Wege aus dem Nein
Moderator: Keshia
Wege aus dem Nein
Inspiriert durch eine Diskussion in Birgits Tagebuch möchte ich ein bisschen über Pia erzählen. Mein Punkt wird sein, dass es für uns funktioniert hat, bei einem Dagegengehen des Pferdes nie auf meinem Plan zu beharren, sondern dem Pferd zu signalisieren, dass es die Situation jederzeit beenden kann. Ich möchte damit nicht argumentieren, dass man das so machen muss oder soll - für verschiedene Menschen funktionieren ganz unterschiedliche Dinge gut. Auch möchte ich nicht argumentieren, dass ein Beharren oder Durchsetzen schlecht ist. Ich möchte nur eine Alternative transparent machen, weil ich aus der Diskussion herauslese, dass Beharren oder Durchsetzen alternativlos sei. Und da ich meinem kleinen Pony so dankbar bin, dass es mich da andere Erfahrungen hat machen lassen, möchte ich die gern teilen.
Ich habe Pia 2008 zweieinhalbjährig übernommen und sie war allergisch darauf, sich eingeengt oder gezwungen zu fühlen. Wenn sie das tat, dann ist sie dagegen gegangen als ginge es um ihr Leben. Ich hatte sie nun aber gekauft, sie stand noch beim Züchter (meinem Sommerkoppel-Nachbarn) und es war klar, dass wir in absehbarer Zeit auf unsere Winterkoppeln umziehen müssen, was ein Spaziergang von zehn Kilometern ist. Das Pony musste also schnellstmöglich halfterführig werden (zumindest für diesen einen Spaziergang, danach würde sie nie wieder ein Halfter tragen). Nun war es aber so, dass sie, sobald ich das Halfter festhielt, sofort in die Luft ging. Also haben wir angefangen, dass ich neben ihr saß und das Halfter zunächst mit dem Strickende antippen durfte, mich bis zum Ring vorarbeitete und dann das Strickende ungefähr 5 cm in den Ring legte. Das wurde mit Steigen quittiert, aber bei 5 cm war sie ja sofort frei. Beim nächsten Versuch war sie schon weniger heftig. Wir haben uns dann Zentimeter für Zentimeter vorgearbeitet - also ich hab den Strick immer weiter in den Ring gelegt und so dauerte es jedes Mal ein bisschen länger, sich zu befreien. Aber es ging immer. Und dann ist das passiert, was ich seither wieder und wieder erlebt habe: sich zu befreien schien immer unnötiger zu werden - es war ja klar, dass es funktioniert. Ein paar Tage später konnten wir bereits am Strick über die Koppel gehen und das Spiel wiederholte sich: nachdem sie merkte, dass sie sich jederzeit befreien kann, schien die Notwendigkeit dafür zu verschwinden. Der Umzug lief dann völlig ohne Probleme.
Seither haben wir das gleiche Muster in verschiedensten Situationen wieder und wieder erlebt. Pia will nicht alleine von der Koppel weg, sondern bereits nach ein paar Metern wieder umdrehen? Prima, machen wir das. Und gehen dann erneut los und gleich wieder zurück, so dass unsere Spaziergänge manchmal ein einziges Zickzack waren. Manchmal sind wir mehr als 10x losgegangen und wieder umgedreht. Wir haben dafür gesorgt, dass Richtung ein komplett irrelevantes Konzept wird, weil wir IMMER sofort umkehren. Hab ich versucht, immer ein ganz winziges bisschen über die Grenze ihrer Komfortzone zu gehen? Nein, im Gegenteil. Ich habe versucht, das Umkehren schon vorzuschlagen, bevor sie von selbst stehenbleibt. Das hatte einen lustigen Effekt, weil sie irgendwann regelrecht genervt wirkte, dass ich immer umdrehen will. Hey, wir sind doch noch gar nicht richtig losgegangen! Das wiederum führte dazu, dass sie sich irgendwann aktiv weigerte, in Richtung nach Hause umzudrehen. So fing es an, dass Pia mich auf Spaziergänge mitnimmt.
