ich Dominanz, wenn ich in der Beziehung zum Pferd mind. 51% der Karten halte. Wenn ich entscheide, wo es langgeht, wie schnell und wie lange, aber mein Pferd trotzdem eine eigene Meinung, einen Willen haben kann.
Wenn der Grundgehorsam da ist, aber im Mittelpunkt Vertrauen ist. Das erreiche ich bei der Erziehung durch freundlichen, liebevollen Umgang, artgerechte Haltung, klare Angaben, konsequentes Handeln, klare Grenzen und schlicht auch Wissen. Wenn ich nicht weiß, wie ich funktioniere, wie mein Pferd funktioniert und dann beides zusammen bringen soll, kann es nicht zusammen funktionieren. Ebenso, wenn wenn aus Fordern statt fördern überfordern wird.
Wow, unglaublich treffend alles Richtige und Wichtige in einen Satz gepackt :hutab: . So ziemlich genau nach diesem Muster klappt das bei uns hervorragend. Bei uns war es allerdings wichtig das Grundvertrauen und nicht den Grundgehorsam zu legen, das erübrigt sich bei uns irgendwie :shy: (oder kann ich das nur nicht auseinander halten? Kann auch sein ;) )
Wie sagte meine ExSB immer so schön? Wenn Du nicht weißt, was Du willst, wie soll Dein Pferd das dann wissen. Also wunder Dich gefälligst nicht, wenn es alleine entscheidet.
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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wiassi
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von wiassi »

Dankeschön! :oops: :oops:
Beides greift ja ineinander, was zuerst kommt ist kompliziert wie "was war zuerst da- Huhn oder Ei..."

Grundgehorsam unterscheide ich von Grundvertrauen deshalb, weil ein Pferd einem voll und ganz vertrauen aber einem ja trotzdem "auf der Nase rumtanzen" kann, wenn der Respekt fehlt. Beispielsweise ein Fohlen, das einen im Spiel ansteigt.
Es hat Urvertrauen aber keinen Respekt. Würde es mir aber bei Gefahr folgen?

Habe ich den Respekt und damit den Grundgehorsam dazu, dann habe ich damit auch die solide Vertrauensbasis, den Vertrauensvorschuß seitens des Pferdes, der sich auf Erfahrung mit mir gründet. An mir ist es dann, dieses nicht zu enttäuschen.
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marjul
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von marjul »

wiassi wunderschön und sehr treffend erklärt, dem kann ich eigentlich nichts hinzufügen.

Allerdings würde ich das alles nicht mit Dominanz in Verbindung bringen.
Ich weiß nicht ob es nur für mich so ist, aber Dominanz ist für mich eigentlich durch und durch negativ besetzt. So etwas wie eine positive Dominanz gibt es in der Form für mich nicht.
Auch schon bei der ersten Definition fühle ich mich unwohl. Jemandes Handeln bestimmen klingt für mich immer noch unangenehm. :nix: Ich muss sagen ich bin da aber auch empfindlich und bevorzuge Kuschelworte. :shy:
Das was du, wiassi so treffend beschrieben hast würde ich, wie auch Jarit, deine Worte eher als Respekt bezeichnen. Man kann auch sagen positive Dominanz ist für mich Respekt (vielleicht auch Wortklauberei :shy: ).
LG Julia

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Hina_DK
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von Hina_DK »

marjul hat geschrieben:Ich weiß nicht ob es nur für mich so ist, aber Dominanz ist für mich eigentlich durch und durch negativ besetzt. So etwas wie eine positive Dominanz gibt es in der Form für mich nicht.
;) Setz Dich nicht so unter Druck. Es gibt auch sehr positive Dominanz, z.B. wenn Du züchten willst. Es gibt dominante Gene und wenn man mit diesen Tieren, die vielleicht eine ganz besonders tolle Farbe haben züchtet, dann hat man ganz sicher einen Volltreffer :) . Alleine an diesem Beispiel siehst Du, wie vielfältig das Wort Dominanz ist. Leider wird es nur vermehrt in negativen Zusammenhängen gebraucht aber davon muss man sich ja nicht immer gleich beeinflussen lassen, sondern kann sich auch mal ganz in Ruhe sachkundig machen, um selbst von dem oberflächlichen und unüberlegten Gebrauch des Wortes wegzukommen. Dann braucht man nicht immer gleich Bauchschmerzen zu bekommen alles mit Kuschelworten ersetzen ;).
Viele Grüße
Hina

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marjul
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Re: Dominanz(-Training?)

Beitrag von marjul »

Ok ja, diese Dominanz kenne ich auch. :frech: In der Hinsicht weiß ich schon, dass Dominanz auch positiv besetzt sein kann.
Im Pferdetraining empfinde ich das Wort aber wirklich durch und durch negativ. Ich bin da einfach empfindlich. :shy:
Und ich mach das auch gar nicht bewusst, ich kann Dominanz nur einfach nicht positiv besetzen. :nix:
Für mich ist die Definition, die ich für Dominanz habe einfach eine andere. Das was ihr definiert habt würde ich als Respekt bezeichnen. Das Wort ist für misch schön und positiv besetzt, hat eine schönere Definition und passt für mich besser auf das, was ihr vorher geschrieben habt.
Ich muss das Wort ja einfach nicht benutzen, wenn ich es immer so negativ im Kopf habe. :shy:
LG Julia

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