Das alles scheint ewig lang her zu sein, aber dieses Pony hat damals vor 15 Jahren meinen Umgang mit Pferden (und Menschen!) so nachhaltig umgekrempelt, dass ich auch jetzt noch jeden Tag davon profitiere. Momentan bereichern unser Team zwei junge Araber, beide sind einjährig zu uns gekommen und sind jetzt drei und fünf Jahre alt. Aahnuu ist ein absoluter Sonnenschein, aber Maymun... ich weiß nicht, wie unser Leben ohne die Pia-Lektionen jetzt aussehen würde. Mit den Pia-Lektionen ist er mittlerweile ein wunderbar selbstbewusstes und gelassenes Geländepferd - nicht obwohl, sondern WEIL ich mich darum bemüht habe, nie über seine Grenzen zu gehen. In meiner Erfahrung engt das unseren Bewegungsspielraum nicht ein, sondern erweitert ihn - wer sich durch Einwilligung nicht in Gefahr begibt, da nicht mehr rauszukommen, dem fällt Einwilligen scheinbar leichter. Und wenn es ein Nein meinerseits im Normalfall nicht gibt, dann kann ein Ausnahmefall-Nein meinerseits sehr leise sein und hat trotzdem massive Wirkung.
Mich würden eure Geschichten interessieren. In welchen Situationen habt ihr erlebt, dass ein Nicht-Beharren dazu führt, dass sich Grenzen verschieben? Welche Faktoren bestimmen eurer Erfahrung nach, ob ein Nicht-Beharren den Möglichkeitsspielraum einschränkt oder erweitert? Und allgemeiner: gibt es Situationen, in denen ihr ein potentiell gefährliches Verhalten zunächst zulasst, um es dadurch langfristig und nachhaltig zu beseitigen?
Ich habe Pia 2008 zweieinhalbjährig übernommen und sie war allergisch darauf, sich eingeengt oder gezwungen zu fühlen. Wenn sie das tat, dann ist sie dagegen gegangen als ginge es um ihr Leben. Ich hatte sie nun aber gekauft, sie stand noch beim Züchter (meinem Sommerkoppel-Nachbarn) und es war klar, dass wir in absehbarer Zeit auf unsere Winterkoppeln umziehen müssen, was ein Spaziergang von zehn Kilometern ist. Das Pony musste also schnellstmöglich halfterführig werden (zumindest für diesen einen Spaziergang, danach würde sie nie wieder ein Halfter tragen). Nun war es aber so, dass sie, sobald ich das Halfter festhielt, sofort in die Luft ging. Also haben wir angefangen, dass ich neben ihr saß und das Halfter zunächst mit dem Strickende antippen durfte, mich bis zum Ring vorarbeitete und dann das Strickende ungefähr 5 cm in den Ring legte. Das wurde mit Steigen quittiert, aber bei 5 cm war sie ja sofort frei. Beim nächsten Versuch war sie schon weniger heftig. Wir haben uns dann Zentimeter für Zentimeter vorgearbeitet - also ich hab den Strick immer weiter in den Ring gelegt und so dauerte es jedes Mal ein bisschen länger, sich zu befreien. Aber es ging immer. Und dann ist das passiert, was ich seither wieder und wieder erlebt habe: sich zu befreien schien immer unnötiger zu werden - es war ja klar, dass es funktioniert. Ein paar Tage später konnten wir bereits am Strick über die Koppel gehen und das Spiel wiederholte sich: nachdem sie merkte, dass sie sich jederzeit befreien kann, schien die Notwendigkeit dafür zu verschwinden. Der Umzug lief dann völlig ohne Probleme.
Seither haben wir das gleiche Muster in verschiedensten Situationen wieder und wieder erlebt. Pia will nicht alleine von der Koppel weg, sondern bereits nach ein paar Metern wieder umdrehen? Prima, machen wir das. Und gehen dann erneut los und gleich wieder zurück, so dass unsere Spaziergänge manchmal ein einziges Zickzack waren. Manchmal sind wir mehr als 10x losgegangen und wieder umgedreht. Wir haben dafür gesorgt, dass Richtung ein komplett irrelevantes Konzept wird, weil wir IMMER sofort umkehren. Hab ich versucht, immer ein ganz winziges bisschen über die Grenze ihrer Komfortzone zu gehen? Nein, im Gegenteil. Ich habe versucht, das Umkehren schon vorzuschlagen, bevor sie von selbst stehenbleibt. Das hatte einen lustigen Effekt, weil sie irgendwann regelrecht genervt wirkte, dass ich immer umdrehen will. Hey, wir sind doch noch gar nicht richtig losgegangen! Das wiederum führte dazu, dass sie sich irgendwann aktiv weigerte, in Richtung nach Hause umzudrehen. So fing es an, dass Pia mich auf Spaziergänge mitnimmt.
Das alles scheint ewig lang her zu sein, aber dieses Pony hat damals vor 15 Jahren meinen Umgang mit Pferden (und Menschen!) so nachhaltig umgekrempelt, dass ich auch jetzt noch jeden Tag davon profitiere. Momentan bereichern unser Team zwei junge Araber, beide sind einjährig zu uns gekommen und sind jetzt drei und fünf Jahre alt. Aahnuu ist ein absoluter Sonnenschein, aber Maymun... ich weiß nicht, wie unser Leben ohne die Pia-Lektionen jetzt aussehen würde. Mit den Pia-Lektionen ist er mittlerweile ein wunderbar selbstbewusstes und gelassenes Geländepferd - nicht obwohl, sondern WEIL ich mich darum bemüht habe, nie über seine Grenzen zu gehen. In meiner Erfahrung engt das unseren Bewegungsspielraum nicht ein, sondern erweitert ihn - wer sich durch Einwilligung nicht in Gefahr begibt, da nicht mehr rauszukommen, dem fällt Einwilligen scheinbar leichter. Und wenn es ein Nein meinerseits im Normalfall nicht gibt, dann kann ein Ausnahmefall-Nein meinerseits sehr leise sein und hat trotzdem massive Wirkung.
Mich würden eure Geschichten interessieren. In welchen Situationen habt ihr erlebt, dass ein Nicht-Beharren dazu führt, dass sich Grenzen verschieben? Welche Faktoren bestimmen eurer Erfahrung nach, ob ein Nicht-Beharren den Möglichkeitsspielraum einschränkt oder erweitert? Und allgemeiner: gibt es Situationen, in denen ihr ein potentiell gefährliches Verhalten zunächst zulasst, um es dadurch langfristig und nachhaltig zu beseitigen?
Re: Wege aus dem Nein
So richtig gefährliche Situationen hatte ich mit zum Glück noch nie....
Aber eine Geschichte fällt mir ein. Die Ex Besi von meinem Dustin hat ihn immer genötigt, durch Pfützen zu laufen, was er nie wollte. Aber sie bestand darauf, als eine Lektion in "Gehorsamkeit". Als Dustin dann mir gehörte, war es mir, ehrlich gesagt, völlig schnurz, ob er durch Pfützen geht oder nicht. Und ich hab ihn nie dazu genötigt, sondern hab ihn immer drum rum gehen lassen, so wie er es wollte. Und eines Tages ist er ganz normal und ohne Nötigung durch ne Pfütze gelaufen. Einfach so.
Seitdem ist er mal durch gelaufen und mal nicht. Es war uns nicht wichtig.
Aber eine Geschichte fällt mir ein. Die Ex Besi von meinem Dustin hat ihn immer genötigt, durch Pfützen zu laufen, was er nie wollte. Aber sie bestand darauf, als eine Lektion in "Gehorsamkeit". Als Dustin dann mir gehörte, war es mir, ehrlich gesagt, völlig schnurz, ob er durch Pfützen geht oder nicht. Und ich hab ihn nie dazu genötigt, sondern hab ihn immer drum rum gehen lassen, so wie er es wollte. Und eines Tages ist er ganz normal und ohne Nötigung durch ne Pfütze gelaufen. Einfach so.
Seitdem ist er mal durch gelaufen und mal nicht. Es war uns nicht wichtig.
Nicht müde werden,
sondern,
dem Wunder leise,
wie einem Vogel,
die Hand hin halten.
sondern,
dem Wunder leise,
wie einem Vogel,
die Hand hin halten.
Re: Wege aus dem Nein
Ich glaube, wenn man es ihnen richtig erklärt, dann kommt man damit auch weit.
Ob man es ihnen wort wörtlich sagt oder heute ein Ziel hat und dieses über kleine Umwege, die das Pferd dann aber auch mitgeht, erreicht, ist egal.
Sie müssen es verstehen und man muss sie auf seine Seite holen. Bei Umwegen sind sie dann auch mal selber überrascht, dass sie jetzt doch das machen, was man von ihnen wollte. Die Nasen.
Ist wie bei uns Menschen. Wie man in den Wald hineinruft... oder: Die Nachricht entsteht beim Empfänger.
Das passt auch zu Tieren. Ob Hund oder Pferd oder was auch immer.
Und ja, Pferde dürfen Nein sagen, finde ich auch wichtig. Allerdings merkt man meist vor dem Nein schon, dass was nicht stimmt.
Ob man es ihnen wort wörtlich sagt oder heute ein Ziel hat und dieses über kleine Umwege, die das Pferd dann aber auch mitgeht, erreicht, ist egal.
Sie müssen es verstehen und man muss sie auf seine Seite holen. Bei Umwegen sind sie dann auch mal selber überrascht, dass sie jetzt doch das machen, was man von ihnen wollte. Die Nasen.
Ist wie bei uns Menschen. Wie man in den Wald hineinruft... oder: Die Nachricht entsteht beim Empfänger.
Das passt auch zu Tieren. Ob Hund oder Pferd oder was auch immer.
Und ja, Pferde dürfen Nein sagen, finde ich auch wichtig. Allerdings merkt man meist vor dem Nein schon, dass was nicht stimmt.
That's the way the cookie crumbles
Re: Wege aus dem Nein
Dankeschön Romy!Romy hat geschrieben: ↑Fr 1. Nov 2024, 20:15 Inspiriert durch eine Diskussion in Birgits Tagebuch möchte ich ein bisschen über Pia erzählen. Mein Punkt wird sein, dass es für uns funktioniert hat, bei einem Dagegengehen des Pferdes nie auf meinem Plan zu beharren, sondern dem Pferd zu signalisieren, dass es die Situation jederzeit beenden kann. Ich möchte damit nicht argumentieren, dass man das so machen muss oder soll - für verschiedene Menschen funktionieren ganz unterschiedliche Dinge gut. Auch möchte ich nicht argumentieren, dass ein Beharren oder Durchsetzen schlecht ist. Ich möchte nur eine Alternative transparent machen, weil ich aus der Diskussion herauslese, dass Beharren oder Durchsetzen alternativlos sei. Und da ich meinem kleinen Pony so dankbar bin, dass es mich da andere Erfahrungen hat machen lassen, möchte ich die gern teilen.
Ich habe Pia 2008 zweieinhalbjährig übernommen und sie war allergisch darauf, sich eingeengt oder gezwungen zu fühlen. Wenn sie das tat, dann ist sie dagegen gegangen als ginge es um ihr Leben. Ich hatte sie nun aber gekauft, sie stand noch beim Züchter (meinem Sommerkoppel-Nachbarn) und es war klar, dass wir in absehbarer Zeit auf unsere Winterkoppeln umziehen müssen, was ein Spaziergang von zehn Kilometern ist. Das Pony musste also schnellstmöglich halfterführig werden (zumindest für diesen einen Spaziergang, danach würde sie nie wieder ein Halfter tragen). Nun war es aber so, dass sie, sobald ich das Halfter festhielt, sofort in die Luft ging. Also haben wir angefangen, dass ich neben ihr saß und das Halfter zunächst mit dem Strickende antippen durfte, mich bis zum Ring vorarbeitete und dann das Strickende ungefähr 5 cm in den Ring legte. Das wurde mit Steigen quittiert, aber bei 5 cm war sie ja sofort frei. Beim nächsten Versuch war sie schon weniger heftig. Wir haben uns dann Zentimeter für Zentimeter vorgearbeitet - also ich hab den Strick immer weiter in den Ring gelegt und so dauerte es jedes Mal ein bisschen länger, sich zu befreien. Aber es ging immer. Und dann ist das passiert, was ich seither wieder und wieder erlebt habe: sich zu befreien schien immer unnötiger zu werden - es war ja klar, dass es funktioniert. Ein paar Tage später konnten wir bereits am Strick über die Koppel gehen und das Spiel wiederholte sich: nachdem sie merkte, dass sie sich jederzeit befreien kann, schien die Notwendigkeit dafür zu verschwinden. Der Umzug lief dann völlig ohne Probleme.
Seither haben wir das gleiche Muster in verschiedensten Situationen wieder und wieder erlebt. Pia will nicht alleine von der Koppel weg, sondern bereits nach ein paar Metern wieder umdrehen? Prima, machen wir das. Und gehen dann erneut los und gleich wieder zurück, so dass unsere Spaziergänge manchmal ein einziges Zickzack waren. Manchmal sind wir mehr als 10x losgegangen und wieder umgedreht. Wir haben dafür gesorgt, dass Richtung ein komplett irrelevantes Konzept wird, weil wir IMMER sofort umkehren. Hab ich versucht, immer ein ganz winziges bisschen über die Grenze ihrer Komfortzone zu gehen? Nein, im Gegenteil. Ich habe versucht, das Umkehren schon vorzuschlagen, bevor sie von selbst stehenbleibt. Das hatte einen lustigen Effekt, weil sie irgendwann regelrecht genervt wirkte, dass ich immer umdrehen will. Hey, wir sind doch noch gar nicht richtig losgegangen! Das wiederum führte dazu, dass sie sich irgendwann aktiv weigerte, in Richtung nach Hause umzudrehen. So fing es an, dass Pia mich auf Spaziergänge mitnimmt.
Das alles scheint ewig lang her zu sein, aber dieses Pony hat damals vor 15 Jahren meinen Umgang mit Pferden (und Menschen!) so nachhaltig umgekrempelt, dass ich auch jetzt noch jeden Tag davon profitiere. Momentan bereichern unser Team zwei junge Araber, beide sind einjährig zu uns gekommen und sind jetzt drei und fünf Jahre alt. Aahnuu ist ein absoluter Sonnenschein, aber Maymun... ich weiß nicht, wie unser Leben ohne die Pia-Lektionen jetzt aussehen würde. Mit den Pia-Lektionen ist er mittlerweile ein wunderbar selbstbewusstes und gelassenes Geländepferd - nicht obwohl, sondern WEIL ich mich darum bemüht habe, nie über seine Grenzen zu gehen. In meiner Erfahrung engt das unseren Bewegungsspielraum nicht ein, sondern erweitert ihn - wer sich durch Einwilligung nicht in Gefahr begibt, da nicht mehr rauszukommen, dem fällt Einwilligen scheinbar leichter. Und wenn es ein Nein meinerseits im Normalfall nicht gibt, dann kann ein Ausnahmefall-Nein meinerseits sehr leise sein und hat trotzdem massive Wirkung.
Mich würden eure Geschichten interessieren. In welchen Situationen habt ihr erlebt, dass ein Nicht-Beharren dazu führt, dass sich Grenzen verschieben? Welche Faktoren bestimmen eurer Erfahrung nach, ob ein Nicht-Beharren den Möglichkeitsspielraum einschränkt oder erweitert? Und allgemeiner: gibt es Situationen, in denen ihr ein potentiell gefährliches Verhalten zunächst zulasst, um es dadurch langfristig und nachhaltig zu beseitigen?
grüßele anouk
Re: Wege aus dem Nein
War es denn ein Nicht- Beharren? So wie du schreibst, hast du doch beharrlich immer wieder erst gefragt: "Kannst du das Gefühl des Stricks am Halfter ertragen? "
Und wenn als Antwort kam "nein" hast du erneut gefragt: "kannst du das Gefühl des Stricks am Halfter jetzt ertragen?"So lange immer wieder, bis die Antwort ja war.
Und dann hast du gefragt: Können wir diesen Weg gemeinsam in diese Richtung gehen? Und wenn die Antwort nein war und ihr wieder am Ausgangspunkt warst, hast du erneut freundlich gefragt, bis die Antwort irgendwann ja war.
Klingt für mich wie Equesters "freundlich nerven", nur das ihre Frage lautet: kannst du bitte langsam traben? Und seine Antwort zur Zeit noch: "nein, ich kann nur rennen"
Und wenn sie freundlich erneut fragt, lautet seine Antwort: geht nicht, ich kann nur rennen, und weil du nochmal gefragt hast, massregel ich dich jetzt ( meine Interpretation, weil sie irgendwo schrieb: hat versucht, mich zu beissen. )
Und jetzt fragt sie nach Ideen, wie sie ihre freundliche Frage so stellen kann, dass das Pferd eine andere Antwort in Erwägung ziehen kann, bzw auf die Idee kommt, dass auch andere Anworten möglich sind.
Und wenn als Antwort kam "nein" hast du erneut gefragt: "kannst du das Gefühl des Stricks am Halfter jetzt ertragen?"So lange immer wieder, bis die Antwort ja war.
Und dann hast du gefragt: Können wir diesen Weg gemeinsam in diese Richtung gehen? Und wenn die Antwort nein war und ihr wieder am Ausgangspunkt warst, hast du erneut freundlich gefragt, bis die Antwort irgendwann ja war.
Klingt für mich wie Equesters "freundlich nerven", nur das ihre Frage lautet: kannst du bitte langsam traben? Und seine Antwort zur Zeit noch: "nein, ich kann nur rennen"
Und wenn sie freundlich erneut fragt, lautet seine Antwort: geht nicht, ich kann nur rennen, und weil du nochmal gefragt hast, massregel ich dich jetzt ( meine Interpretation, weil sie irgendwo schrieb: hat versucht, mich zu beissen. )
Und jetzt fragt sie nach Ideen, wie sie ihre freundliche Frage so stellen kann, dass das Pferd eine andere Antwort in Erwägung ziehen kann, bzw auf die Idee kommt, dass auch andere Anworten möglich sind.
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
Re: Wege aus dem Nein
Ich kann und will nicht diskutieren, was Birgit tut oder nicht tut. Ich war weder dabei noch fühle ich mich aufgrund von Forenbeiträgen bewertungskompetent. Ich kann nur über meine eigenen Erfahrungen schreiben und kann dazu sagen, dass bei uns Wutanfälle nicht vorkommen, beziehungsweise wenn sie im Keim aufkommen, ich keine Reibungsfläche biete. Ein ehemaliges Koppelkind hat es mal als "wie Wasser sein" beschrieben und das trifft es in meiner Wahrnehmung gut. Wer es so wahrnimmt, dass die Pia- und Midas-Geschichten genau die gleiche Art des Reagierens auf ein Verhalten des Pferdes ist, der hat bestimmt auf seine Weise recht. Wer differenzieren möchte, kann das tun. Ich lege nur eine Geschichte aufs Buffet - ob der Leser die aufnimmt und was er damit macht, ist ihm überlassen.
Re: Wege aus dem Nein
Wie würdest denn du diese Frage stellen, bzw was würdest du ändern, wenn die Antwort nein wäre?
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
Re: Wege aus dem Nein
Eine Frage nach langsamem Traben? Bevor ich meine Pferde nach Trab frage, haben wir geübt, in allen Variationen zwischen Schritt und Stand meine Körpersprache zu spiegeln. Dann kann ich also neben dem Pferd laufen, verschnellern, verlangsamen, anhalten etc. und das Pferd macht das ohne Strick-Kontakt mit. Wenn das sicher klappt und das Pferd wie mein Schatten läuft, frage ich nach einem oder zwei Trab-Schritten und halte sofort wieder an. Bevor wir also am Stück traben, hat das Pferd bereits gelernt (a) im Schritt meine Tempo-Variation mitzugehen und (b) aus dem Antraben direkt wieder in den Schritt zu gehen. Das steigern wir dann immer mehr, also ich frage nicht nach Trabrunden in Entfernung von mir, sondern nach 1, 2, 3, 4... Trabschritten neben mir. Funktioniert diese Tempo-Regulation neben mir sicher, können wir den Abstand vergrößern. Generell baue ich so ziemlich alles aus Mikrokommunikation über Körpersprache auf. Gas geben würde ich mich erst trauen, wenn die Bremse sicher funktioniert.
Wenn das Problem nicht die Temporegulation an sich ist, sondern ein Schnellwerden auf gebogenen Linien (zum Beispiel aufgrund eines Balance-Problems, das ich bei einem neuen Pferd ohne systematische Arbeit seitens des Vorbesitzers durchaus als Möglichkeit in Betracht ziehen würde), dann fange ich mit Gymnastik-Sachen im Schritt an, bevor ich nach Trab auf gebogenen Linien frage. Und die gebogenen Linien im Trab baue ich dann auch Schritt für Schritt aus dem Geradeauslaufen mit ein.
Insgesamt ist es bei uns allerdings so, dass wir keine feststehenden Aktivitäten haben wie zum Beispiel "Longieren" oder "Trab an der Longe", sondern alles was wir tun sind graduelle Variationen des gemeinsamen Laufens, also Variationen in Eigenschaften wie Tempo, Richtung, Biegung und so weiter.
Deine Frage nach dem Nein hab ich nicht überlesen, aber weiß nicht so recht, wo ich sie in diesem Konzept des graduellen Abwandelns von funktionierenden Dingen verorten soll. Da geht es mir wie Riff: ein Nein kommt bei sowas in unserer Interaktion eher nicht auf, weil es sich lange vorher ankündigt. Und wie wir das dann zu einem Ja umformen, hängt ganz davon ab, welcher Bewegungsaspekt gerade schwierig ist und warum der schwierig ist. Dieses Warum beantworte ich persönlich lieber nicht mit "das Pferd ist bisher damit durchgekommen", sondern versuche, dafür zu sorgen, dass das Pferd keinen Grund hat, mit irgendwas durchkommen zu wollen - beziehungsweise wenn es das will, dass das dann auch klappt (siehe Eingangsbeitrag).
Re: Wege aus dem Nein
Danke für die ausführliche Antwort. Jetzt verstehe ich besser.
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
Re: Wege aus dem Nein
Um auf deine Ursprüngliche Frage zu antworten, ob ein Nicht-beharren den Möglichkeitsspielraum einschränkt: Ja,bei uns tut es das. Massiv. Und auch wenn es die einzig richtige Entscheidung war und auch wenn ich mich damit abgefunden habe, dass das bei uns so ist und sich auch nicht mehr ändern wird, macht es mich immer wieder mal traurig, denn die kurze Zeit, in der wir gemeinsam die Welt erobert haben und Abenteuer erlebt durften, war wunderschön.
Mein Junior hat seit dem 5ten Lebensjahr stressbedingte (nicht nur, ua Licht und Rapsblüte spielen auch eine Rolle) Trigeminusschmerzen. Und ja, wir haben tierärztlich alles abklären lassen, was ging. Und wir haben schulmedizinisch und alternativmedizinisch in 6 Jahren so ziemlich alles durchprobiert, was hätte helfen können, aber nicht geholfen hat. Und sind dabei in eine dermaßene Negativspirale geraten, dass er zum Schluss schon massive Symptome zeigte, wenn er mich freilaufend begleitet hat, als ich den Koppelzaun abgelaufen bin um ihn zu kontrollieren. Ich hatte zum Schluss schon Schiss, ihn anzuschauen oder anzusprechen, aus Angst, wieder einen Anfall auszulösen. Und ich bin mir sicher, seine massive Vermeidungspraxis entstand aus der Angst vor Schmerzen. Bis Göga und ich entschieden haben, er wird ein "So da" Pferd. Keine weiteren Behandlungsversuche, ihn komplett ignorieren, es sei denn, er bietet etwas an. Solange, wie es ethisch vertretbar ist. Ignorieren, dass es für ihn besser wäre, wenn er mehr Bewegung hätte, für die Lunge und fürs Gewicht. Nicht drüber nachdenken, "was wäre wenn" und ich kann ihn nicht mal halftern, geschweige denn vom Gelände holen oder sogar transportieren. Unser Gelände ist so eingerichtet, dass alle Abläufe ohne Halfter, Strick oder anfassen möglich sind. Und dieses Gelände hat er seit Jahren nicht mehr verlassen.
Was ich persönlich sehr bedauere: seine Krankheit schränkt auch das Leben seiner Mädels ein. Die dürfen das Gelände ebenfalls nicht verlassen, beim letzten Versuch vor einigen Jahren (da wollte der Tierarzt das Pony geradeaus auf hartem Boden traben sehen und das geht nur auf dem gut einsehbaren 2 m neben dem Koppelzaun existierenden asphaltierten Feldweg) war er innerhalb von weniger als 10 min schäumend schweissnass, heiser vom Brüllen und hatte Symptome zum Heulen) Also gehen auch die Mädels nicht mehr spazieren. Zum Glück nehmen die das sehr gelassen und scheinen dss Leben auch so zu genießen.
Wenn es ihm auf der Weide zu hell ist, holt er die Mädels so lange mit in den Stall, bis sie mit ihm dort bleiben. Inzwischen kommen sie gleich mit.
Jetzt hat er seit einigen Jahren keine massiven Symptome mehr gezeigt. Ab und zu noch ein Stressschnauben, mehr nicht. Und ich glaube, er ist zufrieden mit seinem Leben, so, wie es ist. Wir verbringen gemeinsame Qualitätszeit einfach nur beobachtend oder im Zusammensein. Und das geniesse ich und will ich auch nicht missen.
Ich kann an guten Tagen wieder halftern oder Hufe bearbeiten und auch putzen ist meist wieder möglich.
Aber auch wenn " Nicht-Beharren" die einzig richtige Entscheidung und für uns auch die letzte Alternative vor der Euthanasie war, trauere ich unserem Spass bei der Freiarbeit und den Spaziergängen vor seiner Erkrankung manchmal nach.
Mein Junior hat seit dem 5ten Lebensjahr stressbedingte (nicht nur, ua Licht und Rapsblüte spielen auch eine Rolle) Trigeminusschmerzen. Und ja, wir haben tierärztlich alles abklären lassen, was ging. Und wir haben schulmedizinisch und alternativmedizinisch in 6 Jahren so ziemlich alles durchprobiert, was hätte helfen können, aber nicht geholfen hat. Und sind dabei in eine dermaßene Negativspirale geraten, dass er zum Schluss schon massive Symptome zeigte, wenn er mich freilaufend begleitet hat, als ich den Koppelzaun abgelaufen bin um ihn zu kontrollieren. Ich hatte zum Schluss schon Schiss, ihn anzuschauen oder anzusprechen, aus Angst, wieder einen Anfall auszulösen. Und ich bin mir sicher, seine massive Vermeidungspraxis entstand aus der Angst vor Schmerzen. Bis Göga und ich entschieden haben, er wird ein "So da" Pferd. Keine weiteren Behandlungsversuche, ihn komplett ignorieren, es sei denn, er bietet etwas an. Solange, wie es ethisch vertretbar ist. Ignorieren, dass es für ihn besser wäre, wenn er mehr Bewegung hätte, für die Lunge und fürs Gewicht. Nicht drüber nachdenken, "was wäre wenn" und ich kann ihn nicht mal halftern, geschweige denn vom Gelände holen oder sogar transportieren. Unser Gelände ist so eingerichtet, dass alle Abläufe ohne Halfter, Strick oder anfassen möglich sind. Und dieses Gelände hat er seit Jahren nicht mehr verlassen.
Was ich persönlich sehr bedauere: seine Krankheit schränkt auch das Leben seiner Mädels ein. Die dürfen das Gelände ebenfalls nicht verlassen, beim letzten Versuch vor einigen Jahren (da wollte der Tierarzt das Pony geradeaus auf hartem Boden traben sehen und das geht nur auf dem gut einsehbaren 2 m neben dem Koppelzaun existierenden asphaltierten Feldweg) war er innerhalb von weniger als 10 min schäumend schweissnass, heiser vom Brüllen und hatte Symptome zum Heulen) Also gehen auch die Mädels nicht mehr spazieren. Zum Glück nehmen die das sehr gelassen und scheinen dss Leben auch so zu genießen.
Wenn es ihm auf der Weide zu hell ist, holt er die Mädels so lange mit in den Stall, bis sie mit ihm dort bleiben. Inzwischen kommen sie gleich mit.
Jetzt hat er seit einigen Jahren keine massiven Symptome mehr gezeigt. Ab und zu noch ein Stressschnauben, mehr nicht. Und ich glaube, er ist zufrieden mit seinem Leben, so, wie es ist. Wir verbringen gemeinsame Qualitätszeit einfach nur beobachtend oder im Zusammensein. Und das geniesse ich und will ich auch nicht missen.
Ich kann an guten Tagen wieder halftern oder Hufe bearbeiten und auch putzen ist meist wieder möglich.
Aber auch wenn " Nicht-Beharren" die einzig richtige Entscheidung und für uns auch die letzte Alternative vor der Euthanasie war, trauere ich unserem Spass bei der Freiarbeit und den Spaziergängen vor seiner Erkrankung manchmal nach.
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.